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Achtzehntes Kapitel

Abermalige Reise zur Hauptstadt. Mannigfaltige Heiratsanträge. Brinck wird mir wieder lieb.

In heiterer, geistvoller Geselligkeit entflohen die Tage in meinem väterlichen Hause. Altautz lag an der großen Landstraße nach Mitau, hatte weit mehr Nachbarschaft, als Remten, und so waren wir selten ohne häufige und angenehme Gesellschaft. Das musikalische Talent meiner Schwester bildete sich immer mehr aus; meine Brüder lernten auch verschiedene Instrumente spielen; ein paar Dienstboten spielten die Violine, und so hatten wir täglich kleine Konzerte und Bälle, die mit Schauspielen abwechselten, weil unser Tanzmeister die Direktion des Theaters hatte. Mein ganzes Leben war nun eine Kette gesellschaftlicher Freuden; die Wissenschaft, zu der ich erzogen wurde, bestand darin, die Anwesenden mit Bescheidenheit zu unterhalten und in Gesellschaft zu glänzen. Mein Briefwechsel gab mir erhöhten Genuß, denn Lottchen Hahn und Frau von Schlippenbach gehörten nun auch zu meinen Korrespondentinnen.

Wenn ich mit meiner Stiefmutter allein war, so ging sie alle junge Herren durch, die in diesem Jahre von ihren Reisen erwartet wurden. Der Baron von Rönne aus Puhren wurde als einer der reichsten und schönsten Männer genannt, der durch seine Anmut alle Herzen feßle. Matronen wünschten sich Jugend, um von diesem schönen, artigen, höchst liebenswürdigen Manne geliebt zu werden. Graf Kettler, Besitzer der größten Güter, die ein einzelner Mann in unserem Vaterlande besaß, sollte auch den künftigen Frühling ins Vaterland kommen. Die Esserschen, gräflich Kettlerischen Güter lagen nicht weit von Altautz. Behr aus Popen, der geliebte Neffe meines Vaters, hatte nur noch ein Jahr, dann waren auch dessen Studien beendigt; alle diese sollten, wie meine Stiefmutter es wünschte, zuerst von mir gekannt sein, ehe ich daran dächte, einen zu wählen. Dies war auch meiner Neigung gemäß, denn mein Hang zum geselligen Vergnügen nahm so zu, daß ich das Joch der Ehe scheute. Zwar wenn die Schlippenbach mir das Glück ihrer stillen Häuslichkeit beschrieb, so wünschte ich auch mir ein ähnliches Glück, aber Brinck stand nicht mehr so im Hinterhalte dieses Bildes da, denn die Langeweile, die ich in der Zeit des Grenzerittes gelitten hatte, ließ mich auch im häuslichen Leben mit ihm Langeweile befürchten. In dieser meiner Stimmung reisten meine Eltern zu den Freuden des Winters mit beiden Töchtern nach Mitau.

Alle unsere Bekannten waren uns eine Meile entgegengekommen. Das Wiedersehen mit Lisette Medem war süß, Taubens heiterer Frohsinn zog mich noch inniger an. Den nämlichen Abend noch sagte er: »Schwester, Schwester, nimm dein Herz in acht! Den schönsten Mann, den man sich zu denken vermag, wirst du nun bald sehen. Rönne schlägt mit einem Lächeln jedes Weiberherz zu Boden! Ich habe Gott recht gedankt, daß ich mit meiner häßlichen Figur kein Weib bin, Rönne könnte mich toll machen!« – »Spricht sein Mund so interessant, als er anmutsvoll lächelt?« fragte ich. – »Wissen Sie es denn nicht, daß es der Schönheit leicht wird, interessant zu scheinen?« Diese Bemerkung schmerzte mich, und mit nicht ganz unterdrückter Bitterkeit sagte ich: »Taube, Sie könnten es machen, daß man der Schönheit gram würde!« Er erwiderte lachend: »Ja, wohl ist die Schönheit eine gefährliche Gabe, man kann mit ihr viel Unglück anrichten, sich selbst am unglücklichsten machen! Man bleibt nicht immer schön, nur die kürzeste Zeit des Lebens; und wie bitter muß es verwelkter Schönheit sein, wenn sie durch nichts Aufmerksamkeit zu erregen, noch weniger zu fesseln weiß! Die Jugend entflieht schnell, das Alter dauert lange! Schwester Lisette, wir wollen nicht trauern, daß das Alter bei uns nichts zu entstellen findet! Der uns jetzt gerne sieht und hört, wird uns nach dreißig Jahren noch liebenswürdiger finden!« Diese hingeworfene Rede von Taube machte einen tiefen Eindruck auf mich. Scherzend setzte er noch hinzu, auch bei den schönen Weibern liefe er keine Gefahr, durch sie getäuscht zu werden; denn sowie sie sprechen, dächte er sie sich voll Runzeln mit eingefallenen Wangen, matten Augen, blauen, welken Lippen, dünnen, grauen Haaren! Und da stünde jede blühende Schöne als Mütterchen mit wackelndem Kopfe vor ihm; sie verjünge sich nur nach Maßgabe dessen für ihn, daß sie interessant, liebenswert und wohlwollend wäre.

Als wir im ersten Konzert am Hof in glänzende Versammlung traten, fielen mir drei vorzüglich schöne Männer auf; den schönsten unter diesen hielt ich für Rönne und irrte nicht. Der andere war ein Mann von mehr als vierzig Jahren, aber er hatte einen Anstand, eine Gewandtheit, eine Grazie, die der Jugendblüte vorzuziehen ist und die man bloß in der großen Welt erhalten kann. Oberjägermeister von Grotthuß, Mutterbruder des Baron von Rönne, war zu verschiedenen Zeiten an allen Höfen Deutschlands und in Paris gewesen; jetzt kam er von einer Reise wieder, die ihn ein paar Jahre außer seinem Vaterlande vergnügt hatte, und im Vaterlande den Reiz der Neuheit gab. Grotthuß war sehr reich, hatte seit frühester Jugend die Herzen der Weiber zu erobern gesucht, sich immer vor dem Joche der Ehe gefürchtet und manches tieffühlende Mädchen hatte die Ruhe ihres Herzens verloren, weil sie es hoffte, diesen Schmetterling zu fesseln. Grotthuß war etwas über mittlere Größe, der Bildhauer hätte nichts an dieser Figur verbessern können, das vollkommenste Ebenmaß war in seinem Gesichte wie an seinem Körper. Er tanzte, ritt, focht und voltigierte meisterhaft; seine Equipage wie seine Kleidung waren Muster geschmackvoller Eleganz. Er hatte die Sprache der Empfindung studiert, und sein Jargon galt in der Welt für Verstand. So war der Mann, der bis nach seinem fünfzigsten Jahre von vielen Weibern meines Vaterlandes zum Gatten gewünscht wurde und den noch mehr Mütter sich fruchtlos zum Schwiegersohn wünschten. Meine Stiefmutter malte es mir als Triumph meiner Schönheit aus, wenn Oberjägermeister Grotthuß mir Heiratsanträge machen würde; auch sagte sie mir, Grotthuß wäre ihr unter allen, die sie jetzt sähe, der liebste Schwiegersohn.

Rönne war und ist der schönste Mann, den ich noch bis jetzt gesehen habe; nur fehlte seinem schönen Äußern der hohe Ausdruck von ausgezeichnetem Seelenwerte, der oft über häßliche Formen sogar einen magischen Zauber gießt und die Schönheit wie mit einer himmlischen Glorie umzieht. Das je ne sais quoi der Franzosen beruht nicht auf äußeren Formen. Nur Reiz der Seele gibt diese Anmut und Würde. Dies je ne sais quoi hatte Rönne nicht, obzwar er ein verständiger, rechtschaffener Mann war und seinen Oheim an wissenschaftlichen Kenntnissen nicht, aber an anmutsvoller Gewandtheit übertraf. Doch mit Taube konnte Rönne sich in Rücksicht des Verstandes und der Geistesanmut durchaus nicht messen. Zu der Zeit war Rönne dreiundzwanzig Jahre alt, sehr groß, doch wohlgewachsen und voll blühender Gesundheit einer unverdorbenen Jugend. Sein Gesicht war ein rundliches Oval, in welchem liebliche Züge ein schönes Ganzes bildeten. Eine edle Stirne, große, schöne, blaue Augen mit sanft schmachtenden Blicken und dunkel gut gezeichneten Augenbrauen, eine fein geformte Nase, sanft gerundete Backen, ein schöner, kleiner Mund mit roten, blühenden Lippen. Zähne, wie die Perlen, zierten diese sehr schöne Partie! Ein rundes Kinn mit einem kleinen Grübchen vermehrten die Anmut seines Gesichtes, in welchem alle Übergänge sanft verbunden waren. Farbe, wie Milch und Blut, schönes, starkes, braunes Haar gaben diesem noch mehr Reiz, und dies Gesicht, so wie es war, hätte einem Weibe Ehre gemacht, wenn nicht ein starker, brauner Bart Rönne zugleich ein recht männliches Ansehen gegeben haben würde, so daß dies liebliche Gesicht dennoch zu seiner großen, schlanken, aber kraftvollen Figur paßte. Die Kunst des Malers würde an diesem Gesichte und dieser Figur angenehme Beschäftigung gefunden haben. Auch stimmten Männer und Weiber darin überein, Rönne sei der schönste junge Mann. Im Stillen glühte so manches Weiberherz für diesen Adonis. Auf mich aber machte seine Schönheit keinen Eindruck, so sehr ich sie auch bemerkte. Das vorhergegangene Gespräch von Taube und die Äußerung so mancher Matrone, daß Rönne unwiderstehlich schön sei, waren meine Schutzwehr; denn ich setzte einen stillen Stolz darein, daß ich nicht, gleich anderen Weibern, durch äußere Schönheit zu fesseln sei. Hätte ich nichts von seiner Schönheit, viel von seinem Geist und Edelsinn gehört, so würde vielleicht sein schönes Äußere auf mich gewirkt haben, denn mit Wohlgefallen verweilten meine Blicke auf diesen schönen Formen, und selbst der Ton seiner Stimme hatte etwas Einnehmendes. Der dritte schöne Mann war ein vornehmer Pole aus Warschau, dessen Name und Figur mir nicht mehr erinnerlich ist, aber dessen schöne, anmutsvolle Gestalt zu der Zeit auch allen Anwesenden auffiel; er war in Begleitung des reichen Grafen Chominski nach Mitau hinübergekommen. – Ich hatte auf diese beiden Polen solchen Eindruck gemacht, daß beide dem Starosten Ropp den Auftrag gaben, ohne daß der eine etwas von der Absicht des anderen wußte, um mich bei meinem Vater anzuhalten. Mein Vater aber antwortete gleich, er liebe mich zu sehr, um mich so weit von sich zu lassen, auch würde er mich nicht vor dem zwanzigsten Jahre verheiraten. Meine Stiefmutter war durch diesen doppelten Heiratsantrag hoch erfreut.

Grotthuß und Rönne besuchten des folgenden Tages meine Eltern und gehörten nun auch zu denen, die täglich zu uns kamen. Tanz, Musik, kleine Spiele verkürzten unsere Abende, Taube blieb immer derjenige, dessen Umgang mir die mehreste Freude machte. Von dem, was Rönne und Grotthuß sprachen, blieb nichts in meiner Seele haften. Bald faßte Rönne eine Leidenschaft für mich, die mir lästig wurde, weil mein Vater, meine Großmutter und alle meine Anverwandten diese Heirat wünschten; nur bei meiner Stiefmutter fand ich Hinterhalt, denn sie war stolz darauf, daß ihr Lottchen die Kraft hatte, dem Eindrucke der anmutsvollen Schönheit dieses liebenswürdigen jungen Mannes zu widerstehen.

Indessen hatte der Landtag auch Brincken nach Mitau als Deputierten und Diarienführer gebracht. Täglich war nun auch Brinck bei uns; täglich hörte ich Lobsprüche über den edlen, weisen Patriotismus dieses interessanten Mannes. So wenig er in Elley liebenswürdiger Gesellschafter gewesen war, so einnehmend wurde sein Umgang nun. Nur Taube konnte sich mit seinem Witze und Geiste messen, und wirklich flohen unsere Abende mehrenteils in geistvollen Unterhaltungen hin. Mit der gewissenhaftesten Offenherzigkeit gestand ich meiner Stiefmutter, daß, wenn alle Herren weg und wir allein wären, nur die Gestalt von Brinck mir vorschwebe; daß, wenn er nicht da sei, die Gesellschaft mir Langeweile mache, und daß es so sonderbar wäre, seine Stimme schalle in meinen Ohren, wenn er auch nicht spreche. Meine Stiefmutter erwiderte, es sei sehr natürlich, denn Brinck wäre in der Tat ein äußerst interessanter und geistvoller Mann, aber ich sollte nur bedenken, wie langweilig er auf dem Lande gewesen sei. Ich versicherte, daß ich daran sehr oft dächte, mir es auch wiederholte, daß Taube ebensoviel Geist habe, doch könne ich es durchaus bei mir dahin nicht bringen, ihn nur so als Tauben anzusehen. Meine Stiefmutter versicherte, daß bloß mein gutes Herz für Brinck dankbareres Interesse fühle, weil ich wisse, daß er mich liebe. Doch riet sie mir, Brinck in meinem Umgange nicht gar zu viel auszuzeichnen, da es unschicklich sei, den Mann, der uns sein Herz und seine Hand angetragen habe, allen vorzuziehen, wenn man nicht fest entschlossen ist, sein Schicksal mit ihm zu verbinden. Sie setzte hinzu, eine verständige Unterhaltung mit geistvollen Männern sei einem gescheiten Weibe so notwendig für den Geist, als das tägliche Brot unserem Magen wäre, und daher freue sie sich, daß Taube mit mir und Lisetten auf gleich freundschaftlichen Füßen stünde. Ich versprach, buchstäblich zu folgen, fragte aber, warum mein Herz gegen Rönne nicht auch so dankbar sei? Meine Stiefmutter erwiderte: »Würde Rönne mit seiner Liebe ebensowenig zudringlich als Brinck sein, dann gewönne er gewiß mehr Wert bei dir. Wenn wir Weiber noch nicht lieben, so fühlen wir uns durch die Liebe dessen gedrückt, der sie uns zu innig äußert. Männer und Weiber müssen mit diesen Äußerungen einer tief gefühlten Liebe sehr delikat und sparsam sein.« Unvermerkt brachte es meine Stiefmutter dahin, daß des Abends öfterer getanzt wurde, die kleinen, geistvollen Spiele, in welchen Brinck durch Witz und Gegenwart des Geistes glänzte, blieben nach. Soviel wie: fielen fort. C. Tanzen durfte er wegen seiner Gesundheit nicht; er spielte dann mit meinem Vater L'Hombre; Oberjägermeister Grotthuß unterhielt meine Stiefmutter mehrenteils von seiner Leidenschaft für mich; er sagte ihr einstmals, es gäbe einen eigenen Genuß, wenn man mich tanzen sähe und überzeugt wäre, daß mein Mittänzer mir gleichgültig sei; aber tanze man mit mir, so fühle man sich so elektrisiert, daß man sich eine Kugel durch den Kopf jagen möchte, wenn man sich die Möglichkeit dessen dächte, daß ich einem anderen angehören könnte. Die Äußerung von Grotthuß wiederholte meine Stiefmutter mir oft. Wann er mit mir tanzte, dann bot er alle Kunst auf, um mit anspruchloser Grazie in malerischen Stellungen seines schön gebauten Körpers zu glänzen. Schwermutsvolle Sehnsucht verbreitete sich über sein ganzes Wesen, stille Seufzer entflohen ihm und brachten seinen Neffen Rönne oft zu bitteren Vorwürfen und wütendem Schmerz. Wenn Rönne sich es erlaubte, seinem Oheim darüber Vorwürfe zu machen, daß auch er mir Liebe zeige, dann sagte dieser: »Du bist jünger; du bist schöner. Erhältst du in ihrem Herzen den Preis, so muß es dir schmeicheln, viele Nebenbuhler gehabt zu haben. Sollte, was mir nicht wahrscheinlich ist, ich ihr lieber werden, so muß es dich freuen, daß dein Oheim und nicht ein Fremder sie bekommt. Mögen sich alle um das Weib, das ich liebe, bewerben, ich wünsche es mir nur dann, wenn es mich allen Mitwerbern vorzieht! Diesen edlen Stolz wünsche ich auch meinem schönen Neffen.« Mich ärgerten diese Neckereien zwischen Grotthußen und Rönne, aber meine Stiefmutter fand, daß Grotthuß sich ganz vortrefflich betrage. Einmal soll es unter beiden so weit gekommen sein, daß Rönne seinem Oheim gesagt hat, er möge aufhören, sich um meine Liebe zu bewerben, oder Rönne würde es vergessen, daß er sein Mutterbruder ist, und ihn zum Duell ausfordern. Grotthuß hat kaltblütig geantwortet: so lieb er Rönne auch habe, so würde kein Duell ihm lieber, als dieses sein, weil er ihn für ein sicheres Mittel hielte, mir lieber, als sein Neffe, zu werden. Doch sichere ihn dies noch nicht, daß er mir auch dann lieber als alle anderen Mitwerber würde; deshalb folge er nicht sogleich dem Winke seines Neffen. Sein Stolz sei der, nicht der einzige zu sein, der um meine Liebe wirbt; mit solchen Gesinnungen hoffe er mir lieber und schätzbarer, als durch törichte Eifersucht zu werden, denn ohnmöglich könne ein Mädchen den Mann lieben, der sie sich despotisch zum Eigentum wünscht, und er wolle der erste sein, welcher der barbarischen Gewohnheit, daß nur ein Mann sich um ein Mädchen bewürbe, ein Ende mache. Er würde jeden Mitwerber als einen Mann achten, der mit ihm nach einem Ziele strebe, und bescheiden zurücktreten, sobald ich meine Wahl auf einen anderen bestimme. Aber sein Degen und seine Pistole wären bereit, einem jeden, dem diese Denkart mißfiele, bestimmt zu antworten. Rönne soll sich nach dieser Erklärung mit seinem Oheim ausgesöhnt haben; aber immer sah der arme Mann wie das leibhaftige Unglück aus, wenn ich ein freundliches Wort mit seinem Oheim sprach. Doch hatte Grotthuß seinem Neffen gesagt, wenn mein Herz sich für ihn bestimme, er noch bei seinem Leben des Neffen Vermögen um vieles vermehren wolle, weil, wenn er mich nicht haben könne, er nie heiraten wolle. Er starb in der Tat im Jahre 1800 unvermählt. C.. Meine Stiefmutter hielt mir diese Äußerung ihres Lieblings immer als erhabene Großmut und zärtlichste Liebe vor. Taube fragte mich einst, welcher von diesen beiden Herren mir besser gefiele, ich sagte: »Wenn Sie weder Mama, noch irgend jemand meine Antwort sagen wollen, so will ich ganz aufrichtig beichten.« Taube versprach Verschwiegenheit; ich erwiderte ganz ernsthaft: »Als Maler wünschte ich, Rönnes Gemälde zu machen; als Bildhauer möchte ich Grotthußens Statur formen; tanzen mag ich mit beiden; heiraten will ich keinen.« Nie sah ich Taube fröhlicher, als nach dieser Erklärung. Meine Stiefmutter wußte mir immer etwas von Grotthuß zu erzählen, das ihm Ehre machte, und dann setzte sie hinzu: ein junges, schönes Weib feßle gewiß dauernder und länger einen vierzigjährigen Mann, der Welt und Weiber kennt, als den jungen Mann, dessen erste Liebe sie ist. Mein Vater sprach für Rönne und versicherte dabei, daß ich meine freie Wahl behalten sollte. Meine Großmutter, meine Tanten und Onkeln schalten mich eine eitle, eingebildete Närrin und schmollten auf mich, wann sie mich sahen. Schwander fragte mich, ob ich den Oheim dem Neffen vorzöge, und ich erwiderte, daß wenn ich einen von beiden heiraten müßte, ich beinahe lieber den Oheim nehme, daß aber weder der eine noch der andere der Mann nach meinem Herzen sei, und daß mein väterliches Haus zu verlassen ich mich jetzt noch durchaus nicht entschließen könne. Schwander sagte mit Beifall, er freue sich, daß äußere Schönheit so wenig Eindruck auf mich mache. Von Brinck sprach er kein Wort, aber ich bemerkte, daß Brinck des anderen Tages weit fröhlicher war.

Brinck und Taube hatten sich aneinander geschlossen und allmählich wurde mir mein Umgang mit Brinck so leicht, wie der mit Taube, nur konnte ich nie, wann Brinck mich mit Herzlichkeit ansah, diesen Blick ohne Herzklopfen ertragen, aber ich beruhigte mich durch den Gedanken, mein Herz schlage nur aus Erkenntlichkeit so, denn da meine Stiefmutter mir es immer wiederholte, Brinck sei kein Mann für ihr innig geliebtes Lottchen, so bemühte ich mich, mir diesen ihren Gedanken zu eigen zu machen. Auch war mein größter Genuß, mich von allen, die mich umgaben, geliebt und meine Stiefmutter mit mir zufrieden zu sehen. Und da ich erst ins vierzehnte Jahr ging, so dachte ich: bis zum zwanzigsten hat es ja mit dem Heiraten Zeit; bis dahin will ich mein sorgenfreies Leben in heiterer Geselligkeit angenehm genießen.


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