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Ich frag, wo ist der teütschen mut?
Wo ist das alt gemut und sin?
Ist gfaren nun all mannheit hin?
(Hutten)
Ein Fluß nimmt bei seinem Gang durch ein neues Land von seiner Ursprungsstätte – bei aller befruchtenden Wirkung – Schmutz und Schlamm mit. Das Christentum kam zu uns aus dem Orient, anfänglich direkt, später fast nur mehr über Rom. Was auf diesem Wege für römisch-orientalischer Dreck bei uns abgelagert worden ist, ist unermeßlich.
Es war eine der unglücklichsten Verbindungen, die je in der Geschichte eingegangen wurden, als die fränkischen Könige sich im 8. Jahrhundert für Italien und den römischen Bischofsstuhl interessierten. Unermeßliches Blut von Deutschen ist wegen dieser Verbindung in Deutschland und Italien geflossen. Die politische Frage ist heute gelöst: Der römische Bischof braucht heute nicht mehr die Hilfe der deutschen Regierung; und die deutsche Regierung braucht heute nicht mehr den Segen des römischen Bischofs. Aber wann werden die deutschen Katholiken ohne die Hilfe des römischen Bischofs zu Gott zu beten imstande sein?
Das erste Jahrtausend christlicher Zeitrechnung war auf religiösem Gebiet fast ausschließlich der christlichen Spekulation, der Vertiefung und Ausgestaltung der christlichen Lehre geweiht. Das ganze zweite Jahrtausend bis zum heutigen Tage ist auf religiösem Gebiet nichts anderes als die Ausschlachtung der christlichen Lehre von Seite des zu großer Machtbefugnis gelangten römischen Bischofs zu hierarchischen Zwecken, nicht, um direkt und zuletzt die Gemüter zu beherrschen, sondern um durch Beherrschung der Gemüter weltliche Zwecke, und nicht zuletzt, die Steigerung persönlicher Machthoheit bis zur Vergöttlichung, zu erreichen.
Im Jahre 753 kam Papst Stefan II. zum Frankenkönig Pipin und bat mit einem Fußfall um Hilfe gegen die Langobarden, die ihm gewährt ward. Noch 1024 feierte die Geistlichkeit Kaiser Heinrich II. als »Leiter der Kirche Gottes«, und noch 1054, nach dem Tode des Papstes Leo IX., kam die römische Geistlichkeit nach Deutschland und bat Kaiser Heinrich III. um einen neuen Papst mit der Erklärung, daß künftighin kein Papst mehr ohne den Willen des Kaisers geweiht werden solle.
Und zweiundzwanzig Jahre später, 1076, erklärte Gregor VII. betreffs des Sohnes des zuletzt genannten Heinrich, Kaiser Heinrich's IV.: »von Seiten des Allmächtigen Gottes spreche ich ab dem König Heinrich die Zügel des ganzen Reiches der Deutschen, und löse alle Christen von dem Banne des Eids, den sie ihm geleistet haben oder leisten werden, und verbiete, daß irgend jemand ihm als König diene, weil er sich gegen die Kirche erhob, mit Exkommunizierten verkehrte, und meine Mahnungen verachtete; ich binde ihn mit den Banden des Fluches im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.«
Das war die Wendung zum Hierarchischen, zur irdischen Gottesherrschaft über Kaiser und Könige, über Völker und Länder im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. – Es handelt sich gar nicht darum, ob das heute zum Totlachen ist, ob und auf wie weit die päpstliche Anmaßung heute ermäßigt ist, sondern einfach darum, ob ein römischer Kardinal, der sich selbst bis zur Wahnwitzigkeit göttlicher Dimension hinaufgeschraubt hat, der von den romanischen Völkern »Sohn Gottes« genannt wird, der nur von welschen Kardinalen gewählt wird, auf eine Nation, wie die deutsche, in religiöser wie in politischer Hinsicht unberechenbaren Einfluß ausüben, und den Stumpfsinn und Fetischismus welscher Religionsübung auf Millionen von deutschen Gemütern ferner ausbreiten darf.
Es muß entschieden werden, ob die orientalische Gottes-Verehrung, wie sie von der Kurie getrieben und von dort vorgeschrieben wird mit Bückungen, blauem Rauch, Firlefanz, Gebetsmaschinen und kastriertem Knabenchor, – ob das deutsch ist. – Die Vorstellungen des innerlich gearteten Deutschen über Gottes-Verehrung sind andere. – Die Nation hat sich jetzt gesammelt, politisch und bürgerlich. Sie will sich jetzt von allem ihr Fremdartigen scheiden. – Daß tausend Vaterunser in der ethischen Wert-Schätzung der Herzens-Inbrunst mehr wert seien, als eines, wird der Deutsche niemals, auch der Katholik, der durch unendliche Tradition vergessen hat, darüber nachzusinnen, einsehen. – Behaltet ihr Welsche eueren asiatischen Gottesdienst mit Straußenfedern und Edelsteinen, Parfümen und Gebetstrommel, Kniegerutsche und Fuß-Abküssen! Wir bedürfen keines Gottes, der eine Krone auf dem Haupt hat, größer, als sein Kopf, der wie ein Türke umhergetragen wird, auf den in der Kirche von St. Peter ein dreifaches, donnerndes Hoch ausgebracht wird. Einen solchen sichtbaren, vergoldeten Gott brauchen die Deutschen nicht! –
Was ist der Papst der Katholiken? – Ein rasierter, hodentragender, mit Gold umhängter Welscher?!
Euer Gott, Papisten, soll ja nur Latein verstehen; ebenso, wie Euer heiliger Geist! – Dann können wir Euch nicht brauchen. Unser Herr-Gott muß Deutsch können.
Solange eine Nation sich ihren Glauben in einer fremden Sprache vorsagen lassen muß, ist sie feig und charakterlos, und verdient ebenso, ihr Glaubensbekenntnis chinesisch auswendig lernen zu müssen, wenn sie es nicht deutsch fordern kann.
Die nationale Einheit haben wir; können wir die religiöse nicht gewinnen? Nicht die dogmatische, nicht die zeremonielle; Gott bewahre! Keine Proselytenmacherei! Aber die Einheit religiöser Unabhängigkeit! – Sollen wir dann die goldene Tiara, die bubenschändenden Gebräuche der Päpste, das Kauderwelsch der Ultramontanen akzeptieren, die ihren Herr-Gott lateinisch anreden?!
Ehedem hatte Deutschland auch ausländische Kaiser und Könige, die nicht etwa Deutschland vorher erobert, sondern, die sich Deutschland wie eine fremde Ware kommen ließen, und die sich, wie zum Beispiel der verrückte Spanier Karl VI., herausnahmen, dem deutschen Gewissen Gesetze zu geben. – Wenn man heute Deutschland einen Spanier zum Kaiser anböte, erhöben sich, glaube ich, Millionen von Fäusten – aber einen fremden Gott, einen Welschen, der allein sich von Gott inspiriert ausgibt, den lassen sich Millionen von Deutschen gefallen; als sei es selbstverständlich, da man keinen deutschen Gott haben kann, sich einen römischen zu kaufen. Wer sagt Euch, daß dieser Pfaffe ein Gott sei? –
Betet, Deutsche, singt Litaneien, bewegt euch in seriösen Tänzen, schneidet Fratzen, geißelt euch, – wenn ihr meint, ihr habt es nötig, – tut Sack-Laufen, tragt Prozessionsfahnen, zittert und bebt, wenn euch euer Gemüt es vorschreibt, aber tut es deutsch; und erwägt endlich, ob ihr euch den Zustand eures Gemüts von einem feilen, jesuitisch geschulten, geriebenen, in allen Verstellungs- und diplomatischen Künsten geschulten Ausländer vorschreiben zu lassen fortfahren wollt!
Das deutsche Gewissen, welches von jeher, und wie wir schon von Tacitus wissen, als ein ehrlicheres und saubereres Ding angesehen wurde, als das ähnliche seelische Vermögen irgendwelcher anderer Völkerschaften, besonders der Romanen, wird in der Ohren-Beichte einem kirchlich-gedrillten, jesuitisch erzogenen Päpstler ausgekramt, ausgekramt unter Berufung auf Gott, mit dem das deutsche Gewissen von jeher, insonderheit seit den deutschen Mystikern, eigenen Verkehr haben zu können sich herausgenommen hat. – Pfui! – Pfui! – Deine Sünden, Deutscher, müssen zum Papst, um dort Gott vorgetragen zu werden; Deine feinsten und keuschesten Empfindungen müssen durch den katholischen Priester nach Rom vor den Thron eines welschen Kardinals, abgefeimten Diplomaten und – wie oft! – lasterhaften Menschen, um dort analysiert, durchstöbert, auf ihre Wertigkeit geprüft, päpstlich umgemünzt zu werden. Und wehe Dir, wenn Du Dein Gewissen nicht päpstlich eingerichtet hast! – Pfui der Schande! –
Ulfilas übersetzte die Bibel ins Deutsche, und Ihr übersetzt Euer Christentum wieder ins Welsche.
Nicht einmal deutsch beten dürft Ihr am Altar! Nicht einmal das Alt-Gothische »Atta unsar, thu in himinam!« (Vater unser, Du in dem Himmel) sprechen. – Als ob der Herr-Gott droben nur lateinisch verstünde! – Weil der Papst nur lateinisch kann, und er der Vermittler zwischen Gott und Eurem Gemüt ist, müßt Ihr lateinisch zu Gott beten. Schämt Euch, Deutsche, nicht einmal mit dem Herr-Gott deutsch zu reden wagen! Ist der Himmel in Deutschland ferner, als in Rom? –
Und Quantität und Qualität, und Rhythmus und Tonfall, und Perioden und Gesatz, und Affekt und Kopfhaltung ist Euch vom Papst vorgeschrieben. Eure Gebetsbücher sind, soweit sie deutsch sind, aus dem Lateinischen übersetzt und Eure Gebete sind abgewogene Leistungen, die Euch emballiert und verschnürt, in egalen Gebets-Paketen, wie Pressehefe, vom Vatikan aus zugeschickt werden.
Auf einer meiner Reisen kam ich eines Tages in einer wundersamen Gegend, in Tirol, in eine Dorfkirche. Sie war edel und freundlich gebaut; im Innern luftige Hallen; an den Säulen und Wänden auf den Postamenten standen Apostel und Heilige in verzückten Stellungen, ihre Marterwerkzeuge ostentativ in der Hand haltend; und unten in den Stühlen lagerten schwarze, gebeugte Massen: lebendige Menschen; gleich beim Eintritt empfing mich ein eigentümliches Plätschern, Klirren, Schnurren und Rasseln, wie von englischen Webstühlen. Ich glaubte wirklich anfangs, es seien irgendwo im Keller versteckt Häckselmaschinen, die arbeiten, oder hinterm Chor eine Dampfmaschine, die Getreide drischt. – Aber bald fiel mir auf, daß in den schnurrenden Geräuschen regelmäßig wiederkehrende Perioden von bestimmter Länge zu unterscheiden waren, und daß, vergleichbar dem auf jenen Webstühlen Gewobenen, bestimmte Muster und Farben-Einschüsse in maschinensicherer Abwechslung immer wieder kamen und gingen. Und hier waren diese Muster zu meiner nicht geringen Verwunderung Sprach-Perioden und Satz-Komplexe. »Maria, Gebenedeite«, und »jetzt und in der Stunde des Absterbens«, waren die stets wie auf Gittergewebe gewobenen, vorüberrauschenden Figuren und Laut-Nuancen. Und nun merkte ich wohl, daß es die im Kirchenschiff kauernde Menge war – lebende Menschen, von deren Lippen und Zähnen dieses Schnurren und Brausen kam. Vorn, ganz vorn, stand in einem weißen Kittel der Vorarbeiter, und was er lallend und gurgelnd – und wie ich wohl sah, in seiner Arbeit überaus geschickt – angab, woben und schnurrten die andern nach; zuerst die Alten in den vorderen Kirchstühlen; und dann hinten die Fabrikmädchen; und was diese mit den fleißigen Zähnchen lieferten, klang, als wenn man Erbsen in irdene Töpfe prasselnd fallen läßt; so hellen Diskant woben die kleinen Finger. Lang lang blieb ich stehen, wohl eine halbe Stunde, stumm und erstarrt, und konnte es nicht fassen. Fast so lang, wie vor dem Rheinfall bei Schaffhausen; eingelullt von dem ewig gleichen Rauschen und Brausen. Bis endlich der Wasserfall aufhörte, und das Brausen ein Ende nahm; und ich erwachte; und nun wohl erkannte; das, was ich gehört hatte, waren die Gebets-Geräusche der katholischen Kirche; und das Webestück, die Arbeit, die sie vollbracht hatten, nannten sie – Gebet. –
War Eure Niedertracht noch weiterzutreiben, als eine internationale, papstgefällige Gebets-Sprache Euch aufzwingen zu lassen? Welches Volk hätte je seine Götter in einer fremden Sprache angesprochen? Den lebendigen Gott in einer toten Sprache? Konntet Ihr noch tiefer sinken? – Ja! Ihr konntet Euren Gebets-Lieferanten, den Papst, selbst anbeten! Und das habt ihr getan! – Ihr habt in Rom konstruierte Gebete an den Papst gesprochen. – Ein Hundsfott jeder Deutsche, der das weiß, und sein Maul nicht aufmacht! –
Und wie sorgfältig wird seit Jahrhunderten im Vatikan darauf geachtet, daß keine Landessprache sich mit der Religion vermische; daß kein Dogma sich in der vulgären Sprache präsentiere; daß keine Meß-Litanei dem nationalen Tonfall anheimfalle. Und gar die Bibel, von dessen Lehre man sich schon seit einem Jahrtausend behufs Vergöttlichung der Kardinale in Rom entfernt hat – daß dieses Buch nicht übersetzt, und wenn übersetzt, nicht autorisiert, und wenn autorisiert, dem Laien verboten werde! Und daher die Wut auf Luther, den »wahnsinnigen« Mönch, der die Bibel in volksmäßiges Deutsch übersetzt, und den Gottesdienst in deutscher Sprache zu halten gelehrt.
»Der Geist in den Deutschen schmeckt den Romanisten nit fast wohl«, schreibt Hessus in einem Dialog aus der Reformations-Zeit.
»Denn weil sich die römischen Spitzbuben dahin begeben, und wie sie allezeit sich beflissen haben, die Sprachen zu verwirren, dass der Spitzbube zu Rom Rothwelsch antwortet, wo der Kaiser und des Reiches Stände schlecht Deutsch reden, so werden sie in der Sprache nimmermehr einig, schweige, dass ein Konzilium werden könne.«
Warum sollen die Deutschen lateinisch beten? – Nachdem sie deutsch exerzieren, dreinschlagen, fluchen, lieben und trinken! – Ist die Sprache Meister Eckharts, des Schöpfers der deutschen Mystik, zu gering?
»Latein ich einst geschrieben hab,
das war einem jeden nit bekannt.
Jetzt schrei ich an das Vaterland
Deutsche nation in ihrer Sprach
zu bringen dissen Dingen Rach«,
– schrieb Hutten, Aber deutsche Sprache war den Päpsten beim katholischen Priester ebenso verhaßt, wie deutsche Ehe, weil beides die mächtigsten Hilfsmittel sind, eine Religion zu nationalisieren, und sie vom Papst freizumachen.
Paul V. verlangte vom Kaiser Ferdinand, es seien in Deutschland nur päpstliche Druckereien zu dulden. – Im Lande der Erfindung der Buchdruckerkunst ein solches Verlangen ernsthaft gestellt haben zu können, beweist allein den unglaublichen Servilismus der Deutschen. Wenigstens hier antwortete der Kaiser, Seine Heiligkeit sei wohl – krank.
Zu Huttens Zeiten, 1514, verbot Papst Leo X. durch eine Bulle, daß der Tacitus in Deutschland gedruckt werde »auss keiner anderen Ursach, auf dass der Römisch Drucker desto mehr gwinn«. – Hutten fragt den ängstlichen Drucker zu Mainz, der meinte, wenn er gegen des Papstes Verbot handle, »des Teufels zu sein«, ob er sich auch vom Papst verbieten lasse, »Weyngarten zu arbeiten, Wasser zu drinken etc.« – Ihr lacht?! – Laßt Ihr Euch denn nicht heutigen Tags noch viel mehr vom Papst verbieten?: die Art Eures Denkens, die Art Eures Handelns, Eure Entscheidung im Reichstag, Eure Gebete, die Lehre über den Kaiser, ob Ihr dem Lande gehorsam sein, ob Ihr in den Krieg ziehen sollt, den Umfang Eures Glaubens, die Lehre über den Papst, das Dogma seines weltlichen Territoriums, das Urteil über die Jesuiten, die Einrichtung Eures Gewissens. – Sind das nicht tausendmal schlimmere Sachen als »den Tacitus drucken«?
Euer Leib, Deutsche, der ist in Deutschland in der Schänke, oder sonstwo; aber Euer Geist, der geht immer noch nach Canossa. –
Spurlos sind an Euch die Tage von 1870/71 vorübergegangen. Ja, einige behaupten, Ihr hättet Euch damals besiegt empfunden, weil Frankreich katholisch war. Und als bald darauf Preußen den Versuch auf Euer Deutschtum, auf Euren Patriotismus machte, stemmtet Ihr Euch mit Händen und Füßen entgegen, erklärtet, Euer König sei der Papst, und wenig fehlte, Ihr wäret, wie zur Zeit Gregors VII., über Euern Landesherren hergefallen. Nicht an Euch lag's, nur an Pius IX., der nicht wie Gregor in großer Politik, sondern in sanfter Mariologie machte. – Ich weiß, daß es heute unter Euch ehrliche Deutsche, brave Patrioten gibt; aber warum schweigt Ihr? –
Der Papst unterdrückte alles. Der Papst will nicht haben, daß in der katholischen Kirche Deutschlands Deutsch gesprochen wird. Also kuscht Euch, Deutsche, wie ihr es seit tausend Jahren gewohnt seid.
»Alle freien Deutschen ich vermahn,
zu sein in diesem Schimpf bereit,
dass geholfen werd' dem ganzen Land,
und ausgetrieben Schad und Schand.
Und hör nit auf, ich schrei und gilf,
bis man der Wahrheit kommt zur Hilf,
und schicket sich zu diesem Krieg;
wer weiß, ob ich noch unterlieg«,
sagte schon Hutten.
Wollen die Deutschen zusammentreten und ein Gesetz unter sich machen, gehe es nun über Holz oder Schmalz, über Bücher oder Waffen, über Gefängnisse oder Gedanken, so ist eine große Partei da, die deutschen Namen trägt, die erklärt, sie müsse erst anderweitig Kunde einholen, da ihr eigenes Gewissen für sie nicht ausreiche. – Darauf rennen sie keuchend nach Rom, schellen an der Glocke des Vatikan und stellen sich in die Positur der Gottes-Verehrung. Dort tritt dann ein Greis heraus, beladen mit dem Fluch tausendjähriger Hurerei, Menschenverstümmelung, Lug und Trug, Mord und seelischer Vergiftung, und behaftet mit dem untilgbaren Geruch lüsterner, orientalischer Perversität; und auf die Frage dieser blondsträhnigen, biederen Deutschen, von denen vielleicht jeder noch eine Portion Ehrlichkeit abgeben könnte, ohne entfernt an den seelischen Schmutz des Obenstehenden hinzureichen, auf ihre Frage an ihren Gewissensgebieter: Wie denkst Du über Holz oder Schmalz? Wie denkst Du über Bücher und Waffen, und wie über Gefängnisse oder Gedanken? – antwortete der ehrwürdige Greis mit dem Jesuiten-Gift zwischen den Zähnen: Wartet, freundliche Deutsche! Wir wollen uns erst drinnen mit unseren Freunden benehmen, und über das, was Euren Gewissen am besten frommen möchte, uns beraten. –
Und den deutschen Köpfen fallen die blonden Strähnen auf die Erde, und sie warten, was drinnen die Römer ihrem, dem deutschen Gewissen, welches eine ihrer kostbarsten, ursprünglichsten Eigenschaften gewesen sein soll, vorschreiben werden.
Auch im deutschen Reichstag sitzt so eine päpstliche Kohorte, eine Art vatikanischer Schweizer, die mit der Hellebarde im Maul herausfahren und sagen: Wir wollen nichts wissen von Kaiser und Reich. Auch der Erbfeind der Deutschen, die Franzosen, gehen uns nichts an. Wir sind nur aus Zufall in Deutschland geboren. Wir sind päpstlich. Mag das Reich in Trümmer gehen, wenn nur der Papst gerettet wird. Sein weltliches Territorium ist uns wichtiger als Brandenburg oder Bayern. Und die römische Campagna wichtiger als Kurhessen oder Sachsen. Mag der Rhein von den Franzosen genommen werden, wenn nur der Tiber dem Papst bleibt. Dieser Pfaffe verfügt gänzlich über unser Gewissen. Er ist unser Befehlshaber und unser Gott. Ihm empfehlen wir unsere Seele beim Zu-Bett-Gehen, und beim Aufstehen, und des Tags über. Wir sind nur Deutsche, um für den Mann in Rom, der Gott ist, in Deutschland zu agitieren. Und nur soweit sind wir Deutsche. Die lateinische Sprache des römischen Gottes, wenn er offiziell spricht, ist uns wichtiger als Euer Goethe und Schiller, die Heiden waren und in heidnischer Sprache schrieben. Wir ruhen nicht eher, als bis der Papst über alle deutschen Gewissen gebietet und auch in irdischen Dingen ein Wort mitzureden hat; bis die deutsche Regierung, wie einst Friedrich Barbarossa, vor IHM zu Boden fällt und IHM den Fuß küßt. Dies zu erreichen ist Pflicht eines jeden ehrlichen, braven, wahren Deutschen.
»Sie wollen bei des Papstes Heiligkeit stehen
Und sollte Deutschland ganz untergehen,
Das haben sie beschlossen«,
sangen die Stralsunder.
Um einen tausendjährigen Bann des Aberglaubens zu brechen, gehört eine Portion Übermut und Narrheit auf Seite des die abergläubische Verehrung in Anspruch-Nehmenden, und eine Portion Kourage auf Seite dessen hinzu, der diesen Bann brechen will. Erst als Bonifaz VIII. erklärte, er sei Papst und Kaiser, niemand Untertan, und wenn er die Seelen der Gläubigen zur Hölle führte, niemand Rechenschaft schuldig, sich, als erster, eine doppelte Krone aufsetzte, und neben dem päpstlichen auch im kaiserlichen Ornat mit Krone, Szepter und Küraß sich öffentlich zeigte, zwei Schwerter sich vorantragen ließ, das weltliche und das geistliche, – erst jetzt konnte der mutige Philipp IV. von Frankreich, der, weil er nicht die geforderten Gelder nach Rom abführen ließ, exkommuniziert und seines Landes für verlustig erklärt worden war, dem verrückten Bonifaz antworten: »Wisse Deine allerheiligste Albernheit, dass Wir in weltlichen Fragen niemandem unterworfen sind; dass die Besetzung vakanter Kirchenämter und Präbenden Uns nach königlichem Recht zusteht, sowie während der Dauer der Vakanz, deren Nutzniessung; dass die von Uns bisher gemachten und in Zukunft zu machenden Belehnungen rechtskräftig sind, und daß Wir deren Inhaber gegen jedermann schützen und verteidigen werden. Wer anders denkt, den erklären Wir für albern und begriffsstutzig.«
Freilich eines gehört zu solchem Auftreten: daß die eigenen Landsleute nicht über den Landesherren auf Befehl des Papstes herfallen, wie es die Deutschen bei Heinrich IV., Philipp von Schwaben, Friedrich II., Ludwig dem Bayern und in andern Fällen gemacht haben. »Drey Ding – sagt Hutten – sind Rom leid: der Deütschen Fürsten Einigkeit, des Volkes rechter Verstand und, dass ihr Büberei wird erkannt.«
Als Gregor XIII. gegen König Heinrich IV. von Frankreich den Bann schleuderte und ihn des Reiches für verlustig erklärte, trat das französische Parlament zusammen, und ließ die päpstliche Bannbulle öffentlich in Paris durch den Henker verbrennen.
Als Innocenz IV. auch noch nach England seinen Legaten Martinus sandte mit Carte-blanche-Bullen, die der beutegierige Legat zur Eintreibung des Zehnten nur auszufüllen brauchte, und den verzweifelten Prioren und Äbten die Pferde aus dem Stall zog, vereinigten sich alle Stände des Königreichs zum Widerstand. Der aufgebrachte und Gehorsam-gewöhnte Legat rannte mit Beschwerden von den Geistlichen zu den Baronen und von den Baronen zu den Geistlichen. Endlich ging er zum König und frug, ob dieses Spiel gegen den Abgesandten des Papstes abgekartete Sache sei. Und der König (Heinrich III.), dem endlich die Geduld riß, herrschte den Legaten an, er soll sich zum Teufel scheren! Hier wurde der Pfaffe plötzlich sanft und bat nur um sicheres Geleite durch das erregte Land. Er wurde an die Küste gebracht. Kam nicht wieder.
Aber auch die Deutschen, Stände wie Bischöfe, Fürsten wie Bürger, wußten sich gelegentlich dem tollen Beginnen der Päpste kräftig entgegenzusetzen: Kaiser Friedrich Barbarossa jagte 1187 die Gesandtschaft Hadrians IV., die ein Schreiben überbrachte, in dem das Wort »beneficium«, »Lehen«, im Hinblick auf das Deutsche Reich gebraucht wurde, mit Schimpf und Schande zum Land hinaus – sie wäre beinahe von den deutschen Rittern erschlagen worden – und erließ ein Manifest an seine Großen und an die Geistlichkeit, worin er den Versuch des Papstes, das deutsche Reich als päpstliches Lehen zu betrachten, als lügenhafte Anmaßung kennzeichnet.
Bei anderer Gelegenheit schreibt ihm Barbarossa: »Desgleichen Euren Kardinälen sind die Kirchen Unseres Reiches zugeschlossen, und die Städte stehen ihnen auch nicht offen, weil wir sehen, dass sie nicht praedicatores (Prediger), sondern praedatores (Räuber) sind; nicht pacis et orbis reparatores (Friedensstifter und Weltbesserer), sondern auri insatiabiles corrosores (unersättliche Gold-Zusammenscharrer).
Als Barbarossa zu Venedig 1177, nach erbittertem Kampf mit den mit dem Papst verbündeten italienischen Städten, mit Alexander III., dem Nachfolger Hadrians, Frieden schloß, und bei der Begegnung vor ihm niederfiel, und nach damaliger Sitte ihm den Fuß küsste, nicht ohne mit Vorsicht hinzuzusetzen: Nicht Dir, sondern Petrus! antwortete der Papst: Mir und dem Petrus!, setzte dem dortliegenden Kaiser den Fuß auf den Nacken und zitierte den Bibel-Spruch: Auf Schlangen und Ottern wirst Du gehen, und treten auf junge Löwen und Drachen. – Weber hält das ganze für ein »anmaßendes Pfaffenmärchen; ein Mann, wie Barbarossa, hätte dem Kirchen-Alexander mit dem Szepter über die Ohren geschlagen«.
Luther rast über den Schimpf: »Und solche böse Tat dieses schändlichen, verdampten Papsts Alexandri sollten die Kaiser, Könige, Fürsten und weltliche Herrn den Päpsten, ja Bestien, nimmermehr vergeben; sondern ewiglich gedenken und aufrucken zu ewiger Schande dem römischen, teufelischen Stuhl. Denn es reuet sie nicht, sie büssens nicht, die lästerlichen, verzweifelten Buben, sondern lachens noch dazu, und haben Wohlgefallen daran; wollten wohl gern an allen Kaisern, Königen, Fürsten solch greulich Exempel üben, wenn sie dazu kommen könnten; und wer ein frommer Christ ist und sein will, der sollt auch allein umb dieser einigen That will den Namen Papst anspeien, so oft er ihn hört nennen, oder läse, oder dran gedächte.«
Als Gregor IX. Kaiser Friedrich II. wegen einer hohlen Nuß bannte, und seine Boten durch ganz Deutschland zogen, um das Volk aufzuhetzen, traten die deutschen Bischöfe zusammen und erklärten: »Der römische Oberpriester habe ohne Zustimmung der deutschen Bischöfe keine Rechte in Deutschland; möge der römische Pontifex seine italienischen Schafe weiden; sie (die Deutschen) würden von ihren Schafsställen die Wölfe im Schafpelz abhalten.« – Wann haben deutsche Bischöfe wieder so mit der Kurie gesprochen? Und wenn heute ein Leo oder ein Fuchs im Schafspelz mit einem goldsaugenden Dogma nach Deutschland schleicht, welches ihn zum »Sohn Gottes« oder die Jungfrau Maria zu seiner »Mutter« macht, oder dergleichen, werden deutsche Bischöfe wie im Jahr 1229 sprechen, oder den Schwanz einziehen wie 1870?
Als Gregor IX. am Palmsonntag 1239 den Kaiser zum zweitenmal bannte, weil er ihm nicht die gewünschte weltliche Politik trieb, und »seinen Leib dem Teufel übergab«, sowie seine Untertanen des Eides der Treue entband, richtete Friedrich II. ein Manifest an seine Kollegen auf den Thronen Europas, worin er schrieb: »Das Haupt der Kirche ist ein brüllender Löwe, ein besudelter Priester, ein wahnsinniger Prophet; Unsere Schmach ist auch die Eurige; Uns liegt ob, dass Christi Herde nicht länger von solchem Hirten irregeführt wird. Wir müssen mit allen unseren Pfeilen diesen Feind angreifen, bis er verwundet niederstürzt.« Der heutige Leo brüllt nicht so wie der neunte Gregor; er ist ein dünner Fuchs, der sich noch geschickter in den deutschen Weinberg einzuschleichen weiß; aber ob Fuchs, ob Leo, ob Gregor, jeder Papst ist ein geborener Feind des Deutschtums; schon der deutsche Charakter ist ein immerwährender Protest gegen die doppelzüngige Schlange, die sich »Sohn Gottes« nennt, und ein Mensch nach dem Ideale der Jesuiten ist. Und eine kaiserliche Sprache à la Friedrich II. sähen wir heute lieber als ein freundliches tête-à-tête zwischen Kaiser und Papst zu Rom.
Als der gichtbrüchige Papst Honorius IV., der eine Maschine brauchte, um die Messe zu lesen und die Hostie aufheben zu können, seine lahmen Glieder bis nach Deutschland ausstrecken wollte, und durch seine Boten den Vierten aller geistlichen Einkünfte auf fünf Jahre im voraus einzutreiben befahl, versammelten sich die deutschen Bischöfe in Würzburg, und der Bischof Probus von Toul (welches damals zu Deutschland gehörte), der seinen Cicero nicht vergessen hatte, begann seine catilinarische Rede mit den Worten: »Wie lange, teure Mitbrüder, werden diese römischen Geier noch unsere Nachsicht, um nicht zu sagen Torheit missbrauchen? Wie lange noch werden wir ihre Schandtaten, ihren Geiz, ihren Stolz, ihren Luxus ertragen? Dieses pharisäische Geschlecht schlimmster Art wird nicht eher ruhen, bis es uns alle in die tiefste Armut und niedrigste Knechtschaft gebracht hat...«
Und als Leo X., der große Goldschlund, zum so und so vielten Male Legaten nach Deutschland schickte, um Geld zu einem angeblichen Türkenkriege, mit dem man die Deutschen seit hundert Jahren äffte, zu erpressen, ließ sich ein Deutscher, dessen Name nicht überliefert, folgendermaßen an die Fürsten vernehmen: »Die Türken wollt Ihr überwältigen? Löbliches Unternehmen. Ich fürchte nur, Ihr irrt im Namen. In Italien sucht, nicht in Asien. Gegen die Türkengefahr ist jeder unserer Fürsten zum Schutz seiner Grenzen selbst genug. Aber um jenes anderen Türken Begehren zu erfüllen, genügt nicht der ganze Erdkreis.
Jener, der mit seinen Grenzvölkern immer im Hader liegt, hat uns noch nicht geschadet. Dieser mästet sich bei uns, und saugt das Blut der Armen. Diesen Cerberus könnt Ihr nicht anders befriedigen, als mit einem Goldstrom. Es sind keine Waffen nötig; kein Türkenheer ist es, was der Papst will. Geld, Ertrag der Zehnten, das ist ihm lieber wie Reiterschwadronen und Heerhaufen ...«
Deutschland war überhaupt immer der offene Markt für die Geldbedürfnisse der Päpste: »In Italien – schreibt Hutten – hab ich niemand gesehen, sollicher Ding etwas tun, die unsere Deutschen so mit großem allgemeinem und auch eigenem Schaden zulassen. Dann sie kaufen kein Ablaß. Ja kaum nehmen sie den umsonst. So geben sie auch nit Geld zum Türkenkrieg, und wissen, dass Mittel sind erfunden, die barbarischen Deutschen damit zu ködern, halten die auch darum für fremd, und sie nit betreffend. Noch geben sie Geld zur Vollbringung Sankt Peters Münster wie wir, nit ein Pfennig. Allein Deutschen bedünken sie ihnen brauchbar sein, die sie so lang, und in so macherlei Gestalt äffen. Derhalben auch, wenn sie sehen uns Deutschen sollichs überredt sein, verlachen sie uns bis zum Keuchen.«
Unter den »dreissig artickel«, die ums Jahr 1522 einige deutsche Jungherren und Ritter »mitsamt ihrem Anhang hart und fest zu halten geschworen haben«, sind: »zum fünfften: den Papst zu Rom für einen Antichrist zu halten und ihm in allen Dingen entgegen zu sein. Zum siebenten: dass sie den Hof zu Rom und des Papstes Gesinde die Vorhöllen nennen wollen. Zum zehnten: das sie einen jeden päpstlichen Legaten für einen Verräter deutscher Nation und gemeinen Feind unseres Vaterlands halten wollen. – Zum dreizehnten: schwören sie eine ewige Feindschaft allen päpstlichen Bullen und Briefen, und allen den, die sie ausgeben oder sie beschirmen. – Zum fünfzehnten: das sie hinfür auf Freitagen und andern Fasttagen unterschiedlich Fleisch, Fisch, und was ihnen vorkommt wie an andern Tagen essen wollen. – Zum einundzwanzigsten: dass sie keinen Pfarrer bei ihnen leiden wollen, er sei dann genugsam das Evangelium und christlich Gesetz zu predigen, und daneben eines ehrbaren frommen Lebens. – Zum dreiundzwanzigsten: kein Bildnis fortan, sie seien von Stein, Holz, Silber oder wie sie gemacht, sondern allein Gott im Geist anzubeten und ihm zu dienen. – Zum vierundzwanzigsten: keinen Tag mehr denn den Sontag zu feiern, und sich in dem nicht an der Pfaffen Gebot zu kehren. – Zum fünfundzwanzigsten: kein Brot, Wein, Salz, Wasser, Kraut, Wachs oder anders hinfür zu weihen lassen, sondern alles, das sie mit Danksagung geniessen, für geweiht und gesegnet zu halten. – Zum neunundzwanzigsten: der heimlichen Beichte halber Doktor Luther und andere der Sache Verständigen und Unparteiischen zu suchen, und ihres Rats darin zu pflegen, unangesehen, wie es die geizigen Pfaffen bisher gehalten. – Zum dreissigsten: dass sie in allen obgeschriebenen Artikeln ihr Leib und Gut zusammensetzen wollen. Und rufen Gott zu Gezeugen, dass sie nit ihr eigene Sach hierin, sondern die göttliche Wahrheit und des gemeinen vaterlands wohlfahrt bewegt. Und was sie tun, geschieht in einer guten Meinung.« Es tut einem wahrhaftig wohl, diese Sprache zu hören.
»Drei Ding sind es, die Rom freventlich hasset: rechte Lehnsherrn, freie Wahl der Bischöfe und der Deutschen Nüchternheit; doch ist es diesem dritten am allergefährlichsten gram und zuwider. Wird es auch länger nit leiden, sondern eher ein Gebot ausgehen, darin Trunkenheit gelobt und vielleicht nit Ablass begabt werde, auf das nit, wo die Deutschen nüchtern wären, der Römischen bösen Stück und Trügerei desto eher erkennten« – sagte Hutten.
Und als sie endlich wirklich nüchtern wurden, und die Ablaßkrämer zum Land hinausjagten, nannte man sie »Bestien« und »Barbaren«: »Die römischen Legaten heissen die Engländer und Deutschen tolle unversonnene Leute, beklagen sich, dass sie kein Geld mehr hergeben, dieweil zuletzt die Deutschen auch weiser worden sind, wiewohl sehr spät, so dünkt es doch ihnen viel zu früh, sie sehen eine andere Welt, andere Zeit, und nimmer die, die sich vorher hat durchführen lassen« – sagte Hutten weiter.
»Man fürchtet, die trunken Deutschen fallen von dem Römischen Hof. Die Kardinal sind Ketten, damit man die ungezäumten Hälse der Deutschen bei Römischem Gehorsam behält« – sagte Hessus in einem Dialog vom Jahr 1521.
»Und nicht mehr wollen noch können die Päpste in Deutschland bei den Bestien (wie sie die Deutschen nennen) ein Concilium leiden; sie sorgen, es möchte das Exempel (Konstanzer) Concilii wider sie gebraucht werden, und möchte einer als Papst einreiten, aber als ein armer Tropf ausreiten: darum ist ihnen hieran gelegen, und haben sich bedacht, sie wollen zu Rom bleiben, ohne Concilia und über Concilia, und sollte die Welt untergehen«, heißt es bei Luther.
»Das ist die Sprache des Stuhls zu Rom, wenn er ein freies Concilium gibt, dass du ihn hinfort auch römisch verstehen könnest: wenn sie frei sagen, dass es gefangen heisse bei uns Deutschen; wenn sie weiss sagen, dass du schwarz verstehen müssest; wenn sie christliche Kirche sagen, dass du die Grundsuppe aller Buben zu Rom verstehest; wenn sie den Kaiser einen Sohn der Kirchen nennen, dass es also viel sei, als der verfluchtest Mann auf Erden, welchen sie wollten, dass er in der Hölle wäre, und sie hätten das Reich; wenn sie Deutschland die löbliche Nation nennen, dass es heisse, die Bestien und Barbaren, die nicht wert sind, des Papsts Mist zu fressen«, – sagte Luther.
Noch im Jahr 1724 glaubte Benedikt XIII. die Bulle Unigenitus, welche den der verlotterten Religions-Auffassung feindlichen Jansenismus in Frankreich verdammte, auch in Deutschland einführen zu können, und sagte: »Die Deutschen sind dumme Bestien!« – Aber einer seiner Kardinäle, der früher Legat in Deutschland gewesen war, warnte ihn, und sagte: »Die Deutschen halten den Papst schon lange nicht mehr für untrüglich!«
Am tiefsten aber mußte den Übermut und den Hohn des verwelschten Papstes kosten, und »der größte Märtyrer der Päpste und ihrer Legaten« war, Ludwig der Bayer. – Bei seinem Regierungsantritt 1314 erklärte Johann XXII., ein Papst aus der Schule Gregors, sofort aufs Entschiedenste, daß die kaiserliche Würde in Deutschland, wie die Rechte des Kaisertums nur »Lehen vom Papst« seien, und Ludwig nach Rom als Vasall bittend kommen müsse. – Um diesen Satz hat Kaiser Ludwig wie ein angeschossener Eber sein ganzes Leben gekampft, und brach zuletzt, von Ausländern und seinen eigenen Landsleuten gehetzt, wie ein Wild tot zusammen. – Es handelt sich heute gar nicht darum, ob der päpstliche Stuhl diese Ansprüche nur noch als Lehre, nicht mehr als Praxis, aufrecht erhält. Der päpstliche Stuhl fordert in petto stets alles. Er zeigt in jedem Fall immer nur die Seite seiner Forderungen, die zum Zeitgeist paßt. Der Papst kann sogar modern sein. Aber aufgeben kann er nicht ein Titelchen seiner Vorrechte. So gut, wie er heute noch die alten erdichteten Blei- und Kanzlei-Taxen rechnet, und, wenn sich, wie in der Regel, die Bischöfe und Diplomaten weigern, sie zu bezahlen, sie in jedem einzelnen Fall »nachläßt«, aber sie nie annulliert, so betrachtet er heute noch, wie es Pius IX. im »Syllabus« lehrt, seine Macht als über der weltlichen stehend, ohne von ihr Gebrauch zu machen. Es handelt sich gar nicht darum, was der päpstliche Stuhl heute noch fordert; es handelt sich um Ausrottung einer Macht vom deutschen Boden, die sich in der Geschichte stets als nur ingrimmigster Feind gezeigt hat; es handelt sich um Vertreibung des Fremden aus unserm Vaterland. Mit einem Wort, es handelt sich darum, auch in der Religion, nicht mehr welsch, sondern deutsch zu sein. –
Am 8. Oktober 1323 veröffentlichte Johann XXII. die erste Drohung gegen Kaiser Ludwig: Die Prüfung, Billigung und Zulassung oder Zurückweisung des zum Kaiser Gewählten – heißt es hier – stehe beim Papst. Ludwig hat aber darum nicht nachgesucht, sondern sich den Königstitel angemaßt, sogar die Reichsregierung ausgeübt: »Kraft Unserer päpstlichen Machtvollkommenheit fordern wir nun Ludwig unter Androhung des Bannes auf, die Regierung niederzulegen und nicht eher aufzunehmen, bis er von uns bestätigt ist. Die Untertanen werden bei Strafe der Exkommunikation, des Interdikts, der Privilegien- und Lehns-Verlustes aufgefordert, Ludwig nicht mehr als König und Kaiser zu gehorchen; die Eide, die sie ihm geschworen, werden durch apostolische Autorität für ungültig erklärt.« – Dies Reskript wird an die Türen des Domes zu Avignon, wo die Päpste residierten, angeschlagen.
Ludwig verwahrt sich dagegen zu Nürnberg am 18. Dezember 1323, erklärt sich als getreuer Anhänger und Schirmvogt des christlichen Glaubens, aber auch als deutscher Kaiser, da der von den deutschen Kurfürsten Gewählte und Gekrönte ein Recht habe, sich Kaiser zu nennen.
Am 23. März 1324 sprach der Papst über Ludwig und seine Anhänger den Kirchenbann, über Deutschland das Interdikt aus. – Am 2. Juli erklärte er ihn der königlichen und kaiserlichen Würde für verlustig, und verbot allen Christgläubigen, ihm Gehorsam zu leisten.
Doch blieben Städte und Bürger, aber auch Geistliche, und von den etwa fünfzig deutschen Bischöfen die Mehrzahl dem Kaiser treu; ebenso die meisten Klöster in Bayern und Mitteldeutschland; die Freisinger Domherrn verjagten ihren Bischof, weil er zum Papst hielt; und die Straßburger erklärten den Dominikanern, als diese den Gottesdienst einstellen wollten: »Seither sie hätten vorgesungen, so sollten sie auch fürbass singen oder aus der Stadt springen.«
Und der Bischof Lupold von Bamberg erklärte in seinem Schreiben vom Jahr 1325, mit dem ganzen Bistum des Königs gewärtig zu sein, ihn zu verteidigen gegen jedermann, der von Papstes wegen ihn angreifen könnte. Kein Brief, Prozeß und Urteil des Papstes wider den König soll angenommen oder vollführt werden »und geschähe, dass wir wider dies unser Gelübde (Eid) von dem Papst erledigt (entbunden) würden, dass sie uns es abnehmen, oder uns zwingen wollten, es nicht zu halten, das soll uns wider unsere Treue nicht helfen! Wir halten sie stet und ganz.« – Das war ein deutscher Bischof!
Ende des Jahres 1327 zog Kaiser Ludwig nach Italien, unterwarf sich die Lombardei, Mailand, Pisa, und ließ sich Anfang 1328 in Rom, dessen Bevölkerung ihm jubelnd entgegengekommen war, von dem inzwischen aufgestellten Gegenpapst Nikolaus V. krönen. Der gegnerische Papst in Avignon bannte alles, Geistliche, Bischöfe, Gelehrte, die dem Bayer halfen. Aber Ludwig versäumte es, in Rom das Eisen zu schmieden, so lang es heiß war; politische Wunschbilder bedrängten ihn, und so mußte er, bei dem wetterwendischen Charakter der Römer selbst, ein viertel Jahr später Rom wieder verlassen; ein Jahr später gab er auch Italien auf und residierte 1330 wieder in München, umgeben von einer auserlesenen Schar ausländischer Gelehrter, die der gleiche Widerstand wider den Papst an den Münchener Hof gefesselt hielt. – 1334, als der Papst in Avignon starb, war die Streitsache auf dem alten Standpunkt.
Mit dem neuen Papst, Benedikt XII., wurden sofort Verhandlungen angeknüpft. Ludwig, nur um die schrecklichen Konsequenzen des Interdikts für Deutschland abzuwehren, erbot sich zu den demütigsten Bedingungen; Bedingungen, die man allgemein noch demütigender ansah, als die Heinrich IV. in Canossa angeblich auferlegt worden waren. Der gesamte deutsche Klerus schloß sich in einer Bischofs-Versammlung zu Speyer den Bitten des Kaisers um Versöhnung an. – Umsonst. Der Papst in Avignon war in den Händen Frankreichs. Der französische König Philipp VI. hatte dem Papst geschrieben, er werde ihn schlimmer behandeln, als sein Vorgänger seiner Zeit Bonifaz VIII., wenn er den Kaiser vom Bann löse. Der französische König hoffte von der Eides-Entbindung der deutschen Fürsten für seine politischen Zwecke. Die französischen Kardinäle, die die Majorität im Kollegium hatten, waren mit ihren Einkünften wiederum auf den französischen König angewiesen. So kam die Versöhnung nicht zustande.
Nun war klar, daß der Papst, ohne jede persönliche Macht ein rein politisches Werkzeug in fremden Händen war. Benedikt hielt den Fluchapparat, und der französische König zündete die Blitze an. Und das deutsche Volk schmachtete noch immer unter dem Interdikt. Das arme, abergläubische Volk! – Aber, wie es geht, der Deutsche, nachdem er sich wie ein Packesel gebeugt und sich den Nacken mit dem Unerträglichsten hat beladen lassen, springt, kommt dann noch die Demütigung, kommt noch der Fußtritt hinzu, plötzlich auf, wirft die Last ab, und stürzt mit geschwellten Adern seinem Gegner, heiße er Papst oder König, an den Leib. In der höchsten Not sprangen die deutschen Fürsten ihrem gedemütigten Kaiser bei, und an dem denkwürdigen 15. und 16. Juli 1338 zu Lahnstein und Rense an den Ufern des Rheins erklärten die versammelten Kurfürsten, darunter die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier: der durch die Wahlfürsten zum Kaiser Gewählte bedürfe keiner Bestätigung durch den päpstlichen Stuhl; die kaiserliche Gewalt stamme unmittelbar von Gott. Eine diesbezügliche, an die gesamte Christenheit des Abendlandes gerichtete, Erklärung wurde an das Portal des Doms zu Frankfurt angeschlagen. Es ist eine der bedeutsamsten Kundgebungen in deutschen Landen für alle Zeiten.
Die nächste Folge war nun, daß man allerorts, ohne sich um das Interdikt zu kümmern, die geistlichen Handlungen wieder aufnahm. Freilich hatte die lange Zeit der Sperre nur bewirkt, daß man die geistlichen Gnadenmittel wie Zensuren geringer schätzte.
Die deutsche Einigkeit machte, wie immer, in der Fremde, am Avignonensischen Hofe, Eindruck. Der Papst schickte jetzt, wo die Unterhandlungsbasis eine ganz neue geworden war, und das deutsche Kaisertum von Papstes Gnaden aufgehört hatte zu existieren, seinen Hofkaplan zu Ludwig. Doch kam nichts zustande. Und 1342 starb Benedikt XII.
Gleich der neue Papst Clemens VI. stellt an den noch immer gebannten Kaiser die Forderung, »der Kaiserwürde für immer zu entsagen«, und als er dies nicht tat, erging an ihn der Befehl, »vor dem päpstlichen Richterstuhl zu erscheinen.« – Es dauert nur kurz, und Ludwig, der jetzt auch zu Hause politisch nicht mehr so sicher ist, muß sich aufs neue den demütigendsten Bedingungen unterwerfen. Der Papst hatte im Einvernehmen mit den Kardinälen, die fast alle Franzosen waren, achtundzwanzig der erniedrigendsten Artikel aufgesetzt, die der Kaiser beschwören sollte, in der Erwartung, er werde die Schmach zurückweisen, und es werde eine Lösung des im Namen des Allmächtigen Gottes gesprochenen Bannes, die man nicht wünschte, und die der König von Frankreich verbot, unnötig sein. Der Kaiser, nur um Frieden im Lande zu gewinnen, beschwor die Artikel, worunter sich die Verpflichtung befand, den Kaisertitel abzulegen, eine Pilgerfahrt übers Meer zu machen, Kirchen und Klöster zu bauen, wie es der Papst befehle, Almosen zu geben, Wallfahrten zu veranstalten etc. Ja, die Gesandten, die das beschworene Schriftstück überbrachten, hatten Vollmacht, die Artikel noch umzuändern, wenn sie nicht genügten. Und einer von ihnen schrieb treuherzig an den Schluß der deutschen Übersetzung: »Gott gebe, dass es wohl ginge!«
Es ging nicht! Am päpstlichen Hofe war man in der größten Verlegenheit. Kein Mensch hatte erwartet, daß der Kaiser nach den Kurfürsten-Tagen von Lahnstein, Rense und Frankfurt solche Demütigungen unterschreiben werde. Der Papst und das heilige Kollegium – berichtet Mathias von Neuenberg – wunderten sich sehr und sprachen untereinander: »Der ist vor Angst verrückt geworden!« – Da man den im Namen des Allmächtigen Gottes geschleuderten Bann aus politischen Gründen nicht lösen und keine Aussöhnung wollte, der Papst auch schon aus der ihm befreundeten Luxemburgischen Familie einen Gegen-Kaiser in petto hatte, so blieb nichts anderes übrig, als noch härtere Bedingungen zu stellen! Jetzt sollte Ludwig auch der Königlichen Würde entsagen, alle seine Regierungshandlungen für ungültig erklären, seine Fürsten selbst vom Eid entbinden, und die authentische Auslegung aller abzuschließenden Verträge dem Papst und seinen Nachfolgern überlassen. – Jetzt merkte Ludwig, daß man Friede und Versöhnung dort, am päpstlichen Hof, um keinen Preis wolle. Und der zum so und so vielten Mal in den Staub getretene Mann erhob sich aufs neue. So ging man mit einem deutschen Kaiser um. Ludwig der Bayer war persönlich ein höchst aufgeklärter, freimütiger Fürst, einer der gebildetsten Männer seiner Zeit. Und »der geistig bedeutendste Teil des deutschen Volkes war und blieb in diesem Kampf« – wie Peger schreibt – »auf des Kaisers Seite.« Aber was half das? Der übrige und größte Teil des Volkes schaute mit den glanzvollen Blicken eines Schafs hinüber auf den Stuhl von Avignon, wo »Gott« saß, während in seiner Nähe nur ein Kaiser lebte; und von jenes, des Gottes Seite, genügte für das Volk ein Wink, um diesen, ihren Fürsten, wie einen Verbrecher anzustarren. – Man staunt heute. – Aber ist es denn heute anders? Ist denn das glückselig-anstarrende Verhältnis mancher Katholiken zum heiligen Papst nicht genau dasselbe, wie damals? –
Und nun, nachdem sich Ludwig gegen die drückendste Schmach gewehrt hatte, weil er wußte, sie helfe nichts, konnte der Papst, wie er es wünschte, sein griechisches Feuerwerk losbrennen; er sprach jetzt den großen Kirchenbann über den Kaiser aus, und da lesen wir: »Wir bitten die göttliche Macht, dass sie die Raserei Ludwigs zerschmettere, seinen Hochmut (!!) niederdrücke und auslösche, ihn selbst mit der Stärke ihrer Rechten darniederstrecke und in die Hände seiner Feinde gebe. Möge er einer Fallgrube begegnen, die er nicht sieht, und hineinstürzen! Verflucht sei sein Eintritt, verflucht sein Austritt! Der Herr schlage ihn mit Wahnsinn, Blindheit und Raserei! Der Himmel entlade seine Blitze über ihn! Der Zorn des Allmächtigen Gottes entbrenne gegen ihn in diesem und dem kommenden Leben. Der Erdkreis kämpfe gegen ihn. Die Erde öffne sich und verschlinge ihn lebendig. In einer Generation werde sein Name verwischt und verschwinde sein Gedächtnis von der Erde. Alle Elemente seien ihm entgegen! Seine Wohnung werde öde. Die Verdienste aller Heiligen sollen ihn zu Boden drücken, und ihm schon, in diesem Leben die Rache zeigen, die sich über ihm öffnet! Seine Söhne sollen von ihren Wohnungen vertrieben werden und vor seinen Augen in die Hände ihrer Feinde geraten, die sie verderben.« Das war im April 1346. Im gleichen Monat fand sich ein deutscher Fürst, der alle päpstlichen Artikel, auch die später von Ludwig geforderten, und die das deutsche Königtum zu einem päpstlichen Lehen herabdrückten, beschwor, und damit auf des Papstes Befehl in Deutschland als Karl IV. zum Gegen-Kaiser gewählt wurde. Er konnte aber nicht aufkommen. Das sentimentale Volk hielt – jetzt! – zu Ludwig. 1347 starb der halb zu Tode gehetzte Kaiser, wie man sagte, vergiftet. Sein Grab steht in der Frauenkirche zu München.
Nach Ludwigs Tode zog der neue, jetzt Anerkennung findende deutsche Kaiser, Karl IV., mit einer päpstlichen Absolutions-Kommission im Land herum, um diejenigen zu absolvieren, die Ludwig Treue bewahrt hatten. Hier hatten wenigstens einige den Mut zu erklären, wegen der Treue, die sie ihrem Kaiser gehalten hätten, bedürften sie keiner Absolution. – So sind auch die bedeutendsten Anhänger und Gelehrten Kaiser Ludwigs, Johann von Jandun, Marsilius, Caesena, Occam, im Bann gestorben. Auch der große Prediger Johann Tauler in Straßburg stand auf des Kaisers Seite, und hatte das päpstliche Interdikt nicht beachtet.
Wer die Geschichte Kaiser Ludwigs von Bayern gelesen hat, muß auch für die heutigen Tage wissen, ob er in seinem Herzen Deutscher oder päpstlicher Schlüssel-Soldat ist. –
»Wer will hinfürt unter dem ganzen Himmel sich vor uns Deutschen fürchten, oder etwas Redliches von uns halten, wenn sie hören, dass wir uns den verfluchten Pabst mit seinen Larven also lassen äffen, närren, zu Kinder, ja zu Klötzen und Blöcken machen? Es sollte billig einen jeglichen Deutschen gereuen, dass er deutsch geboren wäre, und ein Deutscher heißen soll!« – heißt es bei Luther.
Lasst nit so gar erlöschen
die deutsch männliche That,
allzeit nach Ehren getröschen,
bestanden in viel grosser Not;
was niemand mocht überwinden,
han die Deutschen gethon.
an's loch lasst euch nit binden,
uns wird sonst des Ochsen Lohn.«
Ihr deutschen Hund, wollt ihr beissen
euer eigen Vaterland?
Euer eigen Nest bescheissen?
Einem Volke, euch unbekannt,
Wollt ihr dazu verhelfen,
wider Gott, Ehr und Recht?
Merkt auf, ihr jungen Welfen,
dazu ihr deutschen Knecht!«
– singt ein altes deutsches Volkslied. Schande und Wollust
Läge Rom in deutschen Landen
Die Christenheit würde zuschanden
Die erste große Säuberung, die Reformation des im Papsttum konzentrierten, verbuhlten und verschacherten Christentums, auf die die nordländische Christenheit seit Jahrhunderten hin gedrängt hatte, die aber von Rom nicht ausgehen konnte, ging schließlich von Deutschland aus. Die nackte und simple Frage, die wir uns heute stellen, ist nun einfach die: Ist die Machtstellung und die Selbstbewußtheit Deutschlands groß genug, ist das deutsche und nordische Empfinden der zur Zeit von der päpstlichen Religion noch abhängigen Kreise Deutschlands mächtig genug, und ist das wahre religiöse Empfinden bei uns heute noch an und für sich tief genug, um sich von historisch gewordenen Religions-Pächtern, wie die römischen Kardinale und ihr römisches Oberhaupt, der Papst, von ihren schwülen Sumpf-Dogmas Malaria-vergifteter Sensualität und lächerlichen Selbst-Vergöttlichungs-Versuchen loszumachen, die Weiterentwicklung der christlichen Religion auch in katholischer Richtung deutschen Männern zu überlassen, und sich solcherart politisch wie ethisch auf eigene, nationale Füße zu stellen?
Wir begreifen, daß man zur Zeit der italienischen Renaissance, der höchsten Blüte, die dieses Land hervorgebracht, Klassiker und Philologen aus Italien bezog, daß die ganze Architektur dieses Landes, diese Bewegung in sinnlichen Formen für uns mustergültig, daß das ganze Abendland der italienischen Malerei zu Dank verpflichtet, daß die deutsche Oper in Italien ihre Wiege hatte; ebenso wie wir begreifen, daß wir heute noch Orangen und Feigen und Vanille aus Italien beziehen; nur eines will mir nicht zu Kopf: daß man ethische Forderungen, moralische Grundsätze und Formulierungen der christlichen Religion heute noch aus dem Ausland beziehen soll. –
Daß das Land der Kunst die Bereitungsstätte für unsere moralischen Anschauungen in christlicher Form war, darin liegt es, daß man heute unter den meisten Gebildeten christliche Übung, wenigstens im Bereich der katholischen Kirche, für etwas Niedriges und Verächtliches ansieht.
Der Jesuitismus ist ein spanisches Produkt. Und wenn wir spanische Geschichte und Kultur uns vor Augen halten, so finden wir, daß Pflanzen und Boden zueinander stimmen. Aber, daß nach Kant und seinem kategorischen Imperativ noch Jesuitische Denk-Mechanik bei uns Eingang finden soll, das begreifen wir nicht.
Mit jener Sicherheit, wie sie Blut, Abstammung, Temperament, Rassenangehörigkeit und Umgebung verleihen, haben Päpste und Kardinale, nicht nur zur Zeit der Renaissance, sondern auch in Avignon, in der byzantinischen Periode, unter den deutschen Kaisern, zur Zeit der Reformation und bis auf den heutigen Tag das Christentum wie sinnlich-südländische Menschen gehandhabt, es schlüpfrig ausgestaltet, mit dem rohesten Aberglauben vollgepropft; oder es merkantil ausgebeutet, zu hierarchisch-politischen Zwecken benutzt; die eigene Familie damit fundiert; in allen dogmatischen oder äußerlich-kirchlichen Fragen eine rein persönliche Note »das Interesse des päpstlichen Stuhls« beigemischt, und für die mechanisch sich gestaltende Moral der romanischen Völker ein bequemes Ruhebett daraus gezimmert; allen Korrektur-Versuchen, sei es eines Savonarola, oder Wickliff, eines Huß oder Luther, die höhnischste Verachtung, »sittliche« Entrüstung oder brutale Gewalt entgegengesetzt, und, wie echte Feiglinge, immer abgewartet, was kommt, nie selbständig eingegriffen, und schließlich jenen Typus des katholischen Priesters erzeugt, wie er in Italien, Spanien und Frankreich als verächtliche, unehrliche Menschen-Sorte vom Volk angesehen wird. Man muß sich die Laufbahn eines Mannes, wie Alexander's VI., gegenwärtig halten, der durchaus keine Ausnahme, sondern nur der Typus, und zwar der selbstverständliche Typus des katholischen geistlichen Würdenträgers seiner Zeit ist. Die Borgias kommen aus Spanien, und einer der ihren, Alonza de Borgia, war schon als Kallixtus III. auf dem päpstlichen Thron. Dadurch wird es Alexander, dem späteren Papst, als Rodrigo Borgia leicht, ins Kardinals-Kollegium zu kommen. Der genossene Bildungsgang spielt gar keine Rolle. Die höchsten Würden sind Familienbesitz. Eine schöne Schwester ist wichtiger, als vieljähriges Universitäts-Studium. Er wird mit fünfundzwanzig Jahren Kardinal; im folgenden Jahr schon Vize-Kanzler der Kirche; von einer unbekannten Mutter hat er zwei uneheliche Kinder, die in seiner Nähe erzogen werden; er lebt mit einer schönen Römerin, Vanozza, von der er fünf Kinder hat, darunter die in der politischen Geschichte jener Zeit bekannten Lukrezia und Cäsar Borgia: moralische Scheusale, sonst hübsch, gefällig, gebildet, sogar »fromm«, im ganzen selbstverständliche Erscheinungen in diesem Umkreis katholischer Religion. Als Kardinal in Siena wird Alexander besonders dadurch bekannt, daß er im Verein mit anderen Prälaten und geistlichen Würdenträgern nächtliche, schlüpfrig-perverse Bälle und Soiréen mit den vornehmen Frauen und Mädchen der Stadt abhält unter ausdrücklichem Ausschluß von deren Gatten, Vätern oder männlichen Verwandten. Und Pius II., der derzeitige Papst, der selbst aus Siena ist, hat davon Kenntnis.
Mit sieben Jahren erhält der inzwischen legitimierte Kardinalssohn Cäsar von Sixtus IV. die Einkünfte des Kanonikus von Valencia, ein Jahr darauf das Benefiziat von Xativa, und mit neun Jahren wird er kirchlicher Schatzmeister von Cartagena. Mit zwölf Jahren ist er Protonotar des apostolischen Stuhls. Als 15jähriger Student in Pisa wird Cäsar von Innocenz VIII. (das ist schon der dritte Papst in diesen Beförderungen) zum Bischof von Pampeluna ernannt, und ein Jahr später, 1492, kauft sein Vater Rodrigo Borgia, Vizekanzler der Kirche, gegen bar, gegen Versprechungen, Ernennungen, einige Paläste, einige große Einkünfte, sich selbst die Papst-Würde und wird Alexander VI.
»Jeder Sieg, jeder Raub, jede Ketzer-Exkommunikation, jede Privatrache, jede Erwerbung im Namen der Kirche war für ihn Gelegenheit besonderer Gunstbezeugungen an seine Kinder in Form von Würden, Belehnungen, Zuwendungen, Schenkungen.«
Einmal Papst, richtet sich Alexander VI. im Vatikan mit seiner großen Familie gemächlich ein; seinen Sohn Cäsar macht er im folgenden Jahr, mit siebzehn Jahren, zum Kardinal; seine Tochter Lukrezia wandert aus den Händen eines fürstlichen Gatten in die des andern, je nachdem die politische Konstellation dies verlangt, wobei der je vorhergehende mit Gewalt weichen muß, oder wie der Fürst von Bisceglie, vom eigenen Schwager ermordet wird. Vanozza, die Maitresse Alexanders, die jetzt alt geworden, erhält ein eigenes Witwen-Palais. Die noch jüngeren Kinder werden bei einer Kusine des Papstes, Adriana Mila, erzogen. In deren Hause kommt der Papst auch mit seiner zweiten Maitresse, der sehr jugendlichen Julia Farnese, regelmäßig zusammen. Deren Bruder, Alexander Farnese, der sie überwachte, hatte man zum Kardinal gemacht, weshalb ihm das Volk den Beinamen »Cardinale della Gonella«, »Unterrock-Kardinal«, gab (was aber nicht hindert, daß er 1534 als Paul III. den päpstlichen Stuhl besteigt;) sie selbst hatte man pro forma mit dem Sohn ihrer Pflegerin, jener Adriana Mila, in deren Haus sie wohnte, mit Orsini, verheiratet, der aber außerhalb Roms auf dem Lande lebte; und ihr, der Julia Farnese selbst, hatten die Römer, wegen ihrer Beziehungen zum Stellvertreter Christi, den Namen »Sposa del cristo«, »Braut Christi«, beigelegt. Von dieser Julia bekam Alexander VI. noch zwei Kinder, für die er sich als Vater eintragen läßt, und deren eines, Laura, ein späterer Papst, Julius II., glücklich sein muß, für die Hand seines Neffen, Nikolas von Rovero, zu gewinnen.
Und während dieser Zeit hatte der fanatisch-visionäre Asket Savonarola in Florenz einen förmlichen Sittlichkeits-Staat eingerichtet, und auch das Laster-Leben Alexander VI. offen getadelt. Alexander VI. bot ihm, ihn einschätzend wie einen ändern geistlichen Würdenträger, 1495, die Kardinalswürde. Savonarola schlug aus und griff den Papst noch heftiger an. Zwei Jahre später traf ihn der Bannfluch. Und 1498 wurde er auf Befehl des Papstes als Ketzer, Schismatiker, Ruhestörer und Volksverführer gehenkt.
Indessen hatte Alexander VI. seine besondere Art, sich zu amüsieren, aus Siena mit in den Vatikan verpflanzt. Ein Deutscher, Burckhardt, war sein Zeremonienmeister und aus seinem »Diarium« erfuhr die ahnungslose Nachwelt die Einzelheiten der merkwürdigen Beschäftigungen dieses »Sohn Gottes«. Die kirchlichen Zeremonien waren durchaus Nebensache, und wenn sich der Pontifex beteiligte, dann saßen die Damen und seine Kinder scherzend und lachend vorne im Priesterchor, so daß selbst das Publikum oft laut zu murren anfing. Abends amüsierte sich dann der Papst im Kreis seiner Familie mit den öffentlichen Dirnen der Stadt. »Jeden Tag« – berichtet das »Diarium« – »läßt der Papst Mädchen bei sich tanzen, oder gibt andere Feste, an denen Mädchen sich beteiligen. Cäsar und Lukrezia wohnten einem dieser Feste am 27. Oktober 1501 bei, obwohl letztere sich am 15. September mit dem Herzog Alfons von Este verheiratet hatte. Nach dem Abendessen, an dem der Pontifex teilnahm, ließ man etwa fünfzig Kurtisanen herein, die mit der Dienerschaft oder den Eingeladenen tanzten; anfangs bekleidet, ziehen sie sich später vollständig aus; man stellt auf den Boden große Kandelaber, welche die Festivität beleuchten; der Papst, sein Sohn, der Herzog, und seine Tochter Lukrezia werfen Kastanien unter sie, und belustigen sich, wie diese Armen hin und her fahren, haschen und sich raufen. Endlich hat der Pontifex ein anderes Spiel als Krone dieser Belustigungen ersonnen: Liebeskämpfe, bei denen der Kräftigste als Sieger – abgesehen vom Besitz des betreffenden Mädchens – noch mit hübschen Preisen bedacht wird.«
Am 4. November 1501 berichtet der florentinische Gesandte Franzesko Pepi seiner Republik: »An diesem Tag Aller Heiligen und Aller Seelen kam der Papst weder in St. Peter, noch in die Kapelle, weil er den Schnupfen hatte, was ihn nicht hinderte, die Nacht vom Sonntag, die Nacht von Allerheiligen, bis um zwölf Uhr beim Herzog (seinem Sohn Cäsar) zuzubringen, der Kourtisanen und öffentliche Mädchen hatte kommen lassen, mit denen sie sich in Tanz und Scherz die ganze Nacht vertrieben.« Und Augustinus Vespucci schreibt am 16. Juli des gleichen Jahres an Machiavelli: »Ich muß noch einer Nachricht gedenken, die hier im Umlauf ist, daß sich nämlich der Papst auf seinem Landsitz, wo er gewöhnlich seine Mädchen-Orgien abhält, jeden Abend fünfundzwanzig und mehr Frauenzimmer zwischen Ave Maria und ein Uhr in der Früh gruppenweise von einem Unbekannten in den Palast bringen läßt; es sollen sich sehr schöne darunter finden«.
Eines seiner Haupt-Vergnügen war auch – wie Burckharts »Diarium« berichtet – mit seiner Tochter Lukrezia von den Fenstern des Vatikans aus in einen der Höfe hinabzuschauen, wo Reitknechte Hengste und rossige Stuten aufeinander hetzen mußten.
Wir haben hier nicht nötig, die weiteren politischen Unternehmungen dieses Papstes, die meist das Glück und die Zukunft seiner Kinder betreffen, noch die Mord- und Greueltaten seines Sohnes, die sich in der eigenen Familie und mit Wissen des Papstes abspielen, zu schildern. Sein frivoles Wort über die »Sünden der Deutschen«, die sein Sohn in einer Nacht verspielt hatte, steht an anderer Stelle. Im August 1503, wenige Tage, nachdem der Papst mit seinem Sohn bei dem reichen Kardinal Adriano de Corneto auf dessen Weinberg gespeist hatte, erkrankten beide, Vater und Sohn, und der Papst starb wenige Tage darauf. Es ist bezeichnend für die Borgia, daß sofort das Gerücht entstand – nicht der Kardinal Adriano habe den Papst – sondern der Papst den Kardinal Adriano vergiften wollen, um dessen Güter einzuziehen; – was der damaligen Kirchenpraxis entsprach – und der Kardinal von seinem Koch unterrichtet, sei zuvorgekommen, und habe dem Papst, wie dessen Sohne, nach den einen – vergifteten Wein, nach den andern – vergiftetes Konfekt gereicht. An dieser Meinung hielten dann die Historiker bis zum heutigen Tage fest. Noch Ranke glaubt daran, und stützt sich auf einen Bericht aus der Chronik Sanutos, der voller Unwahrscheinlichkeiten ist. Gregorovius läßt die Frage untentschieden. – Bezeichnend aber für den Charakter des Papsttums ist die Äußerung Cäsar Borgias, der, – sein Vorleben in Betracht gezogen – im Hinblick auf die Ansichreißung der päpstlichen Würde, später die Äußerung zu Machiavelli machte: »Ich hatte alle Fälle beim Ableben meines Vaters vorgesehen, nur den nicht, daß ich selbst zu der Zeit totkrank darniederliegen würde.« – Totkrank hatte er noch die Geistesgegenwart, den Kirchenschatz im Betrag von dreihunderttausend Goldgulden, wie Burckhart erzählt, an sich zu reißen, und damit durch einen unterirdischen Gang den Vatikan in der Richtung zur Engelsburg zu verlassen.
Gehen die Ansichten über die Vergiftung des Papstes auseinander, so sind diejenigen über den Charakter Alexanders VI. ziemlich einstimmig. Guicciardini, der berühmte Staatsmann und Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts, schreibt: »Den Hauptgrund seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl verdankt er einem um jene Zeit gerade aufgekommenen Verfahren, indem er nämlich teils durch bares Geld, teils gegen Versprechen von Ämtern und geistlichen Pfründen, die er in ungeheurer Menge zu vergeben hatte, die Stimmen der meisten Kardinale öffentlich kaufte.«
Die Römer machten auf ihn den Vers: »Alexander verkaufte (im Ablaß) Kreuze, Altäre und Christus; mit Recht kann er sie verkaufen; er hat sie ja vorher gekauft.«
Über seinen Tod schreibt Guicciardini: »Er starb den 18. August (1503). Seine Leiche, die schwarz, aufgebläht und gänzlich entstellt die offenkundigen Zeichen der Vergiftung an sich trug, wurde nach päpstlichem Ritus begraben. Daß Gift die Ursache des Todes gewesen, war die allgemeine Meinung. Man wußte nämlich, daß der Papst selbst samt seinem Sohn die Gewohnheit hatten, mit Gift nicht nur seine Feinde aus Gründen der Rache oder aus Furcht aus dem Wege zu räumen, sondern auch Kardinäle und Höflinge, die sich in nichts vergangen hatten, deren Reichtum aber in der Seele des Papstes die Gier nach dessen Besitz entfacht hatte. Dies war auch bei dem Kardinal von St. Angelo der Fall, der bei einer Einladung auf seinem eigenen Weinberg aus dem Weg geräumt werden sollte. Der Papst, der bei großer Hitze zuerst erschien, trank nichtsahnend von jenem bereitgestellten vergifteten Wein, der für den Kardinal bestimmt war, und so starb an eigenem Gift jenes Untier, das durch maßlosen Ehrgeiz, schändliche Untreue, entsetzliche Grausamkeit, ungeheuerliche Wollust, nie erhörten Geiz und durch rücksichtslosen Handel mit geweihten und profanen Dingen den gesamten Erdkreis vergiftet hatte.«
Und an anderer Stelle: »Seine Laster überwogen um ein Ungeheuerliches seine Tugenden; seine Sitten, die denkbar obszönsten; keine Ehrlichkeit, keine Scham, keine Wahrheit, keine Treue, keine Religion, unersättliche Habsucht, unbändiger Ehrgeiz, eine mehr denn barbarische Grausamkeit, und ein rastloses Streben, seine Kinder, deren er einen Haufen hatte, in glänzende Verhältnisse zu bringen.«
Dabei war Alexander VI. durchaus keine monströse Erscheinung in damaliger Zeit. Er war nur der Typus in seltener Vollendung. Wie schon oben Guicciardini sagt: die Käuflichkeit der päpstlichen Würde war die Regel; das Hinwegräumen unliebsamer Personen durch Gift die Regel; und was die Kinderzahl anbetrifft, so hatte der Vorgänger Alexander's, Innozenz VIII. Kinder, die er ebenso, wie Alexander, in Anwesenheit des ganzen Vatikans unter großen Festlichkeiten vermählte. Der Nachfolger Alexander's, der achtzigjährige Pius III., hatte zwölf Söhne und Töchter, und nur sein rascher Tod hinderte ihn, sie am päpstlichen Hof gut zu versorgen. »Alle Päpste« – sagt Yriarte – »seit 1400 bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts waren im Besitz einer zahlreichen Familie, die Frucht ihrer Zerstreuungen mit Kurtisanen und den vornehmen Damen der römischen Gesellschaft; es gilt als außerordentliche Ehre, sich mit ihren Töchtern zu verheiraten und ihre Söhne knüpfen königliche Verbindungen.«
Es klingt fast zum Totlachen, wenn man das Folgende liest: »Am gleichen Tage, da Alexander VI. seiner Tochter Lukrezia 1501 einen neuen Gatten gab, berief er das heilige Kollegium, um über die Verbesserung der Sitten in den Klöstern zu beratschlagen.« Kurz vorher unter Pius II. muß der Geistlichkeit in Rom verboten werden, »Spiel- und Hurenhäuser zu unterhalten, und daraus ihren Profit zu ziehen.« Und das »Diarium« Burckhardts berichtet aus damaliger Zeit: »Die gesamte Geistlichkeit läßt sich nichts angelegener sein, als sich eine Familie zu gründen. Und vom Höchsten zum Niedersten haben denn auch alle unter der äußeren Form der Ehe Konkubinen und zwar öffentlich. Diese Verderbnis erstreckt sich bis auf die Mönche und Ordensbrüder, so daß faktisch fast alle Klöster der Stadt Hurenhäuser sind.«
Von welcher anderen Seite aber man auch das Sittenleben jener Rasse, oder jener Kardinale untersuchen möge, die durch eine unglückliche geographische oder historische Anordnung dazu berufen sein sollen, uns Deutschen die Lehren des Christentums zu interpretieren, überall stoßen wir auf die Merkmale jener Degenereszenz, die Romanen- und Germanentum in ihren transzendentalen Anschauungen grundsätzlich voneinander scheidet, überall auf jene rohe, sinnfällige Verweltlichung des Göttlichen, der bis zum Fetischismus reicht.
Schon die Messe mit ihrem orientalischen Putz und die von Innocenz III. 1215 dogmatisierte Transsubstantiations-Lehre ist eine post-evangelische sinnfällige Zubereitung der rein übersinnlichen Christuslehre für eine mit rohen Anschauungen operierende Masse unter orientalischem Einfluß.
»Die Messe, was ist das doch anders, denn ein eitels Beschwören und Verzaubern, da Brot und Wein, so doch leblose, stumme Kreaturen sind, durch Kraft der Pfaffen Atem und der fünf Wort in Fleisch und Blut verändert werden? Also dass es öffentlich erscheinet, dass all ihr Gottesdienst und Zeremonien voll Beschwörung, Abgötterei, Aufrichtung und Anbetung der Bilder, und voll allerlei Menschengebot und eigen Gutdünken sein«, – erkannte schon Fischart.
Blödsinniges, deutsches Volk, zu Tausenden liegt Ihr vor einer glitzernden, allein dort stehenden Monstranz, und betet dort auf des Papstes Befehl das Produkt irgend eines, vielleicht schlecht-gewaschenen Bäckerjungens an. Denn, Hand aufs Herz! Wie viele von Euch glauben, daß eine hinter einem Glas steckende runde, milchige Scheibe aus Mehl und Wasser ein Stück Fleisch jenes ums Jahr Dreißig von den Römern hingerichteten Christus enthalte?
Es handelt sich hier gar nicht um die Abendmahls-Lehre oder das Sakrament der Eucharistie. Es handelt sich darum, daß eine Oblate hinter einem Glas aufgestellt wird und dem Volk gesagt wird: das ist Euer Gott. Betet ihn an! – Mehr taten die Feuer- und Stein-Anbeter auch nicht. – Es handelt sich darum, daß eine Holz-Statue, die die Madonna darstellt, und vor der täglich Hunderte betend dort knien, deren hölzerne Arme und Hände mit Votiv-Geschenken vollgepfropft sind, in Italien vom Papst, in Deutschland, wie im Jahr 1892 in Kevelaer, auf Befehl des Papstes gekrönt wird, womit dem Volk gesagt wird: dieses Holzbild ist Euer Gott. Die alten Deutschen, die eine blühende Eiche als Symbol des kräftigen Lebens verehrten, standen unvergleichlich höher. – Oder wenn in einer Kapelle des Bamberger Doms neben einem Nagel vom Kreuz Christi die Worte stehen: »Heiliger Nagel, bitt' für uns!« – »Jede wahre Religion«, sagt Leibniz, »ist Verehrung des unsichtbaren Gottes.« Dies aber ist Fetischismus.
Bände werden von den römischen Rechtsverdrehern verschmiert, was zu geschehen habe, wenn eine Mücke in den Abendmahls-Kelch fällt; ob selbe konsekriert zum Fleisch und Blut Christi geworden, und, für alle Fälle, am besten zu verzehren sei.
Im Jahr 1548 fraß eine Maus in der Marienkirche zu Paris eine konsekrierte Hostie. Die Geistlichkeit, voller Schrecken, ließ den Altar abbrechen und den ganzen Fußboden ausheben, um das hungrige Tierlein, respektive ihren verzehrten Gott, zu ergreifen; fanden es aber nicht. »Zur Versöhnung des Gottes – geht der Bericht weiter (man glaubt im Livius zu lesen) – wurden Prozessionen veranstaltet, und ein wundertätiges Marienbild an den Ort der Tat gebracht.« – So geht es, wenn man sich einen Gott aus Holz oder Pappe macht; er kann einem gestohlen oder gefressen werden.
Anfang der siebziger Jahre wurde in München ein junger Gymnasiast relegiert, also von der Möglichkeit des Weiterstudierens in seinem Land für immer ausgeschlossen, weil er beim Kommunizieren die Hostie statt in den Mund in die Westentasche gesteckt hatte. Ist dieser junge Mensch, der vielleicht einen guten Kopf hatte, nicht mehr wert, als ein Millionstel Partikel Eures Gottes aus Pappe?
Ich kenne einen Fall, wo ein Priester das von einem Geisteskranken, der die Sterbesakramente erhalten hatte, Erbrochene aufaß, weil nach seiner Meinung die Hostie noch nicht verdaut sein konnte. – Ist das Verehrung des unsichtbaren Gottes?
Zur Statuenliebe in der katholischen Kirche schreibt Victor Hehn in seinen bekannten »Reisebildern« aus Genzano in der römischen Kampagna vom 18. Oktober 1839: »Abends wohnte ich noch einer Litanei in der Kirche bei. Das hohe und weite Gebäude war von einzelnen sparsamen Lampen geisterhaft beleuchtet, die das dichte Dunkel mehr streiften, als durchdrangen. Dazu plärrten die Priester, und immer dieselbe fürchterliche Formel. Eine Schar Kinder, deren Unterricht darin besteht, sangen ihnen nach. Arme junge Seelen! Schon so früh entstellt! Ein hölzerner Christus am Kreuz ward über einen Stuhl gelegt und jeder Knabe mußte ihn von Kopf bis zu Füßen mit Küssen bedecken. Selbst die Erwachsenen, die Männer im Weibergewand, knieten am Ende nieder und taten dasselbe. Wahrlich, wären wir selbst nicht auch vom zarten Alter daran gewöhnt, so daß wir nichts mehr fühlen, wir würden glauben, Narren des Irrenhauses zu sehen.«
Aber denselben hölzernen Götzendienst können wir heute noch jedes Jahr am Karfreitag in Deutschland beobachten, wo eben die päpstliche Religion Geltung hat, in München, Mainz, am Rhein, in Würzburg. Auch dort küssen Hunderte und Tausende die dort am Boden liegenden hölzernen Kruzifixe. Die Leute tun es mit der stumpfsinnigen Gewohnheit, die dem römischen Katholiken eigen ist; sie sind brav und ehrlich dabei; glauben wirklich ein gutes Werk zu verrichten, und nur wenige werden syphilitisch.
»Ihr habt nun oft von mir gehört, dass ich gepredigt habe wieder die närrischen Gesetz des Papstes. Unter anderm hat er geboten, dass kein Weib soll das Tuch waschen, darauf der Leichnam Christi sei gehandelt worden (Altartuch), und wenns gleich auch eine reine geweihete Nonne wäre, es sei denn, dass es ein Pfaff oder Mönch zuvor gewaschen habe. Auch wenn ein Laie den Leib Christi oder den Kelch mit blossen Händen anrührete, dem müsste man die Finger beschneiden, oder mit einem Ziegelstein die Haut abreiben; und was der närrischen Gesetze mehr sind unter dem Papsttum: darüber ihnen (sich) die Papisten mehr Gewissen gemacht haben, denn über ihre Hurerei und Gotteslästerung, die so öffentlich wider Gott und so hell am Tage sind gewesen, dass auch die Kinder auf der Gassen davon gesungen haben«, so geißelte Luther die päpstlichen Laster!
Das ganze Religionswesen zieht aus dem Innern des Menschen hinaus in die Peripherie. Nicht Deine innere Heiligkeit ist es, sondern die Heiligkeit des Metall-Gefäßes; nicht Sauberkeit Deines Herzens, sondern heilige Sauberkeit des Altartuches; die runde Scheibe der Hostie ist die Heilstatsache schlechthin geworden. Diese komplette Versinnbildlichung und Veräußerlichung des ursprünglich Transszendentalen, die Hinausprojizierung der Herzens-Vorgänge in weißen und gelben Altar-Zierrat, und das Verrücken der Seele in die Epidermis, ist rein orientalisch, der absolute Gegensatz zum nordischen Empfinden. Unnötig zu sagen: undeutscher, als undeutsch.
Und noch etwas: Der Priester, was ursprünglich jeder in der Gemeinde sein sollte, wird hier immer mehr abgesondert, verheiligt, mit besonderem Blut und Fleisch begabt, denn er kann nicht beflecken. Die Entwicklung, die der Papst vom römischen Pfarrer zum Provinzial-Bischof, zum Stellvertreter Christi, zum »unfehlbaren Mitwisser der göttlichen Geheimnisse«, zum »Sohn Gottes« durchgemacht hat, macht jeder Priester für sich durch: er wird zum Herrgöttchen. Er spricht am Altar in einer fremden Sprache; er steht über dem Gesetz; nur mit Hilfe des Teufels kann er beleidigt werden; er allein kann die heiligen Gegenstände, in denen für ihn das ganze Christentum steckt, unbeschadet berühren. Kommt ein Laie daran, so kann er, obwohl von Haus aus schmutzig, die Gegenstände zwar nicht beflecken; dazu sind sie zu heilig; aber er selbst würde heilig; das darf nicht sein; wegen des Abstands zum Priester. Und nun kommt das kostbare Charakteristikum: die Fingerspitzen werden ihm abgeschnitten, oder doch mit Ziegelsteinen abgerieben. Es wird nicht etwa untersucht, ob er wenigstens bei lauterer Gesinnung Kelch oder Altartuch berührt. Nein, er darf nicht heilig werden, und die geheiligte Schicht muß schleunigst abgerieben werden. In diesem Ziegelstaub steckt der gesamte Katholizismus.
Ist aber der Priester so heilig, so entfernt vom Laien in die Nähe von Gott gerückt, so kann ihn auch nichts beflecken, und menschliche Handlungen können ihm nichts anhaben. Schon bei Gerson, bei Gelegenheit der Zölibatsfrage, lernten wir die dogmatische Konstruktion der Priester-Konkubine kennen, die wohl lässige, leicht tilgbare Sünden mit sich bringt, aber weder Priester-Weihe noch Keuschheits-Gelübde zerstört. Nun steht der Priester überhaupt erhaben über den Menschen da, und für den jungen Altar-Gott ist nun freie Bahn für allerlei Hantierung geschaffen.
Und nun begreifen wir, daß Geistliche unter Alexander VI. die Einkünfte von Spielhäusern und Bordellen bezogen, daß die Klöster Bordelle genannt werden; daß Sixtus IV. in Rom öffentliche Huren-Häuser errichtet und daraus ein jährliches Einkommen von vierzigtausend Goldgulden bezieht; daß Päpste und Kardinale mit den Frauen und Mädchen ihrer Residenz unter Ausschluß sonstiger Männer gemeine Feste der Ausschweifung feiern, oder sich Gruppen von Prostituierten in den Palast bringen lassen, daß sie den blöden abendländischen Völkern ihre Sünden gegen Geld abnehmen, und dieses Sünden-Geld ihrer Schwester schenken, oder im Spiel vertun; daß man schöne Schwestern gegen Kardinalstellen eintauscht, für die dummen Deutschen, die »Bestien«, neue Sünden konstruiert, und Fastengebote und Ehehindernis stipuliert, die einen selbst nichts angehen; und daß man als Papst im Purpurkleide und mit der dreifachen Krone auf dem Haupt, wie sein Gesetzbuch sagt, »supra Jus, contra Jus, extra Jus, Deus in terris«, über dem Gesetz, gegen das Gesetz, außerhalb des Gesetzes, als ein Gott über der Menschheit schwebt.
»Gleisst schön von Pracht und Reverenz,
Der Welt Verderb und Pestilenz,
Schwatzt viel von Fasten, auch Andacht,
Ihm säuberst fette Tage schafft.
Verkauft Fuchsschwänz, kurz, lang und breit,
Das Volk um's Geld und Hab geseit.
Derhalb Er Judas-Beutel schlecht
An seinem Halse führet recht,
Dazu ein'n langen Rosenkranz,
Hat fleissig Acht auf seine Schanz,
Nachdem die Welt töricht und blind
Ihm folget samt der Menschen Kind.
So führt er sie auf losen Sand,
Gibt ihn'n für's Geld ein'n grossen Quant,
Schafft Platten, Kappen, holzen Schuh,
Nächtlich Geschrei im Chor ohn Ruh,
Reich Opfer bei der Toten Pein,
Geweihte Rosen, Öl und Wein,
Annaten und Vigilien,
Gross Ablass samt dem Requiem,
Geschmückt' Altär', auch wächsene Licht,
Monstranzen, heimlich Ohren-Bicht,
Kirchen, Kapell, gross' Klöster reich,
Weihwasser, Salz, das Kraut zugleich,
Palmen und Kelch, das Osterfeuer,
Geschmierte Kreuz' an hoher Mäuer,
Bringt alles Geld und ist fast teuer,
Die Hölle samt dem Fegefeuer;
Hat auch dabei seine Creaturen,
Tragen rote Hüte mit langen Schnuren,
Ein Teil lang Haar, ein Teil beschoren,
Ha'n Kleider als gemeine Toren,
Von schwarz, grün, weiss, auch himmelblau,
scheckigt und bunt, rot, gelb und grau,
Werden wie Dieb' gebunden auch,
Ha'n dicke Hälse und fetten Bauch,
Müssen nicht reden, sind ganz stumm,
Beugen den Schalk grad und krumm.
Dazu hat er auch Jägerhund
Mit Krämerei zu aller Stund,
Verkaufen, Messen, Eigenwerk
Auf dass sich mehr' sein Reich und stärk',
Ein Teil schlemmen und gehen in Saus,
Halten glatt' Pferd und Huren aus.
Er hat auch eigene Henkersknecht',
Das Krumm' bewegen sie gerad und schlecht,
Als Curtisan, diebisch Fiskal
Procurator, Official,
Fürwahr ein seltsam Hofgesind,
Desgleichen man bei Pluto nicht find't,
Zu locken hieher auf dieser Erd
Die Menschen auf seinen Vogelherd«, –
lautet ein Spottlied um 1549.
Zu dem Charakter sündlosen Erhabenseins der Päpste und ihrer Priester über menschliche Sitte und Satzungen gehörten auch ihre voluptuösen Beziehungen zum gleichen Geschlecht, Sodomiterei, wie man es damals nannte, Päderastie, wie man es heute nennt, eine Sache, so selbstverständlich im Bereich päpstlicher Religionsübung, daß das Volk nurmehr schlechte Witze darüber macht. In Deutschland nannte man es »Welsche Hochzeit«. Schon Damiani im 11. Jahrhundert war der Sache so kundig, daß er die verschiedenen Methoden dieser unsauberen Übung in seinem »liber gomorrhianus« in ein förmliches System bringen konnte, worüber Alexander II. aber nur lachte. –
»Sollt ich, die sodomitisch sind,
der welschen Hochzeit grausam Schand
erzählen, ihr würdet alle samt
ein'n Gräuel han, erschrecken drob«,
– rief 1546 der deutsche Richter J. Schradin aus Reutlingen.
»Nit allein hat man zu Rom Unkeuschheit für ein Regierern menschlichs Lebens, sonder auch legen die Romanisten ihren Sinn daruff, wie sie in mancherley Gestalt, und uff seltzame Art, auch wunderlich Weyss, und wie vor nie gehört Unkeuschheit pflegen, damit sie auch den Kaiser Tiberius übertreffen. In der Summ davon zu reden, schlechter Gestalt und gewöhnlicher Weyss Unkeutschheit treiben verachten sie und heissen es Baurenwerk. Dann zu Rom thut man ding, der wir uns hier zu reden schämen«, schrieb Hutten.
»Wann man die Buchstaben verkehrt,
Ist Roma Amor, das heisst Lieb,
Die Lieb steht in verkehrtem Trieb:
Denn Rom pflegt allezeit der Knaben –
Ist gnug, man sollts verstanden haben«,
– heißt es in einem alten Flugblatt.
Julius II. schändete zwei junge, französische, adlige Knaben, die erziehungshalber von der Königin Anna von Frankreich nach Italien geschickt worden waren. Julius III. machte einen jungen sechzehnjährigen Menschen, Innocenz, einen seiner Lieblingsknaben, zum Kardinal, und wurde deshalb von den Römern als »Jupiter, der mit Ganymed spielt«, herumgezogen. – Und der Sohn Pauls III., Ludovico, notzüchtigte sogar den jungen, schönen Bischof von Faenza, worüber dieser aus Scham und Kränkung starb, während der Papst es nur für »jugendliche Unenthaltsamkeit« erklärte, und seinen Sohn absolvierte.
Dieser Paul III. selbst schändet schon als Legat unter Julius II. eine adlige junge Dame in Ancona, und muß flüchten, überläßt gegen einen Kardinalshut seine Schwester Julia Farnese Alexander VI., und hat selbst Verkehr mit der eigenen zweiten, jüngeren Schwester, und seiner Base Laura Farnese.
In ganz Deutschland wußte man die Schande. In einem im Jahr 1537 erschienen Pasquille heißt es: »Deutscher: Wahrlich, Du malest mir in dem heiligen Vater einen wahren Taugenichts. – Pasquill: Das wirst Du erst sagen, wenn Du hörest, wie er (Paul III.) zuerst zum Kardinalshut gekommen und dann wie er Papst geworden ist. Man sagt, er habe eine sehr schöne Schwester gehabt, da Julius der zweite Papst gewesen ist. Diese hat Alexander heftig lieb gehabt, und da er nicht gewusst, wie er sie sollte zu sich bringen, um seine Unkeuschheit mit ihr zu treiben, hat er diesen jetzigen Papst Paul vermocht, seine Schwester ihm zuzuführen. Dafür hat er ihn zum Kardinal gemacht. Also sagt man, und die Römer sagen es selbst. – Deutscher: So wäre er besser zum Hurenwirt, als zum Papst! Wer sollte denn einem solchen verzweifelten Bösewichte glauben, und auf solchen vermeinten Concilium (zu Mantua) erscheinen, der mit solchen schalen Fratzen umgeht, in dem keine Treue und kein Glaube zu hoffen ist.«
»Denn also pflegten die Päpst von gar schändlichem Mutwillen und abscheulicher Unkeuschheit zu brennen, dass sie denen Bischofs- und Kardinals-Hüt verheissen, die ihnen ihre Schwestern oder das noch greulicher zu sagen ist, ihre jungen Brüder zum Schänden zuführen. Mit diesen Künsten pflegen ihrer viel gar feiste Pfründen zu erjagen. Und ist, wie Agrippa (von Nettesheym) sagt, kein anderer näherer Weg dazu.«
Und von dem Verkehr Pauls III. mit den Huren in Rom, deren amtliche Schätzung unter seinem Nachfolger Julius III. vierzigtausend ergeben hatte, heißt es, daß er ihnen »Zins forderte; an Gulden silberne und andere Müntz, darnach sie schön gewesen, haben sie geben müssen. Dieselbigen werden vom Bapst in grossen Ehren gehalten, die küssen des Bapstes Füss, die halten mit dem Bapst freundlich Gespräch, die haben mit dem Bapst Tag und Nacht Gemeinschaft.«
Sixtus IV. (1471 – 1484), der zuerst Staatsbordelle in Rom errichtete, ließ jeden Geistlichen die jährliche Konkubinen-Taxe von einem Dukaten zahlen, auch wenn er keine Konkubine hatte; andererseits wies er die Einnahmen von einer bestimmten Anzahl Huren anderen Geistlichen als Pfründe an; so daß Agrippa von Nettesheym mitteilt, die Einnahmen eines geistlichen Würdenträgers hätten ungefähr so gelautet: »er hat zwei Benefizien, ein Curat mit zwanzig Dukaten, ein Priorat mit vierzig Dukaten, und drei Huren im Bordell.«
Die Einnahmen aus den Staatsbordellen werden auf jährlich achtzigtausend Dukaten geschätzt; dies erscheint begreiflich, wenn wir lesen, daß allein der eine Sohn Sixtus' IV., Peter, wie Machivelli erzählt, für seine Mittagstafel oft zwanzigtausend Florenen ausgab, und in den zwei Jahren seines Kardinalats zweihunderttausend Dukaten durchbrachte.
Die Summe kirchlicher Greuel und geistlicher Knabenschändung deckt eine parodistische Beschreibung eines »Konklaves römischer Huren« auf, worin selbe beschließen und fordern, daß auf das Halten von Pagen und jungen Knaben bei den Kardinälen eine hohe Taxe gelegt werde; denn solange einer dieser Herrn männlichen Geruch in seiner Umgebung spüre, nehme er nichts anderes an; und der wachsende Verkehr der Geistlichen mit Kammerdienern, Aufwärtern, Barbieren, und Ladenschwengels schädige sie, die Huren, in ihrem Gewerbe auf das Schwerste. – Das war das Ende des eigensinnigen Versuchs Gregor's VII. hinsichtlich der Ehelosigkeit der Priester, daß man diese, gar in Italien, in Scheusäligkeiten hineintrieb, die sie zu einer neuen, psychopathischen, homosexuellen Rasse machte, so daß man später aus hygienischen Gründen froh gewesen wäre, wenn die Herrn in Lila oder der Gott in Purpur ein Weib angerührt hätten.
»Wie gefällt es Dir aber, daß man zu Rom handelt mit dreierlei Kauf-Schatz: Christo, geistlichen Lehen und Weibern?« – »Wollt Gott allein mit Weibern, und gingen nit oft aus der Natur«, sagte Hutten.
»Und welche verdammte Bösewichter wollen alle Welt bereden, daß sie der Kirchen Häupt, Mutter aller Kirchen und Meister des Glaubens sein, so man sie doch an ihren Werken in aller Welt erkennet; nämlich, daß sie bei gesunder Vernunft so öffentlich rasend und tolle sind worden, daß sie nicht wissen, ob sie Mann oder Weib sind, oder bleiben wollen; sich nicht schämen doch vor dem weiblichen Geschlecht, da ihre Mutter, Schwester, Muhmen unter sind, die solchs von ihnen hören und sehen müssen mit großen Schmerzen. Ei pfui euch Sodomiten-Päpste, Kardinäl' und was ihr seid im römischen Hofe, dass ihr euch nicht fürchtet vor dem Pflaster, darauf ihr reitet, dass euch verschlingen möchte«, sagte Luther.
Die Päpstin Johanna, die durch Betrug und List im 9. Jahrhundert den päpstlichen Thron bestiegen, und, nach mancherlei Schande und Wollust, auf demselben ein Kind geboren hat, so daß der päpstliche Stuhl zum Gebärstuhl wurde, diese Erzählung, die uns überliefert ist, war sicherlich nur eine Fabel; aber es war charakteristisch, daß so etwas auf Männer erfunden werden konnte; es war vor- wie nachbedeutend für das eigentümlich wollüstige Leben der Päpste, für die Verweibsung dieser rasierten Leute in Weiberstoffen und Goldhauben, und bezeichnend für die besondere Art ihres psychischen Gebärens, die dem Weib gegenüber das Gefühl als Mann verloren haben, und über die »Menstruation« und »Milch« der Maria Bände und Dogmen fabrizieren, als wäre es ihre eigene Sache. –
»Ein weibisch Volk, eine weiche Schar,
ohn Herz, ohn Mut, ohn Tugend gar,
da seind wir überstritten von.
Im Herzen tut mir weh der Hohn«,
– klagte Hutten.
»Lasset die Kleinen zu mir kommen, und wehret ihnen nicht!« Matth. 19, 14. – Das habt ihr Papisten so verstanden, daß ihr bis auf Clemens XIV. jährlich ca. viertausend Knaben kastriertet, sie wie Indianer behandeltet und an ihren Qualitäten des Verschnittenseins euch vergnügtet.
Von den Jesuiten stammt der Spruch aus der Zeit der Gegen-Reformation: sie wollten um jeden Preis die gesamte christliche Welt wieder dem Papst unterwerfen: »ac si cadaver esset« – »und wenn er ein Kadaver wäre.« »Kadaver« für den Papst und aus dem Munde der Jesuiten ist kein schlechtes Beiwort: stagnierend wie ein Leichnam und stinkend wie ein verfaulendes Aas. –
Charakteristisch für den weibischen Charakter des päpstlichen Hofes ist – im Bedürfnisfalle – ihre Vorliebe für Gift – für andere. Während sonst beim Südländer rasch das Messer blitzt, und der »Bravo«, der seinen Dolch gegen Bezahlung jedermann zu Verfügung stellt, zur typischen Figur geworden war, gebrauchen die Päpste das lautlose, schleichende, von hinten anfallende Gift – die feige Umbringungsart, aktiv wie passiv, und die regelmäßige bei dem des Muts entbehrenden Weib. Es geht in der Geschichte nur unter dem Namen: Kirchengift. Die Industrie war vollständig ausgebildet und in den Händen empirisch-chemisch-geübter Leute; nicht nur das, sondern auch die Praxis der Gegen-Gifte – man mußte sich doch selbst vorsehen – wurde mit großer Sicherheit geübt. Die schwierige Forderung an ein solches ahnungslos wirkendes Toxikon war: geschmacklos, geruchlos, und farblos. Meist wird von einem weißen Pulver gesprochen, welches man dem Gebäck oder Wein beimischte. Von diesem erhielt wahrscheinlich jener türkische Prinz Dschem, der Bruder und Nebenbuhler des Sultans, den Alexander VI. im Gewahrsam hatte, und wie seine Korrespondenz mit Bajesid II. ergibt, für dreihunderttausend Goldgulden aus dem Wege zu räumen versprach. Als Karl VIII. von Frankreich Rom besetzte, beeilte sich Alexander, und lieferte Dschem dem französischen König derartig aus, daß er vier Wochen später in des letzteren Lager vor Neapel starb. – Auch Burckhardt spricht von dem »Gift der Borgia«, dessen Wirkung auf bestimmte Termine berechnet werden konnte. Und der zuverlässige päpstliche Geschichtsschreiber, Onofrio Panvini, weiß allein von vier vergifteten Kardinalen zu berichten (Orsini, Ferrari, Michiel und sogar ein Verwandter der Borgia, Giovanni Borgia), die auf Rechnung Alexanders VI. und seines Sohnes Cesare kommen. – Das Volk war in Rom mit den Leichensymptomen nach solcher Vergiftung, auch wenn das Siechtum sich längere Zeit hinzog, vollständig vertraut.
Berüchtigter und gefährlicher noch war das »aqua tofana«, dessen Erfindung dem Ende des 17. Jahrhunderts angehört. Es ist nach Santo Domingo eine wasserhelle, absolut geschmack- und geruch-freie Flüssigkeit, die in Neapel zuerst hergestellt wurde, und nach der Ausage eines neapolitanischen Arztes Kantharidin und Opium, nach Garelli, der die Kriminal-Akten der 1720 in Neapel hingerichteten Giftmischerin Tofana kannte, als Hauptbestandteil Arsenige Säure enthalten haben soll. Es war kein plötzlich wirkendes Gift, wie unsere modernen toxischen Alkaloide, sondern mußte lange, oft Wochen fort gegeben werden, was bei seiner Schmacklosigkeit leicht gewagt werden konnte. Meist wurde es in Früchte instilliert, wie in Feigen, deren intensiver, reichwürziger Geschmack allerdings auch schmeckende Stoffe wie Opium zuzudecken imstande war. Mit dieser seiner Lieblingsfrucht soll Ganganelli, als Papst Clemens XIV., der durch Aufhebung des Jesuiten-Ordens sich zahlreiche und rücksichtslose Feinde gemacht hatte, nach übereinstimmenden Berichten, und nach seiner eigenen Aussage auf dem Krankenlager, vergiftet worden sein. Er starb nach sechsmonatigem Dahinsiechen in vollständiger Erschöpfung. Haare und Nägel fielen bei der Leiche ab; sogar die Glieder sollen sich gelöst haben. Das Gesicht mußte bei der Ausstellung verdeckt werden.
In einer so giftgeübten Stadt wie Rom hatte natürlich jeder in gefährlicher wie exponierter Stellung für sein Leben zu sorgen. Und so vergifteten nicht nur Päpste, sondern sie wurden auch vergiftet; nach der Schätzung Höniger's allein einundzwanzig. Es kam eben darauf an, wer zuerst kam; wer zuerst von dem Anschlage des Gegners erfuhr, und dann den Spieß umdrehte, wie in dem Fall des Kardinal Hadrian.
Es erscheint fraglich, ob Kaiser Heinrich VII., der wegen seines Zuges nach Neapel vom Papst mit dem Bannfluch belegt war und in Buon-Convento, wo er schon krank von einem Dominikaner-Mönch das Abendmahl erhalten hatte, starb, durch eine Hostie, wie man damals und später glaubte, vergiftet werden konnte, – die Deutschen stürzten nach dem Kloster und stachen die Mönche nieder. – Entweder muß damals das »Brot«, das man beim Kommunizieren reichte, größer gewesen sein, als die heutige Oblate, die knapp imstande wäre, die nötige toxische Gabe unserer jetzigen stärksten Alkoloide aufzunehmen, oder der Kaiser mußte am Geschmack und der sofortigen Wirkung den Vergiftungs-Versuch merken, womit allerdings stimmt, daß ihm sein Arzt riet, durch ein Brechmittel sich von der Hostie wieder zu befreien, wozu aber der Kaiser zu fromm war.
»Drei Dinge« – sagt Hutten – »braucht man nicht nach Rom zu bringen: Altertümer, zerstörte Mauern und – Gift.«
Von den Gift-reichenden Päpsten hat sich das französische Sprichwort erhalten: »Qui mange du Pape en meurt«: »Wer vom Papst ißt, stirbt.« –
Eine andere Zerstörung, die sich vom ersten Moment ihrer Erscheinung an an die Ferse der Päpste und Kardinäle heftete, ist die Syphilis. Bartholomäus Montagna, Professor zu Padua, einer der ersten Schriftsteller über die Lustseuche, wurde zuerst durch die Verbreitung dieser Krankheit unter der höchsten Geistlichkeit Italiens zur Abfassung seiner Schrift veranlaßt. Die Krankheit hatte damals einen sehr heftigen, zerstörenden Charakter; und entsetzlich ist die Beschreibung des Leidens, die er von einzelnen Geistlichen gibt.
Pinctor, Leibarzt Alexander's VI., beschreibt die langwierige Heilung der Lustseuche bei diesem Papst und kommt dabei auf die Ausschweifungen des ganzen päpstlichen Hofes zu sprechen. Der Kardinalbischof von Segoria, der als Magister domus sacrii Palatii die Aufsicht über die Bordelle in Rom führte, starb an der Krankheit.
Kaspar Torella, ein anderer Leibarzt Alexander's VI., und Kardinal, gibt dem Papste und dem gesamten päpstlichen Hof die für die damaligen Sitten und medizinischen Anschauungen bezeichnende Vorschrift: unzüchtige Handlungen nicht morgens nach der Messe, sondern nachmittags nach geschehener Verdauung, und ja nicht mit suspekten Weibern vorzunehmen!
Von Julius II. sagt sein Leibarzt: »Eine Schande ist es zu sagen, daß kein Teil seines Körpers nicht mit dem Zeichen einer ungeheuerlichen und scheußlichen Wollust bedeckt gewesen wäre.«
Er konnte am Karfreitag, wie sein Zeremonienmeister Grassis mitteilt, niemand zum üblichen Fußkuß zulassen, weil sein Fuß durch Syphilis fast zerstört war!
Und Leo's X. Wahl soll, wie Bayle erzählt, dadurch beschleunigt worden sein, daß seine brandigen Wunden, »die er sich in den Kämpfen mit der Venus geholt«, einen solchen pestilenzialischen Geruch im Konklave verbreiteten, daß die Kardinale sich beeilten die Wahl zu vollziehen, umsomehr, als die Ärzte ihnen sagten, Leo könne nicht mehr lange leben, und es werde also bald wieder Papstwahl sein.
»Denn jedermann jetzt sehen mag,
Ihr greulich Tun, und ist am Tag
Ihr Gestank und Französischer Leib
Mit welchem sie gross Schalkheit treib',
Weil man ihr' Greuel noch nicht Sehen
Konnt', nun man aber tut's ausspähen,
Dass sie so greulich sind verwundt
im Teufelsleben ganz ungesund ...«
– heißt es in einem »Fliegenden Blatt«.
Wo der Schaden ist, da stellt sich auch der Spott ein: Aus der Zeit der Dunkelmänner-Briefe stammt ein satirisches französisches Gedicht, welches einem hohen Geistlichen in den Mund gelegt ist, dessen Nase durch die Syphilis zerstört und bald abgenommen werden soll. Er hält eine ergreifende Ansprache an diese Nase, nennt sie Kardinal, Spiegel aller Gelehrsamkeit, die sich niemals auf Häresieen eingelassen habe, wahres Fundament der Kirche, wert, kanonisiert zu werden, und hofft, sie werde im späteren Leben noch römischer Papst werden.
Viele, die nach Rom zogen, um sich Ablaß und Sündenvergebung zu holen, kamen mit der Syphilis zurück:
»Ihr habt so lang getragen hin,
viel Geld und Gut aus Deutschem Land,
herwider bracht all Laster Schand,
die zu erzählen mir nicht ziemt«,
– sagt Hutten.
Die Deutschen nannten das neue, epidemisch um sich greifende Leiden »französische Krankheit« oder die »Franzosen« und zweifellos hat die Übertragung auch von französischer Seite aus stattgefunden; doch früher scheint dieselbe von Italien her durch die geistlichen Geschäftsreisenden erfolgt zu sein:
»Und haben bracht in unser Land,
das vor den Deutschen unbekannt,
da habens uns beflecket mit.
Wer war der erst, dazu je riet,
dass man ein Römisch Weis' annähm?
Je mehr ich sag, je mehr ich schäm«,
– sagt Hutten weiter.
Der italienische Dichter und Arzt Fracastoro, der unter Leo X. lebte, widmete sein großes lateinisches Gedicht: »Syphilis, oder die Gallische Krankheit« dem Sekretär dieses Papstes, Cardinal Bembo. Wir erfahren aus demselben, daß man damals schon den Gebrauch des Quecksilbers kannte, dessen heilende Wirkung Fracastoro bei seinen hohen Würdenträgern nicht genug zu schätzen weiß. Fracastoro mußte später sogar die hohen geistlichen Herrn auf das Konzil nach Trient geleiten.
Auf diese Konzilien kamen die Päpste und Kardinale mit ganzen Scharen von Huren und Knaben. Auf dem Konstanzer Konzil (1414–1418) »waren offen gemein Frauen durch die ganz Stadt hinweg, in Frauenhäusern, Ställen und Winkeln ab siebenhundert (on die heimlichen).« – Ein anderer Chronist zählt im ganzen fünfzehnhundert, und meldet, daß eine dieser »Frauen« sich achthundert Gulden auf diesem Konzil verdient habe; (nach heutigem Geldwert ca. sechzigtausend Mark; das Konzil dauerte fünf Jahre.) Und auf das Tridentiner Konzil kam eine römische Kurtisane mit einem Gefolge von dreißig Personen.
»Nun hat man neue Märe in dem Lande vernommen,
seit das Konzilium gen Konstanz ist kommen;
die Dirnen sind gemelich
und sind auch worden wacker und rich.
Die schwäbischen Mägde, die sind einfältig gewesen,
nun hat man also die letzen in wohl gelesen,
dass sie die Künste treiben recht;
sie kumment eben Herren und Knecht.
Die fremde Sprach hat sich zu uns gemischet,
etlich hat den ihren da erwischet.
Dukaten, Nobeln und Kron
wollen die schwäbischen Dirnen von den Gästen hon.
Der Papst ist zu deutschen Landen kommen,
das haben die hübschen Frauen wohl vernommen,
wie sich die Geschicht ergangen hat,
das schaffen alles die Kurtisant,
denn die Pfennig haben sie in der Hand. –
Die hübschen Frauen sind geringer geworden,
des hat mein Herr, der Bischof um sie geworben.
»Seid willkommen, Herr Kurtisan!
Wollt ihr einen Gulden geben, so will ich mit euch schlafen gan'«
Wenn sie des Abends auf der Gassen laufen
so schreien die Knaben ...
den Spott müssen wir Armen von ihnen han',
das schaffen alles die Kurtisan,
wenn sie viel Geld han,
darum mögen wir ihnen nit beistan!«,
– heißt es in einem alten Spottlied.
Die katholische Kirche sagt immer, man müsse sie als Ganzes nehmen; nicht ein Dogma glauben, und das andere zurückweisen. – Einverstanden! Auch wir wollen die römisch-katholische Kirche als Ganzes nehmen. Wenn aber heute die deutschen Katholiken auf ihren Versammlungen singen:
»Den Gruß laßt erschallen
Zum Ewigen Rom,
Zum Herzen, das uns allen
Schlägt in Sanct Peters Dom
Leo, Leo,....« usw.
so bezweifeln wir, ob sie die ganze Geschichte der Päpste kennen.
»O Fürsten, merket mich gar schon,
dahin werd Ihr's nit bringen,
dass Dütschland werd unterthon,
dem Papst sein Lied zu singen;
das geschieht nit mehr, kein Papst noch Herr
den Tag wird nit erleben,
dass Dütschland kam Euch in die Hand
und um den Papst werd geben«,
sang man damals in Deutschland.