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Eines Tages auf der Jagd blieb ich, seltsam berührt, vor einem zwergenhaften und dickbäuchigen Strohschober stehen, der einen kleinen Topf oben an der Spitze der Stange hatte.
– Ich kenne dich, – sagte ich zu ihm, – ich kenne dich ... – Dann schrie ich auf einmal los:
– Hier! Batta Malagna. –
Ich ergriff einen Dreizack, der dort auf der Erde lag, und stieß ihn ihm mit solcher Wollust in den Schmerbauch, daß der Topf oben auf der Stange beinahe herabgefallen wäre. Aber siehe da, Batta Malagna trug durchschwitzt und schnaubend den Hut schief aufgesetzt wie ein Betrunkener.
Alles glitt hin: ihm glitten in dem langen, massigen Gesicht hierhin und dorthin die Augenbrauen und die Augen; ihm glitt die Nase über den tölpelhaften Schnurrbart und über den Kinnbart; ihm glitten die Schultern vom Hals; ihm glitt der schmachtende, enorme Schmerbauch fast bis zur Erde, weil bei der überhängenden Nähe desselben über die untersetzten Beine der Schneider gezwungen gewesen war, um die Beine zu bekleiden, ihm die Hosen so bequem wie nur irgendmöglich zuzuschneiden; so daß es von weitem schien, als trüge er statt dessen ganz unten ein Kleid und als reichte ihm der Bauch bis auf den Boden.
Wie nun Malagna mit solch einem Gesicht und Körper ein solcher Spitzbube sein konnte, ich weiß es nicht. Auch die Diebe, stelle ich mir vor, müssen ein bestimmtes Benehmen haben, das er, wie mir schien, nicht hatte. Er ging langsam mit seinem herabhängenden Wanst, immer die Hände auf dem Rücken, und zog mit soviel Mühe seine weiche, miauende Stimme hervor! Es würde mir Vergnügen bereiten, zu wissen, wie er sie mit seinem eigenen Gewissen beurteilen würde, die Diebstähle, die er fortwährend zu unserem Schaden verübte. Da er, wie ich gesagt habe, keine Not litt, so mußte er sich selber doch einen Grund, eine Entschuldigung angeben. Vielleicht, sage ich mir, stahl er nur, um sich in irgendeiner Weise zu zerstreuen, der arme Mensch.
Er mußte allerdings innerlich schrecklich zu leiden gehabt haben von einer jener Frauen, die sich Achtung zu verschaffen wissen.
Er hatte den Irrtum begangen, sich seine Frau aus einem höheren Stand zu wählen als dem seinigen, der sehr niedrig war. Nun wäre diese Frau, mit einem Manne aus einem ihr gleichen Stand verheiratet, vielleicht nicht so lästig geworden, wie sie es bei ihm war, dem sie natürlich bei jeder geringsten Gelegenheit beweisen mußte, daß sie wohlgeboren sei und daß man es in ihrem Hause so und so machte. Und nun tat Malagna gehorsam so und so, wie sie es sagte – um ebenfalls als ein Herr zu erscheinen. – Aber es kostete ihn viel! Er schwitzte immer, er schwitzte.
Obendrein erkrankte Frau Guendalina bald nach der Heirat an einem Leiden, von dem sie nicht genesen konnte, weil sie, um davon zu genesen, ein Opfer hätte bringen müssen, das größer war als ihre Kräfte: auf nichts Geringeres zu verzichten als auf gewisse kleine Pastetchen mit Trüffeln, die ihr so sehr schmeckten, und auf andere ähnliche Leckerbissen und vor allem auf den Wein. Nicht, daß sie etwa viel davon getrunken hätte; das will ich meinen! Sie war doch wohlgeboren: aber sie sollte auch nicht einen Schluck Wein mehr trinken, das war es.
Ich und Robert, wir beiden jungen Leute waren manchmal bei Malagna zum Mittagessen eingeladen. Es war ein Vergnügen, ihn mit der schuldigen Rücksicht seiner Frau eine Predigt über die Enthaltsamkeit halten zu hören, während er die schmackhaftesten Speisen aß, ja mit Wollust verschlang.
– Ich lasse nicht zu, – sagte er, – daß man für den momentanen Genuß, den die Kehle beim Hindurchgleiten eines Bissens, zum Beispiel wie dieses – ( und herunter ist der Bissen) – empfindet, dann einen ganzen Tag lang krank ist. Was gibts für Saft? Ich bin sicher, daß ich mich danach sehr tief gedemütigt fühlen würde. Rosina! – ( er rief das Dienstmädchen) – Geben Sie mir noch ein wenig. Die ist gut, diese Majonaisensauce!
– Majalese! – fuhr da die Frau giftig los. – Genug so! Hüte dich, der Herr würde dich sonst erfahren lassen, was es heißt, magenkrank zu sein. Du könntest lernen, auf deine Frau zu achten.
– Wie, Guendalina! Tue ich das nicht? – rief Malagna aus, während er sich etwas Wein eingoß.
Statt aller Antwort stand die Frau auf, nahm ihm das Glas aus der Hand, ging und goß den Wein zum Fenster hinaus.
– Und warum das? – stöhnte jener, ganz verdutzt.
Und die Frau:
– Weil es für mich Gift ist! Siehst du mich einen Schluck in ein Glas gießen? Dann nimm es mir fort und gieß ihn zum Fenster hinaus, wie ich es getan habe, verstanden? –
Malagna blickte gedemütigt und lächelnd ein wenig auf Robert, ein wenig auf mich, dann auf das Fenster und schließlich auf das Glas; dann sagte er:
– O mein Gott, was, bist du vielleicht ein Kind? Oder ich, mit dem ungestümen Wesen? Aber nein, meine Liebe: Du, von Dir aus, mit deiner Vernunft, Du solltest dir Zügel anlegen ...
– Und wie? – schrie die Frau. – Mit der Versuchung unter den Augen? Wenn ich dich sehe, wieviel du trinkst, wie du ihn kostest und ihn gegen das Licht betrachtest, um mich zu ärgern? Geh, laß mich in Frieden, sage ich dir! Wenn du doch ein anderer Mann wärest, und mich nicht so leiden ließest ... –
Nun wohl, Malagna kam schließlich so weit: er trank keinen Wein mehr, um seiner Frau das Beispiel der Enthaltsamkeit zu geben und um sie nicht leiden zu lassen.
Dann – stahl er ... Ich meine, etwas mußte er doch tun.
Jedoch bald danach bekam er zu erfahren, daß sie, die Signora Guendalina heimlich Wein trank. Als wenn es genügen könnte, um ihr nichts Böses zu tun, daß ihr Mann es nicht merkte. Und dann begann auch er, Malagna, wieder zu trinken, aber außerhalb des Hauses, um nicht die Gattin zu quälen.
Er fuhr fort, noch weiter zu stehlen, das ist wahr. Aber ich weiß, daß er von ganzem Herzen von seiner Frau eine gewisse Entschädigung wünschte für die endlosen Schmerzen, die sie ihm bereitete; er wünschte, daß sie eines Tages sich entschlösse, ihm einen Sohn in die Welt zu setzen. Dann hätte der Diebstahl ein Ziel, eine Entschuldigung gehabt. Was tut man nicht für das Wohl der Kinder?
Die Gattin aber siechte von Tag zu Tag mehr dahin, und Malagna wagte auch nicht ihr diesen seinen heißesten Wunsch auszusprechen. Vielleicht war sie auch von Natur aus unfruchtbar. Er mußte soviel Rücksicht auf ihr Leiden nehmen. Daß sie dann etwa bei der Entbindung sterben könnte, Gott behüte ... Und dann war auch die Gefahr, daß sie das Kind nicht austragen könnte.
So ergab er sich in sein Schicksal.
War er aufrichtig? Beim Tode der Signora Guendalina werde ich es nicht genügend beweisen können. Er beweinte sie, o er beweinte sie sehr, und immer erinnerte er sich ihrer mit einer respektvollen Ergebenheit, daß er nie mehr an ihre Stelle eine andere Frau setzen – oh, oh, und er hätte es doch so gut tun können, wo er so reich geworden war. Aber er nahm die Tochter eines Gutsverwalters, gesund, blühend, robust und lustig; und das einzig und allein, weil es nicht zweifelhaft sein konnte, daß er von ihr die gewünschte Nachkommenschaft haben würde. Wenn er sich ein wenig zu sehr damit beeilte ... so muß man nur berücksichtigen, daß er kein junger Mann mehr war und keine Zeit mehr zu verlieren hatte.
Es war Oliva, die Tochter des Pietro Salvoni, unseres Inspektors in Due Riviere, ich kannte sie gut, seit ihrer Mädchenzeit.
Wieviel Hoffnungen habe ich nicht meine Mama ihretwegen hegen lassen: daß ich mich dort aufhielte, geschähe nur, um Sinn und Geschmack dort in das Land zu bringen. Sie begriff nicht mehr, die Arme, in welcher Lage ich mich befand, vor Freude. Aber eines Tages öffnete ihr die schreckliche Tante Scolastica die Augen:
– Und siehst du nicht, du Blinde, daß er immer nach Due Riviere geht?
Ja, wegen der Olivenernte.
– Wegen einer Oliva, wegen einer Oliva, einer Oliva, Dummkopf! –
Da gab mir die Mama einen tüchtigen Verweis: ich solle mich wohl hüten eine Todsünde zu begehen und ein armes Mädchen in Versuchung zu führen und sie für immer zu ruinieren; usw. usw.
Aber es war keine Gefahr vorhanden. Oliva war ehrenhaft, von einer unerschütterlichen Ehrenhaftigkeit; weil sie in dem Bewußtsein des Bösen wurzelte, das, wenn sie nachgab, damit geschähe. Dieses Bewußtsein gerade nahm ihr all jene abgeschmackte Schüchternheit von erheuchelter Scham und machte sie kühn und ungezwungen.
Wie sie lachte! Zwei Kirschen, die Lippen. Und welche Zähne!
Aber von jenen Lippen auch nicht ein Kuß; von den Zähnen, ja manch einen Biß, als Strafe, wenn ich sie bei den Armen ergriff und sie nicht loslassen wollte, bevor ich ihr nicht wenigstens einen Kuß auf die Haare gedrückt.
Nichts weiter.
Jetzt, so schön, so jung und frisch, die Frau des Batta Malagna ... Ach, wer hat den Mut, dem Glück in gewissen Fällen den Rücken zu kehren? Und Oliva wußte gut, wie reich Malagna geworden war! Sie sagte mir so viel Böses davon, eines Tages; dann aber heiratete sie ihn, gerade wegen dieses Reichtums.
Ein Jahr war inzwischen seit der Hochzeit vergangen; es vergehen zwei; und noch keine Kinder.
Malagna, der seit langem der Überzeugung war, daß er von der ersten Frau keine hatte allein wegen ihrer Unfruchtbarkeit oder dauernden Kränklichkeit, hegte auch jetzt noch nicht den entferntesten Verdacht, daß es vielleicht an ihm liegen könnte. Und er fing an, Oliva Zeichen des Verdrusses zu zeigen.
– Nichts?
– Nichts. –
Er wartete noch ein Jahr, das dritte: vergebens. Dann begann er, sie offen auszuschelten. Und schließlich, nach einem weiteren Jahr, nunmehr für immer verzweifelnd, und auf dem Gipfel der Erbitterung, fing er an sie maßlos zu mißhandeln; indem er ihr ins Gesicht schrie, daß sie ihn mit jener scheinbaren Blüte betrogen habe, betrogen, betrogen; daß er sie nur, um einen Sohn von ihr zu haben, zu jenem Stand erhoben habe, den schon eine Signora, eine richtige Signora innegehabt, deren Andenken er nie eine solche Schmach angetan hätte, wenn es nicht wegen jenes einen Grundes gewesen wäre.
Die arme Oliva antwortete nicht, wußte nichts zu sagen; sie kam oft in unser Haus, um vor meiner Mutter ihr Herz auszuschütten, die sie mit guten Worten tröstete, noch zu hoffen, da sie ja schließlich jung sei, so jung:
– Zwanzig Jahre?
– Zweiundzwanzig ... –
Nun also! Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß man nach zehn, auch nach fünfzehn Jahren seit dem Tage der Hochzeit Kinder bekommen hat. Fünfzehn? Aber er? Er ist schon alt; und wenn ...
Seit dem ersten Jahre war in Oliva der Verdacht aufgetaucht, daß zwischen ihm und ihr – wie sollte sie sagen? der Fehler mehr auf seiner als auf ihrer Seite liegen müsse, trotzdem er sich darauf versteifte, es zu verneinen. Aber konnte man nicht den Beweis erbringen? Oliva hatte bei der Heirat sich selbst geschworen, ehrenhaft zu bleiben und wollte nicht, nicht einmal um den Frieden wiederzuerlangen, ihren Schwur brechen.
Woher ich das alles weiß? Ja, woher ich es weiß! ... Ich habe doch gesagt, daß sie in unser Haus kam, um ihr Herz auszuschütten; ich habe gesagt, daß ich sie seit ihrer Mädchenzeit kannte; und jetzt sah ich sie weinen über die schändliche Handlungsweise jenes widerlichen, häßlichen Alten und seine dumme und herausfordernde Anmaßung, und ... muß ich wirklich alles sagen? Übrigens war nichts weiter; also genug damit.
Ich tröstete mich bald. Ich hatte damals oder glaubte (was dasselbe ist) viele Dinge im Kopf zu haben. Ich hatte auch Geld, welches übrigens immer bestimmte Gedanken verursacht, die man ohne dasselbe sonst nicht hätte. In ganz verfluchter Weise half mir Gerolamo II Pomino dabei es auszugeben, der niemals mit genügend Geld versehen war infolge der weisen väterlichen Sparsamkeit.
Mino war wie unser Schatten, abwechselnd, bald meiner, bald der Roberts, und verwandelte sich mit wunderbarer affenartiger Fähigkeit, je nachdem, ob er mit Robert oder mit mir verkehrte. Wenn er sich an Robert heftete, wurde er plötzlich ein Stutzer; und der Vater, der auch Anwandlungen von Eleganz hatte, öffnete ein wenig den Geldbeutel. Aber mit Robert dauerte es kurze Zeit. Als sich mein Bruder nachgeahmt sah, sogar bis zu der Art des Gehens, verlor er plötzlich die Geduld, vielleicht aus Furcht vor dem Lächerlichen, und mißhandelte ihn, bis er ihn sich ganz abwimmelte. Dann heftete sich Mino an mich; und der Vater machte den Geldbeutel wieder zu.
Ich hatte mehr Geduld mit ihm, weil ich gerne die Gelegenheit ergriff, mich zu amüsieren. Dann bereute ich. Ich erkannte, daß ich seinetwegen bei irgendeinem Abenteuer das Maß überschritten oder meiner Natur Gewalt angetan hatte oder den Beweis meiner Gefühle übertrieben hatte für das Vergnügen ihn zu verblüffen oder ihn in irgendeine Verlegenheit zu jagen, deren Folgen natürlich auch ich zu erleiden hatte.
Eines Tages nun auf der Jagd sagte er mir, als er gerade von Malagna und seinen Heldentaten gegen seine Frau erzählte, daß er ein Mädchen erblickt habe, die Tochter einer Base gerade dieses Malagna, für die er gerne irgendeine große Dummheit begehen würde. Dazu war er fähig; um so mehr als das Mädchen nicht widerspenstig zu sein schien. Aber er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihr zu sprechen.
– Du hast noch nicht den Mut dazu gehabt! Geh nur! – sagte ich lachend zu ihm.
Mino verneinte es; aber errötete sehr, als er es leugnete.
– Ich habe aber mit dem Dienstmädchen gesprochen, – beeilte er sich hinzuzufügen. – Und ich habe Schönes erfahren, weißt du? Sie hat mir gesagt, daß sie deinen Malanno immer im Hause hätte und daß es ihr so schiene, als ob er über irgendeinen bösen Streich nachsinne, zusammen mit der Base, die eine alte Hexe ist.
– Über welchen Streich?
– Ach, sie sagt, er ginge immer hin und beweine sein Unglück, daß er keine Kinder habe. Die Alte, hart und finster, antwortet ihm, daß es ihm ganz recht so geschehe. Es scheint, daß sie beim Tode der ersten Frau des Malagna sich in den Kopf gesetzt habe, ihn zu veranlassen, ihre eigene Tochter zu heiraten, und daß sie in jeder Weise sich bemüht habe, es fertig zu bringen. Und daß sie dann, enttäuscht, alles Erdenkliche gegen ihn gesagt habe, ihn einen Feind der Verwandten genannt, einen Verräter des eigenen Blutes usw. usw., und daß man auch mit der Tochter in Streit geraten sei, die den Onkel nicht an sich zu ziehen vermocht habe. Jetzt schließlich, wo der Alte sich so reuevoll zeigt, daß er die Nichte nicht frohgemacht hat, wer weiß, was für einen perfiden Gedanken die alte Hexe jetzt gefaßt haben mag.
Ich hielt mir die Ohren mit den Händen zu, indem ich Mino anschrie: – Sei still! –
Anscheinend nicht; aber im Grunde war ich doch sehr naiv in jener Zeit. Dennoch glaubte ich, wo ich nun Kunde von den Szenen hatte, die sich im Hause Malagna abgespielt hatten und noch abspielen, daß der Verdacht jenes Dienstmädchens in irgendeiner Weise begründet sein müsse. Und ich wollte versuchen, zum Nutzen für beide, ob es mir gelänge, etwas davon nachzuprüfen. Ich ließ mir von Mino die Adresse jener alten Hexe geben. Mino empfahl sich mir wegen des Mädchens.
– Zweifle nicht, – antwortete ich ihm. – Ich lasse sie dir, selbstverständlich! –
Und am Tage drauf ging ich unter dem Vorwand eines Wechsels, von dem ich durch Zufall erst an jenem Morgen selbst von Mama erfahren hatte, daß er an diesem Tage fällig war, um Malagna im Hause der Witwe Pescatore aufzuspüren.
Ich war absichtlich gerannt und stürzte in die Wohnung ganz erhitzt und in Schweiß.
– Malagna, der Wechsel! –
Wenn ich noch nicht gewußt hätte, daß er kein reines Gewissen hatte, so hätte ich es zweifellos an jenem Tage bemerken müssen, als ich ihn in die Höhe fahren sah, bleich, entstellt, stammelnd:
– Welchen ... welchen W ... welchen Wechsel?
– Den Wechsel so und so, der heute fällig ist ... Mama schickt mich, die so besorgt darum ist! –
Batta Malagna fiel auf den Stuhl nieder, indem er seinen ganzen Schreck, der ihn für einen Moment erdrückt hatte, in ein endloses Ah aushauchte.
– Aber das ist ja getan! ... alles gemacht! ... Verdammt, wie plötzlich ... Ich hab ihn ja erneuert, he? Auf drei Monate, indem ich die Zinsen bezahlte, selbstverständlich. Und wegen solcher Kleinigkeit hast du dir diesen Gang gemacht? –
Und er lachte, lachte, indem er seinen Schmerbauch hochspringen ließ; lud mich ein, Platz zu nehmen und stellte mich den Frauen vor.
– Mattia Pascal. Marianna Dondi, Witwe Pescatore, meine Base. Romilda, meine Nichte. –
Er wollte, daß ich etwas trinke, um mich von dem Lauf wieder etwas zu erholen.
– Romilda, wenn es dir nicht unangenehm ist ... –
Als wenn er in seiner eigenen Wohnung wäre.
Romilda erhob sich, ihre Mutter betrachtend, um sich mit den Augen mit ihr zu verständigen, und kehrte bald danach trotz meiner Einsprüche mit einem kleinen Tablett zurück, auf dem ein Glas und eine Flasche mit Wermut stand. Plötzlich erhob sich die Mutter, als sie das sah, ärgerlich und sagte zu ihrer Tochter:
– Aber nicht doch, nicht doch! Gib her! –
Sie nahm ihr das Tablett aus den Händen und ging hinaus, um gleich wieder mit einem anderen Tablett aus Lack, funkelnagelneu, zurückzukommen, das einen prächtigen Likörständer trug: einen versilberten Elefanten mit einem gläsernen Fäßchen auf dem Rücken und vielen kleinen Gläsern, die rundherum hingen und klangen.
Ich hätte Wermut vorgezogen. Ich trank den Likör. Auch Malagna und die Mutter tranken, Romilda nicht.
Nur kurze Zeit hielt ich mich dieses erste Mal auf, und um einen Vorwand zu haben, wiederzukommen, sagte ich, daß es mir dringend am Herzen liege, Mama wegen jenes Wechsels zu beruhigen und daß ich gerne an einem anderen Tage kommen würde, um mit mehr Behagen die Gesellschaft der Damen zu genießen.
Es schien mir nicht, nach der Art des Grußes zu urteilen, daß Marianna Dondi, Witwe Pescatori, die Ankündigung eines zweiten Besuches von mir mit großer Freude aufnahm: sie reichte mir kaum die Hand, die eisige, trockene, knorrige, gelbliche Hand; und sie senkte die Augen und preßte die Lippen zusammen. Dafür entschädigte mich die Tochter mit einem sympathischen Lächeln, das mir herzliche Aufnahme versprach, und mit einem Blick, weich und traurig zugleich, aus jenen Augen, die von dem ersten Moment an, wo ich sie sah, einen so starken Eindruck auf mich machten: Augen von einer seltsamen grünen Farbe, tief, heftig, überschattet von sehr langen Wimpern; nächtliche Augen zwischen zwei Streifen von Haaren, schwarz wie Elfenbein und onduliert, die ihr über Stirn und Schläfe herabgingen, gleichsam um das lebhafte Weiß ihrer Haut umso besser hervortreten zu lassen.
Die Wohnung war bescheiden; aber zwischen den alten Möbeln machten sich schon einige neuerworbene bemerkbar, anspruchsvoll und plump in der Prahlerei ihrer allzu auffallenden Neuheit: zwei große Majolikaleuchter zum Beispiel, noch unversehrt, aus Kugeln von geschmirgeltem Glas seltsamen Stils auf einer ganz niedrigen Konsole mit gelblicher Marmorplatte, die einen düsteren Spiegel trug in einem runden Rahmen, hier und da abgesprungen, der sich in dem Zimmer zu öffnen schien wie das Gähnen eines Hungerleiders. Dann war da vor dem alten, aus den Fugen gegangenen Diwan ein kleines Tischchen mit vier vergoldeten Füßen und der Porzellanplatte, die in den lebhaftesten Farben gemalt war; dann ein Wandschränkchen aus japanischem Lack usw. usw. Auf diesen neuen Gegenständen ruhten die Augen Malagnas mit sichtbarem Behagen, wie schon auf dem Likörständer, der im Triumph von der Base, Witwe Pescatore, hereingeholt worden war.
Die Wände des Zimmers waren fast alle behängt mit alten und nicht häßlichen Bildern, von denen Malagna durchaus wollte, daß ich einige bewunderte, indem er sagte, es seien Werke des Francesco Antonio Pescatore, seines Vetters, eines sehr tüchtigen Kupferstechers (im Wahnsinn gestorben, in Turin, – fügte er leise hinzu), dessen Bild er mir auch zeigte.
– Eigenhändig ausgeführt, von ihm selbst, vor dem Spiegel. –
Kurz zuvor noch hatte ich gedacht, als ich Romilda und dann die Mutter betrachtete: – sie wird dem Vater ähneln! – Jetzt gegenüber dessen Bild wußte ich nicht mehr, was ich denken sollte.
Ich will keine beleidigenden Vermutungen wagen. Ich halte jetzt, es ist wahr, Marianna Dondi, Witwe Pescatori, zu allem für fähig; aber wie sich einen Mann vorstellen, und obendrein noch einen schönen, der fähig war, sich in sie zu verlieben? Ausgenommen, daß er nicht noch wahnsinniger wäre als der Gatte geworden war.
Ich berichtete Mino die Eindrücke jenes ersten Besuchs. Ich erzählte ihm von Romilda mit solcher Wärme der Bewunderung, daß er sofort Feuer fing, ganz glücklich, daß sie auch mir so gefallen hatte und daß er meine Billigung erhalten.
Dann fragte ich ihn, was für Absichten er hätte: die Mutter, ja, die hatte ganz das Aussehen einer Hexe; aber die Tochter, das hätte ich geschworen, war ehrenhaft. Kein Zweifel über die infamen Absichten des Malagna. Man mußte also um jeden Preis das Mädchen retten.
– Und wie? – fragte mich Pomino, der wie fasziniert an meinen Lippen hing.
– Wie? Das werden wir sehen. Vor allem aber muß man sich zuerst vieler Sachen vergewissern; auf den Grund gehen, gut studieren. Du wirst verstehen, man kann doch nicht sofort, so mir nichts dir nichts, einen Entschluß fassen. Laß es mich machen: ich werde dir helfen. Dieses Abenteuer gefällt mir.
– Ja ... aber ... – warf da Pomino schüchtern ein, der anfing sich wie auf Kohlen sitzend zu fühlen, als er mich so begeistert sah. – Du würdest vielleicht sagen ... daß ich sie heirate?
– Nein, ich sage nichts, vorläufig. Hast du vielleicht Furcht?
– Nein, warum?
– Weil ich dich so eilen sehe. Langsam, langsam, und überlege. Wenn es uns gelingt zu erfahren, daß sie wirklich so ist wie sie sein müßte: gut, weise, tugendhaft (schön ist sie, daran ist kein Zweifel und gefallen tut sie dir, nicht wahr?) – oh! setzen wir nun den Fall, daß sie wirklich durch die Ruchlosigkeit der Mutter oder jenes anderen Schurken einer sehr ernsten Gefahr ausgesetzt ist, einer grausamen Marter, einem ruchlosen Schacher: würdest du vor einer verdienstvollen Handlung, einem heiligen Werk der Rettung ein Hemmnis in dir empfinden?
– Ich nein ... nein! – sagte Pomino. – Aber ... mein Vater?
– Würde er sich widersetzen? Aus welchem Grunde? Wegen der Mitgift, nicht wahr? Wegen etwas anderen nicht! Weil sie, weißt du?, die Tochter eines Künstlers ist, eines sehr tüchtigen Kupferstechers, gestorben ... ja, gestorben, gut, in Turin ... Aber dein Vater ist reich, und er hat dich nur allein: er kann dich also zufrieden stellen, ohne sich um die Mitgift zu kümmern! Wenn es dann nicht geht, ihn auf gütlichem Wege zu gewinnen, keine Furcht: ein schöner Flug aus dem Nest, und alles ist in Ordnung. Pomino, hast du denn ein Herz aus Werg? –
Pomino lachte, und ich bewies ihm im Handumdrehen, daß er zum Gatten geboren sei, so wie man etwa als Dichter geboren wird. Ich beschrieb ihm in lebhaften, in den verführerischsten Farben das Glück des ehelichen Lebens mit seiner Romilda; die Liebe, die Sorge, die Dankbarkeit, die sie für ihn haben würde, für ihren Retter. Und dann zum Schluß:
– Jetzt mußt du, – sagte ich zu ihm, – die Gelegenheit und die Art und Weise finden, dich bei ihr bemerkbar zu machen oder ihr zu schreiben. Siehst du, vielleicht könnte ihr in diesem Moment ein Brief von dir ein Rettungsanker sein, wo sie von jener Spinne belagert wird. Ich werde inzwischen das Haus öfter besuchen; ich werde Umschau halten und versuchen, die Gelegenheit zu benutzen, um dich vorzustellen. Sind wir einig?
– Einig. –
Warum zeigte ich eigentlich solche Sucht, Romilda zu verheiraten? Wegen nichts. Ich wiederhole: nur aus Freude, um Pomino zu verblüffen. Ich sprach und sprach, und alle Schwierigkeiten verschwanden. Ich war ungestüm und nahm alles auf die leichte Achsel. Vielleicht liebten mich gerade deswegen die Frauen, trotz meines ein wenig aus der Richtung schweifenden Auges und etwas klobigen Körpers. Diesmal jedoch, – das muß ich sagen –, kam mein Eifer auch aus dem Wunsch, die traurige List, die jener häßliche Alte angezettelt, zu vereiteln und ihn mit einer langen Nase abziehen zu lassen; er kam auch aus dem Gedanken an die arme Oliva; und auch – warum nicht? – aus der Hoffnung jenem Mädchen etwas Gutes zu tun, die wirklich einen großen Eindruck auf mich gemacht hatte.
Was für eine Schuld aber habe ich, wenn Pomino meine Vorschriften mit zu großer Schüchternheit ausführte? Welche Schuld habe ich, wenn Romilda, statt sich in Pomino zu verlieben, sich in mich verliebte, der ich ihr doch immer nur von ihm erzählte? Welche Schuld schließlich, wenn die Treulosigkeit der Marianna Dondi, Witwe Pescatore, es schließlich erreichte, mich glauben zu lassen, daß es mir mit meiner Kunst in kurzer Zeit geglückt wäre, ihr Mißtrauen zu besiegen und noch ein Wunder zu tun: jenes nämlich, sie mehr als einmal zum Lachen zu bringen mit meinen verrückten Einfällen? Ich sah sie nach und nach die Waffen strecken; ich sah mich gut aufgenommen; ich dachte, daß sie schließlich, mit einem reichen jungen Mann hier im Hause (ich hielt mich noch für reich), der unzweifelhafte Zeichen gab, daß er in die Tochter verliebt war, ihre schändliche Absicht aufgegeben hätte, falls sie ihr jemals durch den Kopf gegangen sein sollte. Und letzten Endes kam ich soweit, daß ich daran zweifelte.
Ich hätte, das ist wahr, auf die Tatsache achtgeben müssen, daß es mir nicht mehr passiert war, Malagna in ihrem Hause zu treffen, und daß es nicht ohne Grund sein konnte, daß sie mich immer nur des Morgens empfing. Wer aber sollte auf so etwas achten? Im übrigen war es ganz natürlich, da ich jedesmal, um größere Freiheit zu haben, Ausflüge aufs Land vorschlug, die man ja lieber morgens macht. Auch ich hatte mich bald in Romilda verliebt, fuhr aber noch immer fort, von der Liebe Pominos zu erzählen; verliebt war ich wie verrückt in jene schönen Augen, in jenes Näschen, in jenen Mund, in alles, bis zu jener kleinen Warze, die sie im Nacken hatte, ja sogar bis zu einer fast unsichtbaren Narbe in einer Hand, die ich küßte und küßte und küßte ... auf Konto des Pomino, maßlos.
Und doch wäre vielleicht nichts Ernstes passiert, wenn nicht eines Morgens Romilda (wir waren in Stia und hatten ihre Mutter die Mühle bewundern lassen) ganz plötzlich, aufhörend mit dem nunmehr allzu lange hingezogenen Scherz über ihren fernen schüchternen Liebhaber, einen unvorhergesehenen Weinkrampf bekommen und mir die Arme um den Hals geworfen hätte, indem sie mich beschwor, am ganzen Leibe zitternd, Mitleid mit ihr zu haben; ich solle sie irgendwie mit fortnehmen, nur weit, weit weg von ihrem Hause, weit weg von ihrer bösen Mutter, von allen, sofort, sofort, sofort ...
Weit? Wie konnte ich sie so plötzlich entführen, und weit?
Später, ja, nach einigen Tagen, noch trunken von ihr, suchte ich ein Mittel, zu allem entschlossen, ehrenhaft. Und schon fing ich an, meine Mutter auf die Nachricht meiner bevorstehenden Hochzeit vorzubereiten, die nunmehr unvermeidlich war aus Gewissenspflicht, als ich, ohne zu wissen warum, einen Brief von Romilda bekam, einen trockenen, nüchternen Brief, der mir mitteilte, daß ich mich in keiner Weise mehr mit ihr beschäftigen und niemals mehr mich in ihr Haus begeben sollte, indem sie unsere Beziehung für immer als beendet ansehe.
Ist's möglich? Und wie? Was war geschehen?
An demselben Tage kam Oliva weinend in unser Haus, um unserer Mama mitzuteilen, daß sie die unglücklichste Frau der Welt sei, daß der Frieden ihres Hauses für immer zerstört sei. Ihrem Manne war es geglückt, den Beweis zu erbringen, daß es ihm nicht daran gefehlt hatte, Kinder zu haben; er war gekommen, es ihr anzukündigen, triumphierend.
Ich wohnte dieser Szene bei. Wie ich es fertig gebracht habe, mich so ohne weiteres zu beherrschen, weiß ich nicht. Mich hielt die Achtung vor Mama zurück. Von Zorn und Ekel erstickt, entfloh ich und schloß mich in mein Zimmer ein, und allein, mit den Händen in den Haaren, fing ich an mich zu fragen, wie Romilda, nach all dem, was zwischen uns vorgefallen war, sich jemals zu solcher Schande hatte hergeben können! Oh, würdige Tochter der Mutter! Nicht nur den Alten hatten beide in gemeinster Weise betrogen, sondern auch mich, auch mich! Und wie die Mutter, so hatte also auch sie sich meiner in schändlichster Weise bedient zu ihrem abscheulichen Zweck, zu ihrer scheußlichen Lust! Und jene arme Oliva inzwischen! Ruiniert, ruiniert ...
Vor dem Abend ging ich fort, noch ganz bebend, direkt in das Haus Olivas. Bei mir in der Tasche hatte ich den Brief Romildas.
Oliva, in Tränen, packte ihre Sachen zusammen: sie wollte zu ihrem Vater zurückkehren, dem sie bis jetzt aus Klugheit noch nicht einen Wink gegeben hatte von all dem, was sie hatte leiden müssen.
– Aber, wozu soll ich nun noch länger hier bleiben? – sagte sie zu mir. – Es ist aus! Wenn er sich wenigstens mit irgendeiner anderen eingelassen hätte, vielleicht ...
– Ach, du weißt also, – fragte ich sie, – mit wem er sich eingelassen hat? –
Sie neigte mehrmals den Kopf, unter vielem Schluchzen, und verbarg ihr Gesicht mit den Händen.
– Ein Mädchen! – rief sie dann aus, die Arme erhebend. – Und die Mutter! Die Mutter! Die Mutter! Im Einverständnis, begreifst du? Die eigene Mutter!
– Das sagst du mir? – antwortete ich. – Hier, lies. –
Und ich reichte ihr den Brief.
Oliva betrachtete ihn, wie betäubt; nahm ihn und fragte mich:
– Was will er sagen? –
Sie verstand kaum zu lesen. Mit dem Blick fragte sie mich, ob es wirklich nötig sei, daß sie diese Anstrengung mache, gerade in jenem Augenblick.
– Lies, – bestand ich.
Dann trocknete sie sich die Augen, entfaltete das Blatt und fing an, die Schrift zu entziffern, ganz langsam, buchstabierend. Nach den ersten Worten eilte sie mit den Augen zu der Unterschrift und sah mich an, die Augen weit aufreißend:
– Du?
– Gib her, – sagte ich zu ihr, – ich lese ihn dir vor, ganz. –
Aber sie drückte den Brief an ihren Busen:
– Nein! – schrie sie. – Ich gebe ihn dir nicht wieder. Der nützt mir jetzt!
– Und wozu könnte er dir nutzen? – fragte ich sie bitter lächelnd. – Wolltest du ihm den zeigen? Aber in dem ganzen Brief ist nicht ein Wort, dessentwegen dein Mann nicht mehr an das glauben könnte, was er im Gegenteil so sehr glücklich ist zu glauben. Sie haben ihn dir in der Schlinge gefangen; laß nur!
– Ach, es ist wahr, es ist wahr! – stöhnte Oliva. Sie hatte ihre Hände an mein Gesicht gelegt, indem sie rief, daß ich mich wohl hüten sollte, die Ehrenhaftigkeit seiner Nichte in Zweifel zu ziehen!
– Und nun? – sagte ich scharf lachend. – Siehst du? Du kannst nichts mehr erreichen durchs Leugnen. Hüte dich wohl davor! Du mußt ihm mit ja antworten, daß es wahr ist, ganz wahr, daß er Söhne haben kann ... verstehst du? –
Und warum schlug nun, ungefähr einen Monat später, Malagna, in rasender Wut, seine Frau und stürzte, den Schaum noch vor dem Munde, in meine Wohnung, schreiend, daß er sofort eine Genugtuung verlange, weil ich ihn entehrt hätte, eine Nichte ruiniert, eine arme Waise? Und er fügte hinzu, daß er, um keinen Skandal zu machen, hätte schweigen wollen. Aus Mitleid mit jener Ärmsten, da er keine Söhne hätte, sei er vielmehr entschlossen gewesen, jenes Geschöpf, sobald es geboren würde, wie sein eigenes zu halten. Aber jetzt, wo Gott ihm endgültig den Trost habe geben wollen, einen legitimen Sohn zu haben, er, von der eigenen Frau, da konnte er nicht, konnte er nicht mehr auf Ehre und Gewissen den Vater spielen für jenen anderen, der von seiner Nichte geboren werden würde.
– Mattia hilf aus! Mattia schaff Abhilfe! – schloß er, während ihm vor Raserei das Blut stockte. – Und sofort! Gehorche mir sofort! Und zwing mich nicht, mehr zu sagen, oder irgendeine Dummheit zu begehen! –
– Reden wir mal ein wenig vernünftig, nachdem wir bis zu diesem Punkt gekommen sind. Ich habe schon alles mögliche erlebt. Auch als blödsinnig zu gelten oder als ... noch Schlimmeres würde im Grunde für mich kein großes Unglück sein. Denn schon bin ich – ich wiederhole es – wie außerhalb des Lebens und kümmere mich um nichts mehr. Wenn ich also, bis zu diesem Punkt gelangt, vernünftig reden will, so ist es nur wegen der Logik.
Mir scheint es offenbar, daß Romilda nichts Böses hat tun müssen, wenigstens um den Onkel zum Betruge zu verleiten. Warum hätte sonst Malagna sofort seiner Frau unter Schlägen Verrat vorgeworfen und mich bei meiner Mutter beschuldigt, der Nichte Schande zugefügt zu haben?
Romilda behauptet in der Tat, daß ihre Mutter gleich nach jenem unserem Ausflug nach Stia das Geständnis ihrer Liebe erhalten hätte, die sie nunmehr unlöslich an mich band. Da sei sie in höchste Wut geraten und habe ihr ins Gesicht geschrien, daß sie nie und nimmer einwilligen werde, sie einen Müßiggänger heiraten zu lassen, der schon gleichsam am Rande des Abgrundes stehe. Da sie sich nun selbst das schlimmste Leid, das einem Mädchen zustoßen kann, bereitet hatte, blieb der Mutter nun nichts weiter übrig, als aus diesem Leid den besten Nutzen zu ziehen. Welches der sein würde, war leicht zu verstehen. Sobald Malagna zur gewohnten Stunde gekommen war, ging sie unter einem Vorwand fort und ließ sie allein mit dem Onkel. Und da geschah es, daß sie, Romilda, – wie sie sagt – heiße Tränen weinend, sich ihm zu Füßen warf, ihn ihr Unglück wissen ließ und das, was die Mutter von ihr beansprucht habe. Sie bat ihn, sich ins Mittel zu legen und die Mutter zu ehrenhafteren Plänen zu bringen, da sie schon einem anderen gehöre, dem sie treu bleiben wollte.
Malagna wurde zärtlich – bis zu einem bestimmten Grad. Er sagte ihr, daß sie noch minorenn sei und deshalb unter der Gewalt der Mutter stehe, die, wenn sie gewollt hätte, auch gegen mich hätte gerichtlich vorgehen können; daß auch er bei seinem Gewissen nicht eine Heirat hätte billigen können mit einem Liederjan von meiner Stärke, einem hirnlosen Verschwender, und daß er es deshalb der Mutter nicht würde raten können. Er sagte ihr, daß sie dem gerechten und natürlichen mütterlichen Zorn doch etwas opfern müsse, das übrigens später ihr Glück sein würde. Und er schloß, daß er endlich nichts anderes tun könne als Vorsorge zu treffen, – unter der Bedingung jedoch, daß das größte Geheimnis vor allen bewahrt bliebe – als Vorsorge zu treffen für den Zukünftigen, ihm Vater zu sein, denn er hätte keine Söhne und wünschte sich so sehr und seit so langer Zeit schon einen.
Kann man – so frage ich – ehrlicher sein als so?
So ist es: alles was er dem Vater gestohlen hatte, würde er dem künftigen Sohn übergeben.
Welche Schuld hat er, wenn ich – später – undankbar und unerkenntlich hinging und ihm die Eier im Korbe verdarb?
Zwei, nein! He, zwei, nein, perbacco!
Es schienen ihm zuviel, vielleicht, da Robert schon, wie ich gesagt habe, eine vorteilhafte Heirat gemacht hatte, so glaubte er, daß der ihn nicht so sehr geschädigt hätte, um sich auch für ihn revanchieren zu müssen.
Schließlich, man sieht, daß all das Leid – das mitten unter so brave Leute gekommen ist – nur ich verschuldet habe. Und ich mußte es also diskontieren.
Zuerst weigerte ich mich, unwillig. Dann auf Bitten meiner Mutter, die schon den Ruin unseres Hauses sah und hoffte, daß ich mich in irgendeiner Weise retten könnte, indem ich die Nichte ihres Feindes heiratete, gab ich nach und heiratete.
Über meinem Kopf schwebte furchtbar der Zorn der Marianna Dondi, Witwe Pescatore.