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Und er schuf sie, ein Männlein und Fräulein,
und sprach zu ihnen: Wachset und mehret Euch.
(1. Mose, 1, 27-28)
Das Zölibat ist eine der miserabelsten Leistungen, die das Christentum gezeitigt; einer der unglücklichsten Gedanken, die je in eines Menschen Hirn entstanden; mit Recht weiß man nie: heißt es der, die oder das Zölibat; es ist weder männlich noch weiblich; es ist ein gräßliches Neutrum; ursprünglich, zugegeben, aus einer idealen Forderung entsprungen, hat es in seinen Folgen Millionen von Menschen unglücklich gemacht, zerrüttet, degeneriert, zertreten. Das Zölibat ist der indische Wagen von Jagernaut in's Abendländische übersetzt, unter dessen Walzen sich Tausende zu Ehren des Götzen zerquetschen lassen: die Ehre der Gottheit mit dem Tod des Anbeters erkauft.
Es wäre überflüssig hier, die Entstehung und Fortbildung des Zölibats aus den sittlichen und asketischen Anschauungen der ältesten christlichen und orientalischen Lehren vorzuführen. Wir leben nicht im Orient, auch nicht in Süd-Italien. Wir leben in Deutschland. Und die deutsche Sittlichkeit richtete sich unseres Erachtens auch beim Geistlichen nach der Anatomie und Physiologie des deutschen Körpers. Wer darüber hinaus kann, mag ein sehr findiger Pfaffe, sogar ein Papst sein; ein Deutscher ist er nicht.
Der Träger der zölibatären Anschauungen war ursprünglich das Mönchstum. Diese Art des beschaulichen Lebens stammt aus dem Orient, einem Klima, wo die Übung der Insichselbst-Versenkung dem Gemeinwesen keine Kosten verursacht, und wo Mäßigkeit und Einfachheit durch die Natur selbst vorgeschrieben sind. Die altchristliche Lehre der Selbstabtötung verpflanzte dieses beschauliche Leben in das Abendland, wo alle Verhältnisse dieser Art der Selbst-Hypnose feindlich waren, und wo schon das Klima zum Arbeiten und Sich-Tummeln anspornte. Heute im bevölkerten Deutschland erlauben weder Kultur noch christliche Auffassung das korporative Nichtstun auf Kosten anderer. Auch das korporative Beten für andere verträgt sich mit der modernen Auffassung der Selbst-Verantwortlichkeit nicht. Für Bettel-, Bet- und Maulaffen-Mönche ist heute kein Platz mehr in der Welt. –
Beschaulichkeit, Zurückgezogenheit, Insichselbst-Versunkensein ist ein Vorrecht der Dichter und Denker, die ihre Gemütsanlage dazu treibt. Eine Krankheit ist es immer. Aber in diesem Fall eine Einzelkrankheit. Keine Korporativ-Krankheit, hervorgegangen aus Nachahmungssucht und Heuchelei.
Bald finden wir denn auch in dem mit einer kräftigen Bevölkerung durchsetzten Abendland und bei dem Drängen der hervorragendsten Geister zu geistlichen Stellen und in die Klöster einen heftigen Kampf gegen die Zölibats-Forderungen des Orients, und die ganze Geschichte dieser Verirrung ist bis zum heutigen Tag eigentlich nichts anderes als das Unerfüllt-Bleiben oder Auf-Abwege-Geraten gegenüber einer unerfüllbaren Forderung.
Der Mailänder Mönch Jovinian war der erste, der um 385 den schwärmerischen Anschauungen eines Augustin, Ambrosius und Hieronymus über den höheren Wert der Ehelosigkeit gegenüber dem Ehestand nicht nur mit geheimem Konkubinat, wie die andern, sondern mit offener Gegnerschaft und gründlicher Bibelfestigkeit entgegentrat, wobei er im Verlauf einiger heftiger Kampfschriften einmal die brüsk-barbarische Frage an seine Gegner richtete: zu was Gott den Menschen Genitalien verliehen habe; eine Frage, die der alte 70jährige Hieronymus in Bethlehem nur mit Unflätigkeiten zu beantworten wußte.
Und der heilige Augustin, der spätere Glaubensheld und Verteidiger der Ehelosigkeit, war wenigstens so vorsichtig, erst seine Jugend ganz durchzukosten, um dann, als er schon im Begriffe stand, sich zu bekehren, noch eine Beischläferin aus Italien mit nach Afrika hinüberzunehmen, wie er uns selbst in seinen Bekenntnissen erzählt; auch Gott zu bitten: er möge ihm die Gabe der Keuschheit verleihen, aber nicht sogleich, erst nach Sättigung seiner Triebe.
Eine entsetzliche Heuchelei war aber die folgende Institution: Schon im 2. Jahrhundert hatte, wie Augustin berichtet, eine christliche Sekte der in Afrika lebenden »Abeloniten«, die vollständiger Ehelosigkeit huldigen, die Gewohnheit, um den falschverstandenen Spruch 1. Kor. 7, 29: »Das ist die Meinung: die da Weiber haben, daß sie seien, als hätten sie keine«, buchstäblich zu erfüllen, als Mann ein junges Mädchen, als Weib einen Knaben, sich zur Gesellschaft zu erwählen, um auf diese Weise in Verbindung mit dem andern Geschlecht, und doch ehelos zu leben. Im Laufe des 3. Jahrhunderts finden wir dann in Italien die gleiche Sitte, nur mit dem Unterschiede, daß es unverheiratete Geistliche sind, die erwachsene Jungfrauen, die Keuschheit gelobt hatten, zu sich nahmen, um, wie sie vorgaben, »in geistiger Vertraulichkeit und in platonischer Liebe miteinander zu leben; sie teilten dasselbe Bett, und behaupteten, mitten unter den Flammen unverletzt zu bleiben.«
Schon Tertullian spricht von der Schwängerung dieser gottgeweihten Jungfrauen als von etwas ganz Gewöhnlichem. Und da die Zahl dieser »Schwestern« als einer keuschen Absicht dienend, unbeschränkt war, so hatten namentlich die vornehmeren Geistlichen und Bischöfe eine ganze Anzahl derselben. So hatte Heuchelei und Eheverbot das Gegenteil von dem Beabsichtigten bewirkt. Nicht eine Ehe sollte es sein, und nun war es ein Harem.
Hieronymus in seiner fuchtigen, derben Weise schreibt darüber: »Woher brach die Pest der ›Schwestern‹ in unsere Kirche? Woher diese neuen Eheweiber ohne Ehe. Woher dieses neue Geschlecht Konkubinen? Ich will noch deutlicher sagen: Woher diese Huren, die sich nur mit einem Mann abgeben? Die Jungfrauen verlassen ihren leiblichen Bruder, und suchen sich einen Fremden als ›Bruder‹. Unter dem Vorwand des geistlichen Trosts vereinen sie sich, um zu Hause fleischlichen Verkehr zu pflegen. Sie wissen sich unfruchtbar zu machen und morden die noch nicht geborenen Menschen. Fühlen sie sich von ihrer Ruchlosigkeit schwanger, so treiben sie die Frucht mit Gift ab. Oft sterben sie mit davon, und dreifachen Verbrechens schuldig gelangen sie in das Jenseits: als Selbstmörderinnen, als Ehebrecherinnen an Christus, als Mörderinnen des noch nicht geborenen Kindes.«
Ich bitte, dieses in's Altbayrische, in's Rheinländische oder Kölnische zu übersetzen. Wer erkennt dann nicht unter den griechischen »Schwestern« die deutsche Pfarrköchin? – Die Welt ändert sich nicht; und ihre Begierden auch nicht. Nur unser Geschwätz ändert sich.
Später nannte die Kirche die Bücher über die Frage: »Sudelliteratur«. Sehr gut. – Aber wem verdanken wir diese Sudelliteratur? – Ist das nicht, als wenn der verfolgte Dieb mit dem gestohlenen Gut unter die Menge läuft und ruft: Haltet den Dieb!? – Oder wenn der der Unsittlichkeit Angeklagte vor dem Richter sein Gesicht verhüllt: er könne über diese Dinge nicht sprechen?
Als dann Luther, pochend auf seine germanische Gesundheit, diesen bestialischen Zölibats-Zwang brach, und mit lobenswertem Beispiel vorangehend selbst sich mit einer adligen Jungfrau, die, wie er, ehemals im Kloster gewesen, verehelichte, fiel die ganze Horde päpstlicher Zwangs-Verschnittener über ihn her, und beschuldigte ihn eben jenes Verbrechens, dessen Übung ihnen aus einer mehr denn 1000jährigen Tradition bekannt war, und nannte seine Ehe mit Katharina von Bora »Unzucht mit einer Nonne«.
Doch der wahre Charakter der katholischen Kirche kam damals schon zum Vorschein: Benedikt VIII. beschuldigte auf der Synode zu Pavia, zwischen 1014–1024, die Geistlichen vor allem deshalb, daß sie nicht geheim, sondern öffentlich und mit Aufsehen mit Frauen Umgang hätten. Und zur Zeit Josef II. galt dann später allgemein der Grundsatz für und Ratschlag an die katholische Geistlichkeit Österreichs: Wenn nicht heilig, dann doch heimlich.
Bald hatte aber die Unzucht am päpstlichen Hofe selbst unglaubliche Dimensionen angenommen; und, wie es bei den Herrn Dunkelmännern Sitte: das Knaben-Geschlecht stand ihnen näher, als das Weiber-Geschlecht; und da nur die Weiber-Ehe verboten war, die Verbindung zwischen einem Pfaffen und einem Knaben aber überhaupt nicht, weder als legal noch illegal, in ihrem Kodex vorgesehen war, so ertrugen die römischen Priester das Zölibat leichter als die ehrlichen Deutschen. Und so konnte denn 1060 der eifrige Mönch Damiani in seinem liber Gomorrhianus, dem »gomorrhischen Buch«, eine ganze Seite päderastischer Vergehen – wann Geistliche mit Knaben, wann Geistliche unter sich, wann sie mit Tieren, wann sie mit Beichtkindern Unzucht trieben – mit der Ruhe und Sicherheit einer Naturgeschichte vortragen, wobei wir erfahren, daß die Mönche, um ungestört ihren Fleischesübungen nachgehen zu können, sich selbst gegenseitig in der Beichte absolvieren. Papst Alexander II. lachte über das Buch, ließ sich aber das Manuskript geben, und gab es nicht mehr heraus, da er die Wirkung außerhalb Roms doch fürchtete. Schon ein Jahr vorher hatte Damiani an Nicolaus II. hinsichtlich Befolgung des Zölibats geschrieben: »Würde die Unzucht bei den Priestern geheim betrieben, so sei es zu ertragen, aber die öffentlichen Konkubinen, ihre schwangeren Leiber, die schreienden Kinder, das sei das Ärgernis der Kirche.« Dieser Damiani hatte schon den echten katholischen Geist: was geheim geschieht, ist nicht geschehen; nur was schreit, ist eine Sünde.
Hüten wir uns vor diesem wechselnden, je nach Neigung, Gelehrsamkeit oder sexuellen Bedürfnissen der Päpste veränderlichen heiligen katholischen Geist; und halten wir uns an den deutschen heiligen Geist!
Als auch jetzt Damiani bei den lombardischen Priestern kein Gehör fand, und viele lieber ihre Stelle, als ihre Frauen, aufgaben, wendet er sich, wie es der beleidigte Ehemann macht, statt an den Übeltäter, an den Verführer, und spricht die Priesterfrauen in einem Schreiben vom nächsten Jahr in folgender lieblichen Weise an: »Jetzt rede ich zu Euch, Ihr Schätzchen der Kleriker, Ihr Lockspeise des Satans, Ihr Auswurf des Paradieses, Ihr Gift der Geister, Schwert der Seelen, Wolfsmilch für die Trinkenden, Gift der Essenden, Quelle der Sünde, Anlaß des Verderbens; Euch, sage ich, rede ich an, Ihr Lusthäuser des alten Feinds, Ihr Wiedehopfe, Eulen, Nachtkäuze, Wölfinnen, Blutegel, die ohne Unterlaß nach mehreren gelüstet. Hört mich Ihr Metzen, Buhlerinnen, Lustdirnen, Ihr Mistpfützen fetter Schweine, Ihr Ruhepolster unreiner Geister, Ihr Nymphen, Sirenen, Hexen, Dianen, und was es sonst für Scheusalsnamen geben mag, die man Euch beilegen könnte; denn Ihr seid Speise der Satane, zur Flamme des ewigen Todes bestimmt. An Euch weidet sich der Teufel wie an ausgesuchten Mahlzeiten, und mästet sich an der Fülle Eurer Üppigkeit. Ihr Tigerinnen, deren blutiger Rachen nur nach Menschenblut dürstet, Harpyrie, die das Opfer des Herrn umflattern und rauben, und die, welche Gott geneigt sind, grausam verschlingen. Ihr seid die Sirenen, indem Ihr, während Ihr trügerisch-demütigen Gesang ertönen laßt, unvermeidlichen Schiffbruch bereitet. Ihr seid wütendes Otterngezücht, die Ihr vor Wollust Christus, der das Haupt der Kleriker ist, in Eurem Buhlen ermordet.«
Übrigens wurde das Weib trotz aller Marien-Verehrung von der katholischen Kirche stets herabgedrückt und moralisch erniedrigt. Eine Kirchenversammlung zu Mâcon in Südfrankreich im 6. Jahrhundert erörtert lange die Frage »ob die Weiber Menschen seien« welche sie nach langen Debatten doch bejahte. Noch im Jahr 1518 erklärt eine Schrift, die sich mit den Eheweibern der Priester beschäftigt, das Verhältnis zwischen Mann und Weib folgendermaßen: »Das Weib, wenn es an wollüstige Umarmungen gewöhnt ist, sucht sich stets, auch in vorgerückten Jahren, mit dem Mann zu vermischen, angetrieben, nicht so sehr von ihrem eigenen Fleisch, als vom Teufel, dessen Werkzeug sie ist.« Hier erscheint also das Weib in Gemeinschaft mit Sirenen, Hexen, Böcken, Ratten und Schlangen in der Gefolgschaft des Teufels als ein willenloses, untergeordnetes Werkzeug desselben, dessen er sich bedient, um die Krone der Schöpfung, den Mann, in seine Gewalt zu bekommen. Aber auch noch in unserem Jahrhundert hören wir diese Sprache.
Der Leib eines römischen Knaben, mit dem der päpstliche Priester Unzucht trieb, befleckte die sakramentale Handlung nicht; nur die »Hure«; denn die Hure war ja ein Weib; und das Weib war des Teufels.
Und ist dies heute anders? Hat nicht der Verlauf des sogenannten Kulturkampfes in Deutschland in den 70er Jahren gezeigt, daß es eine große, mächtige Partei bei uns gibt, die den Papst als ihren König, den eigenen König als Landesverräter ansieht, sobald derselbe versucht, sich der päpstlichen Übergriffe im eigenen Land zu erwehren? Und ist es nach der Seite nicht berechtigt, von gewissen Katholiken in Deutschland eher als von Papisten, denn als von Deutschen zu sprechen?
Das korrekteste Verfahren wäre, die katholischen Priester den Tag vor ihrer Weihe zu kastrieren, wie es im 1. Jahrhundert üblich war. Sind unsere Schwestern und Töchter nicht ebensoviel wert, wie die Huldinnen des Sultans? Und was tat der Sultan? Er kastrierte die Aufseher seines Harems. Zudem hat die römische Kirche durch ihre Knaben-Kastrationen zum Zwecke des Chor-Gesanges eine viel-hundertjährige Übung im Entmannen. Ist es den katholischen Priestern mit ihrem Keuschheits-Gelübde ernst, dann brauchen sie die Hoden nicht mehr; ist es ihnen nicht ernst, dann sollen sie, solange der Papst auf seiner Zölibatsforderung besteht, und – Gott sei's geklagt! – noch ein Wort in Deutschland zu sagen hat, auf den Priesterstand verzichten. – Die Operation ist bei dem heutigen antiseptischen Verfahren gänzlich gefahrlos; die Stimme bleibt weich und zart; also besonders geeignet für den Kirchengesang; und hervorragende Weiter-Entwicklung des Verstandes, die nach der Meinung einiger Physiologen an den Besitz der Hoden geknüpft sein soll, braucht doch der heutige katholische Priester nicht. Dann wird sich zeigen, wieviel wirklich dem Herrn Geweihte sich melden werden. Dann werden auch die deutschen Beichtkinder vor den Nachstellungen katholischer Geistlicher sicher sein. Dann wird der Beichtstuhl von schmutzigen Reden und Taten frei bleiben. Dann werden auch die zahlreichen, plötzlichen Versetzungen katholischer Priester wegen zunehmenden Ärgernisses unter der Bevölkerung und unerhörter Delikte, wegfallen.
Gratian's im Jahre 1151 abgeschlossenes Werk der Kirchengesetze, das Jus canonicum, enthält noch das Zugeständnis, »daß die Eheverbote eine menschliche Erfindung seien, und ehemals Bischöfe und Priester sich verheiraten konnten, wie in der orientalischen Kirche auch.« Damals waren päpstliche Verordnungen noch Menschenwerk; heute sind sie »göttliche Offenbarungen« geworden.
Was in den Klöstern geschah, ist teilweise zu bestialisch, um mitgeteilt zu werden. Man liest so bei Theiner den Fall aus dem Kloster Wattun, wo Nonnen einen Mönch, der sich mit einer der ihren vergangen hatte, durch die Schuldige in einen Hinterhalt lockten, und ihn dort entmannten.
Inzwischen erlebte der geschlechtliche Versündigungs-Wahn unter dem großen Sittenprediger Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert eine neue Auferstehung. Die Ehe wurde jetzt vielfach auch bei den Laien als etwas Schimpfliches, Entehrendes, »eine Art Unzucht« angesehen. Die Jungfrau Maria (die doch selbst Kinder geboren hatte, auch außer Christus), erschien nächtlicher Weile den Ehegattinnen und beredete sie, sich des Umgangs mit ihren Ehemännern zu enthalten. Schließlich galt außereheliche Unzucht für eine verzeihlichere Sünde, als der Verkehr in der Ehe. »Während der Verwirrungen, die in Deutschland unter Heinrich IV. stattfanden, entsagten viele Verehelichte, von Verzweiflung ergriffen, der Ehe, begaben sich samt ihrer ganzen Habe unter die Leitung der Mönche, und begannen eine gemeinsame kanonische Lebensweise. Als mehrere hierüber ihr Bedenken äußerten, eilte Urban II. herbei, erklärte diese Lebensweise für die der ersten Christen, und bestätigte sie. Ungeheuren Profit hatten hiervon die Mönche. So geht es, wenn man den goldbehängten Römer auf dem Stuhl Petri statt gelegentlich für einen Verrückten, für einen Gott hält!
Wie es in den Klöstern selbst aussah, davon geben Verordnungen von einem Konzil in Paris vom gleichen Jahre einen Begriff: dort wird u. a. befohlen, »daß Mönche und Kanoniker nicht zusammen im Bett liegen dürfen und Sodomiterei treiben«; »daß die verdächtigen Türen zu den Schlafsälen und sonstige gefährliche Aufenthaltsörter von den Bischöfen zu verrammeln seien«; ebenso »daß Nonnen nicht zusammen im Bett liegen dürfen«.
Eine der häufigsten Strafen gegen die Priesterfrauen war, daß sie ergriffen und gewaltsam »kurz geschoren« wurden. So lautete eine Verordnung des Erzbischofs von Rouen 1231: »Wir befehlen, daß die Konkubinen der Priester öffentlich in der Kirche am Sonntag in Gegenwart des Volkes geschoren werden«. Ähnliches geschah später vielfach bei Freudenmädchen. Geht man dem tollwütigen Gedanken nach, der in dieser rohen Verordnung liegt, so ist es klar, man wollte dem Weib seine schönste Zierde rauben, es gleichsam zum Mann degradieren, und es als Beschimpftes öffentlich sichtbar machen. Derweil war gerade sie mehr Weib, als jede andere. So schlägt Natur, wenn man seinen eigenen Wahn gegen sie durchsetzen will, immer in Wahnwitz und Unnatur um. Und das ist der Inhalt der ganzen Geschichte des Zölibats: ein Kampf gegen die Natur, geführt von einem Heer unzähliger, meist zwangsweise geworbener Pfaffensoldaten, der in Unnatur und Selbstbeschädigung endet.
Prachtvoll, und einen Einblick in den süß-schurkenhaften Gedankengang der katholischen Kirche gewährend, ist eine Aufstellung des Magister Heinrich vom Mendicanten-Orden zu Straßburg vom Jahr 1261, daß, »wenn eine Nonne, von Versuchung des Fleisches und menschlicher Schwachheit überwältigt, zur Verletzung der Keuschheit getrieben werde, geringere Schuld habe und mehr Nachsicht verdiene, wenn sie einem Kleriker, als wenn sie einem Laien sich hingebe«.
Allmählich kommen wir in die Periode, in der der Priester wegen seiner Konkubine nicht mehr sein Amt aufgeben muß, nicht mehr seine Pfründe verliert, nicht mehr in Todsünde verfällt, nicht mehr ein Jahr gegen die Heiden kämpfen muß, sondern für sie eine Buße bezahlt. Dies ändert die ganze Situation. Die Priester bezahlen freudig und gern. Die Gelder fließen in die bischöfliche Kasse, und bilden einen Teil der regelmäßigen Einnahmen. Der Bischof zahlt einen Teil des Geldes an den Papst. Jetzt ist alles zufrieden; die Zölibatsfrage ist gelöst. Der Priester hat kein Eheweib. Er hat eine durch Kirchenbuße gereinigte, mit barem Geld bezahlte Konkubine. Jetzt wird nicht mehr geköpft, nicht mehr geschoren. Die Zölibatsgesetze werden strenger als je verkündigt; aber nur, um die Bußen in die Höhe schrauben zu können! Der Ort dieser neuen Erfindung ist natürlich Rom!
Die Deutschen merkten davon nichts. Und hoch oben im Norden, in Skandinavien, Dänemark und teilweise auch in England, wo die aufrührerischen Zölibats-Gesetze eines Gregor gar nicht hingedrungen waren, oder keine Beachtung gefunden hatten, lebte alles in Ruhe und Frieden; die kirchlichen Mysterien erfüllten die Bewohner dieses düsteren und zu tiefsinniger Grübelei anregenden Klimas viel zu intensiv, um den lockeren Erörterungen eines päpstlichen Hofs Aufmerksamkeit zu schenken; und das Priesterweib nahm seine unerschütterte Stellung ein. So daß sich hier, auf diesem Punkt, die merkwürdige Perspektive ergibt, daß, während in Rom der Kreis von der legalen Priestersfrau zum gezüchtigten und geschmähten Weib im Hause des Geistlichen, und von da zur durch Geldbuße legalisierten Konkubine sich bereits vollendet hatte, hoch oben in dem beneidenswerten Norden die Gattin des Priesters, das Vorbild der evangelischen deutschen Pfarrersfrau, unberührt von diesen ekelhaften Kämpfen, noch ihre vornehme Stellung inne hatte.
Einzelne Verordnungen aus der Folgezeit aber zeigen, wie tief der Schaden stellenweise gefressen: Auf einem Konzil zu Oxford 1322 wird den Geistlichen verboten, »an dunklen Orten die Beichte der Weiber zuhören«; – Und das Konzil zu Avignon verbietet den Priestern, Gift oder tödliche Kräuter zur Abtreibung der Kindesfrucht zu reichen.
»Ja, wir finden in täglicher Erfahrung, daß die heilige römische Kirche viel lieber dulden will, daß ihre lieben heiligen Schwesterlein in den Klöstern als Nonnen und Beginen mit Tränken und Arznei ihre Frucht vertreiben, ehe daß sie geboren werde, oder auch freventlich erwürgen, wann's an das Licht gebracht ist, denn daß sie Männer sollten nehmen«, so schreibt 1582 der deutsche Dichter Fischart.
Inzwischen freilich hatten sich die Päpste das Recht, in Sittlichkeitsfragen mitsprechen zu können, selbst benommen. Während durchweg in Deutschland die härtesten Zölibatsgesetze verkündet wurden, überließ sich der päpstliche Hof in Avignon während des ganzen 14. Jahrhunderts, wie uns Petrarca erzählt, Ausschweifungen und sexuellen Lastern von einem Ausmaß, gegen das das harmlose und ehrliche Eheband eines deutschen Klerikers, der lieber seine Pfründe, als sein Eheweib und seine Kinder aufgab, eine heilige Messe genannt werden muß. »Die zu Greisen gealterten Kirchenfürsten«, schreibt Petrarca 1304 bis 1317 im 20. seiner adresselosen Briefe – »vergessen, daß sie keine Zähne und Kräfte mehr haben, wagen Dinge, vor denen selbst ein unbändiger Jüngling zurückschrecken würde, und zeigen sich so, als ob ihr Heil nicht im Kreuz Christi, sondern in schamlosen Übungen auf lüsternem Pfühl zu finden sei.«
Der große Strafprediger Nicolaus d'Oresme nannte 1364 die Avignonensischen Prälaten in Gegenwart Urban's V. »unzüchtige Hunde«. Und was Dante und Boccaccio und die übrigen Novellisten von der Lüsternheit römischer Priester zu erzählen wissen, brauchen wir hier wohl nicht anzuführen.
Als Innocenz IV. 1245 das zu Lyon abgehaltene Konzil verließ, sagte der Kardinal Huge im Moment der Abreise des päpstlichen Hofes zu den Einwohnern der Stadt: der Aufenthalt des römischen Stuhls sei der Stadt doch von großem Nutzen gewesen: wie sie hergekommen seien, habe es hier drei oder vier Hurenhäuser gegeben, jetzt, bei ihrem Abzug, sei nur noch ein einziges da; dies reiche aber von einem Ende der Stadt bis zum andern. Solche Späße konnten sich die hohen Herren schon unter sich erlauben. Nur hinausdringen durften sie nicht; aber selbst da war die Gefahr nicht groß. Die blöden Deutschen waren glücklich, einen welschen Lüstling zum Herr-Gott zu haben, und sanken gläubig ins Knie, sobald sich nur der Zipfel eines päpstlichen Legaten blicken ließ.
Und von Johann XXIII., der auf dem Konzil zu Konstanz 1415 gegen seine zwei Gegenpäpste abgesetzt wurde, und dessen Taten nur deshalb an's Licht kamen, da man, um ihn absetzen zu können seine Schandtaten angeben mußte, erzählt Dietrich von Niem, ein damaliger Chronist, »daß Johann nach einem öffentlichen Gerücht als Kardinal in Bologna an zweihundert Ehefrauen, Witwen und Jungfrauen, auch viele Nonnen, entehrt habe. Einige derselben sollen von ihren Ehemännern, andere von ihren Anverwandten, aus Schande um's Leben gebracht worden sein, ohne daß dies auf den eigentlichen Urheber dieser traurigen Ereignisse Eindruck gemacht habe. Bonifaz IX. habe ihn seiner Zeit nach Bologna geschickt, um ihn teils von seiner Beischläferin in Rom zu entfernen, damit diese nach Neapel zu ihrem Ehemanne zurückkehren könne, teils um sich durch ihn Bologna zu unterwerfen.« Seine Schandtaten wurden von den geistlichen Herren auf dem Konzil selbst unter 70 Anklagepunkten gebracht, von denen aber aus Schonung für die Zuhörer nur 50 zur Verlesung kamen, darunter: Hurerei, Ehebruch, Blutschande, Sodomie, Simonie, Freigeisterei, Räuberei und Mord. Als er merkte, was gegen ihn im Anzug war, floh er aus Konstanz als Postknecht verkleidet, wurde aber eingeholt und zur Unterzeichnung der Abdankungs-Urkunde gezwungen. Trotzdem machte ihn sein Nachfolger Martin V. wieder zum Dechant des Kardinalkollegiums. Auf demselben Konzil wurden Huß und Hieronymus, die ein tadelloses, sittenreines Leben, geführt, aber sich gegen den Papst gestellt hatten, verbrannt.
Die Unzucht der Geistlichen, sagt Gerson, ist das geringere Übel gegenüber der Priester-Ehe, und drückt dies in folgendem horrenden Satz aus: »Lieber unenthaltsame Priester als gar keine.« (d. i. verheiratete!) Und an anderer Stelle sagt er: »Es ist zwar ein großes Ärgernis für die Pfarrkinder, wenn der Pfarrer mit einer Konkubine Beischlaf pflegt; aber ein weit größeres ist es, wenn er die Keuschheit seiner Pfarrtöchter verletzt.« Aber die Konkubine ist ja eine Pfarrtochter! Die Konkubinen fallen ja doch nicht als Geschenk Gottes vom Himmel herab, für jeden Priester eine! Sondern sie sind die Töchter des Landes. Und der Priester kann sie, da er nicht mit ihr verheiratet ist, jede Stunde wechseln. Und eine Bürgers- und Pfarrtochter nach der andern kommt dann dran!
»Hat einer mit einer nit genug,
nimmt er zwo, drei nach seinem Fug:
Welch ihm nit gefällt, die laßt er gon,
Nimmt ander, so viel er will hon,«
sagt ein mittelalterlicher Spottvers.
Das ist es ja eben, wogegen sich das nordische Bürgertum auflehnte. Das war der ehrliche, gesunde Gedanke Kaiser Sigismund's. Hier, auf diesem Konzil, kann man sehen, wie sich katholischer und deutscher Geist scheidet; katholischer, doktrinärer Starrsinn der Welschen und germanische, ehrliche Herzens-Einfalt; Gerson und Kaiser Sigismund. Lieber Unzucht der Priester und Rettung des doktrinären Lehrbegriffs, als verehelichte Pfarrer und Sauberkeit im Gottesdienst und in der Gemeinde. – Gerson ist der erste Typus jener vaterlandslosen, gewissensbaren Menschen, die aus Lust, der Kohorte des Papstes anzugehören, alles preisgeben!
Das Konzil von Konstanz hatte durch seine Entscheidung über das Zölibat das eigentliche, geheime Denken der katholischen Kirche wie mit einem Schlaglicht grell beleuchtet: Man war zusammengekommen, hauptsächlich, um »Reformation« zu üben, »Reformation an Haupt und Gliedern«; einer der Hauptpunkte war die Priester-Ehe; man wußte, daß das Zölibat im Sinne wirklicher Keuschheitsübung nicht durchführbar sei, daß die strengsten Verordnungen und Strafen nichts genützt hatten; man gab zu, daß die Priester-Ehe den gegenwärtigen furchtbaren Zuständen in Sakristeien und Klöstern vorzuziehen sei. Aber man wußte auch seit Hildebrandt (Gregor VII.), daß die Ehelosigkeit der Priester das einzige Mittel sei, sie vom Vaterland abzutrennen und zu einem hierarchischen Werkzeug der Päpste zu machen. Wie hatte man sich also jetzt zu entscheiden: Entweder Priester-Ehe und Verminderung des päpstlichen Einflusses, oder Zölibat mit allen Unzucht-Konsequenzen und Aufrechterhaltung der Hierarchie. Man entschied sich für's letztere. Und nun kommen die dogmatischen Maulwürfe und wühlen nach der neuen Methode.
Man höre Gerson: »Verletzt ein Priester das Gelübde der Keuschheit, wenn er eine unzüchtige Handlung begeht? – Nein! Das Gelübde der Keuschheit bezieht sich bloß auf das Nicht-Eingehen einer Ehe. Ein Priester, der also die stärksten Unzuchtsdelikte sich zu schulden kommen läßt, bricht, wenn er es als Unverheirateter tut, das Keuschheitsgelübde nicht.« Merkst Du, Leser, worauf es hinausgeht? – Da man die Priester-Ehe unter keinen Umständen gestatten kann, die Priester aber, wie die Erfahrung gezeigt hat, die Keuschheit ebenso wenig halten können, so muß man eben die außereheliche Geschlechtsgemeinschaft der Priester, sei es nun mit Konkubinen oder Beichtkindern dogmatisch konstruieren und verteidigen. Und das tut Gerson!
Dies ist ganz echter katholischer Geist!
Wenn man nur das den Katholiken in Deutschland täglich vorsagen könnte, daß es sich im Vatikan nicht um Religion handelt; daß seit fast 1000 Jahren, seit Gregor VII. die Herzens-Reinheit eines Menschen, sein transzendentaler Flug nach oben, seine moralische Sauberkeit, worauf alles der Deutsche so viel hält, dort gar nicht in Frage kommen; daß es sich dort nur um religiöse Herrschaft, oder päpstliche Religion handelt; wir wären frei von diesem Sumpf-Ort, dessen dogmatische Dünste tausendmal schlimmer sind, als sein sonstiger Pesthauch; und wären ein einiges Vaterland! Es ist besser, Schuldige ungestraft zu lassen, als Unschuldige zu bestrafen. Die Pfarrkinder werden aber gestraft, wenn ihnen der Umgang mit dem Pfarrer verboten, und so ihr Gewissen durch Zweifel beunruhigt wird. Wenn man Gründe hat, die Huren zu dulden, so hat man noch mehr Ursache, die hurerischen Priester zu dulden, sagt Gerson. Das ist wiederum ganz echter, reiner, katholischer Geist.
»Ists aber nit eine Tyrannei,
Daß man so zwingt zur Hurerei,
In dem daß man die Eh' verbeut
den Geistlichen? als wärns nit Leut
Die an sich hätten Fleisch und Blut,
Welchs dann, wie sein Natur ist, tut,
Und Keuschheit niemand halten kann.
Denn wie kann Feuer ohn Flammen sin?
Gott gieß den Tau der Gnaden drin.
Sieht noch von diser Keuschheit wegen,
deren sie all Zeit (wie ghört ist) pflegen
In ihrem so geistlichen Stand,
Werden sie alle geistlich genannt –
In fleischlich, viehisch, pfui der Schand,
Daß man sol von Unchristen sagen
Das d' Heiden hetten nie verdragen!«
so heißt es in einem Spottlied aus der Reformationszeit!
Von hier aus war es nur ein Schritt, die beim unbeweibten Priester unvermeidlichen Unzuchtshandlungen zu legalisieren und über sie weise Vorschriften zu geben. Aus diesen macht Gerson: »Das dritte Mittel – sagt er –, um Unzuchtsvergehen auszugleichen, ist ihnen eine große Anzahl guter Werke gegenüberzustellen. Auch gebe man Acht, erstere nur im Geheimen zu üben, nicht an Sonntagen und an heiligen Orten und nur mit Unverehelichten.« Wer die Wurzeln des Jesuitismus in der katholischen Kirche jenseits der Reformation aufsuchen will, muß hier anfangen! An anderer Stelle, erzählt er, zwingen die Bürger die Geistlichen, sich Konkubinen zu halten, um den Schändungen der Frauen und Jungfrauen einen Damm entgegenzusetzen.
»Ist heute jemand zum Müßiggang geneigt, – sagt Nicolaus von Clemangis, – flieht er die Arbeit und will ein schwelgerisches Leben führen, so läuft er mit offenen Armen dem Priesterstand zu.«
Von den Nonnen schreibt er, daß ihre Klöster nicht Gottes Heiligtümer, sondern dem Venusdienst geweihte Häuser seien, wo die männliche Jugend sich zur Sättigung ihrer Gelüste zusammenfinde. Und eine Jungfrau den Schleier nehmen lassen, heiße nichts anderes, als sie zur öffentlichen Lustdirne machen.
Nun kam das Baseler Konzil heran: 1431 – 1449. Aufs neue erhoben sich Stimmen, den Geistlichen lieber die Ehe zu erlauben, als das Schandleben weiter mitansehen zu müssen. Besonders Nicolaus Tudeschi, der berühmteste Kanonist seiner Zeit, plädierte für die Abschaffung der, die Priester-Ehe verbietenden Gesetze. Und 1439 wurde sogar ein verheirateter Papst, Felix V. (1439–1448) gewählt. Als sich einige Stimmen dagegen vernehmen ließen, erklärte Aennas Sylvius, später als Pius II. selbst Papst: »Was streiten sich die Doktoren, ob ein verheirateter Papst schuldig sei, seiner Frau die eheliche Pflicht zu leisten; und ob ein Verheirateter Papst sein kann? Es gab, wie Ihr wißt, verheiratete Päpste. Vielleicht dürfte es gut sein, wenn sich die Priester verheiraten dürften; weil viele verheiratet im Priestertum ihr Seelenheil fördern würden, die jetzt ehelos zu Grunde gehen.«
Auch der Carmelitermönch Thomas von Rennes sprach sich auf seinen Wanderpredigten durch England, Frankreich und Italien, sowie in seinen Schriften, entschieden für Wieder-Einführung der Priesterehe aus. In Rom wurde er 1433, weil er von der Konkubinats-Lehre der Kirche allzusehr abgewichen war, verbrannt. In Basel aber, auf dem Konzil, ließ man alles beim alten. Auf der Synode zu Eichstädt, 1447, werden die guten Deutschen wieder besänftigt. Dort heißt es: »Wer öffentlich behauptet oder dafür hält, daß ein Priester, der sich wegen Unzucht in einer Todsünde befindet, nicht den Leib Christi hervorbringen, oder seine Untergebenen nicht von Sünden lossprechen könne, soll für einen Ketzer gelten.« Merkst Du was, Leser? –
Das System, gegen Entrichtung einer Geldsumme sich ein Weib zu kaufen, gegen das man zu nichts verpflichtet war, und das man wie einen Dienstboten jeden Augenblick entlassen konnte, hatte inzwischen auch in Laienkreisen Anklang gefunden. Die Synode zu Leutschau (Slowakei) verordnet, »daß es den Geistlichen ferner nicht erlaubt sein solle, den Laien das Konkubinat gegen Bezahlung einer Geldbuße zu gestatten«. Hier sieht man, was das päpstliche Zölibat für Wirkungen bis zum letzten Bauersmann ausübt, und wie das gesamte bürgerliche Leben vergiftet und zerstört war; nur, um im ehelosen Pfaffen ein blindes und gefüges Werkzeug zu haben: vom Papst kauften das Konkubinatsrecht die Bischöfe, die Bischöfe verkauften es an ihre Geistlichen, und die Geistlichen verkauften es an die Bürger. Jetzt fehlte nicht viel, und das bornierte Ideal Bernhards von Clairvaux im zwölften Jahrhundert war erreicht. Die Ehe wird als etwas Schimpfliches und Gemeines vermieden, und jeder kauft sich von seinem Pfarrer gegen eine bestimmte Taxe eine Konkubine.
Einen Vorteil hatten in diesem ganzen Zölibatsgeschäft die Päpste; während die Laien den Geistlichen, die Geistlichen den Bischöfen, die Bischöfe den Päpsten die Konkubinat-Taxe zahlten, waren die Päpste selbst frei. Wem wollten sie für ihre Beischläferinnen Zins zahlen? – Dem lieben Gott? – Der nahm keinen an! Dies erwog Papst Pius II., von dessen Söhnen einer in Straßburg, der andere in Florenz untergebracht war, und der in einem seiner Briefe schreibt: »Ich fürchte die Enthaltsamkeit, die ich im übrigen lobe, und vor der es mir wahrscheinlicher dünkt, daß sie in Worten, als in Taten sich ausspricht. Warum soll ich den Gesetzen der Natur Widerstand leisten? Die Liebe bedingt alles, und wir unterwerfen uns ihrer Macht. Ich nehme es von mir ab, den der Liebesgott in tausend Gefahren gestürzt hat.«
Später, als er älter wurde, schrieb er nicht anders, nur seinem Alter entsprechend. Einem Priester, der seine Richtung wohl kannte, und um Dispens zur Heirat nachgesucht hatte, antwortete er: »Ich muß bekennen, ich habe das Leben satt und überdrüssig. Die Venus ekelt mich an. Freilich nehmen auch die Kräfte ab. Mein Haar ist grau; meine Nerven sind ausgetrocknet, mein Gebein ist morsch und mein Körper übersät mit Runzeln. Ich kann keinem Weib mehr zur Lust dienen, keine mir. Von nun diene ich mehr dem Bacchus, als der Venus. Der Wein ernährt mich, erfreut mich und ergötzt mich und macht mich selig. Dieser Saft wird mir bis zum Tode süß sein. Wahr ist es, mich flieht mehr die Venus, als ich sie.« Der Mann war ehrlich. Jedes Wort ist hier verständlich und begreiflich. (Das heißt für jeden, der nicht den Papst für den »Sohn Gottes« hält.) Unbegreiflich ist nur, warum die andern Priester, die aus demselben Holz geschnitzt sind, sich zermartern und kasteien sollen. – Er schlug dem Priester (einem Deutschen, Jahn Frunt) die Bitte um Dispens zur Heirat ab.
Mit dem Auftreten Luther's kommt nun Bewegung in die Entwicklung des Zölibats. Nachdem einmal der störende Eisenhebel an das Lehrgebäude der katholischen Kirche gelegt war, und ihre Autorität als eine vom Erfolg dieser Fundament-Prüfung abhängige, also nicht als göttliche, sondern menschliche, Fehlern unterworfene, erkannt war, nachdem die katholische Kirche als welsche angesehen, und ihr die deutsche Lehre als gleichberechtigt gegenübergestellt war, und dies in den höchsten, spekulativen Fragen, mußte natürlich der Zölibat, als eine päpstliche Einrichtung, fallen. Jetzt traten die höchsten Würdenträger, nachdem ihnen der einfache Augustiner-Mönch Mut gemacht, mit Anklageschriften hervor. Gleichzeitig erschienen die berühmten »epistolae obscurorum virorum« aus dem Huttenkreis, welche mit beißendem Spott das Luderleben der Pfaffen aufdeckten und andere Flugschriften.
Wie es die Pfaffen trieben, zeigt ein Gedicht aus damaliger Zeit:
»Rasch und behend der Pfarrer sprach:
heut haben wir ein gute Sach,
Meßner richt die Kirchen zu,
Unser Nachbar Vogt ist tot, seid fröhlich.
Lauf zum Pfaffen in der Nähch,
das sie kommen in die Zech,
zum Gabriel, eya, eya,
derselb hat viel gute Fisch,
so sitzen wir oben an dem Tisch,
saufs gar aus, hodie der Baur ist tot,
der Baur ist tot in diesem Dorf,
gibt es kein Geld so legt man ihn nicht in Kirchhof.«
»Der Pfarrer sprach zum Meßner schnell,
mach mit dein Glocken ein groß Geschell,
daß die Bauren in Kirchen gehn,
darnach so zünd die Kerzen an, gar schnell.
Merkt ihr Bauern was ist Rath,
helfft der armen Seel aus der not,
gebt Pfenning, eya, eya,
mit Vigil, Seelmeß, Jahrstag,
daß der Seel wohl helfen mag
im Beutel. Hodie der Baur ist tot,
der Baur ist tot zu dieser Frist,
freut euch ihr pfaffen, wenn ein Reicher tot ist.«
»Der Pfarrer sprach zu seiner Magd,
dieser Tot ist mir nit leid,
ein weil haben wir zu fressen dran,
in unserm Haus, leb'n wir in Saus und gar fröhlich,
Elselein, liebes Elselein
so haben wir aber zu trinken Wein,
sei fröhlich, eya, eya,
so laß uns haben einen guten Mut,
als der Baur der Baurin tut,
im Kämmerlein. Hodie der Baur ist tot,
der Baur ist tot zu dieser frist,
die Sach haben wir getrieben mit großer List.«
Und Luther selbst blieb natürlich nicht zurück: »Daß sie die Ehe verboten, und den göttlichen Stand der Priester mit ewiger Keuschheit beschweret haben, das haben sie weder Fug noch Recht gehabt, sondern haben gehandelt als die endechristlichen, tyrannischen, verzweifelten Buben, und damit Ursache geben allerlei erschrecklicher, greulicher, unzähliger Sünde der Unkeuschheit, darinnen sie denn noch stecken. Als wenig nun uns oder ihnen Macht gegeben ist, aus einem Männlein ein Fräulein, oder aus einem Fräulein ein Männlein zu machen, oder beides nicht zu machen; so wenig haben sie auch Macht gehabt, solche Kreatur Gottes zu scheiden, oder verbieten, daß sie nit ehrlich und ehlich beieinander sollten wohnen. Darum wollen wir ihren leidigen Zölibat nicht willigen, auch nicht leiden, sondern die Ehe frei haben, wie sie Gott geordnet und gestiftet hat.«
»Des römischen Stuhles Kardinäle und Gesinde sind Zwitter, vorne Männer, hinten Weiber!« sagt Luther weiter.
Der Danziger Mönch Jakob Knade war der erste Deutsche, der pochend auf die neue Lehre, und in dem sicheren Bewußtsein der Unabhängigkeit der deutschen Sittlichkeit von der römischen Unzuchtslehre die Kutte ablegte und 1518 die Anna Rosenberg heiratete.
Jetzt wird auch bekannt, daß der »Hurenzins«, den die Bischöfe von ihren Geistlichen, gegen das Recht eine Konkubine zu halten, eintrieben, eine ihrer vornehmsten und sichersten Jahrgelder waren; daß deshalb Geistliche, die keine Konkubine hatten, von den Bischöfen nicht gern gesehen wurden, und schließlich auch diese den allen abgeforderten »Hurenzins« zahlen mußten.
Einen kostbaren Einblick in die damaligen Verhältnisse gibt uns ein satirisches Gespräch aus dem Jahr 1524: Ein Hurenwirt (Bordellhalter) holt mit seinem Knecht zu Pferd auf der Heerstraße einen großen Zug Reisige ein:
Hurenwirt: Kunz, mein lieber Gesell, was vor ein großer reisiger Zug zeucht do vor uns hin?
Kunz: Es ist unser gnädiger Herr, der Bischof.
Hurenwirt: Wo will er hin, Meister?
Kunz: Er will gen Regensburg in concilabulum (der sog. Regensburger Konvent vom Jahr 1524).
Hurenwirt: Wo will er hin? Zum Teufel?
Kunz: Ei, die Bischof wollen ein Concilium halten und Ratschlag tun, wie man widerum das heilig Evangelion und Christum hinter sich druckt...
Allmählich holen sie den Bischof ein:
Hurenwirt: Was für ein Gespenst reitet dem Bischof nach?
Kunz: Es ist seiner gnaden Koncubin.
Hurenwirt: Was heisst Koncubin?
Kunz: Eine Beischläferin oder eine Beiliegerin.
Hurenwirt: Ich merk wohl, es ist des Bischofs Hürlin.
Kunz: Ei jo, geb im Gott Beul (Hiebe)! er hat noch alle Monat ein neue; denn ich weiss es wohl, er bescheisst manchem Bürger sein Weib und Tochter.
Hurenwirt: Woher weisst Du es?
Kunz: Da ich im Stift Choralis gewesen bin, hab ich ihm die müssen kuppeln. Darnach bin ich sein Kämmerling geworden. Da hab ich erst erfahren, was der Bischoffen Keuschheit ist, ich hab aufs Bischofs Hof fressen, saufen, spielen, raßlen, schwören, fluchen, Hurerei und alle Leichtfertigkeit erfahren, und gelernt; dann da hört man »gleich wie auf anderer weltlichen fürsten höfen« selten oder nimmer von Gott reden, auch über Tisch, sondern nur von Kriegen und Huren... Sie haben jetzt den Bischof eingeholt und der Hurenwirt tut, als wisse er nicht, wen er vor sich habe:
Hurenwirt: Gott grüss Euch, Herr Hauptmann, Gott grüss Euch!
Bischof: Gott dank Dir, Gesell!
Hurenwirt: Herr, Ihr habt einen großen Reisigen Zug, ich mein, Ihr wollt in Krieg oder auf Raub.
Bischof: O nein, behüt uns Gott! denn uns gebührt weder zu kriegen noch zu rauben.
Hurenwirt: Lieber Herr, zürnen nit! wer seid Ihr?
Bischof: Wir sind der Bischof zu N.
Hurenwirt: Ach, aller gnädigster Herr und Fürst, haben mir nichts für übel, denn ich hab Euer Gnaden nit kennt!
Bischof: Nichts, nichts, mein Gesell.
Hurenwirt: Wo will euer Gnad hin mit so viel Pferden?
Bischof: Wir wollen gen Regensburg ins Concilium, Ratschlag zu tun wider die Lutherei mit dem römischen Legaten.
Hurenwirt: Ich hör wohl, der Legat ist der sachen halb von Rom gesandt.
Bischof: Ei jo, denn es ist kein Sach jetzt zumal, die unsern heiligen Vater Papst, der ein gemeine Sorg tragen muss für die christliche Kirche, wo hart angelegen als eben die Lutherei, und nit unbillich, denn großer und merklicher Schaden dem Stuhle zu Rom daraus täglich erwachst, desgleichen den Bischoffen und allen Geistlichen.
Hurenwirt: Was wird euer Gnaden dieser Zug wohl kosten?
Bischof: Nicht minder denn zwei tausend Gulden.
Hurenwirt: Gnädiger Herr, es ist viel.
Bischof: Der Fiscal muß es bezahlen.
Hurenwirt: Kunz, was heisst ein frißgar?
Kunz: Es heisst nit frißgar, sonder ein Fiscal, das ist meines gnädigen Herrn Geldsammler oder Einzieher oder Säckelmeister.
Hurenwirt: Gnädiger Herr, woher kommt aber dem Fiscal solch Geld?
Bischof: Ihm fallen jährlich über die 2800 Gulden nur von den Priestern um die Absolution.
Hurenwirt: Kunz, lieber, was ist Absolution? Kunz: Es ist, so ein Priester ein Kind macht, so wird er irregularis, das ist ungeschickt Messe zu lesen, muß sich darnach absolvieren lassen und um die Absolution muß er dem Fiskal 2 oder 4, 5 Gulden geben, macht aber einer einer Nonne ein Kind, so er ein Gespons Christi geschmächt (die Schmach angetan) hat, muß er 10 Gulden geben. (Ein Gulden ist ungefähr fünfzig Mark heutigen Geldes.)
Hurenwirt: Was muß aber einer geben, so er einem Mönch ein Kind macht?
Kunz: Ach du lieber Gott! du fragst so töricht, man macht den Mönchen kein Kind, die Mönche machen aber den Nonnen Kinder.
Hurenwirt: Nun gehen doch viele Mönche daher mit grossen Bäuchen wie die schwanger Frauen.
Kunz: Es sind die gute Bissen und Schlücke, die die Bäuche dick machen.
Hurenwirt: Nun, so gesegne es ihm mein Nachbar der Henker! Sag mir weiter, lasst man dem Priester, nach dem so er die Absolution bezahlt hat, die Hure im Haus?
Kunz: O jo, denn nach der Absolution wird er wieder geschickt, Messe zu lesen um Geld und die Sacrament mitzuteilen.
Hurenwirt: Gnädiger Herr, wenn ich auch Hurerei triebe und so ich ein Kind gemachet hät, möcht ich nit auch ein Absolution bezahlen und für und für in Hurerei mit sicherer Einwilligung verharren?
Bischof: Nein, dann es ist nur den Geweihten (Priestern) zugelassen.
Hurenwirt: Wer absolviert aber die Ordensleut, wenn die Kinder machen?
Bischof: Sie sind frei und unser Jurisdiction durch päpstliche Bullen vorbehalten. Uns gebürt nur, unsere Priesterschaft zu strafen.
Und nun die Stelle voll beißender Schärfe, wo der Hurenwirt dem Bischof Moral predigt:
Hurenwirt: Ich merke wohl, ihnen ist frei, ohne alle Straf verhängt Hurerei zu treiben, gnädiger Herr, zürne nit! Mich dünkt, Euer Gnad (sei) übersichtig und brauche eine Brill oder Augenspiegel auf der Nasen, in die Weite zu sehen; wenn Ihr die armen Dorfpfäfflein auf dem Land gesehen und sind ihnen gar ungnädig und übersehen den Domprobst, den Vicarium und Domherrn. –
Bischof: Ja, mein Gesell, wir haben dem Capitel ein Jurament gethan, sie bei alter Gewohnheit zu lassen, wir müssen stehen bei geistlichem Recht.
Kunz: Meister, Du kannst nit merken, was seiner Gnaden angelegen ist.
Hurenwirt: Was liegt ihm an?
Kunz: Sollten seine Gnaden der Domprobst, der Vicaro und die Domherren ihre Metzen und Huren vertreiben und sie um der Hurerei willen strafen wie die Dorfpfäffen, seine Gnad würde böse Luft auf seinem Stift haben. Und so seine Gnad allweg für sein Leib auch ein Rösslin am Barren stehen und ein feins Hürlein bei ihm, so würden seiner Gnaden Capitilbrüder sprechen »medice, cura te ipsum!«
Hurenwirt: Wie ist das gemeint?
Kunz: Es heisst: Du Arzt, mach dich selber gesund!
Hurenwirt: Es ist wohl geredt.
Bischof: Dein Knecht hat die sich erraten, wir müssen um der Rede willen durch die Finger sehen.
Hurenwirt: Gnädiger Herr, Euer Gnad muss das Übel in Euch und in den andern strafen und bessern und der Priesterschaft und allen Menschen ein christliches, ehrsames Vorbild und Exempel vortragen. Ein Bischof, der seine Sünde nit abtilget und siner Sünde Laster nit bessert oder straft, der soll nit Bischof, sondern ein unzüchtiger oder unverschämter Hund genannt werden ...
Der größte Widerstand ging jetzt in der Tat von den Bischöfen selbst aus, die sich in ihren Einnahmen enorm geschmälert sahen, wenn die neue deutsche Sittlichkeitslehre durchdrang. Die Taxen waren jetzt sehr hoch, und hatten sich nach den »Taxae aposto-licae«, der großen Sünden-Börse der päpstlichen Kurie, gerichtet: Ein reines Mädchen zu beschlafen kostete 56 Goldgulden, eine damals enorme Summe. Die Nonnen standen höher.
Jetzt war man in Deutschland einig, das Priester-Zölibat war ein Saustall; Luther hatte in seiner dumben, oft barbarischen Weise auf die Naturvorgänge selbst hingewiesen, denen wir uns nicht entziehen könnten; und er hatte es in seiner korrekten Weise mit dem biblischen »Wachset und mehret Euch!« theologisch begründet; jetzt hatte man in Deutschland die Einsicht und den Willen, das Priester-Zölibat aufzuheben; es ging nicht; es scheiterte am Geldpunkt; die Bischöfe konnten die Einnahme an »Hurenzins« nicht entbehren. – Und nun erwägt, Deutsche, heute ist es noch dieselbe Geschichte. Der katholische Priester erwirbt heute seine Konkubine nicht mehr gegen die bischöfliche Taxe, sonderen gegen – die Nachsicht seiner Gemeinde, die alles weiß, und die Schande verbirgt. Und diese grandiose Schweinerei hält heute in Deutschland noch immer der Papst, wie ein lustiges Gaukelspiel zwischen seinen zwei Fingern. Heute, wie zu wiederholten Malen, sind Deutsche über die Notwendigkeit der Aufhebung des Priester-Zölibats einig. Der Papst verbietet's. Dieser einzige Römer verbietet eine der Grundlagen deutscher Sitte. Es geht gegen seine hierarchischen Prinzipien. Deutschland, dein Name ist Feigheit!
Immer wieder muß ich sagen: die priesterliche »Liebe« gehört nicht nach Deutschland; und die ultramontane Religion nicht nach Deutschland. Die deutschen Katholiken behaupteten aber, ohne die päderastischen, vatikanischen Vorbeter könnten sie die Werke des Christentums nicht üben. Was ist da zu wollen?
Mit diesem Schandgepäck im Gewissen setzten es die Päpste trotzdem durch, daß auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 aufs neue Acht und Bann über die verehelichten Priester gesprochen wird. Wer ist an solcher Schmach schuld? – Immer die, die sich solches gefallen lassen. Hingegen waren die konkubinatorischen Priester nach wie vor frei; denn Konkubinat war ja keine Ehe, und berührte auch das Keuschheitsgelübde nicht. Damals kam die Redensart über die katholischen Geistlichen auf: »Es ist keyn feyner leben auff erden, denn gewiße zins haben von seinem lehen, eyn hürlin daneben, und unserm Herrn Gott gedienet.« Auch war es der katholischen Geistlichkeit in ihrem privilegierten Hurennest allmählich bequem geworden; sie wollten es durchaus nicht verlassen, und sich mit den Bürgern auf eine Stufe stellen. Die Stralsunder singen um diese Zeit:
»Die Pfaffen, Münche und Nunnen
Sind nur eine Bürde auf Erden,
Sie haben sich des besunnen,
Sie wollen nicht Bürger werden;
Das macht allein jhr grosser Geitz,
das sie beharren in Widerstreit
Und wollen der Stadt nicht schwören.
Ach du grosse faule roth, (Rotte)
Wie lange treibst du mit uns den Spott?
Die Haut soll man dir bläuen.
Nun sprechen die pfaffen fein:
Es mochte uns woll gereuen
Sollten wir alle Bürger sein
Und schwören unsere treue.
So halten wir das ganz erwogen,
wenn einer lege bei seiner Magd
Bei Nacht, würde man zu jhm steigen,
Die weigh (Weihe) wurde da nicht verschonet;
Der Ehefrauen seint wir nicht gewohnet,
Wir halten Haus mit Huren.«
Ein Spottlied aus dieser Zeit läßt die Pfaffen singen:
»Drum Vater Papst, Höllischer Herr,
gedenke doch auf Mittel:
Wie wir des Eidschwurs und Beschwer
laß werden mit gutem Titel,
unsre Köchin und Madonnen meist,
samt den guten Rrebenden feist,
mögen sicher behalten.«
»Denn die Ketzer auf deinen Bann,
und Decret nichts mehr geben:
Als ob sie eine Gans pfiff an,
und vernichten darneben
alle Päpstlische Tradition,
die Messe und Religion,
so wir lang exerderet.«
»Wir hören täglich mit Verdriess,
Dass man uns trotzt, und saget:
Pfaff und Vogel stirb oder friss,
niemand ist der uns klaget,
man rupft uns steiff die Federn auss,
wir können in Frau Venus Haus
jetzt wie zuvor nicht schleichen.«
Inzwischen nahm katholischerseits das Zölibat oder die Ehelosigkeit ruhig ihren Fortgang: Auf einer 1563 abgehaltenen Visitation der Klöster in Niederösterreich fand man bei den 9 Mönchen des Benediktinerklosters Schotten 7 Konkubinen, 1 Eheweiber, 8 Kinder; bei den 18 Benediktinern zu Garsten 12 Konkubinen, 12 Eheweiber, 19 Kinder; bei den 7 Chorherrn zu Kloster Neuburg 7 Konkubinen, 3 Eheweiber, 14 Kinder; bei den 40 Nonnen zu Aglar 19 Kinder u. s. w. Man nannte dies Zölibat. – übrigens hatten ja Papst Julius III. und sein Kardinal Crescentius ebenfalls ihre Konkubinen, und zwar gemeinschaftlich, deren Kinder sie wie billig, auf gemeinschaftliche Kosten erziehen ließen; man braucht also mit den Herren von Kloster Neuburg nicht allzu streng zu verfahren.
Am 11. November 1563 wurde in der 24. Sitzung des Tridentiner Konzils im 9. Canon bestimmt: »Wenn jemand sagt, daß die Kleriker, welche die Weihe empfangen, oder diejenigen, welche die Ordensgelübde abgelegt haben, eine Ehe eingehen können, und daß dieselbe gültig sei, der sei verflucht.«
Und der 10. Canon lautete: »Wenn jemand behauptet, der Ehestand sei dem jungfräulichen Stande vorzuziehen, und es sei nicht besser und heiliger in der Jungfräulichkeit und in der Ehelosigkeit zu leben, als sich zu verheiraten, der sei verflucht.« Wer dem bisherigen Gang der Zölibat-Gesetze gefolgt ist, muß, wenn er Psychologe ist, ungefähr wissen, was nach der feierlichen Bestätigung des Verbots der Priester-Ehe im Land für eine Wirkung zu erwarten ist: Vermehrung der Konkubinen, Vermehrung der Unzucht, Selbstverständlichkeit dieser Priestermätressen gegenüber der Selbstverständlichkeit des Keuschheitsgelübdes, Erhöhung der Taxen. – Und so war's: Unter Bernhard von Raesfeld, Bischof von Münster, im Jahr 1565, nannten die Domherrn ihre Konkubinen Dompröpstinnen, Domdekaninnen, Domkantorinnen, Domküsterinnen u. dergl. Als Bernhard dagegen einschreiten wollte, erklärten ihm seine Domherrn, er möge erst seine eigenen Konkubinen entfernen.
Im 18. und 19. Jahrhundert werden die Verordnungen und ewig gleichen Lamentationen seltener. Die Landessynoden, wo dergleichen Mißstände regelmäßig besprochen wurden, hörten allmählich auf. Man hatte eingesehen, es half nichts; und die schweren sakrilegischen Anklagen setzten nur die Priesterschaft bei der Bevölkerung herab. Das Volk, namentlich das deutsche, in seiner Gutmütigkeit, hielt zuletzt das Zölibat, wie die Trinität, und Sohn-Gottesschaft Christi, für eine Einrichtung Gottes. Der schwarzgerockte, rasierte Herr auf der Straße, das wußte man, der konnte nicht heiraten; warum nicht? Ei, weil ein katholischer Priester doch nicht heiraten kann. Weiter geht der Gedankengang eines Katholiken nicht. Man hat auch keine Zeit, über solche Geheimnisse nachzudenken. Zu was ist denn Rom da? Dort lebt das gemeinschaftliche Hirn der deutschen Katholiken. Und so blieb der gutmütigen deutschen Bevölkerung nichts anderes übrig, als für die menschlichen Bedürfnisse Seiner Hochwürden zu sorgen. Und in jedem Städtchen und Dörfchen wurde ihm der »Zehente« der hübschen Weiblichkeit gern abgeliefert. Und man war stolz, wenn das Hochwürdige Auge auf die Insassin eines Hauses fiel. Denn der Einfluß der deutschen Pfarrersköchin ist groß. Durch ihre Hände geht all der Eier-, Butter-, Fleisch- und Brot-Zins, den die Gemeinde getreulich abliefert. Und beim »Aufgebot«, bei »Taufen«, »Hochzeiten«, »Beerdigungen« kann der Pfarrer unglaublich viel und sie noch mehr. Meist hat eine Schwester oder entfernte Verwandte der Pfarrersköchin mehrere Kinder, die auch oft, vom 10. Jahr an, im Pfarrhaus als Neffen und Nichten erzogen werden. Und so singt man noch heut' in Deutschland:
»Madle, wenn Du dienen mußt,
Diene nur den Pfaffen,
Kannst den Lohn im Bett verdienen,
Brauchst nit viel zu schaffen.«
Man war gegen die Erscheinung des schwarzgerockten, geistlichen Kapaunen in Deutschland zuletzt abgestumpft geworden!
Der katholische Priester mit seiner großen Portion Klugheit und noch größeren Geschicklichkeit erkannte bald, daß er »vorne herum« nichts, »hinten herum« alles tun dürfe, und so hat er als »abgefeimter Spitzbube« und »feiger Hund« bei groß und klein, arm und reich, im Volk wie bei den Gebildeten, im Roman, in der Satire, im Volkswitz, in der Posse, auf dem Theater, seine feste, verächtliche Stellung. Dieser Typus kommt nur in Italien vor. In Deutschland war der bessere Typus auch immer noch der, der ein Auge zudrückte, und Ähnliches von seiner Umgebung erwartete, ein Keuschheits-Gelübde mit dem geheimen Vorbehalte tat, innerhalb seiner vier Wände und den Weibern gegenüber zu tun, was ihm beliebte, und was man ihm gewährte; der schmunzelnde, fette Priester mit viel Wohlwollen; feig auch er, vor den Ohren das Gesicht mit Heuchelei verlarvt, hinter den Ohren vollgepackt mit Duckmäuserei!; aber wenigstens gesund. – Der bedenklichere Typus sind jene Bornierten, aber Ehrlichen, die die Sache für Ernst nahmen, ein isolierter Organismus, im steten Kampf mit sich selbst, der das eigene Gespeie täglich wieder aufißt, sich innerlich zerrüttet, aber alle Selbst-Anklagen stumm hinunterwürgt, der bei uns mit dem gestochenen Kalbsgesicht umhergeht, einem nicht mehr in's Angesicht, geschweige den Himmel anzuschauen vermag, zermartert, verstumpft, von einer fremden Idee steif-suggestioniert, oft halb verblödet, gewiß die erbärmlichste Menschensorte, die bei uns herumläuft; ein gänzlich unberechnet gewesener anthropologischer Effekt dieses nun bald 1000jährigen päpstlich-hierarchischen Gedankens.
Alles umsonst. Die Landstände erklärten ihre Nichtzuständigkeit; die Regierungen zauderten; die Fürsten hatten nicht den Mut, zu dekretieren.
Zu den stärksten und wirksamsten Bekämpfern des Priester-Zölibats gehören die »Haberfeldtreiber« im bayrischen Gebirge; die üben ein Rüge-Recht, welches die begütertsten, angesehensten Bauern des Bezirks zu Mitgliedern hat, geheime Organisationen besitzt, und auf viele Jahrhunderte zurückgeht. Gänzlich unabhängig von Kirche oder Staat, wie deren administrativen Erwägungen, leiten diese Leute aus ihrem eigenen Empfinden das Recht ab, moralische Handlungen ihrer Mitbürger, die gegen ihre althergebrachten Sitten verstoßen, und vom Strafgesetzbuch nicht faßbar sind, in öffentlich-wirksamer Weise zu rügen. Hierher gehört das Konkubinat ihrer Priester. Und ohne Rücksicht auf einen Papst in Rom, oder eine angedrohte Ausschließung aus der Kirche, die sie höhnisch verlachen, umstellen sie nachts das Haus des Übeltäters, rufen den Geistlichen heraus, und lassen ein in Knittelversen abgefaßtes, rücksichtsloses; derbes Schmähgedicht über ihn ergehen, dem das halbe Dorf zuhört. Im Jahr 1790 quälten sie den hochangesehenen und reichen Propst von Fischbachau, der sich ihrem Gericht widersetzte, und einen der ihren nachts beim Treiben erschossen hatte, mit ihren versteckten Umtrieben so lang, bis er Abtei und Land verließ.
Heute wissen wir aus den Krankengeschichten der Irrenhäuser und aus den psychopathischen Untersuchungen der Sexual-Psyche von welch fundamentaler Bedeutung für die geistige Entwicklung eines Menschen die Geordnetheit seiner sexualen Triebe ist. Der Nervenarzt ist uns heute in dieser Hinsicht eine wichtigere Persönlichkeit, als der Papst.
»Denn es ist nicht ein frei Willkür oder Tath, sondern ein nötig, natürlich Ding, dass alles, was ein Mann ist, muss ein Weib haben, und was ein Weib ist, muss ein Mann haben«, – sagt Luther.