Franz Graf Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Graf Pocci

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Dornröslein

Romantisch-humoristisches Märchen
in drei Aufzügen

(1859)

Personen

        König Purpur

Königin Hermeline, dessen Gemahlin

Prinzessin Röslein, ihre Tochter

Minnamunt, ein Königssohn

Lautenklang, Dichter

Kasperl, dessen Diener

Die gute Fee Sconea

Wiltrud,
Scohlint,

}
}

böse Feen

Eine alte Frau

Ein Herold

Der Riese Schlafdorn

Erster Aufzug

Romantischer Wald

(Lautenklang, mit einem Lorbeerkranz geschmückt, tritt ein. Kasperl folgt ihm.)

Lautenklang. Sei mir gegrüßt, o Wald romant'scher Dichtung,
Wo mystisch Dunkel oder helle Lichtung
Dem Eingeweihten je nach Stimmung winkt!
Gegrüßt seid Tannengrün und schlanke Buchen,
Bei euch will ich die inn're Ruhe suchen,
Wenn müd' gehetzt der Leib aufs Moos hinsinkt.
Umarmt mich, schlingt um mich die üpp'gen Zweige,
Wenn ich mein Haupt ermattet auf euch neige;
Versenken will ich mich ins tiefe Grün;
Zur stillen Klause soll der Wald mir werden,
Daß ich vergesse irdische Beschwerden,
Vergesse all den Tand mit seinen Müh'n.

Kasperl. Auch recht, nun sind wir einmal wieder im beliebten grünen Wald – immerhin eine Abwechslung mit dem Stubenhocken! Z'Haus hab'n wir a so nix. Allein ob da heraußen oder ob dort drinnen, überall sperren wir das Maul auf. Ihr, mein teurer Herr, um Lieder zu singen, ich meinerseits, um in Ermanglung von etwas anderem, Mücken zu schnappen. Vielleicht fallen mir hier doch ein paar reife, lebensmüde Haselnüsse in den Rachen, zur Unterhaltung für unsere Verdauungswerkzeuge, die alleweil Feiertag haben. Ich leg' mich dort unter die Stauden hinein, könnt' sein, daß mir auch einmal ein Gedicht einfallt. Sind ja so viele Dichter Hanswursten; warum soll der Hanswurst nicht auch einmal ein Dichter sein können. Auweh! Aber auch der Magen will seine Berechtigung geltend machen. Doch vergebens! Alleweil Poesie und Schwärmerei – niemals Wirklichkeit. Was habe ich an Euren schönen Poesien? Das sind nur Lustbilder und Träum', von welchen kein mit Vernunft begabtes zweibeiniges Tier satt wird.

Lautenklang. Weh' mir! Unsäglich ist mein inn'res Leiden,
Vergebens such' ich längst nach einem Stoff,
Nach einem Stoff, der sich zum Drama eignet;
Bisher schuf ich nur immer Lyrisches:
Sechs Bände liegen auf in allen Läden,
Doch hat der Leserkreis längst g'nug daran;
Dramatisches verlangt von mir die Welt,
Und bring' nicht bald ein Stück ich für die Bühne,
So ist's gescheh'n um meinen alten Ruhm.
Schon will der Kranz auf meinem Haupte welken,
Ein Blatt ums andere wird dürr und bleich,
Und endlich steh' ich da mit kahlem Scheitel, –
Wohl gar vergessen und vergriffen selbst!

Kasperl. Ja, da haben S' mal wieder was G'scheit's g'sagt. Der Stoff, ja der Stoff! der ist und bleibt die Hauptsache. Allein unsere Ansichten darüber sind sehr verschieden. Mit Ihrem Stoff locke ich keinen hungrigen Hund unter dem Ofen heraus; aber mein Stoffbegriff ist praktisch. Stoff, wie ihn unser lieber Herrgott geschaffen hat; Stoff, der zur Erhaltung der Menschheit da ist: Eßbares, Trinkbares und dergleichen. Eine Bratwurst oder a Kalbsbratl mit Salat, a paar Maß Bier, das sind Stoffe, vor denen man Respekt haben muß. Diese zu bearbeiten, ist meine dichterische Aufgabe. Behalten Sie Ihren Stoff, Mosiö Lautenklang und lassen Sie mir den meinigen, das heißt, geben Sie mir dergleichen. Leider aber scheint Ihnen in jeder Beziehung der Stoff ausgegangen zu sein, denn wir hungern alle zwei, so daß wir nächstens zum Urstoff zurückkehren und Speise der Würmer werden, wenn es nicht bald anders kommt. Ich halt's nicht mehr aus; ich werd' so dünn wie ein Blattl Papier; dann können's wirklich auf mich selbst einen Reim schreiben.

Lautenklang (in sich versunken).
Wohin, wohin soll ich das Dichterauge wenden?
Historisches ist ziemlich abgetan;
Verlassen ist auch der romant'sche Boden,
Man liebt die Märchen nimmer und dergleichen;
Hat Klassisches sich nicht auch überlebt,
Seit Goethe seine Iphigenia schrieb?
Der Dichter soll nach Realistik greifen
Und auf kulturhistor'schem Felde schweifen.
Woher dies nehmen, da die Phantasie,
Gewohnt, in duft'gen Räumen aufzuschweben,
Nicht gern den Pegasus zur Erde senkt
Und lieber ihn durch lichte Höhen lenkt?
Ihr Musen und ihr Nymphen dieses Haines,
Im Abendgolde über Wiesen schwebend
Helft, wenn ihr je den Euern mich genannt,
Wenn ihr mich je als Dichter habt erkannt! (Ab.)

Kasperl. Da geht er wieder! Muß ich halt auch wieder nachstolpern. Wenn es aber so fortgeht, so geht mir die Geduld aus, und ich werde aus dem Dienst gehen. Wär' er mir nicht den Lohn seit zwei Jahren schuldig, so wär' ich schon längst wieder mein eigener Herr und könnte mich auf mich selbst verlassen. Allein besagter Umstand versetzt mich in die Notwendigkeit, als ein lebendiges Schuldenregister ihm auf allen Schritten zu folgen und mich an seinen poetischen Brocken zu nähren, die er hier und da fallen läßt. Nun will ich unter einem schattigen Busche meinen alten Freund, den Schlaf, suchen, damit er mir meinen Erzfeind, den Hunger, vertreibe; bisweilen aber hält der leere Magen Schildwache und läßt den Freund nicht herein. Oh, Elend und Jammer! Und dies soll die Poesie des Lebens sein, daß immer etwas zu hoffen bleibe! Mit der Hoffnung aber hat sich noch kein Mensch auf Erden seinen Hunger gestillt. (Ab.)

(Wiltrud, Scohlint sich begegnend)

Scohlint. Wiltrud, auch du bist nicht zum Fest geladen?

Wiltrud. Wie du! Man hat uns beide, scheint's, vergessen.

Scohlint. Ei was, vergessen? nein! man hielt uns zu gering.

Wiltrud. Sind wir nicht auch so gut wie all die andern?

Scohlint. Ich meint' es wohl: denn als zu der Beratung
Auch wir zum König waren eingeladen
Mit allen Feen des Landes, auszusinnen
Ein Mittel, daß ein Kind ihm werd' geboren,
Weil die Frau Kön'gin keine Hoffnung gebe – –

Wiltrud. Als mit den andern wir zu Rate saßen,
Ward unsre Stimme wichtig auch befunden.

Ich riet zu jenem Kraut – –

Scohlint. Und ich, du weißt es,
Lieh meinen mag'schen Stein, bewährt nicht selten
Zum Segen für die kinderlosen Eh'n.

Wiltrud. Nur, weil wir Feen sind des zweiten Ranges,
Hielt man uns ferne von dem Jubelfeste,
Wo nun die andern alle sich ergötzen,
Für ihre Künste Huldigung empfangend.

Scohlint. So ist's, und ungestraft soll dies gescheh'n?
Was meinst du?

Wiltrud. Zum Gespött sind wir den Andern,
Daß uns der König Purpur nicht geachtet;
So mög' entgelten er's an seinem Kind,
Beschenkt ward's Töchterlein, das heißersehnte,
Mit vielen Gaben von den Zauberinnen.
Nun wohl; da wir zum Fest nicht sind geladen,
Laßt uns statt Segen Fluch als Weihe spenden!

Scohlint. So sei's und sorgsam wollen wir's bedenken.
In meine Höhle komm, dort das Orakel
Des alten Satanas klug zu befragen.
Den Kessel füllen wir mit gift'gen Kräutern,
Mit Schlangenfett und Salamandergeifer.

Wiltrud. Ein Büschel Haar riß gestern ich am Galgen
Vom Haupte dem Gehängten, und dem Mägdlein,
Das sich aus Gram ertränkt, schnitt aus dem Leibe
Das Herz ich; zwei bewährte Zaubermittel,
Des Teufels Spruch aus Gischt und Dampf zu lesen.

Scohlint. Fort denn! Es mag sich unsere Kunst bewähren!

(Beide verschwinden.)

Lautenklang (stürzt heraus).
O Wonne! Gunst der Musen, ich erkenn' es,
Hat heute mich in diesen Wald geführt.
Was diese bösen Feen hier besprachen,
Ist eines Dramas herrliche Gestaltung.
Nun rasch der Spur nach! Nimmer will ich säumen,
In den Palast des Königs einzudringen.
Dort ist der Schauplatz für die ganze Handlung;
Dort muß der Stoff sich bald zum Knoten winden.
        (zu Kasperl)
Komm' Freund, bei König Purpur mich zu melden;
Ich folge dann, als Dichter angekündigt;
Zum Hofpoeten mag er mich ernennen
Und zum Leibnarren dich. Komm, laß und eilen! (Ab.)

Kasperl. Wie? mich zum Narren? mich traurige, ausgehungerte Figur? Die zwei Hexen haben ihn wieder närrisch genug gemacht. Uebrigens könnten wir es doch probieren; denn es scheint sich in perspektivischer Aussicht ein gewisses Gerüchel aus der Hofküche Seiner Majestät des Königs Purpur zu entwickeln, welches mir nicht unangenehm ist. Gut also! Machen wir halt unsere Aufwartung und sollten wir auf eine unsanfte Manier vom Hofe entfernt, das heißt hinausgeworfen werden, so wäre es ja nicht das erste Mal, daß ich wenigstens so schnell wieder zu einer Haustür hinauskäm' durch selbst welche ich ohne Einladung des Hausherrn hineingekommen bin. Aber z'vor muß ich meinem Herrn noch das G'wandl ausklopfen und die Stiefel wichsen, damit wir a bissel sauber ausschau'n.

Verwandlung

Zimmer im Palaste des Königs Purpur.

(König Purpur und Königin Hermeline)

Purpur. Wie glücklich sind wir, Hermeline!
Ein Kind, ein Kind liegt vor uns in der Wiege!

Hermeline. Wie atmet's lieb, wie blickt es mit den Aeuglein,
Wie schmücket Rosenduft die vollen Wangen!
Dem Himmel Dank, der uns nach langem Hoffen
Die Segensgabe endlich hat beschert.

Purpur. Dem Himmel Dank, doch auch den weisen Frau'n,
Durch deren Rat und Mittel wir errungen,
Wonach wir längst gestrebt; denn was Natur
Und auch Magie vermag, das boten sie.

Hermeline. Bei all dem Glück jedoch, bei all der Freude
Bin ich ob eines Umstands sorgenvoll.

Purpur. Sprich, was beengt dein Herz?

Hermeline. Du weißt: wir dachten
Der beiden Zauberfrauen nicht; Wiltrude,
Scohlint, die luden wir zur Feier nicht,
Und ihre Rache könnt' gefährlich werden.

Purpur. Ei was? wer hätt' auch gern die bösen Weiber
Bei unserm Freudenfeste denn geduldet?
Und lobten nicht die andern uns darum,
Daß wir mit der Gesellschaft sie verschont?

Hermeline. Doch sie auch waren hier zu Rat gesessen
Im Kreis der weisen Frau'n und sprachen mit;
So hatten sie ein Recht auch, teilzunehmen,
Als von den Zinnen Freudenbanner wehten.

Purpur. Was hätten sie gebracht? Nur Zwiespalt, Hader!
Dies ist ihr Element; die guten Feen
Beschenkten unser Kind mit schönen Gaben;
Was hätten jene beiden denn zu bieten
Aus ihrer dunklen Höhle Zauberreich?

Hermeline. Wie's immer sein mag, mich beschweret Angst
Und Sorge drum, vielleicht weil ich ein Weib bin;
Als Mann magst du dergleichen wohl bewält'gen.

Purpur. Beschwichtige dein Mutterherz; bedenke,
Daß unser Röslein schützt die Fee Sconea,
Die Heil dem Kinde sprach, als es erwachte
Zum Leben und den ersten Lichtstrahl schaute.

(Herold tritt ein.)

Herold. Verzeiht, o Herr! wenn Euch mein Eintritt stört,
Doch Ihr befahlt ja, daß man immer melde
Wenn sich der Königsburg ein Fremder naht.

Purpur. Was gibt's?

Herold. Ein Wandrer harret vor dem Tor,
Erbittet Einlaß sich, um Euch zu huld'gen.
Es schmückt sein Haupt ein grüner Lorbeerkranz,
An seiner Schulter hängt das Saitenspiel.
Ein Sänger ist's, wie er sich selber nennt.

Purpur. Willkommen sei er; solche Gäste lieb' ich,
Und Sang und Klang kommt mir zur rechten Stunde.

Herold. Auch folgt ein Diener ihm, ein droll'ger Kauz,
Der dir als Schalknarr gute Schwänke bringt.

Purpur. So laß' sie beide ein; ich will sie seh'n. (Herold ab.)

Hermeline. Die Fremden nah'n, ich geh' zu unserm Kinde,
Dem lieben Röslein; und wie oft geschieht's!
Ja, nimmer müde wird der Mutter Liebe,
Zu herzen und zu küssen!

Purpur. Geh, bald folg' ich (Hermeline ab).
Doch zum Empfang will ich den Thron besteigen,
Und mich mit meinem Purpurmantel schmücken;
Die Krone setz' ich auf und nehm' den Zepter,
Denn solchen Käuzen muß man imponieren.
Und tritt der Dichter vor mich, um die Schläfe
Den Lorbeerkranz, ziemt mir das Diadem.
Die Blätter welken, doch das güldne Stirnband
Trotzt auch dem Zahn der Zeit; ja, in den Gräbern
Ziert noch der Könige Schädel manche Krone
Und sonst'ger Schmuck von fürstlichem Geschmeid.

(Setzt sich in königlichem Schmuck auf den Thron)

(Herold führt Lautenklang und Kasperl ein)

(Lautenklang läßt sich auf ein Knie nieder und legt die Laute vor den Thron hin. Kasperl macht fortwährend Komplimente)

Lautenklang. Ich neig' mich ehrfurchtsvoll vor dir, o König,
Und lege meine Laute dir zu Füßen.
Greif' wieder ich nach ihr, wenn du's befiehlst,
Sei's, um der Majestät ein Lied zu weih'n!

Purpur. Erhebe dich, willkommen sei! ich liebe
Den Sang. Greif in die Saiten, mich zu grüßen
Nach Sängerart.

Lautenklang. Es sei, wenn du's erlaubst!

(Singt zur Laute)
        Hast du mich auch nicht gerufen,
Tret' ich kühn hier an die Stufen
Deines Throns mit meinem Sang!
Frei sind wir, des Liedes Meister,
Untertan sind uns die Geister,
Die gebannt der Laute Klang!

Kronen goldne Strahlen senken
Nieder und die Zepter lenken
Völkerscharen; welche Pracht!
Majestätisch wie die Sonne –
Zieht einher sie voller Wonne –
Leuchtet eines Königs Macht.

Alle demutsvoll sich neigen
Vor dem Herrscher, alle schweigen,
Schier geblendet von dem Licht.
Nur der Sänger laut verkündet,
Was der Glanz in ihm entzündet,
Was aus seiner Seele spricht!

Und was er dann frei gesungen,
Durch die Hallen ist's gedrungen,
Tönt in alle Welt hinaus!
Heil des Königs goldner Krone,
Die da strahlet auf dem Throne!
Heil des Königs ganzem Haus!

(Verneigt sich tief)

Purpur (vom Throne herabsteigend). Ihre Huldigung hat mich sehr erfreut. Sie scheinen mir ein Mann von Talent zu sein. Wie heißen Sie?

Lautenklang. Majestät, mein Name ist Lautenklang!

Purpur. Ein schöner Name für einen Sänger! Ihr Geburtsort?

Lautenklang. Eine kleine Provinzstadt in Deutschland und ich bin der Sohn eines armen Schuhmachers.

Purpur. Es gibt sehr viele Schuhmacher in Deutschland.

Kasperl (vorlaut). O ja, und auch viele Schneider aller Gattung, erhabene Majestät.

Lautenklang. Schweige und rede nicht zur Unzeit.

Purpur. Oh, lassen Sie ihn. Er ist wohl Ihr Diener?

Kasperl. Zu dienen bin ich sein Diener. Mein Name ist Kasperl Larifari. Ebenfalls in einer pudelwinzigen Stadt des ungeheuren Deutschen Reiches habe ich das Licht der Welt erblickt.

Purpur. Bravo, bravo! Ihr Humor gefällt mir. Waren Sie vielleicht Schauspieler?

Kasperl. Weniger dieses als jenes oder vielmehr habe ich mich unter die Komödiantenbagagi nie vermengen wollen, sondern ich habe bisher nur auf der großen Weltbühne mitgespielt und Stiefel geputzt. Gegenwärtig hungere ich mit meinem Herrn und wir suchen beide Stoff, ja sehr viel Stoff.

Lautenklang. Verzeih'n Euer Majestät diesem ungeschliffenen Burschen.

Kasperl. Oh, ich bin ein ungeschliffener Diamant, welcher Witz bei einer Gelegenheit in einem Gedichte meines Herrn vorkommt. Hörens nur: (pathetisch deklamierend)

Dort in Brusilien ein Diamant
Liegt unbeachtet in dem Sand,
Den noch kein menschlich Wesen fand
Gleich der Korall' am Meeresstrand.
        – da hab'n wir's schon. –

Dort leuchtet hell ein Diamant
An eines Mädchens Busenband,
Und die Korall' am Meeresrand!
Die beide schliff des Menschen Hand.
        – Jetzt kommt's eigentlich –

So ist Natur denn wohl verkannt,
Der Wert nur an den Schliff gebannt!
Dort in Brusilien ein Diamant
Und die Korall' am Meeresrand!

Habt Ihr den Witz verstanden? – Ja, ich bin auch ein verkanntes Genie, wie der ungeschliffene Diamant in Brusilien!

Lautenklang. Ich bitte Euere Majestät, das ungeeignete Benehmen dieses Hanswursten nicht zu beachten; sollten jedoch Allerhöchstdieselben eines Hofpoeten bedürfen, so wag' ich es, meine Dienste anzubieten.

Purpur. Ich bin gar nicht abgeneigt, Ihrem Gesuche Gehör zu geben, um so mehr, da der Meistersänger, den ich an meinem Hofe hatte, an Mittelaltersschwäche gestorben ist; auch waren seine Leistungen nicht mehr zeitgemäß, weshalb ich ihn längst pensioniert hatte.

Lautenklang. Unendlich glücklich wäre ich, könnten meine geringen Kräfte Eurer Majestät dienlich sein. Meine Ansprüche sind in jeder Beziehung höchst bescheiden.

Kasperl. Aber, der lügt! – Hören's auf! Je mehr wir krieg'n, desto besser ist's ja!

Purpur. Gut denn, es sei! Von heut an sind Sie in meinen Diensten. Sie sollen mit Ihrer Stellung zufrieden sein. Und Ihr Diener kann auch bleiben. Ich ernenne ihn zum Hofnarren extra statum.

Kasperl. Extra statum oder extra status, das heißt eine Extrastatur, wohlgenährt und überhaupt gut gehalten!

Purpur. Auch Er wird zufrieden sein. Doch verbitte ich mir alle plumpen Späße, denn ich dulde nur den feinen Humor.

Kasperl. Einen feinen Rumor hab' ich noch nit gehört. Wenn's mal wo einen Rumor gibt, da muß es schnallen und krachen.

Purpur (zu Lautenklang). Kommen Sie, Lautenklang! Ich will Sie der Königin vorstellen. Sie können gleich Ihr Talent in Anwendung bringen und ein Gedicht auf die Geburt meiner Tochter Röslein schreiben.

Lautenklang. Herrlicher Stoff zu einem graziösen Schlummer- oder Wiegenliede! (Purpur und Lautenklang ab.)

Kasperl (in affektiertem Komödiantenton). »Sein oder nicht sein – das ist die Frage.« Wo wird hierzuland ein gutes Wirtshäusl sein oder nicht sein, in welchem man von dem anstrengenden Hofleben einigermaßen bisweilen stillvergnügt ausruhen kann? Trinken, schlafen und nichts weiter?! Denn wer zu viel getrunken hat, schlaft gern. Also ist Trinken Schlafen. Daß aber ein »Schlaf« das Herzweh und die »tausend Stöße endigät, dies ist ein Ziel, aufs innigste zu wünschen«! – »Schlafen, vielleicht auch träumen?« Dies ist mir gänzlich einerlei! Neulich hat mir träumt, ich hätt' ein' Buckel voll Schläg' bekommen. – »Stolze Mißhandlungen!« Ich erwachte und »stöhnte und schwitzte unter Lebensmüh«! – Ha, Schicksal; »das unentdeckte Land – nämlich das Wirtshaus – von dess' Bezirk kein Wanderer wiederkehrt«, ohne daß er seine Zech bezahlt hätt', welches »den Willen irrt«, insofern man einen Rausch hat, dieser Bezirk blickt mich aus der unbekannten Ferne freundlich an! Auf denn! Zu »Unternehmungen voll Mark und Nachdruck durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt«! Ein Hamerlet hat's g'sagt und sollte der Kasperl nicht gleicher Empfindungen fähig sein? Ha! »Das Gewissen macht feige aus uns allein«. Auf denn! Ich stürze mich in die ungewisse Zukunft der Tiefe des Bierkrugs. (Ab.)

(Königin Hermeline, ihr Kind, Prinzessin Röslein, auf den Armen tragend)

Hermeline. Oh, herzig Kleinod, laß dich an mich drücken
So inniglich! bist ja ein Teil von mir,
Das beste wohl aus meinem eignen Ich,
Ja, selbst mein »Ich«, gleichwie der Blume Duft,
Der aus dem Kelch sich hebt so würzig rein,
Zu ihr gehört. Denn wär' die Rose Rose,
Haucht' nicht ihr roter Mund den süßen Duft?
Wär' Lilie Lilie, ständ' sie duftlos da?
So bist du mein, und ich bin wieder dein:
Ein Leben und ein Sein, schier unzertrennlich!
Und doch! wie bang ist mir, blick' ich dich an,
Und schaust du auf zu mir mit deinen Sternlein,
Die aus dem Himmel mein so lieblich leuchten.
Ein dunkler Schleier liegt auf dir, ich seh's;
Ich möchte weg ihn küssen, doch er bleibt,
Umhüllt die Zukunft mir in trüben Nebel.
Ich fühl' es, drohend sah ich jene Frau'n
Mir nahen oft in dunkler Nächte Traum!

(König Purpur mit Lautenklang eintretend.)

Purpur. Ich suchte dich, o Königin!

Hermeline. Hier bin ich.

Purpur. Und hier ein Gast, der Hausgenosse worden:
Der Dichter Lautenklang, mein Hofpoet,
Mög' er der Königin willkommen sein.

Hermeline. Ist nicht die Poesie des Lebens Schönstes?
Sie windet Blumen in den dunklen Kranz,
Der ernst sich oft um unsere Stirne wölbt;
Ist sie nicht auch der Regenbogenschimmer,
Der düstre Lebenswolken überspannt?

Lautenklang. Ihr zeichnet sinnig, edle Königin,
In schönen Bildern, was ich tief empfinde.
Fürwahr, ich tret' ins Reich der Poesie;
Der Dichter hat die Heimat hier gefundene
Die er vergebens sich so lang gesucht;
Die Welt ist öd, und kalt sind alle Herzen,
Verschlossen höh'rem Sinn nach Ird'schem trachtend.

Purpur. Vortrefflich! – Ja, die Königin war stets
Geneigt der Poesie und ihren Jüngern.

Lautenklang. Gestattet, daß der Königin ich bringe
In einer Dichtung meine Huldigung,
Indem ein kleines Lied ich schnell ersinne,
Dem Kind geweiht, das auf dem Arm sie wiegt.

(Singt zur Laute)
      Mit Blumen aller Arten
Und süßem Duft und Hauch
Blüht in des Frühlings Garten
Ein kleines Röslein auch.
Erwärmt vom Sonnenstrahle,
Erfrischt vom Tröpflein Tau,
Ein Sitz dem Bienenmahle,
Gewiegt vom Lüftlein lau.
(Es erhebt sich ein Sturm.)

Hermeline. Weh' uns, hört ihr den Sturm sich jetzt erheben?
Wenn er dem Kind nur nichts zuleide tut!

Purpur. Grundloses Bangen! Setzt den Sang nur fort.

Lautenklang (singt weiter)

        So blüht's und schaut ins Leben,
Und mög' es wohl gedeih'n!
Gott woll' dem Röslein geben
Den hellsten Sonnenschein!
(Der Sturm wird mächtiger.)

Hermeline. Hört nur, sie nah'n, die ich im Traum geseh'n!

Purpur. Wer naht? Dich schreckt die Angst vor dem Gewitter.
Verlaß den Ort und leg das Kind zur Ruh!

(Wiltrud und Scohlint erscheinen in der Luft.)

Wiltrud. Wir sind's, wir sind's, die ungebet'nen Gäste,
Die ihr vergessen habt bei eurem Feste.

Scohlint. Wir sind's, wir sind's, zu bringen unsere Gaben;
Wir bieten euch das Beste, was wir haben.

Hermeline und Purpur. Weh' uns, da sind die bösen Zauberfrau'n!

Wiltrud. Wir reichen eurem Kind als Weihgeschenk
Den Fluch, dem seinerzeit Erfüllung folgt.

Scohlint. Daß Röslein sich an einer Spindel sticht,
Wenn fünfzehnmal der Mai sie hat begrüßt.

Wiltrud. Und bei dem Stich fällt sie in tiefen Schlaf,
Ihr selbst auch und was lebt im Königshaus.

Scohlint. Ein Dornstrauch wird umwuchern den Palast:
»Dornröslein« sei fortan das Kind genannt!

Wiltrud und Scohlint. Hört's, König Purpur, Königin Hermelin:
Den Fluch schenkt euch das Zauberschwesternpaar!

(Ein Donnerschlag.)

(Der Vorhang fällt.)


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