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Vom Ausbruch der belgischen Revolution bis auf unsere Tage. Von 1830-1856.
Inzwischen hatte sich in Brüssel eine provisorische Regierung gebildet, und am 4. Oktober erklärte sie: »die von Holland abgerissenen Provinzen sollen einen unabhängigen Staat bilden.« Dieselbe erklärte am 18. Oktober das Großherzogthum Luxemburg für einen Bestandtheil Belgiens, und nun schien auch das Schicksal unsres Landes, das sich bisher ganz ruhig verhalten, und kein Zeichen der Empörung gegeben hatte, entschieden zu sein. Belgische Emissäre durchzogen Städte und Dörfer, und durch alle die Vortheile, die sie dem Volke vorspiegelten, ward dasselbe mit fortgerissen. Da von Seiten der niederländischen Regierung kein Widerstand geschah, übernahmen die Belgier die Verwaltung des Landes, und machten Arlon zum Hauptsitz derselben, während die Hauptstadt Luxemburg allein unter der rechtmäßigen Herrschaft des Königs der Niederlande blieb.
Seit dem Beginne der belgischen Unruhen hatte sich die Londoner-Conferenz niedergesetzt, und als Schiedsrichterin in den Streitigkeiten zwischen Holland und Belgien aufgestellt. Die Verträge von 1815, durch welche das Königreich der Niederlande gebildet worden, wurden insofern abgeändert, als sie Belgien zu einem selbstständigen Königreiche erklärten, und am 4. Juni 1831 erwählte der unterdeß in Brüssel zusammengetretene Nationalcongreß den Prinzen von Sachsen-Coburg, unter dem Namen Leopold I, zum erblichen König der Belgier.
So war die Revolution vollbracht, und durch den Machtspruch der Londoner-Conferenz gerechtfertigt. Wenn sie in mancher Hinsicht ersprießliche Folgen für Belgien gehabt haben mag, so brachte sie unserm Lande überhaupt wenig Glück. Allerdings wurde das Abgabensystem, welches früher laute Klagen hervorgerufen hatte, etwas umgeändert, aber im Allgemeinen ward viel mehr bezahlt als zuvor. Auch hatte das Land von Militäreinquartirungen viel zu leiden. Am unglückseligsten aber wirkte die Revolution zunächst auf das Volksschulwesen, das, wenn ihm auch noch Mängel, und selbst sehr große, anhafteten, dennoch schon manche schöne Früchte getragen hatte. In Belgien hatte man den Grundsatz der unbeschränkten Freiheit des Unterrichtes aufgestellt. Aber bald sah man die unausbleiblichen Folgen dieser Freiheit ein: sie mußte nothwendig den ganzen Verfall des Schulwesens nach sich ziehen, und dieses geschah, wie in Belgien, so auch in unserm Lande. Jetzt zeigte es sich, daß es viel leichter ist, niederzureißen als aufzubauen, denn Jahre lang arbeitete man mit aller Anstrengung, ohne das niedergerissene Gebäude wieder in den Zustand zu setzen, in dem es sich vor der Revolution befand. Aus diesem Verfall wurde es glücklicher Weise gerettet durch die, in Folge des Gesetzes vom 26. Juli 1843 eingetretene neue Organisation, mit welcher eine neue Zeitperiode in der Geschichte unsres Unterrichtswesens beginnt.
Unterdessen gab der König der Niederlande mehrere wichtige Verordnungen heraus, welche die veränderte Lage des Landes erheischte; wir wollen nur der hauptsächlichsten davon erwähnen. Am 31. Dezember 1830 erschien eine Verordnung in Betreff der Einrichtung einer besonderen Verwaltung für das Großherzogthum Luxemburg; am 15, April 1831 eine andere, die Einrichtung der gerichtlichen Gewalt und die Verwaltung der Gerechtigkeit betreffend, und durch königlichen Beschluß vom 4. Oktober desselben Jahres ward auch eine Rechnungskammer für das Großherzogthum errichtet. So waren also Stadt und Land getrennt; politischer Haß entzweite Familien und Freunde; es gab nun eine holländisch- und eine belgisch-gesinnte Partei. Mitten unter diesen traurigen Umständen wurde die Stadt Luxemburg im Jahre 1832 durch ein schreckliches Unglück heimgesucht. Die Cholera, die schon in den meisten Staaten Europa's gewüthet hatte, raffte in den Monaten Juli bis September auch hier viele Einwohner, besonders aus den weniger bemittelten Ständen hinweg, während das platte Land größtentheils von dieser Geißel damals noch verschont blieb. In dieser verhängnißvollen Zeit bot man Alles auf, um dem Unglück zu steuern, und die Noth zu lindern: in kurzer Frist hatte man durch milde Beiträge ein Krankenhaus errichtet, wo die von der Seuche angesteckten Unglücklichen nützliche Hülfe und Verpflegung fanden; Geistliche und Aerzte bewiesen eine schöne Uneigennützigkeit und Aufopferung. Ohne Furcht vor Ansteckung besuchten sie die Kranken auf ihren ärmlichen, den Tod aushauchenden Lagern, und brachten ihnen die letzte Hoffnung der Wiedergenesung, die letzten Tröstungen der Religion. Auch schenkte der König in dieser Noth eine Summe von 2200 Gulden zur Unterstützung der Unglücklichen, die an den Folgen der Krankheit litten, und die Frauen von Luxemburg, nicht minder wohlthätig, veranstalteten eine Loterie ihrer Handarbeiten zum Besten der bedrängten Familien Da dieses Mittel einen guten Erfolg gehabt, so waren sie bald darauf bedacht, auf demselben Wege einem andern, vielfach gefühlten Bedürfnisse zu steuern, und so gründeten sie im folgenden Jahre, und erhielten später durch eine jährliche Loterie eine Arbeitsschule für arme Töchter, die sie unter die Leitung der verdienstvollen Klosterfrauen zu St. Sophie (jetzt zu U. L. F.) stellten. Dieses schöne Denkmal der erfinderischen Wohlthätigkeit der Luxemburger Frauen erfreute sich bald der besonderen Gunst Ihrer Majestät der Königin der Niederlande, welche sich zur Beschützerin der Anstalt erklärte, und als der Tod Höchstdieselbe am 12. Oktober 1837 wegraffte, geruhte am 8. Januar 1839 I. K. K. H. die Prinzessin von Oranien, die jetzige Königin Mutter, den erledigten Platz huldvoll einzunehmen.
Unterdessen arbeitete man eifrig daran, die Angelegenheiten der so gewaltsam von dem Lande losgerissenen und beständig getrennten Stadt zu ordnen, und so erschien ein königlicher Beschluß vom 26. Dezember 1833, welcher die geistliche Verwaltung, die seit 1823 dem Bischof von Namur angehörte, von demselben unabhängig erklärte, und in Luxemburg einen Apostolischen Vikar einsetzte. So erschienen auch in den folgenden Jahren K. Beschlüsse, wodurch die Anwendung der beiden Nationalsprachen (deutsch und französisch) in den öffentlichen Verhandlungen gestattet, dem Königl.-Großherzoglichen Athenäum zu Luxemburg Instruktionen und Reglemente vorgeschrieben, und für die jungen Luxemburger der Besuch der höhern Lehranstalten im Ausland geregelt wurden.
Während dieser Zeit hatten die Gesandten der fünf Hauptmächte Europa's in der Londoner-Conferenz an einem Frieden zwischen Holland und Belgien gearbeitet, auf welchen ganz Europa, besonders aber die betreffenden Länder mit der ängstlichen Spannung harrten. Allerdings war schon am 15. November 1831 ein Friedensschluß unter dem Namen » Vertrag der 24 Artikel« erschienen; aber Wilhelm I fühlte sich zu sehr in seinen Rechten verletzt, als daß er jenem Vertrag seine Einwilligung hätte geben können: denn derselbe setzte unter andern nochmals eine Zerstückelung des schon so oft zerrissenen Luxemburger Landes fest, und demgemäß sollte ein Theil desselben an Belgien fallen, der andere als ein besonderes Großherzogthum unter dem Scepter des Königs der Niederlande als Großherzog von Luxemburg fortbestehen. In Folge jener Weigerung des Königs blieb das Schicksal unsres Landes noch immer unsicher und schwankend, bis er endlich, der Uebermacht und den Wünschen der niederländischen Nation nachgebend, am 14. März 1838 durch seinen Abgeordneten bei der Londoner-Conferenz sich bereit erklärte, den Vertrag zu unterzeichnen. Am 19. April 1839 erfolgte auch der Beitritt Belgiens zu dem im vorhergehenden Monate Januar noch in einigen Punkten modifizirten Vertrage der 24 Artikel, demzufolge zum Großherzogthum Luxemburg die Gerichtsbezirke Luxemburg (mit Ausnahme eines Theils der Kantone Arlon und Messancy) und Diekirch, wie auch ein Theil der zum Bezirke Neuschateau gehörigen Kantone Fauxvillers und Sibret, mit 169,730 Einwohnern blieben, während das Uebrige des Landes mit 158,887 Einwohnern die belgische Provinz Luxemburg bildete.
Durch einen königlichen Beschluß vom 11. Juni wurden zwei Commissäre beauftragt, im Namen Sr. Majestät des Königs Großherzogs das abgetretene Land wieder in Besitz zu nehmen; zugleich aber hatten sie auch die Sendung, eine neue Organisation des Landes in Anschlag zu bringen. Nachdem nun durch eine Proklamation vom 23. Juni die Besitznahme in den verschiedenen Distrikten erfolgt war, schritten sie zu den, durch Zeit und Umstände in allen Zweigen der Verwaltung nothwendig gewordenen Reformen, und so erschienen königliche Beschlüsse vom 4. Januar 1840, durch welche eine Landesregierung ernannt, das Finanzwesen geordnet, und ein Appellations- und Cassationsgericht niedergesetzt wurde.
Unterdessen hatte Wilhelm I, von Alter, aber noch mehr von den langen, seit der belgischen Revolution erlittenen Widerwärtigkeiten tief gebeugt, den Entschluß gefaßt, seine königliche und großherzogliche Krone abzulegen, und dieselbe seinem ältesten Sohne, dem Prinzen von Oranien, zu übertragen. Diese seine Abdankung kündigte er seinen Unterthanen in einer Proklamation vom 7. Oktober 1840 an, in welcher er denselben für die bewiesene Treue und Anhänglichkeit dankte, und die feste Zuversicht ausdrückte, daß sie auch seinen Nachfolger mit derselben Liebe und Ehrfurcht aufnehmen würden. In einer Proklamation von demselben Tage macht Wilhelm II den Luxemburgern seinen Regierungsantritt bekannt; er erinnert sie daran, daß der Luxemburger stets seinen Fürsten treu war, und er fordert sie auf, Ihm ihre Liebe und ihr Vertrauen zu schenken, damit er, auf dieselben gestützt, zu dem gemeinen Wohle sein ganzes Leben widmen könne. Am 28. November empfing Wilhelm II in Amsterdam unter feierlichen Zubereitungen die Huldigung seiner Unterthanen; auf ihn, den Helden von Waterloo, richtete sich jetzt die Hoffnung der Nation, und auch in unserm Lande, das noch so viele Bedürfnisse hatte, sah man voll Vertrauen zu dem neuen Herrscher hinüber. Mehrere Deputationen, auch einzelne Privatmänner reiseten nach dem Haag, um ihm die Wünsche und Hoffnungen des Landes vorzutragen; es ward ihnen dort eine wohlwollende Aufnahme zu Theil, und hocherfreut über diesen Empfang, kehrten sie zurück in die Mitte ihrer Mitbürger, denen sie die frohe Nachricht brachten, daß der neue König das Versprechen gegeben, die Luxemburger über kurze Zeit selbst zu besuchen, um sich mit der Lage und den Bedürfnissen des Landes bekannt zu machen. Dieses Versprechen erfüllte er auch schon im folgenden Jahre, und jener so heiß ersehnte Tag, der 23. Juni 1841, an welchem die Luxemburger den verehrten Monarchen, begleitet von seinem, leider zu früh hingeschiedenen Sohne, Alexander, mit dem frohen Rufe: » Es lebe der König!« begrüßen konnten, war einer der glücklichsten, die je in Luxemburg erlebt wurden, und dessen Andenken nie erlöschen wird. Mancher König kann punktvoller empfangen worden sein, herzlicher aber gewiß keiner, und in der That verdiente auch keiner mehr die Liebe und Begeisterung seiner Unterthanen. Mit der freundlichsten Herablassung, ja mit väterlicher Güte hörte er die an, welche ihm von den Bedürfnissen des Landes frei und offen redeten, und er gab sein königliches Wort, »daß er Alles thun werde, um das Land zu beglücken.«
So schien nun endlich die Morgenröthe einer bessern Zukunft über unser lange gedrücktes Land aufzugehen, und die Luxemburger sahen mit freudiger Zuversicht der baldigen Verwirklichung ihrer Hoffnungen entgegen. Eifrig wurde an der Organisation der verschiedenen Zweige der Verwaltung gearbeitet, und in den darauf folgenden Jahren geruhete der menschenfreundliche Monarch mehrmals die Bestrebungen der damit beauftragten Männer durch seine hohe Gegenwart zu ermuntern. Als unmittelbare Folge jener Arbeiten erschien ein K. Beschluß vom 12. Oktober 1841, wodurch dem Lande eine landständische Verfassung verliehen, und eine neue Regierung (Regierungsrath) eingesetzt wurde, und bald nachher, am 29. desselben Monats, erließ der König einen Beschluß, durch welchen Er, »um sich in den Stand zu setzen, durch ehrenvolle Auszeichnungen die von Luxemburgern geleisteten Dienste belohnen zu können,« den Orden der Eichenlaubkrone stiftete. Um den Handel zu heben, genehmigte Wilhelm II den Vertrag vom 8. Februar 1842 über den Anschluß des Großherzogthums Luxemburg an den deutschen Zoll- und Handelsverein; allerdings erregte diese Maßregel etwas Unzufriedenheit, weil bis dahin alle Handelsverbindungen fast ausschließlich nach Belgien gerichtet gewesen, und weil man auch die Beeinträchtigung mehrerer Nationalindustrien befürchtete; doch bald verstummten die Klagen, denn man erkannte die großen Vortheile, welche dieselbe dem Lande verschaffte.
In demselben Jahre geruhte Seine Majestät der König, in Begleitung S. K. Hoheit des Prinzen von Oranien, unsers jetzigen Königs und Großherzogs Wilhelm III, nach Luxemburg zu kommen, um in Allerhöchst eigener Person die erste Sitzung der Landstände zu eröffnen. Diese Feierlichkeit fand am 7. Juni statt; es ist die erste in unserm Lande, welcher der Landesfürst selbst beiwohnte, und sie trug nicht wenig dazu bei die Gefühle der Ehrfurcht und Dankbarkeit zu vermehren, welche die Luxemburger für ihren geliebten Monarchen empfanden, der dadurch ihre Nationalität begründet, und gezeigt hatte, wie aufrichtig er das Glück und die Wohlfahrt seiner Luxemburger Unterthanen zu erzielen suchte. Diese Gefühle wurden noch tiefer in alle Herzen geprägt durch die vielfachen Beweise des Wohlwollens, welche die verschiedenen Mitglieder der königlichen Familie, ja Ihre Majestät die Königin selbst, den Luxemburgern gaben, als Höchstdieselbe in den darauf folgenden Jahren das Land mit Ihrer hohen Gegenwart zu beehren geruhten. – Wie der König es den versammelten Ständen in seiner Anrede gesagt, hatten sie sich mit zahlreichen Gesetzentwürfen zu beschäftigen, aus denen die vollständige Organisation aller Verwaltungszweige hervorgehen sollte, und so erschien nun eine Reihe von Gesetzen, welche den Bedürfnissen des Landes angemessen waren. Außer denjenigen, welche die Administration der öffentlichen Bauten, die Aufmunterung des Ackerbaues und der Viehzucht, u. s. w. betrafen, müssen wir besonders das Gesetz vom 26. Juli 1843 über den Primärunterricht als eines der wichtigsten hervorheben, weil es dahin strebte, dem Staate gute und nützliche Bürger zu bilden, und die pünktliche Beobachtung desselben dem Primärunterricht in unserm Lande so glänzende Aussichten gewährt, und sogar im Auslande eine ehrenvolle Anerkennung verschafft.
So war die Lage der Dinge, als im Februar 1848 in Paris eine Revolution ausbrach, welche sich bald über die meisten Staaten Europa's verbreitete. Auch unser Land blieb nicht ganz verschont von dem Revolutionsschwindel, welcher sich besonders in Petitionen kund that, die gegen wahre oder vermeintliche Uebelstände an die Regierung eingesandt wurden; am 16. März war sogar in der Hauptstadt auf einige Augenblicke die Ruhe gestört worden; doch wurde bald jenen vereinzelten Unruhen ein Ende gemacht durch den Königlich-Großherzoglichen Beschluß vom 20. März 1848, welcher die Revision der Stände-Verfassung verordnete. In Folge dessen erschien noch am 29. desselben Monats ein Königlich-Großherzogl. Beschluß, welcher neue Landstände in doppelter Anzahl berief, und dieselben beauftragte, eine Constitution für das Großherzogthum Luxemburg zu bearbeiten.
Am 9. Juli nahm der König dieselbe an, und am 10. leistete er, in Gegenwart einer Deputation der Stände, den Eid, » die Verfassung und die Gesetze des Großherzogthums Luxemburg zu befolgen, die Unabhängigkeit und Integrität des Landes zu wahren.«
Unterm 12. Juli erfolgte das Gesetz über die Einrichtung der Justiz-Verwaltung, und durch einen Kgl. Gr. Beschluß vom 21. desselben Monats wurden der bisherige Gouverneur und die Mitglieder der Regierung als solche entlassen, fünf General-Administrationen geschaffen, und an deren Spitze die Mitglieder des ehemaligen Regierungs-Rathes ernannt, die sich jedoch bald zurückzogen und durch andere Männer ersetzt wurden.
Wenige Zeit darauf, als die neue Regierung damit beschäftigt war, die verschiedenen Zweige der Verwaltung mit der neuen Verfassung in Einklang zu bringen, verbreitete sich plötzlich die Nachricht von dem unerwarteten Hinscheiden Wilhelms II; nach einer kurzen Krankheit war er zu Tilburg, in der Nacht vom 16. auf den 17. März 1849, verschieden. Durch eine Proklamation vom 19. März wurde diese traurige Nachricht den Luxemburgern angezeigt; nichts konnte für dieselben schmerzlicher sein, als die Kunde von dem so frühen Tode eines Regenten, der von seinen Unterthanen aufs Innigste geliebt war.
Am 21. März 1849 verkündigte ein Königl. Rescript an die Mitglieder der Regierung des Großherzogthums den Regierungsantritt Sr. Majestät Wilhelms III, welcher am 18. April den durch die Constitution vorgeschriebenen Eid, in Gegenwart einer Deputation der Kammer, leistete, welche er nach dem Haag berufen hatte, da es ihm unmöglich war, sich in ihre Mitte zu begeben. Indem der König-Großherzog auch die Möglichkeit nicht vorhersah, in kurzer Frist nach Luxemburg zu kommen, jedoch den Vortheil würdigte, im Großherzogthum selbst einen Repräsentanten zu haben, welcher durch einen längeren Aufenthalt in demselben die Bedürfnisse und Wünsche des Landes kennen lernte, ernannte er durch Beschluß vom 5. Februar 1850 Se. Kgl. Hoheit den Prinzen Heinrich der Niederlande zu seinem Statthalter im Großherzogthum. Am 24. Oktober beschwor Derselbe die Verfassung in einer feierlichen Sitzung der Kammer, und am 6. November erließ er an das Luxemburger Volk folgende Proklamation:
» Luxemburger!
Seine Majestät der König-Großherzog, Unser erlauchter Bruder, hat durch sein Patent vom 5. Februar d. J. Uns, in Gemäßheit des Art. 42 der Verfassung, zu Seinem Statthalter im Großherzogthum Luxemburg ernannt.
In dieser Eigenschaft haben Wir in der Versammlung der Kammer der Abgeordneten am 24. Oktober d. J., wie der dem Gegenwärtigen beigefügte Protokoll-Auszug ergibt, den Eid geleistet, die Verfassung zu befolgen, und Wir haben seitdem die durch diese Uns übertragenen Gewalten auszuüben begonnen.
Geehrt durch das Vertrauen des Monarchen, welchen Wir unter euch vertreten, haben Wir zur Erfüllung Unsers hohen Auftrages nöthig, daß Uns auch das eurige werde.
Für dieses bürgen Uns – so glauben wir gern – die Zeichen herzlicher Zuneigung, welche Uns stets überall im Lande entgegen kommen, Unser lebhaftester Wunsch, zu eurem Wohle beizutragen, und die Hoffnung, daß unsere vereinigten Kräfte und unsre gemeinschaftliche Hingebung für den Monarchen und für eure Einrichtung das Glück des Landes werden begründen können.
Seine Majestät hat, indem Sie Mich unter Euch sandte, nur die Entfernung beseitigen wollen, welche Sie von euch trennet, und durch ein anderes Selbst immer unter euch sein wollen. Beseelt von Ihrer beständigen Sorgfalt, ist es Ihre Machtvollkommenheit, welche Wir unter euch ausüben.
Auch werden, wie bisher die Gesetze, die Reglements und die zu ihrer Vollziehung nöthigen Beschlüsse, die Erkenntnisse, Urtheile und gerichtlichen Befehle Seiner Majestät Namen als Titel führen, und in diesem Namen, soweit es nöthig ist, zur Vollziehung gebracht werden.
Indem wir
»Für den König-Großherzog
Sein Statthalter im Großherzogthum«
die Gesetze, die Reglements, und die zu ihrer Vollziehung nöthigen Beschlüsse, sowie alle andern Königlich-Großherzoglichen Verfügungen unterzeichnen, werden Wir der Dollmetscher und das Organ des Willens Seiner Majestät sein, glücklich, durch ein hohes Vertrauen zur Theilnahme an ihrer Erfüllung berufen zu sein für das Glück eines Landes, welches gewohnt ist, mit seiner Liebe die Wohlthaten seines Monarchen zu erwiedern.«
Seit dieser Zeit besucht der Prinz Heinrich der Niederlande in seiner Eigenschaft als königlichen Statthalter regelmäßig alle Jahre das Land, verweilt, zur großen Freude der Bevölkerung, längere Zeit hier, um sich mit den Bedürfnissen desselben immer vertrauter zu machen. Doch wünschte auch der König, mit eigenen Augen sich von der Lage der Dinge zu überzeugen, und deßwegen kam er am 15. Mai dieses Jahres (1855) in unser Land, und hielt am 16. seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt. Während Seines fast dreiwöchentlichen Aufenthalts allhier besuchte Er die vorzüglichsten Ortschaften des Landes, und schien mit den Ergebnissen Seiner Reise sehr zufrieden zu sein; auch war das ganze Volk glücklich, den Landesfürsten in seiner Mitte zu sehen, empfing Ihn überall mit dem freudigsten Vivatrufen, und der aufrichtigsten Hingabe an einen Monarchen, der nur das Wohl des Landes will.