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Prinz Alfred von Edelfels, dessen Hofkavalier Kasperl Larifari Gretl, seine Frau Mufti, Leibmohr des Prinzen Hoflakaien |
Zimmer in Kasperls Wohnung.
Nacht. Ein Licht auf dem Tisch. Bettlade in. Hintergrunde.
(Frau Gretl sitzt am Tisch und strickt. Die Wanduhr schlägt acht Uhr.)
Gretl. So, jetzt schlägt's schon acht Uhr und er ist noch nicht zu Haus. Seit mittags zwölf Uhr ist er fort. Und wohin? Zu einem G'schäft hat er g'sagt. Ja, das wird wieder a Geschäft sein: im Wirtshaus! Es ist ein wahres Kreuz mit dem Mann. Das bißl Vermögen, das ich in die Ehe gebracht hab', wird bald durchgebracht sein, denn die Zinsen, von denen wir leben, die langen bei der Wirtschaft schon lang nimmer. Alles wird vertrunken! Und ich kann ihm doch nit feind sein; denn er ist halt mein guter Kasperl. Aber ein Lump ist er auch. Was wird's heut wieder sein? Mit einem Rausch kommt er nach Haus; den schlaft er bis morgen aus und nachher geht's wieder von vorn an. (Man hört den Regen stark an die Fenster schlagen.) Das is aber a Wetter! Parapluie hat er auch keins bei sich, da kommt er tropfnaß heim und legt sich wie a taufte Maus ins Bett. (Es schellt an der Hausglocke.) Ach, das wird er sein! Gottlob, amal! (öffnet das Fenster und schaut hinaus. Ruft hinab.) Bist du's, Kasperl?
Stimme (von unten). Bitte, lassen Sie uns ein!
Gretl. Wer sind denn die Herren?
Stimme. Machen Sie nur auf; es regnet fürchterlich! Nur ein Viertelstündchen Unterstand, bis der Wagen kommt.
Gretl (für sich). Das scheinen mir ganz respektable Herren zu sein. Ich mach' auf. (Ruft hinab.) Gleich, gleich werd' ich aufmachen. (Nimmt den Leuchter und geht hinaus; tritt bald darauf mit dem Prinzen Alfred und Adjutanten von Edelfels ein.)
(Prinz Alfred, Edelfels und Gretl.)
Prinz (im Eintreten). Verzeihen Sie, liebe Frau, daß wir Sie so spät am Tage stören. Allein, es hat uns beim Spaziergang der Regen überrascht. Gestatten Sie, daß wir den Wagen hier abwarten, nach dem ich geschickt habe.
Gretl. Ich bitte recht sehr; freut mich, wenn ich dienen kann.
Edelfels. Seine Durchlaucht –
Prinz (ihn unterbrechend). Still! Ich will incognito bleiben. Ich heiße Müller, ein fremder Passagier.
Edelfels. Zu Befehl. (Laut.) Ja, wir sind fremd und haben uns auf dem Gange zur Stolzenburg verspätet. Mittlerweile kam das Gewitter – –
Prinz. Und wir haben unsern Lohndiener von hier aus in den Gasthof geschickt, einen Wagen zu holen.
Gretl. Machen sich's die Herren nur bequem einstweilen. Wir wohnen halt ein bißl weit von der Stadt, weil das Logis wohlfeiler ist.
Prinz. Bei wem habe ich das Vergnügen, Unterkunft zu finden?
Gretl. Mein Mann ist Privatier und heißt Herr von Larifari. Wir leben recht einfach von unsern geringen Prozenten.
Prinz. Also verheiratet? Und Ihr Mann?
Gretl. Ja, mein Mann – mein Mann ist ein ganz guter Kerl, aber einen kleinen Fehler hat er, daß er etwas gern im Wirtshaus sitzen bleibt.
Prinz. Nun, diesen Fehler findet man bei Männern nicht selten.
Gretl. Das wär' schon recht, aber bisweilen und – und das ist auch nicht selten – kommt er etwas betrunken nach Haus.
Prinz. Das ist allerdings eine üble Gewohnheit.
Gretl. Ja, und ich hab' schon alles probiert, ihn auf einen besseren Weg zu bringen, aber es nutzt nichts, und endlich vertut er unser ganzes Sach und wir haben nichts mehr – – (Kasperl unten jodelt und schreit.) Hören S'ihn? Jetzt kommt er wieder betrunken nach Haus! Das ist a Schand für mich.
Prinz. Da tut es mir leid, daß wir hier stören.
Edelfels. Könnten wir nicht einstweilen ins Nebenzimmer gehen, bis die Equipage kommt?
Gretl. Wenn Sie in dem kleinen Kammerl da drin vorlieb nehmen wollen, wär's mir freilich recht angenehm.
Prinz. Gut, gehen wir hinein.
(Gretl zündet eine zweite Kerze an und führt sie durch die Seitentüre.)
Kasperl (unten). Aufmachen, aufmachen! Schlipperment! Gretl, rühr' dich!
Gretl. O, du liederlicher Bursch! Der hat richtig sein Teil! (Geht hinaus.)
Prinz (durch die halbgeöffnete Seitentüre). Edelfels, wir wollen ein bißchen lauschen! Das gibt vielleicht einen Höllenspaß!
(Gretl tritt mit dem betrunkenen Kasperl ein, der hin und her taumelt.)
Kasperl. Schlipperdibix! Was hast mich a ganze Halbviertelstund da unten im Regen stehn lassen!
Gretl. Ja, ganz hätt' ich dich drunten stehn lassen sollen, damit dich der Regen a bißl abgekühlt hätt', du liederliches Tuch.
Kasperl. Was? Ich bin kein Tuch! Ich bin der Kasperl, was Tuch!? (Fällt auf den Boden.)
Gretl. Da siehst es! Nicht amal stehn kannst mehr!
Kasperl. Deswegen setz' ich mich nieder.
Gretl. Wo bist denn wieder g'steckt den ganzen Tag?
Kasperl. G'steckt? – G'steckt bin ich nirgends. Ich hab' wieder wichtige Geschäft gehabt. Also ruhig!
Gretl. Ja – ich soll ruhig sein bei dem Schandleben. Immer besoffen!
Kasperl. G'loffen bin ich aber net, ich bin ganz langsam und kommod herg'wackelt.
Gretl. A Schand und a Spott ist's! (Für sich) Nein, die Verlegenheit! wenn wir nur allein wären! Ich muß nur trachten, daß ich'n ins Bett bring'. (Zu Kasperl.) Jetzt steh auf und leg' dich nieder!
Kasperl (Will aufstehn. fällt aber wieder hin.) So, jetzt bin ich aufg'standen und hab' mich gleich wieder niedergelegt! (Jodelt und singt.)
Gretl. Laß dir nur helfen. (Hilft ihm.)
Kasperl. So – jetzt steh' ich kerzengrad' wie der Frauenturm.
Gretl. Leg' dich ins Bett und schlaf', das ist das Gescheitste.
Kasperl. Was? Schaf? – Das ist eine Beleidigung – – gung – gung! – Ich will Ruh' haben.
Gretl. No ja, 's ist schon recht. Komm, komm, leg' dich. (Führt ihn zum Bette.)
Kasperl. Wenn sich der Mensch den ganzen Tag plagt, so ist's billig und gerecht, daß er von seine Fatiken ausrast'. (Plumpst aufs Bett.)
Gretl (legt seine Beine zurecht). So, Scharmanterl, jetzt schlaf.
Kasperl (lallend). Ich hab' kein Manterl; nix Manterl; ich hab' – nur a G'wanderl. (Schläft schnarchend ein.)
Gretl. Gottlob, jetzt schläft er ein. Ich will'n nur zudecken, damit ihn die Herren nit sehen. (Deckt ihn zu.)
(Prinz und Edelfels treten aus der Seitentüre.)
Prinz (lachend) Das war göttlich!
Gretl. Ich bitt' halt um Verzeihung; aber seh'n Sie, meine Herren; so ist er! Und das beinah alle Tag'.
Prinz. Wenn Sie mir das Vertrauen schenken, so möchte ich eine Kur mit Ihrem Herrn Gemahl vornehmen..
Gretl. Eine Kur? Sind Sie denn ein Doktor?
Prinz. So halb und halb. Ich habe schon vielen Leuten von ihren Uebeln geholfen. Trinker habe ich schon in zwölf Stunden geheilt. (Zu Edelfels.) Nicht wahr, mein Freund?
Edelfels. Allerdings. Ich kann es bezeugen.
Gretl. Ja, das wär' ja prächtig, wenn Sie meinen Mann kurieren könnten! (Ans Fenster eilend.) Da hör' ich was rumpeln; ich glaub', es kommt Ihr Wagen, meine Herren.
Prinz (beiseite zu Edelfels). Schnell hinab! Instruieren Sie meine Lakaien. Ich laß den Burschen in die Residenz tragen.
Edelfels. Aber Durchlaucht!
Prinz. Das gibt eine Komödie zum Totlachen. Nur fort!
Edelfels. Gut, mein Prinz; wie Sie befehlen. (Ab durch die Mitteltür.)
Prinz. Nun, gute Frau, vertrauen Sie mir. Ich nehme den Herrn Larifari – nicht wahr, so heißt Ihr Mann? – ich nehme den Herrn Larifari diese Nacht zu mir in den Gasthof; ein kleines Mittel – und er ist geheilt l
Gretl. Nein, das leid' ich nicht! Wer weiß, was ihm geschieht?
Prinz. Nichts geschieht ihm! Hier – (legt eine volle Börse auf den Tisch) hier haben Sie den Beweis, daß ich kein Betrüger bin. Vierzig Gulden als Pfand.
Gretl. Ja, wenn das so ist, da nehmen's 'n nur gleich mit.
Prinz. Die kleine Summe gehört Ihnen als Quartiergeld.
Gretl. Aber nein, das kann ich nicht annehmen, Exzellenz! Sie haben mir ja gar keine Ungelegenheit gemacht; war mir die größte Ehre –
Prinz. Gut, gut!
(Edelfels mit zwei Lakaien tritt ein.)
Edelfels. Dort liegt er, also rasch ans Werk!
(Die Lakaien heben Kasperl, der zeitweise immer geschnarcht und gestöhnt hat, aus dem Bette und tragen ihn hinaus.)
Prinz. Nun, gute Nacht, Madame. Wir wohnen in der »Goldenen Krone«. Morgen früh sollen Sie Nachricht vom Herrn Gemahl erhalten.
Gretl. Da wird er aber die Augen aufmachen, wenn er nicht zu Hause aufwacht; denn der schlaft so fest bis morgen früh, daß ihn kein Kanonenschuß aufweckt! Aber ich bitt', daß ihm nichts g'schieht!
Prinz. Auf mein Wort – nur Angenehmes soll ihm zuteil werden. Adieu! (Geht mit Edelfels ab.)
Gretl (allein). Jetzt hab'n 's mein' Kasperl fort! – Hätt' ich's denn erlauben sollen? Der Beutel mit den vierzig Gulden hat mich ganz konfus gemacht. – Nein, nein, ich leid's nicht. Halt, halt! (Man hört den Wagen fortrollen. Zum Fenster hinausrufend.) Halt, halt, mein Kasperl, mein Kasperl! –
(Unterdessen fällt rasch der Vorhang.)
Zimmer in der Residenz des Prinzen, prachtvoll möbliert. An der Rückwand eine Himmelbettstatt mit seidenen Vorhängen, welche geschlossen sind. Vorne ein großer Ankleidespiegel. Es ist Morgen. Eine spanische Wand muß auch angebracht sein.
(Prinz, Edelfels treten von zwei Seiten ein.)
Prinz. Pst! Pst! – Daß wir ihn nicht wecken! Er scheint noch fest zu schlafen.
Edelfels (sieht durch die Vorhänge ins Bett, in dem Kasperl liegt). Wie ein Sack!
Prinz. Wieviel Uhr mag es sein?
Edelfels. Es hat eben zehn Uhr geschlagen.
Prinz. Schläft der Bursch also vierzehn Stunden ununterbrochen.
Edelfels. Allerdings, Durchlaucht; denn ungefähr nach acht Uhr gestern ward er hierhergebracht. Ich denke aber, daß er bald erwachen wird.
Prinz. Haben Sie alles angeordnet, wie ich es befohlen?
Edelfels. Alles ist in Ordnung.
Prinz. Das wird ein toller Spaß. Aber auf die Kur halte ich nicht viel. Mein Kammerdiener hat mir heute, als er das Dejeuner brachte, erzählt, daß der Patient der bekannte Kasperl ist. Der ist wohl unheilbar, denn essen und trinken sind seine Hauptbeschäftigung, und überall amüsiert er durch seine lustigen Streiche. Doch still! Hinter der Gardine scheint sich etwas zu bewegen. Treten wir beiseite. (Beide treten hinter die Tapetenwand.)
Kasperl (im Bett aufwachend, gähnt auf alle Arten). Gretl! – Mein Kaffee! – (Guckt zwischen den Bettvorhängen heraus. Höchst verdutzt – stotternd.) Gretl! – Ja – was ist denn das? Träum' ich oder bin ich wach? – Schlipperdibix! – Gretl (Kasperl hat eine große Nachtmütze auf und einen prachtvollen Schlafrock an. Springt aus dem Bett.) Ich bin ja wach! Nein – das ist ja nit möglich! Ich weiß gar nit, wie mir ist. (Betrachtet alles im Zimmer.) Das Bett – das Zimmer! Bin ich närrisch worden? Hab' ich mein' Verstand verloren? – Mir wird ganz angst und bang! – Gretl! Gretl!
(Ein Hoflakai tritt ein.)
Lakai. Was befehlen Euer Durchlaucht?
Kasperl. Wa – wa – was? (Bemerkt auch im Spiegel, daß er einen schönen Schlafrock an hat.) Das ist eine infame Zauberei! Ich bin verhext.
Lakai. Euer Durchlaucht entschuldigen, haben vielleicht noch nicht auszuruhen geruht?
Kasperl. Und wer ist denn Er? Bin ich denn im Narrenhaus?
Lakai. Euer Durchlaucht scheinen nicht gut geschlafen zu haben, weil Sie so aufgeregt sind. Darf ich das Frühstück bringen?
Kasperl. A Fruhstuck? – Das laß ich mir g'fallen. Jetzt werd' ich gleich sehen, was das eigentlich für a G'schicht mit mir ist. Entweder träum' ich – oder wach' ich. Jetzt muß sich's zeigen. Also her mit'm Fruhstuck. Aber a gut's! – (Lakai unter Reverenzen ab.) (Kasperl wirft sich in einen Stuhl.) Ich weiß net, wo mir der Kopf steht! Sollte ich wirklich meinen Verstand verloren haben? (Hochtrabend.) Sullte ich in das feenhafte Reich des Zauberlandes der höheren Phantasie entrückt soin, wo einem die gebrutenen Tauben in das Maul fliegen? Sollte ich auf dem Standpunkt der materiellen Errungenschaften angelangt soin, wo der Mensch als Mensch in höherer Bedoitung – – (Der Lakai mit einem zweiten Hoflakai rückt einen gedeckten Tisch herein, Kaffeegeschirr darauf usw.) Halt – boinah hätt' mich meine Phantosie hingerissen! – Da is das Fruhstuck! (Stürzt daraufhin.) Schlupperdibux! Das laß ich mir g'fall'n! (Zum Lakai.) Sie, bordiertes Mannsbild! Haben Sie doch die Gefälligkeit und nehmen Sie mich bei der Nasen –
Lakai. Oh, ich bitte! wie könnte ich so etwas wagen?
Kasperl. Bei meiner Nasen –
Lakai. Wenn Durchlaucht befehlen.
Kasperl. Was haben denn Sie alleweil mit der »Durchlauft«? Ich bin der Kasperl Larifari und kein Durchlauft! – Also bei der Nasen! (Lakai nimmt ihn bei der Nase.)
Kasperl. So, jetzt zwicken S' mich a bißl. Au, g'nug ist's! – Ich scheine nicht zu träumen; denn ich hab's gespürt. Also marsch naus! Jetzt will ich allein die Prob' mit dem Fruhstuck anstellen. (Lakaien ab. Kasperl setzt sich.) Brav! Das ist a Kaffee, und da sind d' Brezen und Eierweckerln. Und a Schnaps! Juhe! Die Hexerei laß ich mir g'fall'n! – –
Edelfels (tritt unter Verbeugungen ein). Euer Durchlaucht alleruntertänigster Hofmarschall hat die Ehre, sich gehorsamst zu melden.
Kasperl. Schon wieder was Neu's! Nach und nach g'fallt's mir in der Zauberei.
Edelfels. Die Prinzessin Gemahlin lassen guten Morgen wünschen und werden das Vergnügen haben, bald herüberzukommen, um bei Euer Durchlaucht ihr Dejeuner einzunehmen.
Kasperl. Was? Prinzessin Gemahlin? Einnehmen? – Sie sind ja a Narr, mit Respekt zu melden.
Edelfels. Durchlaucht belieben zu scherzen.
Kasperl. Ich schmerze nicht. Aber jetzt sagen Sie mir a mal, wenn Sie wirklich eine Art menschlicher Figur und kein maskierter Zauberer sind: Ich kenn' mich nimmer aus. Sagen Sie mir deutlich: Wo bin ich? Wer bin ich? Was bin ich? Wie bin ich? Warum bin ich? Kurz und gut! – –
Edelfels. Hochdieselben sind ganz besonderer Laune heute! Sollte Prinz Schnudi sich selbst vergessen haben und auch hochdero Gemahlin Amalie?
Kasperl. Prinz Schnudi? – Prinzessin Amalie? – Sagen Sie mir, ist diese Amalie hübsch? – Nun – (stolz) weil ich der Prinz Schnudi bin, so befehle ich, daß mir diese Amalie vorgeführt werde!
Edelfels. Allsogleich werde ich es der Prinzessin melden. (Ab.)
Kasperl. Jetzt hört alles auf! Ich halt's net aus! Ich verlier' meinen Verstand, wenn ich noch eine Portion hab'! – Aber das Fruhstuck, das Fruhstuck, der Kaffee, der Schnaps! – Ich verweiß mich gar nimmer! Juhe! Juhe! Jetzt muß ich mich erst wieder a bißl ins Bett legen. (Springt mit beiden Füßen ins Bett und zieht die Vorhänge zu.)
(Prinz tritt hinter der Wand hervor, Edelfels zur Türe herein.)
Prinz (leise zu Edelfels) Er liegt im Bett. Spielen Sie Ihre Rolle fort. Ich bin der Hofleibarzt.
Edelfels. Ich verstehe. (Laut.) Guten Morgen, Herr Leibarzt.
Prinz. Ebenfalls, Herr Hofmarschall. Seine Durchlaucht sind doch nicht unwohl? Ich wollte eben nachfragen, weil der Prinz sein Gemach noch nicht verlassen haben.
(Kasperl guckt zwischen den Gardinen heraus.)
Edelfels. O nein. Der Prinz hat mit gutem Appetit gefrühstückt.
Prinz. Vielleicht sind derselbe zur Prinzessin hinübergegangen.
Edelfels. Erlauben Sie mir eine ernste Frage, Herr Leibarzt.
Prinz. Ich stehe zu Befehl.
Edelfels. Was halten Sie von der Lebensweise des Prinzen?
Prinz. Einfach beantwortet: Wenn der Prinz sich so fort und fort dem Trunke ergibt, so können wir ihn eines Morgens vom Schlag getroffen als Leiche im Bett finden.
Kasperl (springt aus dem Bett). Schlipperment! Das wär nit übel. Ich bin ja der versoffene Prinz Schnudi nicht, ich bin der Kasperl Larifari.
Prinz. Gott im Himmel! Verzeih'n Durchlaucht! Wir glaubten uns allein. Diese Bemerkung – –
Kasperl. Verbitt' ich mir! Marsch hinaus! Ich brauch' kein' Leibarzt, der mir mein' Spaß verdirbt! Naus da, oder ich schlag' drein! Gleich will ich was z'essen haben: zwölf Paar Bratwürst und sechs Maß Bier und a paar Flaschen Wein und an Schweinsbraten und an Salat mit harte Eier!
Edelfels. Entschuldigen Hochdieselben; der Herr Leibarzt haben die besten Absichten.
Kasperl. Nix da. Naus alle zwei und was zum Essen und Trinken! Das ging mir auch noch ab. (Läuft im Zimmer wütend auf und ab.) Fort da! Naus!
(Prinz und Edelfels ab.)
Kasperl (allein). Jetzt bin ich aber ganz kaput, vor lauter Zorn. Was, Schlag treffen! Meinetwegen, aber das wär' kein G'spaß, wenn mich der Schlag für den versoffenen Prinzen träf'. Schlipperment! Ich bin ja der Kasperl! – Aber, wie komm ich da herein. Das ist ganz an anders Loschi. Alles von Gold! A prächtige Zipfelkappen. A g'stickter Schlafrock. A silberns Kaffeeg'schirr. Ich kenn' mich net aus, bin ich wirklich der Prinz Schnudi oder bin ich der Kasperl, der in den Prinzen neing'fahren ist, oder ist der Prinz in mich neing'fahren? Das wär' a verteufelte Seelenwanderung. Krieg ich Prügel, so kriegt's der Prinz Schnudi auch, und trifft den Prinzen der Verschlag, so bin ich tot. Vermaledeite Komödie!
(Zwei Lakaien schieben einen Tisch herein mit Bratwürsten, Bier Krügen usw.)
Bravo! Bravo! Nur her damit!
Lakai. Die Prinzessin Amalie wird augenblicklich hier sein.
Kasperl. Was? Die soll nur a bißl draußen warten, bis ich 'gessen und 'trunken hab'. Nachher kann's aufmarschieren.
Lakai. Die Durchlauchtigste kann es aber nicht erwarten, Hochdieselben an ihr Herz zu drücken.
Kasperl. Diese gewünschte Druckerei kann später auch vor sich gehen.
(Die Lakaien entfernen sich, zugleich stürzt der Leibmohr Mufti, in lächerlichem Damenkostüm, einen Schleier vor dem Gesicht, herein.)
Mufti. Wie, mein Gemahl will mich nicht hereinlassen? Treuloser, Herzloser, Elender! Ist das deine Liebe?
Kasperl. Oho, was ist denn das für eine Ueberraschung? Verschleierte Schönheit, sind Sie meine Gemahlin?
Mufti. Schändlich, du kennst mich nicht?
Kasperl (tragisch). Ich habe schon eine Gattin und hab' an der genug. Warum noch eine zwoite? Ha! Und warum, Amalie, bist du verschloiert? Ha!
Mufti. Die Luft schadet meinem Teint; das weißt du ja, Geliebter.
Kasperl (wird zärtlich). Oh, so entschloiere dich, Gelübteste, damit ich deine holde Physiognomie erblücken kann. (Für sich) Jedenfalls ist sie besser gewachsen, als meine Gretl. Schlipperment!
Mufti. Oh, dringe nicht in mich, daß ich meinen Schleier lüfte.
Kasperl. Warum willst du deine Lüfte nicht schleiern? Ha, ich liebe dich, Amalie. (Kniet vor Mufti hin.)
Mufti. Nun, es sei! (entschleiert sich.)
Kasperl. Pfui Teufel! (Springt auf.)
Mufti (fährt auf Kasper los). Prrr! Prrr! Ja, ich bin der Teufel, der dich holen will.
Kasperl. Auweh, auweh! Der Teufel! Aber wart', ich komm' dir schon!
(Stößt mit dem Fuße auf Mufti. Rauferei; Geschrei, sie verfolgen sich; endlich fährt Kasperl ins Bett hinein und Mufti springt zur Tür hinaus. Nach einer kleinen Pause guckt Kasperl zwischen den Bettvorhängen heraus.)
Kasperl. Schlipperment! Ist der Teufel noch da? – – Ich glaub', er ist verschwunden. – Aber mir ist der Appetit vergangen. Nein, mir ist miserabel. Heda, rein da! Allo!
(Ein Lakai.)
Lakai. Was befehlen Durchlaucht?
Kasperl. Den Doktor will ich haben. Augenblicklich den Doktor! Mir ist miserabel.
Lakai. Sogleich. (Ab.)
Kasperl. Nein, das ist kein G'spaß. Da sieht man's, daß die ganze G'schicht nur eine vermaledeite Hexerei ist.
(Prinz Alfred tritt ein mit einem ungeheuren Medizinglas.)
Prinz. Euer Durchlaucht sind unwohl geworden; ich habe daher gleich eine kleine Mixtur mitgebracht.
Kasperl (an das Bett gelehnt) Ja, da soll einer net krank werden, wenn ihn der Teufel holen will.
Prinz. Wie so, mein Prinz? Sie scheinen mir an Fieberphantasien oder an Kongestionen zu leiden.
Kasperl. Möglich, daß 's Kompressionen sind; mir ist aber eigentlich die Angst in den Bauch gefahren. Auweh, zwickt's!
Prinz. Gut, ich werde – –
Kasperl. Nein, nicht gut, Sie werden nicht.
Prinz. Ich werde Ihnen ein süßes Medikament eingeben, dann wird ein gelinder Schlummer mit Transspiration eintreten und bei Hochdero Erwachen werden Sie sich ganz im vorigen Zustande befinden.
Kasperl. Sie werden mir also einen süßen Malefikanten eingöben, dann wird ein geschwinder Kummer mit Manzipation eintröten – aber, ich bitt' mir aus, daß 's a gutes Trankl ist.
Prinz. Ein vortreffliches Fluidum.
Kasperl. Was, Pfuidum? – Wär' nit übel! No, also her damit! (Legt sich ins Bett.)
(Der Prinz schüttet ihm die Medizin nach komischen Gestikulationen und Widerstreben ein.)
Kasperl. Ah! Ah! – Das war ja so eine Art von Likör, so a Magenbitter oder Hoffmannische Tropfen. – Ah, das war gut! – Prächtig! Nun – Herr Doktor – das – war – – – (Schläft allmählich ein.)
Prinz. Der Trank hat gut gewirkt – ein unschuldiges Narkotikum. (Leise zur Tür hinaussprechend.) Edelfels, kommen Sie!
Edelfels (tritt ein.) Hat die Medizin schon gewirkt?
Prinz. Er schläft fest.
(Kasperl schnarcht und schmatzt im Schlafe.)
Edelfels. Vortrefflich!
Prinz. Nun, gute Nacht, Monsieur Kasperl.
(Beide gehen lachend ab.)
(Der Vorhang fällt.)
Kasperls Wohnung.
Kasperl liegt in seiner alten Kleidung und Mütze im Bett.
(Edelfels erscheint vorsichtig umschauend an der Türe. Später Gretl.)
Edelfels (mit unterdrückter Stimme). Madame Larifari! – Pst! Pst!
Gretl (aus der Seitentüre eintretend). Er schläft noch fest. Wollen Sie nur hereintreten.
Edelfels. Das war wirklich ein Spaß, wie sich Ihr Herr Gemahl als Prinz ausgenommen hat.
Gretl. Ja, ich weiß es. Die Lakaien, die ihn gestern Abend wieder ins Haus gebracht, haben mir alles genau erzählt. Er hat aber keinen Muckser getan die ganze Nacht.
Edelfels. Ich glaub' es gern. Ein unschuldiger Schlaftrunk mußte zur Vollendung des Scherzes das Seinige tun. Nun aber ist die Sache noch nicht aus. Lassen Sie mich mit Herrn Kasperl noch allein, bis ich Sie wieder hereinrufe.
Gretl. Wie Sie befehlen. (Ab.)
Edelfels (allein). Nun, weil's der gute Prinz befohlen hat, will ich den Spaß noch zum Ende führen. Hoffentlich wacht Kasperl bald auf. Also zur Sache. (Durch die Mitteltüre ab.)
Kasperl (gähnt im Bett, macht verschiedene komische Belegungen usw.). Oh, das war ein guter Schlaf. (Ruft.) Mein Fruhstuck. Wie gestern, aber heut' will ich auch Knödel und Sauerkraut zum Kaffee. (Setzt sich im Bett auf.) Oho! Was ist denn das? Schlipperdibix! Heda! Wo sind denn mein' bordierten Hoflackeln? Hofmarschall! Schlipperment! (Setze sich, daß die Beine übers Bett herunterhängen.) Ja, wie komm' ich mir denn vor? Hat mich der Teufel, von dem ich geträumt hab', wirklich geholt? Wo sind denn die seidenen Vorhäng' und mein goldener Schlafrock? Des ist ja eine miserable Wirtschaft!
(Edelfels, als Zauberer verkleidet, Maske vor dem Gesicht, tritt ein. Mit verstellter Stimme.)
Edelfels. Ja, mein Prinz, das sind die Folgen Ihrer Lebensweise! Ein mächtiger Zauberer hat Sie aus Ihrem Palaste in diese Hütte gebannt und in die schlichte Hülle eines dummen Kerls verwandelt.
Kasperl. Oho! Was sind denn Sie für a grober Patron? Was, dummer Kerl? Was, Zauberei? Ich bin der Prinz Schnudi!
Edelfels. Allerdings sind Sie es; aber Ihr liederlicher Lebenswandel, Ihre Trunksucht, Ihre Freßlust mußte bestraft werden. Ich bin der Zauberer Artaxerxes Strobelmajer, der Sie in den Kasperl Larifari verwandelt hat, bis Sie Ihr Leben gebessert haben. Dann erst werden Sie wieder wirklicher Prinz von fürstlichem Geblüt.
Kasperl. Ich bitt' Ihnen! Schwatzen S' kein so Zeug daher. Was wollen's dann jetzt derweil mit mei'm fürstlichen Geblüt anfangen? Hab'n Sie's in ein' Flaschl aufg'hoben und schütten's mir's nachher wieder ein? Die Dummheiten leid' ich net. Und wie kann man als ein Zauberer so en Namen haben wie Sie? Wie heißen S'? Sagen Sie's noch a mal.
Edelfels. Artaxerxes Strobelmajer ist mein Name.
Kasperl. Pfui Teufel! – Strobelmajer! Lass'n S' mich aus. Das sind Faxen. Mein Frühstück will ich haben.
Edelfels. Einerlei, wie ich heiße. Sie werden sich in Ihr Geschick zu fügen wissen! (feierlich) Bessere dich, edler Prinz! Lebe mäßig, einfach, bescheiden. Liebe deine Gattin und so weiter – dann wirst du in deinen vorigen Glanz wieder eingehen. (Verschwindet durch die Tür.)
Kasperl (ihn nachäffend). Dann wirst du deinen vorigen Tanz wieder einsehen – dummer Kerl! Das ist g'scheit, daß d' naus bist, sonst hätt' ich dir 'n Weg gezeigt. – Aber, schlipperdibix – als Prinz Schnudi kommt's mir doch vor, als wär' ich bei mir z' Haus. Bei mir z' Haus? Ja, wo bin ich denn eigentlich z' Haus? Hat mir träumt, daß ich der Prinz bin oder hat 'n Prinzen träumt, daß er der Kasperl ist? Ich könnt ja ganz konfus werden. Heda, wo ist denn so a Lackl, daß er mich wieder in die Nasen zwickt, um mich von meiner wirklichen Leibhaftigkeit zu überzeugen? Aber Nasen ist Nasen. Also weiß ich doch wieder nicht, wem die Nasen g'hört, dem Prinzen Schnudi oder dem Kasperl Larifari? (Hochtrabend.) Oh, ihr himmlischen Mächte, rettet mich aus diesen Zweifeln – und an Hunger und an Durst hab' ich zum Sterben. Ich will's a mal probieren und das Schicksal prüfen. (Ruft.) Gretl! Gretl!
Gretl (tritt ein von der Seitentüre). Nun, guten Morgen, mein lieber Kasperl! Aber du hast g'schlafen! Ich hab' gemeint, du wachst nimmer auf oder 's hätt' dich gar der Schlag troffen, weilst gestern wieder mit einem Rausch nach Haus kommen bist.
Kasperl (vornehm und im affektierten Hochdeutsch). Was schwätzen Sie da, Madame? Ich verbutte mir alle An- und Abzüglichkeiten. Man traktiere mich mit Respekt und Zonör, wie man es einer vornöhmen Purson von dürstlichem Geblute scholdig ist. Verstöhn Sie mich?
Gretl. Wie man einem Narren, wie du bist, schuldig ist. Ja, schämen sollst du dich; das wär' g'scheiter!
Kasperl. Ja. allerdings, schämen soll ich mich, in dieser niedrigen Figur bei Ihnen, Madame, die Zeit meiner Verzauberung zubringen zu müssen.
Gretl. Jetzt sei still mit dem G'schwätz und trink' deine Milch zum Frühstück, die schon lang auf'm Tisch steht.
Kasperl (schlägt den Milchtopf über den Tisch hinunter). Was, Milch? – Ha! Verzweiflung! Besinnung! Elend und Not! Ach, ich armer Prinz! Ich armes Mitglied eines dürstlichen Hauses! – Da steckt gewiß wieder der Bismarck dahinter.
Gretl. Ich bitt' dich um alles in der Welt: werd' mir nit närrisch; du hast wirklich alle Anlagen dazu. G'wiß hast wieder dummes Zeug geträumt und meinst, es ist eine wirkliche G'schicht gewesen.
Kasperl (mit Rührung) O Madam! Geschicht oder nicht Geschicht! Was kann ich anderes tun' als mich in mein Schlücksal ergöben? O Madam! Lassen Sie sich umarmen und an meinen geschwollenen Busen drücken! Hand in Hand auf der Bahn dieses rötselhaften Löbens! – Oh! Oh! Oh!
Gretl. Ja, mein Kasperl, gelt? Du wirst jetzt brav sein?
Kasperl (erhaben). Kasperl oder Prinz! Von nun an wird die Krone der Tugend und Enthaltsamkeit mein Löben würzen und ich werde noch manche Maß in meine Gurgel stürzen!
(Kasperl umarmt die Gretl. Edelfels als Zauberer tritt ein und stellt sich segnend hinter beide. Die Gruppe wird von griechischem Feuer magisch erleuchtet.)
(Der Vorhang fällt.)
Ende.