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Zwanzigstes Kapitel

Rönne in Altautz, dann in Remten. Graf Kettler. Kurzer Besuch von Recke.

Mit neuen Gefühlen und Bildern in der Seele kehrte ich aufs Land zurück. Ich bekam vom Werte meiner kleinen Person eine hohe Idee. Brinck behielt in meinem Herzen den Preis; oft sah ich ihn im Geiste mit dem auf mich gerichteten, forschenden Blick, wie er das einzelne Wort Lieben ausgesprochen hatte. In dem Blicke, in dem fragenden Tone lag für mich ein Reiz, der nicht so augenblicklich, als durch den schwarzsamtenen Oberrock hervorgelockt war. Doch zu eitel und zu jung, um eines dauernden Gefühles fähig zu sein, fand ich, daß meine Stiefmutter Recht hatte, wenn sie sagte, ich müsse erst alle diejenigen kennen lernen, die auf meinen Besitz Anspruch machen könnten. Aber einigemal war ihr die Äußerung entfallen: »Gar zu viele müssen wir auch nicht abweisen, hernach wird keiner es mehr wagen wollen, eine unzubesiegende Festung einzunehmen.« Igelströhm war, wenn meine Stiefmutter so sprach, mein liebster Wunsch! Ferne von meinen Eltern fürchtete ich mit jedem Mann Langeweile; selbst wenn ich an den Aufenthalt in Elley dachte, schlug mein Herz für Brinck mit minderer Wärme.

Kaum waren wir in Altautz, so war auch Rönne da. Meinem Geschwister und allen unseren Hausgenossen hatte er sich lieb gemacht, mich aber drückte seine Gegenwart. Er hatte den geselligen Ton nicht getroffen, der mich unterhielt und Langeweile war für mich das Fürchterlichste. Sein Auflauern um mir kleine Dienstleistungen zu erweisen, drückte mich und setzte den Gedanken in mir fest: ein zu demütiger Liebhaber wird wahrscheinlich ein herrschender Ehegatte. Kurz, je mehr Rönne von seiner Leidenschaft sprach, je inniger er sich äußerte, umso drückender wurde mir alles an ihm! Bis zur Ungerechtigkeit stieg mein Widerwille, ohne daß ich einen vernünftigen Grund angeben konnte. Er blieb bisweilen zu acht Tagen bei uns, und dann war es, als wäre die gesellige Freude aus unserem Hause verbannt. Wir reisten nach Remten, und auch dort stellte Rönne sich ein, selbst meine Stiefmutter schien ihm nun geneigter zu werden, aber Brinckens Andenken wurde in Remten meiner Seele gegenwärtiger, und meine Abneigung für Rönne wuchs. Nie konnte ich mich der Laube von Jelängerjelieber nahen, ohne daß Brinckens Bild mir gegenwärtig wurde, mich an die Hochzeit meiner Freundin Schlippenbach erinnerte und dann, ich wußte nicht warum, zur Wehmut brachte. Machten meine Eltern mir darüber Vorstellungen, daß ich zwischen Rönne und Grotthußen wählen sollte, dann war es, als stände Brinck vor meiner Seele, und ich bat, man möchte mir erlauben, Igelströhm zu heiraten, falls durchaus jetzt schon geheiratet werden müsse. Lenkte meine Stiefmutter wieder ein und sagte sie, noch könne man auch wohl ein paar Jahre hingehen lassen und sehen, ob nicht noch anständigere Partien für mich kämen, dann verminderte sich mein Gefühl für Brinck.

In dieser Epoche kam Oberhofmeister von Medem mit einem neuen Heiratsantrage zu meinen Eltern. Die Gräfin Kettler, Mutter des einzigen Erben der großen Esserschen Güter, die nur vier Meilen von Altautz entfernt waren, ließ meine Eltern bitten, sich ja nicht in der Wahl eines Schwiegersohns zu übereilen, weil sie mich zur Schwiegertochter wünsche. Meine Eltern wandten ein, daß ihr Sohn vielleicht nicht, wie sie, denken würde; denn er hatte mich noch nicht gesehen. Darauf antwortete die Mutter, ihr Sohn habe ein freies Herz und sei nicht blind. Sie kenne mich seit meiner Wiege und liebe mich; nur, wenn ich für ihren Sohn Abneigung haben sollte, dann gebe sie ihren Wunsch auf. Ohne häßlich zu sein, sei ihr Sohn kein schöner, aber ein sehr guter Mann; da die schönsten Männer meines Vaterlandes keinen Eindruck auf mich gemacht hätten, so hoffe sie umso mehr für ihren Sohn. Meinen Eltern mißfiel der Antrag nicht, und mir gefiel er auch. Ich liebte die alte Gräfin sehr, und das erhob meinen Stolz, daß sie mir es zutraute, daß ich lieber einen guten, als einen schönen Mann wählen würde. Essern war nahe bei Altautz, in Essern hatte ich außer dem Mann auch eine Schwiegermutter zur Gesellschaft; ich fürchtete da weniger Langeweile, ich stellte mir es auch als möglich vor, daß Kettler mir so gut als Brinck gefallen könne. Wenigstens würde ich durch diesen Freier Rönne und Grotthußen los werden! Denn das hatte die Gräfin gefordert, daß, ehe ihr Sohn meine Bekanntschaft mache, Rönne und Grotthuß abgewiesen sein müßten. In den artigsten und freundschaftlichsten Ausdrücken bat mein Vater Rönne, seinen Wunsch aufzugeben, weil ich bestimmt entschlossen sei, ihn nie zu wählen; an Grotthuß schrieb mein Vater auch in der Art, und so wurde ich von einer Plage befreit, die mir bitter zu werden anfing. Nun aber erhielten meine Eltern und ich dauernde Gutes altes Wort für klagen; also klagende Briefe. C. Briefe von meiner Großmutter. Doch wußte meine Stiefmutter meine Großmutter einigermaßen zu beruhigen. – Beide meine Eltern hatten nun den Kopf voll dieser Heirat. Die Esserschen Güter waren die größte Besitzlichkeit in Kurland und bildeten fast ein kleines Fürstentum; aber sie waren voll Schulden, und der Vater des Grafen, ein Erzverschwender, lebte noch in Wien. Die Mutter, eine Verschwenderin, lebte auf den Gütern in Essern; der Sohn, der auch ein Herz zum Verschwenden hatte, lebte bei der Mutter. Diese wünschte die gesamten Güter, einundzwanzig an der Zahl, die in einer Grenze lagen, ihrem Sohn oder vielmehr ihren künftigen Enkeln zu erhalten. Mein Vater hatte den Ruf, einer der größten Landwirte und Güterverbesserer zu sein, der da, wo andere 1000 Taler einnehmen, durch Industrie und zweckmäßige Projekte wenigstens 1500 Taler jährlich macht, und so hatte der Oberhofmeister Medem und die Gräfin den Plan, daß der alte Graf seinem Sohne die Güter abtreten, dieser die Schulden des Vaters übernehmen und diesem eine jährliche Pension zahlen sollte. Der junge Graf würde mir auf den Fall, daß er ohne Kinder stürbe, seine Güter und Schulden hinterlassen. Nur müsse seine Mutter und sein Vater die bestimmte Pension erhalten, und seine Mutter lebenslänglich auf Essern leben. – Der junge Graf übertrüge dann meinem Vater die ganze Verwaltung seiner Güter, und er behalte sich nichts vor, als die Pension für seine Eltern, für sich, für seine Frau, und die freie Wohnung auf seinen Gütern für seine Mutter, für sich und seine Frau. Er und seine Eltern wollten sich gerichtlich verpflichten, nie einen Heller Schulden machen zu können, weil die Esserschen Güter als das Eigentum meiner Kinder und als das meinige angesehen werden sollten, aber mein Vater müsse dagegen auch den Esserschen Schuldnern und den Eltern des Grafen mit seinen Gütern für ihre allgemeine Sicherheit haften. Das Ding sah freilich sehr verwickelt aus, aber der Fond der Güter war so groß, daß, nach der Berechnung meines Vaters, in fünfzehn Jahren bei guter Wirtschaft alle Schulden bezahlt sein müßten, wenn der Verschwendung der Kettlerschen Familie Einhalt getan werden könnte, und dann wären für uns über 20 000 Taler reiner Einkünfte jährlich gewesen. Mutter und Sohn waren redlich erbötig, sich durch einen gerichtlichen Kontrakt so binden zu lassen, daß sie außer der festgesetzten Pension nicht einen Heller nehmen wollten, nur daß der Mutter nach fünfzehn Jahren die Pension um 4000 Taler erhöht werden sollte. Meiner Stiefmutter mißfiel die Heirat nicht, nur hatte sie bei diesem Kontrakte und dem Kontrakte mit meinem Vater immer noch manche Klausel hinzuzufügen; kurz, es wurde beschlossen, daß, ehe der Graf und ich uns sahen, wenigstens zwischen der alten Gräfin und meinem Vater alle Artikel festgesetzt würden. Mein Vater reiste mit dem Oberhofmeister zur Gräfin, sah dort seinen künftigen Schwiegersohn, wurde von Mutter und Sohn als der Erlöser allen Unglückes angesehen, denn sie allerseits fürchteten, unter Kuratel zu kommen, und wollten also lieber eine solche freiwillige Kuratel wählen. Jeder Vorschlag meines Vaters wurde angenommen, und so reiste mein Vater nach Mitau zu Schwandern, um ihn zu bitten, diese verwickelte Sache so auseinanderzusetzen, daß zuerst der alte Graf seinem Sohne die Güter abtritt, dann die Ehepakten, die ganz zu meinem Vorteile waren, unterschreibt. Ihn zu beidem zu vermögen, versprachen Mutter und Sohn, auch setzten beide noch hinzu, daß wenn auch der Vater beide Dokumente unterschrieben hätte, alsdann noch von mir abhängen sollte, Ja zu sagen. Dieser letzte Artikel, den mein Vater aus Essern schrieb, gefiel mir und meiner Stiefmutter vorzüglich.

Schwander staunte nicht wenig, als mein Vater mit diesem Vorschlage kam. Schwander sagte: »Wenn Sie Ihre Tochter an einen großen Namen und große Güter verkaufen wollen, so haben Sie Recht. Soll aber Ihre Tochter eine glückliche Frau werden, so gestatten Sie ihr – nicht nur in Worten, sondern in der Tat eine freie Wahl, und ich wette hundert gegen eins, mein Brinck ist die Wahl ihres Herzens, und mit diesem wird sie in eingeschränkteren Glückumständen glücklicher sein, als mit einem reichen Manne, zu dem sie überredet wird.« – Mein Vater schützte Brinckens fortdauernde Kränklichkeit vor, und Schwander setzte das doppelte Instrument auf, welches der alte Graf Kettler in Wien unterzeichnen sollte; mit diesem kam mein Vater nach Essern; hocherfreut fertigten Mutter und Sohn die Stafette nach Wien ab, ehe der junge Graf und ich uns noch gesehen hatten. Dies war ganz nach dem Geiste des jungen, zu Wien erzogenen Grafen, der gerne ins kleine den Fürsten spielte, und dem es sehr gefiel, daß beide Häuser sich zuerst in Traktate einließen, ehe das junge Paar sich gesehen hatte. – Mir gefiel bei der ganzen Sache erstlich, daß es noch von mir abhing, den Grafen zu wählen oder nicht, dann die Nähe der Esserschen Güter, die Schwiegermutter und der Glanz, in welchem sie lebte. Brinckens Bild wachte freilich bisweilen in mir auf, aber dann sagte ich mir wieder: »Mama will diese Heirat nicht, und wer weiß, ob nicht auch Kettler mir ebenso wohlgefällt!«

Indessen war in Abwesenheit meines Vaters ein Besuch angekommen, der mir höchst unbedeutend schien und der mein ganzes Schicksal in der Folge bestimmte. Der Nimrod der Gegend jagte in den Wäldern meines Vaters als Nachbar mit dessen Erlaubnis einen Bär. Der Bär wurde so nahe dem Gute meiner Stiefmutter erlegt, daß Recke nicht umhin konnte, seine Tante auf ein Viertelstündchen in seinen Jagdkleidern zu besuchen; der zweite so innig geliebte Mann meiner Stiefmutter war der Vaterbruder des reichen, menschenscheuen Besitzers der herrlichen Neuenburgschen Güter, die nur zwei Meilen von Remten lagen. Ein ungewöhnliches Kläffen der Hunde und der Schall von Jagdhörnern kamen immer näher; mit diesem mir unmelodischen Lärmen füllte sich unser Gehöft von bellenden Hunden und mit Kot bespritzten Reitern. Zwei dieser Reiter schwangen sich vom Pferde und kamen so in ihren Jägerkleidern zu uns herein. Der eine Mann, etwas über dreißig Jahr alt, groß, breitschultrig, von starkem Knochenbau, ein großes, breites, rotbraunes Gesicht, dünnes, schlichtes, gelbliches Haar in einem kleinen Zopfe hoch am Kopfe gebunden. Sehr große, feurige, hellgraue, schnell umhertollende Augen, eine stark gebogene Habichtsnase, sehr starke, scharfe Augenknochen, und daher etwas Finsteres in der Gegend der Augenbrauen, die weder dunkel noch stark waren, aber wegen des tiefen Einschnittes vom Übergänge der Stirne zur Nase dem ganzen Gesichte den Ausdruck von strenggebietendem Ernste, der an Trotz grenzt, gaben, sobald die Augenbrauen bei dem oft wild feurigen Blicke zusammengezogen wurden. Ein kleiner Mund in einem wohlgeformten, männlichen Kinne konnte, wenn er lächelte, diesem gebietenden Gesichte etwas Gefälligeres geben. Aber nahmen diese bisweilen ganz geschlossenen Lippen die Miene des höhnenden Spottes an, so wurde der Blick und das ganze Gesicht schreckhaft finster. Gang, Stellung, Ton der Stimme hatten etwas Gebietendes, doch verriet alles eine beständige Unruhe und eine Verlegenheit der Seele, die jeder Mensch in Gesellschaft mit sich bringt, der mehrenteils in Wäldern, auf dem Felde und mit Männern lebt, ohne durch den Umgang gesitteter Frauenzimmer sein rauhes Äußere abzuschleifen. So trat der Neffe meiner Stiefmutter zu uns an der Seite seines Freundes hinein, mit dem er im größten Kontraste stand. Herr von Lieven, der mit seiner Familie auf Recke seinen Gütern lebte, war ein feiner, sanfter Mann von mehr als vierzig Jahren, klein, wohlgebaut; ein netter Anstand, ein sanftes, verbindliches Wesen, ein mildes, ehrliches, verständiges Gesicht, auf dem sich Wohlwollen und Würde ausdrückten, waren bei ihm umso anziehender, weil Recke durchaus nichts Mildes und Gefälliges in seinem Wesen hatte. Lieven wußte seine kleine Gestalt mit Anstand zu tragen, er hatte in jüngeren Jahren gereist und eine männliche, angenehme Stimme. Diese, wie der sanfte Ernst, der über sein ganzes Wesen ausgegossen war, gaben seinem Körper eine edle Haltung und flößten Achtung für ihn ein. Man bemerkte es kaum, daß er wirklich eine sehr kleine Mannesperson war, so viel Würde wußte er sich durch seinen Anstand zu geben. Er hatte eine Gattin, eine Mutter und Schwester, an denen er mit innigster Liebe hing. Eine Seele, die edel liebt, gibt jeder Hülle etwas Anziehendes, das uns sagt: in dem Herzen, welches in der Brust schlägt, da haben edle, sanfte Gefühle Raum! Nie war mir ein solcher Kontrast aufgefallen, als der zwischen diesen beiden Herren! Ich konnte mich nicht enthalten, als der ganze Troß sich entfernte, meiner Stiefmutter zu sagen: »Heut hatten wir den Besuch von Goliath und David!« Meine Stiefmutter lächelte, und mein Geschwister machte sich, als wir allein waren, über Recke seinen kleinen, hoch im Nacken stehenden Haarzopf, über seine ganze Kleidung bis auf seine hängenden Stiefeln lustig; denn in der Tat erschien Recke im Kostüme eines Junkers Ackerland und kontrastierte auch darin mit seinem sehr einfach, aber nett gekleideten Freunde. Meine Stiefmutter versicherte, wenn ihres verstorbenen Mannes Neffe nur neumodisch gekleidet gewesen wäre und den Anstrich der großen, feinen Welt hätte, dann würden wir einstimmig gesagt haben, daß Recke ein schöner Mann sei, freilich kein Adonis, wie Rönne, aber ein schöner Herkules, wie ihr verstorbener Gatte. Ganz habe Recke die edle Habichtsnase ihres Mannes, die schönen, großen, feurigen Augen dieses seines verstorbenen Oheims, die, wenn sie zärtlich würden, hinreißend sein müßten. Kurz, ihm fehlte nichts, als daß er Ton der großen Welt bekäme, sich modisch kleide und in ein Weib von feiner Bildung verliebt würde, dann hörte man bald allgemein vom schönen Recke, dem Urenkel des biederen Thies Matthias. C. Recke sprechen, und wie die mehrsten Weiber sich in ihren verstorbenen Manne verliebt hätten, so würde Recke, wenn er nur manierlicher wäre, mit seiner kraftvollen Figur Weiberherzen erobern. Herkules sei einst durch Omphale zum Spinnrocken gebracht worden; so müsse dieser Nimrod durch Liebe aus seinen Wäldern zur großen, feinen Welt geführt werden. Vielleicht sei auch dieser Triumph noch meinen Reizen aufgespart. Ein kalter Schauer durchlief mich bei diesem Scherze meiner Stiefmutter, und ich versicherte, daß ich nur ein weibliches Wesen kenne, dem ich die Züchtigung wünsche, solch ein bitteres Erziehungsgeschäft zu übernehmen; wäre meine Plage der Kindheit, Großschwester Ropp, noch ungeheiratet, dann schien die mir eine würdige Lebensgefährtin dieses Nimrods; ihr nur wünschte ich die Ehre des Versuches, ob auch sein wildes Leben zu zähmen sei. Meiner Stiefmutter mißfiel mein Scherz; sie sagte, sie habe mir einen viel feineren moralischen Sinn zugetraut und nie vermutet, daß ich so an der äußeren Schale kleben würde und imstande wäre, einem Menschen, den ich doch nur eine Viertelstunde gesehen hätte, allen Wert abzusprechen, weil Schneider, Schuster, Friseur und Tanzmeister ihm keine Reize geliehen hätten und er in ungekünstelter Natur eines Landedelmannes, der die Jagd liebt, den feinen Weltton nicht kennt, vor uns erschienen sei. Mir wurde der schwarzsamtene Oberrock und der kurze Reiz, den Oberjägermeister Grotthuß durch diesen bei mir erhalten hatte, wieder gegenwärtig. Ich schämte mich vor mir selbst und glaubte, Recke durch mein schnelles Urteil Unrecht getan zu haben; ich dankte meiner Stiefmutter für ihre Zurechtweisung und bat um Verzeihung, daß ich über ihren Neffen so voreilig geurteilt hätte.

Einige Tage nach diesem Besuche kam mein Vater aus Essern und Mitau sehr zufrieden zurück; er brachte die Abschriften der von Schwandern aufgesetzten Instrumente, die nach Wien geschickt waren; meine Stiefmutter las sie mit vollkommener Zufriedenheit und freute sich der Vorteile, die mir durch diese Heirat zuwachsen würden. Auch war die Beschreibung, die mein Vater von Graf Kettler machte, ganz gut; nur setzte er hinzu, daß dieser junge Mann, der zwar den Ton der großen Welt hätte, einen guten, sanften Charakter zu haben schien, aber noch nicht Festigkeit genug besäße, um seinen Lebensweg allein zu gehen, auch hinge er wirklich ganz von dem Willen seiner Mutter ab und schiene sich von ihr mit wahrer Kinderliebe leiten zu lassen. Diese Beschreibung von ihm gefiel meiner Stiefmutter, und sie sagte, solche Charaktere würden ebenso gute Ehemänner, als sie folgsame Söhne wären. Indessen erzählte meine Stiefmutter meinem Vater den unerwarteten Besuch, den wir gehabt hatten, und mein Vater setzte sich vor, den Besuch seines gesellschaftsscheuen Nachbarn zu erwidern.


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