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Man fordert heute von Jedem, der auf höhere Bildung Anspruch machen will, daß er die verschiedenen Schicksale der Völker und Staaten kenne; daß er wisse, welche Veränderungen unser Geschlecht durchlaufen, ehe es sich zu der Stufe der geistigen und sittlichen Kultur emporschwang, auf der wir es heute erblicken, was im Allgemeinen den Gegenstand der Geschichte der Menschheit ausmacht.
Aber hiezu wird ein angestrengtes Studium vieler Jahre erfordert; und abgesehen davon, daß nicht Jeder den Beruf in sich fühlt ein Gelehrter zu werden, stehen nicht Allen zu diesem Beginn Zeit und Mittel zu Gebote. Ein Anderes aber ist es mit der Geschichte des eigenen Vaterlandes; diese kann und soll ein Jeder kennen, der nur einigermaßen an seiner Nationalität hängt. Denn in der That, welch ein schimpflicher Vorwurf wäre es, wenn uns Jemand sagen könnte, wir wären Fremdlinge auf heimischem Boden?
Es muß also jedem wohlgesinnten Luxemburger daran gelegen sein, mit den frühern Schicksalen seines Landes bekannt zu werden; um so mehr, da es zu verschiedenen Zeiten eine wichtige Rolle in der Geschichte, und besonders in der Geschichte des Mittelalters gespielt hat, und er hier das schöne Zeugniß findet, daß er von Vorfahren abstammt, die durch Biederkeit und Treue vor vielen Andern glänzten.
Besonders aber für den Unterricht der zarten Jugend ist die vaterländische Geschichte von der höchsten Bedeutung; denn in diesem Alter ist Geist und Herz am empfänglichsten für die Eindrücke der Bewunderung und Verehrung, Gefühle aus welchen mit zunehmender Reife des Verstandes ein fest begründeter und dauernder Patriotismus hervorgeht, ohne den man unmöglich ein guter Bürger ist.
Denn wie man das Pflänzchen, das während des Lenzes fröhliche Blüthen und im Herbste reichliche Fruchtkörner tragen soll, schon im Vorfrühlinge in die Erde setzt; so muß auch der Keim der Vaterlandsliebe schon in früher Jugend in das unverdorbene Gemüth gestreut werden, damit er noch jene frische Lebenskraft, die in der Folge eine allzustarke Sonne austrocknet, zu seiner Entwicklung vorfinde.
So übergebe ich also diese Schrift den Händen unserer lieben Schuljugend, in der frohen Hoffnung, daß ihr Geist und Herz bei der Lesung derselben nicht leer ausgehen werde.
Die Verwirklichung dieser Hoffnung wird dem Verfasser die Mußestunden, die er zu ihrer Ausarbeitung verwendet hat, im vollsten Maaße vergelten.
Da die erste Auflage meines Werkchens: » Die Geschichte des Luxemburger Landes faßlich dargestellt zum Gebrauche der Primärschulen«, die zuerst im Jahre 1842 erschien, sehr bald erschöpft war, so hatte ich es mir seit längerer Zeit schon zur Aufgabe gestellt, sobald als möglich eine zweite Auflage desselben zu besorgen. Allein meine vielseitigen Amtsverrichtungen haben mir es bis dahin nicht erlaubt, mich mit dieser Arbeit zu befassen, und so mußte, bei Ermangelung eines Handbuches, leider der Unterricht in der vaterländischen Geschichte in manchen Schulen sogar unterbleiben.
Unter diesen Verhältnissen mußte mir daher das freundschaftliche Anerbieten eines meiner frühern Schüler und dermaligen Collegen, des Hrn. Professors und Schulinspektors Dr. Schaack, unter meiner Mitwirkung eine sorgfältige Revision des Werkchens vorzunehmen, und die Geschichte bis auf unsere Tage fortzusetzen, höchst willkommen sein.
Indem ich Hrn. Schaack hier öffentlich meinen verbindlichsten Dank dafür ausdrücke, übergebe ich sodann den HH. Lehrern, so wie unserer lieben Schuljugend dieses neue Werkchen, mit dem heißesten Wunsche, daß dasselbe beitragen möge, in den zarten Herzen der heranwachsenden Jugend die Liebe zu ihrem Vaterlande zu erwecken, und immer mehr zu beleben und die schönen Tugenden der treuen Anhänglichkeit an ihren Gott und an ihren König, der wahren Frömmigkeit und Biederkeit, wodurch sich die alten Luxemburger stets so ruhmvoll ausgezeichnet haben, tief in dieselben einzuprägen.
Luxemburg im März 1856.
Der Verfasser