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Neun und vierzigster Brief.

Berlin –

Verzeihe, Bruder! daß ich dich einmal etwas lange auf einen Brief warten ließ. Ich machte verschiedene irrende Ritterfahrten durch das Land, und will dir nun die Resultate meiner Beobachtungen mittheilen.

Ich war 3 Tage zu Potsdam. Diese Stadt hat zum Theil noch schönere Gebäude, als Berlin, die aber, wie hier, auch bloß von Leuten aus der untern und mittlern Klasse bewohnt werden. Man rühmte mir die Lage und Gegend derselben sehr. Für ein so einförmiges Land, als Brandenburg ist, mag sie immer schön heissen. Weder die Gebäude, noch die Lage und Gegend der Stadt waren aber die Hauptabsicht meiner Reise dahin. Es war mir darum zu thun, den König zu sehen, der seit so vielen Jahren der Abgott des Pariser=Publikums, die Bewunderung von ganz Europa, das Muster und zugleich der Schrecken seiner Feinde ist, und den man in den benachbarten Staaten durchaus nur den König par excellence par excellence – vorzugsweise, vor allem anderen nennt.

Man hatte mir gesagt, daß es ausserordentlich leicht wäre, Sr. Majestät vorgestellt zu werden. Allein ich halte es immer für eine große Impertinenz, die Herablassung eines grossen Fürsten so zu mißbrauchen, daß man sich ihm, oder vielmehr ihn sich ohne den geringsten Titel präsentiren läßt. Ich hatte das Glück, ihn zweymal zu Pferd bey der Parade zu sehn, bey welcher er itzt nicht mehr so regelmäßig wie ehedem erscheinen soll.

In keinem Kupferstich, den ich noch sah, ist er nur halbwegs getroffen; allein man hat sehr viele Kopien von einem sehr treffenden Gemählde, worauf er in halber Leibesgrösse abgebildet ist. Bey Madame de S ** zu Paris kannst du eine dieser Kopien sehen, und sie sind so wenig selten, daß ich einige sogar in öffentlichen Gaststuben deutscher Wirthshäuser sah. Das Original ist von einem Italiäner, und da dieser ausserordentlich glücklich war, so ließ es der König von guten Meistern einigemal kopiren und machte verschiedenen deutschen Fürsten Geschenke damit, wodurch sich die Kopien so sehr ausbreiteten. So schwer auch das Alter auf dem Körper dieses unsterblichen Mannes liegt, so bleiben sich doch seine sehr starken Gesichtszüge immer getreu.

Er ist kaum von mittlerer Größe, starkknochigt und untersetzt. Seine Brust ist nun sehr eingebogen, und sein Hals sehr gebeugt. Sein Auge ist noch durchdringend, erweitert sich sehr, wenn er beobachtet, und tritt merklich vor. Ruhe, Ordnung, Entschlossenheit und Ernst sprechen aus seiner Miene. Es ist noch ein gewisser, unerklärlicher Zug in seinem Gesicht auffallend, der allen wirklich großen Männern eigen ist, und den ich Gleichgiltigkeit gegen alles, was ihn umgiebt, nennen würde, wenn er nicht durch seine unbeschreibliche Thätigkeit zeigte, daß er sich um die Sachen, welche in seinem Wirkungskreis sind, ungemein intereßiert.

Der Verfasser der Voyages en différents pays de l'Europe Voyages en différents ... – Reisen durch verschiedene Länder Europas (Pilati) sagt, zu Berlin und Potsdam werde alles im tiefsten Stilleschweigen behandelt, und man wisse weder von den Staatsgeschäften noch von dem Privatleben des Königs etwas zu reden. Es ist die allgemeine Vorstellung, die man auswärts vom hiesigen Hof hat, daß er so verschlossen sey. Wenn man einigen Engländern, besonders Herrn Wraxall, Wraxall – William Wraxall, englischer Historiker und Reiseschriftsteller, † 1831 glauben wollte, so wäre der Geist, welcher den preußischen Staat belebt, ein menschenfeindlicher, lichtscheuer Genius, der beständig in einem finstern Hinterhalt Anschläge auf die Güter der Unterthanen machte, und Fallstrike für sie spinnte. Einen falschern Begriff kann man sich nicht von dem König machen. Herr Pilati, der sich an mehr als einer Stelle widerspricht, sagt an einem andern Ort seiner Briefe, selbst, der König habe seine Stunden so genau und ordentlich eingetheilt, daß man in jedem Augenblik wüßte, was er thäte. Die grosse Simplizität und Ordnung seines Privatlebens ist also die Ursache, warum man so wenig davon zu reden weiß. Es ist keine Mätresse da, die mit den Ministern Intriguen anspinnt, um einen ehrlichen Mann, der ihr im Wege steht, zu stürzen; welche die Stellen verkauft, das Land brandschatzet, und der Mittelpunkt aller Bewegungen des Hofes ist; deren Launen man studieren muß, um die günstigen Augenblicke zu einer Beförderung oder zur Entscheidung eines Rechtshandels haschen zu können, und von welcher man ein geheimes Tagebuch hält, um sich durch aufgestutzte Anekdoten, Bonmots und Epigrammen für ihre Bedrückungen an ihr rächen zu können. Es ist nicht einmal eine Königin da, welche den Hof alle Morgen zur Untersuchung reizt, ob sie die verwichene Nacht bey ihrem Gemahl geschlafen, ob sie in gesegneten oder ungesegneten Umständen sey, und ob die Mode nicht für die künftige Woche von Ihrer Majestät mit einer Revolution bedroht werde. Die Prinzen und Prinzeßinnen vom königlichen Haus und Geblüte Fußnote im Original: Deutschen Lesern ist wohl nicht bekannt genug, daß zwischen der FAMILIE ROYALE und den PRINCES DU FANG ROYAL ein wesentlicher Unterschied ist. D. U. haben weder unabläßige Rangstreitigkeiten, noch Kabalen zu betreiben, noch große Spielschulden zu bezalen, noch irgend eine von den Angelegenheiten, welche sie anderstwo in den täglichen Wirbel des Hofes ziehn. Der König geht weder auf die Jagd, noch auf den Ball, noch in die Komödie (einige Opern das Jahr durch ausgenommen, die aber auch fest gesetzt sind). Er braucht nicht mit dem Finanzminister Rath zu halten, ob und wie der Schmuk oder das neue Haus, oder der neue Garten, für die Mätresse, oder die Reise nach – bezahlt werden könnte. Hier wird nichts unternommen, wozu nicht das Geld vorräthig daliegt. Der König hat weder einen eigentlichen Liebling, noch einen Beichtvater, noch einen Hofnarrn, der noch bey einigen andern deutschen Höfen mutatis mutandis mutatis mutandis – mit den nötigen Abänderungen im alten Kredit steht und dessen Rolle öfters der Beichtvater zugleich spielen muß.

In diesen Umständen muß nun freylich die Hofgeschichte du jour du jour – Neuigkeiten arm sein. Der König giebt sich aber so wenig Mühe, sich zu verbergen, daß es, wie der Engländer Moore bemerkt, eben nicht schwer sein würde, unaufgehalten bis an sein Schlafzimmer zu kommen. Weder eine ansehnliche Wache, noch ein Schwarm von Kammerherren und Kammerdienern umgiebt ihn. Er geht öfters ganz allein in dem Garten von Sanssouci spazieren, und er mag seyn, wo er will, die Revuen Revue – Truppenschau seiner Truppen ausgenommen, so hat niemand zu beförchten, daß er sich des Königs wegen entfernen müsse.

Die nämliche Simplicität und Ordnung, welche die einzige Ursache der Stille seines Privatlebens sind, machen auch den Gang der Staatsverwaltung so wenig rauschend. Wer die Regierungsgeschäfte des Königs für geheimnisvoll, und seine Anstalten für intriguant hält, der begeht entweder den Fehler, der uns Sterblichen so gemein ist, nämlich daß man eben deswegen ein Geheimnis voraussetzt, weil die Sache gar zu offenbar und einfach ist, und man die Wahrheit darum übersieht, weil sie zu nahe vor unsern Augen liegt, oder seine eigne Galle wirft etwas Dunkel auf die Gegenstände, welches meines Bedunkens Herrn Wraxalls Fall war.

Es ist wahr, der König hält weder ordentliche Staatsräthe, noch ein Lit de justice Lit de Justice – hier: Richterstuhl. Er hat kein Parlament, dessen Glieder wegen Schmeicheley befördert, und wegen Widersetzlichkeiten exilirt exiliren – exilieren: verbannen werden. Das Korps der Prinzen von Geblüte kann gegen seine Verordnungen keine Repräsentationen und Protestationen eingeben, um ihn zu zwingen ihnen auf einige Tage die Erscheinung bey Hofe zu verbiethen, oder ihre Schulden zu bezahlen. Die ehrlichen Leute werden durch keine Cachetbriefe Cachetbrief – Lettre de chachet: Königlicher Befehl zu Verhaftung und beliebig langer Gefangenschaft ohne Anklage und Prozeß (im absolutistischen Frankreich) von ihnen verfolgt, noch können die Minister eine Kabale gegen sie machen. Er hat weder nöthig an die Liebe und den Patriotismus seiner Unterthanen zu appellieren, wenn der Witz des Finanzministers erschöpft ist, und dieser keine Künste mehr ausfindig machen kann, ihnen die letzten Pfenninge ohne Appellation Apellation – Widerspruchsrecht aus der Tasche zu spielen. Er weiß nichts von Staatslotterien, von Leibrenten, von Anliehn [Anleihn ?], von neuen Vingtiemen Vingtieme – eine Steuer vom Zwanzigstel des Besitzes und Erhöhung der Kopfsteuern und andern Gefällen. Er hat keine Dongratuits Dongratuits – Geschenke der Geistlichkeit an den König von seiner Geistlichkeit zu empfangen, die er mit Religionsreformen bedrohen muß, wenn sie ihm nicht schenken will, was er fodert. Er hat keine Bischöfe, und keine Sorbonne, Sorbonne – die Pariser Universität welche wohldenkende Männer verketzern und in den Augen des Publikums infamiren infamiren – verleumden können, um sie von den öffentlichen Stellen auszuschliessen. Seine Minister können weder Partheyen unter sich machen, noch die Blinde Kuh mit ihm spielen. Alles das muß die Regierung nun freylich sehr einförmig und unnouvellisch Unnouvellisch – arm an Neuigkeiten machen.

Unterdessen könnte ich tagelang nachsinnen, in welche Regierungsgeschäfte der König irgend einen geheimnisvollen Anschlag verweben sollte, ohne nur etwas wahrscheinliches herauszubringen. Die auswärtigen Staatsgeschäfte erfodern ihrer Natur nach eine gewisse Verschwiegenheit, die auch das englische Ministerium gegen das Parlament sehr heilig beobachtet. Was die innern Staatsangelegenheiten betrift, so liegt hier weder die Religion noch der Adel, noch irgend sonsten ein Theil des Staats mit dem Ganzen im Streit. Weit entfernt die begründeten Rechte des Adels zu untergraben, giebt sich der König alle erdenkliche Mühe, ihn bey seinem Ansehen zu erhalten. Er hat den slesischen Adel, den mächtigsten in seinen Landen durch grosse Vorschüsse zu 1 und 1 1/2 Prozent von seinem Verfall gerettet. Der Adel einiger andrer Provinzen flehte ihn um die nämliche Hülfe an, und er hat sie ihnen gewährt. Keine Gemeinde, keine Stadt, keine Stiftung ist nur in der entferntesten Gefahr, daß ihre Privilegien, insoweit sie nicht offenbar dem Staat nachtheilig sind, angetastet werden sollten. Sogar die reichen Klöster in Slesien und Westpreussen haben nicht das geringste zu beförchten.

Man hält die preußische Regierung auswärts für die willkürlichste in Europa; und doch ist sie nichts weniger als das. Der Grundsatz der englischen Verfassung: Rex in regno suo superiores habet Deum et legem, Rex in regno ... – Der König hat in der Ausübung seines Regiments nur Gott und das Gesetz über sich stehen wird nirgends so gewissenhaft beobachtet, als hier. Man wird doch eine strenge Vollziehung der Gesetze und der Anstalten, welche unmittelbar zum Besten des Staats abzwecken, nicht Despotie nennen wollen? Und wo hat sich sonst der König irgend etwas erlaubt, welches eine willkürliche Strenge verriethe? In keinem Staat werden die Gesetze der Vernunft, die Rechte der Natur und die Verträge, Gebräuche und besondern Statuten, die dem Wohl des ganzen nicht widersprechen, heiliger beobachtet und geschützt als in den preußischen Landen. Nirgends mißt die Regierung ihre Schritte so gewissenhaft nach der Billigkeit ab, als hier.

Der stärkste Beweis hievon ist die Verwaltung des Finanzwesens. Die Auflagen sind das eigentliche Feld der Despotie; denn alle übrige Gewaltthätigkeiten eines Despoten treffen nur einzelne Menschen, und gerade die, welche von ihrem Interesse zu nahe an den Thron getrieben werden. Die Auflagen aber dehnen sich über das ganze Volk aus.

Nebst den Domänen, Forsten, Bergwerken, Fabriken und dergleichen besondern Einkünften des Königs, beruht sein Finanzsistem auf den zween einfachsten Grundsätzen, nämlich den Akzisen und Steuern. Die Steuern liegen auf der zahlreichsten und nützlichsten Volksklasse, nämlich auf den Bauern, und sie sind daher nach dem Verhältniß des Werths der Dinge so mäßig, als irgend in einem europäischen Land. Die Bauern in den preußischen Landen, wie sogar der Engländer Moore selbst gesteht, befinden sich daher so gut, als irgend anderswo. Sie machen wenigstens ¾ von den Unterthanen des Königs aus, und der gute Zustand dieses so ungleich grössern Theils der Nation wiegt doch wohl auf der Waage der Menschlichkeit den Reichthum des Adels und der Handelsleute in England und Frankreich auf, in welchen Staaten die Bauern, ob sie schon eigentlich das Volk oder die Nation ausmachen, von der Regierung doch zuletzt und am wenigsten in Betrachtung genommen werden.

Es ist der Mühe werth, die Lage der Bauren in Großbrittanien mit den preußischen zu vergleichen. Das Resultat dieses Vergleichs ist der schönste Beweis, welche schiefe Begriffe man sich von dem Wohl eines Staates, von Freyheit und Despotie machen kann, und wie wenig man sich auf die Nachrichten der englischen Reisebeschreiber zu verlassen hat, die ein Volk für Sklaven erklären, weil es keine indischen Nabobs, Nabob – indischer Fürst keine Lords, keine bestochene Schwätzer im Parlament und keinen König hat, den jeder Bube, unter der Maske des Patriotismus, mit Koth bewerfen darf.

Die sogenannten Substantial Farmers Substantial Farmers – freie Bauern der Engländer können wegen ihrer geringen Anzahl nicht in diesen Vergleich kommen. Sie sind beynahe das, was hier zu Lande die Besitzer kleiner Rittergüter und die Pachter von königlichen Domänen sind, deren Anzahl in den preußischen Landen ungleich grösser ist als jene der englischen Substantial Farmers. Die Zahl der Yeomen, Yeom – Yeoman: Freisasse Freeholders Freeholder – Grundeigentümer und Copyholders, Copyholder – Pächter welche unter den Landleuten das Wahlrecht für das Unterhaus haben, ist auch sehr gering, und es ist bekannt genug, daß ihr Wahlrecht ein leerer Titel ist. Die adelichen, deren Lehnleute sie guten Theils sind, oder die doch das Jagd= Zoll= und Marktrecht in ihren Bezirken auszuüben haben, haben sie theils durch Gewaltthätigkeiten, theils durch öffentlichen Kauf und Bestechung um dieses Recht gebracht. In der jetzigen Lage Großbrittaniens hat der Bauer platterdings keinen Theil mehr an der Gesetzgebung.

Der englische Bauer ist im strengsten Verstand des Worts ein Sklave der übrigen Stände. Er mußte als Matrose und Soldat Amerika, Ost und Westindien erobern, wovon ausschließlich die höhern und unzahlreichsten Klassen der Nation die Früchte geniessen. Durch das ungeheure Geld, welches aus diesen mit seinem Blut eroberten Ländern nach England strömte, ward der Preiß der Dinge so erhöht, daß er seine Früchte wegen des hohen Preises außer Landes nicht mehr absetzen konnte, und er hätte einen Theil des besten Bodens von Europa ungebaut müssen liegenlassen, wenn das Parlament nicht so ansehnliche Preise auf die Ausfuhr des Getreides gesetzt hätte, daß er mit andern Nationen in diesem Handel hätte konkurriren können. Dieser prekäre Zustand des Getraidehandels dauert aber nur so lange, als die Schiffahrt der Russen und der Länder, welche die Küste von Polen ausmachen, eingeschränkt ist. So wie die Schiffarth von Rußland und Preussen, und der Ackerbau in Polen steigen, kömmt der englische Bauer immer in grössere Verlegenheit. Das Sistem der Konvenienz, Konvenienz – hier: Eigennutz welches Großbrittanien schon seit so vielen Jahren, mit Hintansetzung aller Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu seiner Staatskunst gemacht hat, ist eben so drückend für den Bauern, als es für den Adel und die Kaufmannschaft gemächlich ist. Er muß die unzählige Kriege ausfechten, welche dieses Sistem veranlaßt. Er empfindet das Steigen und das Fallen des Nationalkredits, die schwere Last der Schulden, welche sich über seinem Vaterlande häuft, und die Verwandlung des Geldes in Papier, welche der auf seine Unkosten bereicherte Grosse durch seine Verschwendung und die Verschickung der Münze in die Fremde beschleunigt. Ihn trift am derbsten die Erhöhung der Auflagen im Fall eines Krieges. Auf einmal werden alsdann dem Ackerbau so viele Hände entzogen. Die innere Konsumtion wird durch die Entfernung so vieler Verzehrer aus dem Vaterlande verringert. Der Absatz des Getreides wird durch die Gefährlichkeit der Schiffahrt, und in der politischen Lage, worin sich Großbrittanien seit beynahe 80 Jahren befindet, gerade in die Länder gehemmt, wohin es das meiste Getreide in Friedenszeiten auszuführen pflegt. Aus dieser Ursache wimmelt nach einigen Kriegsjahren England allezeit von Strassenräubern und Dieben, die alle aus der Klasse der Bauren sind, und eine neue Plage des Landvolks werden. Durch die vielen Kriegsjahre, welche von den lezten hundert Jahren gerade die Hälfte ausmachen, wurde die Bevölkerung von Großbrittanien zum grossen Nachtheil des Ackerbaues gehemmt. So viel Lärmen man auch von der Bevölkerung Englands macht, so läßt sie sich doch, im Verhältniß der Grösse der Länder mit jener von Frankreich, Deutschland und Italien nicht vergleichen. In diesen leztern Ländern kommen im Durchschnitt bekanntlich 2.500 Menschen auf eine geographische Quadratmeile, und in England kaum 1.900. Und doch gab ihm die Natur die ersten Bedürfnisse des Lebens in einem größern Ueberfluß, als jenen Ländern. Geblendet durch einen falschen Schein von Freyheit glaubt der englische Bauer für das Wohl des Vaterlandes zu opfern und zu fechten, und im Grunde ist er das Lastvieh der Grossen. Daraus muß man die Grundsätze einiger Engländer erklären, welche behaupten, die Aufklärung des Bauren sey dem Staat schädlich und eine gewisse Wildheit desselben zur Stärke des Staates unumgänglich erfoderlich. Es ist ihnen darum zu thun, Matrosen und Soldaten zu haben, die fühllos, wie die Thiere, gegen Stürme und Batterien eine Freyheit vertheidigen, die kaum für den zwanzigsten Theil der Nation Früchte trägt.

Moore glaubt, der König von Preussen halte seine Bauern so gelinde, weil er aus ihnen seine Soldaten zieht. Nur ein Engländer, der alles auf seinem beleibigen [beliebigem] Standpunkt nur einseitig betrachtet, kann der Verwaltung des Königs diese Erklärung geben. Kaum 2 Fünftheile der preußischen Armee bestehn aus inländischen Bauren. Ueber die Hälfte derselben besteht aus geworbener fremder Mannschaft, und zu der übrigen Hälfte tragen die Städte des Landes so gut als die Dörfer das Ihrige bey. Pilati widerspricht hierin Herrn Moore stark genug, indem er behauptet, die preußische Armee bestehe nur aus solchen Leuten, welche die alten Römer für untüchtig zum Soldatenstand gehalten hätten, nämlich aus Handwerkern. Ich will mich nicht damit aufhalten, noch mehr Widersprüche von der Art über die preußische Regierung anzuführen, die einem unpartheyischen Mann Stoff genug zum Lachen geben könnten. Der König von Preussen betrachtet im Gegensatz mit der englischen Regierung und der Natur der Dinge gemäß die Bauern, als den wesentlichsten Theil des Staates. Er bewirbt sich nicht um auswärtige Kolonien, die dem Landbau Hände entziehn, und die der Bauer bloß zum Vortheil des schwelgenden Theils der Nation vertheidigen muß. Sein politisches Sistem gründet sich weder auf die Herrschaft über die See, noch auf die Eitelkeit sich in alle Händel der europäischen Mächte einzumischen, um den zweydeutigen Namen eines Vertheidigers des Gleichgewichts und der Freyheit von Europa zu haben, wodurch sich England in so viele Kriege verwickelt hat. Seine Bauren sind nichts weniger, als in Gefahr, Schlachtopfer eines Ehrgeitzes zu werden, den man ihm auf die ungerechteste Art, wie ich dir in der Folge meiner Briefe zeigen werde, angedichtet hat, den aber die großbrittanische Regierung im höchsten Grade besitzt. Es ist eine Unmöglichkeit, daß der preußische Bauer je in die Verlegenheit komme, seine Produkten nicht absetzen zu können. In England liegen, nach dem Zeugniß aller Politiker, ungeheure Striche des besten Bodens wüst, in den preußischen Staaten wird der dürre Sand angebaut. In England kann ein Adelicher oft zu seinem Vortheil und zum grossen Schaden der benachbarten Bauern einen Zwangpreiß auf den Märkten für das Getraide machen; hier zu Lande ist nicht nur der Bauer gegen alle solche Gewaltthätigkeiten des Adels, wie auch gegen die Beschwerden der Jagd= und Forstfreyheiten gesichert, sondern der König erhält auch durch sehr kluge Anstalten und den Aufkauf für seine ungeheuern Magazine das Getraide zum Vortheil des Bauren in einem ziemlich gleichen und hohen Preiß. Die Preise, welche das englische Parlament für das auszuführende Getraide bezahlt, wiegen bey weitem das Geld nicht auf, welches der König von Preussen zur Aufnahme des Ackerbaues verwendet. Er giebt nicht nur denen, welche wüstes Land urbar machen, Holz zum Bauen, Vieh und ansehnliche Geldvorschüsse, sondern theilt auch jährlich unter die schon angesessenen ärmern Bauern beträchtliche Summen aus. In den letztern Jahren hat er bloß den Bauern in der sogenannten Mittelmark jährlich gegen 100.000 Thaler geschenkt. Man schätzt, daß er im Durchschnitt jährlich gegen 700.000 Thaler, oder über 2 ½ Millionen Livres unter die ärmsten Bauren seiner Lande vertheilen läßt. Der jährliche Aufwand für Kolonisten, für Dämme, Einteichungen, Kanäle u. s. w. welche hauptsächlich die Aufnahme des Ackerbaues zum Endzweck haben, beträgt noch mehr als diese Summe.

Der Hauptvortheil, den der preußische Bauer vor dem englischen hat, und der ihn ohne Vergleich zum freysten und glücklichsten Bauern von Europa macht, ist, daß seine Landtaxe oder Steuer nie erhöht wird. Diese einzige Wahrheit wäre hinlänglich, das elende Geschrey von der Despotie der preußischen Regierung zu schanden zu machen, wenn die Schreyer einiger Schaam fähig wären, oder sie sich die Mühe nähmen, etwas tiefer in das Land einzudringen, als sie auf der Extrapost zu thun gewohnt sind.

Die Steuer ist in den preußischen Landen unveränderlich. Selbst in dem Gedränge des letzten slesischen Kriegs, wo ganz Europa glaubte, die Lande des Königs müßten bis auf den letzten Pfenning erschöpft seyn, ist sie um keinen Heller erhöht worden. Wenn derselbe auch einen Krieg auszufechten hätte, der noch viel lästiger und anhaltender wäre, als jener war, so würde sie doch nie erhöht werden. Diese weise Verfügung ist eine Folge von der wahren Kenntniß der Lage des Landmannes und der redlichen und undespotischen Gesinnung des Regenten. Er wußte, daß in den Verheerungen und Bedrängnissen des Krieges die Auflagen für den Landmann doppelt lästig sind; daß zu einer Zeit, wo durch die Entfernung der stehenden Truppen die Konsumtion der Produkten verringert, die Felder öfters vom Feinde geplündert oder gänzlich verwüstet und durch Rekrutirungen dem Landbau so viele Hände entzogen werden, die Erhöhung derselben für den Staat äusserst verderblich seyn müßte.

Herr Pilati, welcher den Bemühungen des Königs für die Aufnahme des Ackerbaues Gerechtigkeit widerfahren läßt, schließt mit der Bemerkung, daß der Feldbau in den preußischen Landen, ungeachtet des grossen Aufwandes des Königs für das Beste desselben, doch nicht gedeihen wolle, weil zu wenig Geld im Lande zirkulire. Unter den Bauern konnt' ich nun eben keinen Geldmangel bemerken. Im Gegentheil, ihre Kleidung, ihr Hausgeräthe und ihre Lebensart verrathen einen hohen Wohlstand und gränzen wirklich sehr nahe an den Luxus. Es läßt sich auch à priori à priori – durch logisches Schlußfolgern beweisen, daß die Bauern in den preußischen Staaten den Geldmangel, welcher unter den übrigen Ständen herrscht, nicht verspüren können. Sie müssen der Hauptkanal, oder so zu sagen der grosse Behälter des Geldes seyn, welcher es aus den kleinen Kanälen des Staates an sich zieht, und es wieder durch kleine Kanäle in den Körper zurükergießt. Die ganze Einrichtung des Staates ist hauptsächlich zu ihrem Vortheil angelegt. Die Akzise und Monopolien treffen sie am wenigsten, und sie können sich von diesen Auflagen ganz frey machen, wenn sie nach dem väterlichen Willen des Königs den entbehrlichen Luxus vermeiden. Der Handwerker, Künstler, der kleine Kaufmann, und überhaupt die unterste und mittlere Klasse der Städtebewohner werden durch die Akzise bloß auf die Verzehrung der innern Landesprodukte eingeschränkt, und der Bauer zieht eigentlich den Haupttheil des Verdienstes derselben. Das ganze preußische Akzissistem ist zu Gunsten der Bauern angelegt. Z. B. die ungeheure Auflage auf die fremden Weine hat die Absicht, bloß die Verzehrung des inländischen Bieres zu vermehren, wodurch dem Bauer seine Gerste, seine Hopfen u. s. w. besser versilbert werden. Der Soldat giebt alles dem Bauern. Seine ganze Kleidung, sein Essen und Trinken, alles kommt dem Bauern zu gut. Der offenbarste Beweis, daß die preußischen Bauern grade die Leute sind, unter denen kein Geldmangel herrschen kann, ist, daß die Landesfrüchte im Vergleich mit den benachbarten Staaten in einem sehr hohen Preiß stehn, und der Absatz derselben doch leichter ist, als in irgend einem andern Land. Ich hab sogar in einem deutschen Journal ein Schreiben eines preußischen Ritters gelesen, worin behauptet wird, die Bauer würden durch die überwiegenden Vortheile, welche sie vor den andern Ständen geniessen, dem preußischen Staat gefährlich werden. Ist es aber nicht billig, nicht natürlich, nicht republikanisch und der Würde der Menschheit gemäß, daß der zahlreichste und nützlichste Theil des Volkes das Uebergewicht in einem Staat hat? Soll ein Pak Lords allein die Vorrechte der Freyheit geniessen, welche der Bauer doch vertheidigen muß?

Herrn Pilati, der oft wieder gut macht, was er verdorben hat, und oft wieder verdirbt, was er gut gemacht hat, entfährt in Sicilien eine Bemerkung, welche seiner obbemeldten Beobachtung über den Zustand des Ackerbaues in den preußischen Landen eben nicht genau entspricht, und der preußischen Regierung unendlich viel Ehre macht. Nachdem er die verschwenderische Güte der Natur gegen diese Insel mit ihrer stiefmütterlichen Sparsamkeit gegen die preußischen Lande in einen Kontrast gesetzt hat, gesteht er, daß die preußischen Bauern doch ungleich reicher sind, als die sicilianischen. Welch eine göttliche Regierung muß die seyn, welche die Bebauer von Sandwüsten glücklicher macht, als die Einwohner des Landes, das die Alten und Neuen für ein Wunder von Fruchtbarkeit und natürlichem Reichthum halten! Der Boden von Sicilien giebt den Saamen des Korns hundertfältig zurück, und in Preussen ist es ein Glück, wenn man den gesäeten Waizen 7 und 8 mal und das Korn 12 bis 15 mal erndtet. – Der Sicilianer hat nebst dem Getraidebau Oel, Seide, Baumwolle, Wein, Zitronen, Pomeranzen, Pomeranzen – apfelsinenähnliche Zitrusfrucht Zucker und noch eine Menge andrer Produkte vom ersten Werth; und der Preusse hat kaum neben dem Ackerbau etwas Rüben, Holzäpfel, Holzapfel – vermutlich die Stammform des Kulturapfels Tannenzapfen u. dgl. Und doch ist er reicher, als jener! Und macht es der preußischen Regierung nicht mehr Ehre, daß der größte Theil ihrer Unterthanen bey der Kärglichkeit der Natur gegen sie wohlhabend und glücklich ist, als wenn sie einige Milords Baltimore, Clive, Cavendish, einige Ducs de Pignatelli, Monteleone, Matalone und einige Fürsten Esterhazy hätte?

Wenn man, wie es billig ist, die Härte der Natur in den preußischen Landen mit in den Anschlag bringt, so hat der König in der Beförderung des Ackerbaues wirklich Wunder gethan. Ich sah Gegenden angebaut, die noch vor 10 und 15 Jahren trockener Sand waren. Die Anzahl der in seinen verschiedenen Landen von ihm neuangelegten, oder doch so verbesserten Dörfer und Höfe, daß man sie für fast ganz neu halten muß, soll sich auf viele hundert belaufen. Da die Moräste an den Flüssen hier zu Lande der beste Boden sind, so verwendet er unglaubliche Summen auf die Einteichung und Austrocknung derselben – Ueberall sieht man, daß der Ackerbau hier, der Natur gemäß, als die Grundveste des Staates angesehen wird. Die Minister und geheimen Räthe des Königs wiedmen demselben ihre Nebenstunden, welche diese Herren an andern Höfen der Wohllust, dem Spiel und der Kabale zu opfern pflegen. Der Minister Hertzberg, Herzberg – Graf von Hertzberg, seit 1763 Staatsminister, † 1795 der in jedem Betracht unter die grossen Männer unsers Jahrhunderts gehört, hat einige Stunden von hier ein Landgut, dessen Wirthschaft seine Erholung von den Staatsgeschäften ist. Fast in jedem Dorfe findet man einen von Adel, dessen Hauptbeschäftigung der Landbau ist, und der sein Vergnügen mit seinem Nutzen aufs schönste zu verweben weiß. Man beschreibt nicht nur Getraidearten aus Polen, Rußland, England, Sicilien und andern europäischen Ländern, um diejenigen ausfindig zu machen, die auf preußischem Boden am besten gedeihen, sondern hat sogar schon Versuche mit barbarischem und ägyptischem Korn gemacht. In den Augen des Königs macht der Mann eine der merkwürdigsten Epoche der Geschichte seiner Regierung, der in dem Feldbau eine merkliche Revolution veranlaßt. Man erzählte mir eine Anekdote, die ihm mehr Ehre macht als das geprängvolle Ackern des sinesischen Kaisers mit einem vergoldeten Pflug. Der Geheime Rath von Brenkenhof, ein Mann, der ohne Heller und Pfenning durch seine Industrie ein Millionär (von Livres) ward, hat sich besonders um den Ackerbau in den preußischen Landen verdient gemacht. Unter andern beschrieb er Roggen aus Archangel, Archangel – Archangelsk am Weißen Meer der auf preußischem Boden so gut fortkam, daß man nach und nach durch Pommern, Brandenburg, Slesien und Preussen Saatroggen von ihm beschrieb, und das Land durch die bereicherten Erndten erstaunliche Summen gewann, die es ehedem den Polen und Russen für diesen Artickel geben mußte. Wenn Herr von Brenkenhof nachher eine Bittschrift für sich oder die Provinz an den König zu machen hatte, so fieng er sie immer so an: »Wenn ich keinen Roggen aus Archangel ins Land gebracht hätte, so würden Eure Majestät und Ihre Unterthanen so viel tausend Thaler weniger haben: Es ist also billig, daß Sie mir die Bitte für die Provinz gewähren« u. s. w. Der König hat ihm nicht nur nie etwas abgeschlagen, sondern auch öffentlich gesagt: »Brenkenhof ist der merkwürdigste Mann, der in meinen Landen unter meiner Regierung ist gebohren worden, und ich bin stolz darauf.« Der nämliche Herr von Brenkenhof hat, zur grössern Aufnahme der Viehzucht Kameele und Büffel aus Asien kommen lassen. Die Zucht der letztern soll unter dem preußischen Himmel gut fortkommen. Ich sah sie auch in Salzburg, wo das Klima, der südlichern Lage ungeachtet, nicht wärmer ist als in den preußischen Landen. Allein die Trägheit dieses Thieres vernichtet immer seine andern Vorzüge. Der Versuch mit den Kameelen wollte gar nicht gelingen.

Die Schaafzucht und der Tobacksbau sind nebst dem Getraidebau die vorzüglichsten Ressourcen des hiesigen Landmanns. Man gewinnt auch schon eine beträchtliche Menge grober Seide; allein dieses Produkt ist immer noch eher eine Unterhaltung spekulativer Landwirthe, als ein ordentliches Landeserzeugniß. Der Adel, die Pfarrer und die Besitzer großer Ländereyen geben sich eigentlich nur damit ab. Unterdessen ist es immer merkwürdig, daß in den preußischen Landen jährlich gegen 12.000 Pfund Seide gewonnen werden, da man in Hungarn, dessen Klima diesem Produkt so günstig als irgend eines Landes in Europa ist, bey allen den grossen Anstalten, welche die Regierung seit manchen Jahren gemacht hat, kaum 7 bis 8.000 Pfund jährlich gewinnt.

Der preußische Bauer, dessen Stand durch das Beispiel der Grossen geehrt, der gegen alle willkürliche Auflagen gesichert, und auf alle mögliche Art geschützt und unterstützt wird, ist also ein grösserer Beweis von Nationalfreyheit als ein Dutzend fette Lords, oder ein bestochenes Parlament. In meinem nächsten Brief werde ich dir etwas von den Volksklassen sagen, die eigentlich in das Gebiete der Akzise und Monopolien gehören.

Ich kann diesen Brief nicht schliessen, ohne eine Bemerkung zu machen, die dem Anfang desselben entspricht, nemlich, daß die Art, wie der König seinen Staat verwaltet, an sich schon ein Beweis ist, daß er nicht daran gedenkt, geheime Anschläge gegen irgendeinen Theil seiner Unterthanen in seine Regierung zu verflechten. Ein Despot, der sich nicht strenge an die Gesetze der Billigkeit und Gerechtigkeit binden will, zwischen seinem Nutzen und dem Vortheil des Ganzen einen Unterschied macht, und Intriguen spinnt, um seinen Nutzen über jenen seiner Unterthanen siegen zu machen, ohne daß sie es merken, müßte, wenn er den ganzen Staat selbst und allein regieren könnte, seinen Absichten gemäß entweder lauter Schöpsen zu seinen Ministern und Räthen wählen, die er, wie das Volk täuschen könnte, oder er müßte einen Liebling haben, den er zur Vollziehung seiner geheimen Anschläge gebrauchte. Keines ist der Fall des Königs von Preussen. Seine Minister und Räthe sind die aufgeklärtesten Patrioten. Die meisten von ihnen würden auch als Gelehrte Figur machen, wenn sie sich mit schreiben abgeben könnten, oder wollten. Von einem eigentlichen Liebling hat man hier noch nie etwas gehört. Voltäre, Marquis d'Argens, D'Argens – Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d'Argens, franz. Philosoph, wirkte 27 Jahre am Hof Friedrich II., erwarb sich Verdienste um die Akademie der Wissenschaften, † 1771 Algarotti, Algarotti – Francesco Algarotti, ital. Schriftsteller und Gelehrter, lebte lange in Berlin und Dresden, † 1764 Quintus Icilius Quintus Icilius – eigentlich Karl Gottlieb, Militärfachmann und -schriftsteller, von Friedrich II. sehr geschätzt, † 1775 und Bastiani dienten ihm bloß zur Unterhaltung in seinen Nebenstunden und wußten von den Regierungsgeschäften unter allen am wenigsten, wie Voltäre öfter durch Bonmots bezeugt hat. Diese Schöngeister mußten auch immer in den Schranken der gebührenden Ehrfurcht bleiben und brachten den König nie zur Vertraulichkeit, so wenig er sie auch den Unterschied seines Standes fühlen ließ. Der König hat das grosse und seltne Talent, sich gegen jedermann herabzulassen, ohne sich das geringste zu vergeben. Sein Leser oder Sekretär darf ihm nicht mündlich eine Klage oder eine Bitte vorbringen. Der König scheint wirklich mistrauisch gegen sich selbst zu sein und zu beförchten, er möchte durch eine ungefühlte, und bloß durch den alltäglichen Umgang mit den Leuten in seinen Busen eingeschlichene Partheylichkeit in seinem Urtheil irre geführt werden. Sein Sekretär, der täglich so viele Stunden um ihn ist, muß ihm seine Angelegenheiten schriftlich und in der Form vorlegen, an die jedermann gebunden ist. Seine Minister sind im Grunde nur Referenten, und die ersten Kanäle der Exekution seiner Befehle.

Es haben schon viele Leute angemerkt, daß kein Monarch in der Welt so getreu und gut bedient wird als der König von Preussen, ob er schon seine Bedienten am schlechtesten bezahlt. Mit blosser Strenge läßt sich diese gute Bedienung nicht erzwingen. Die Bedienten müssen fühlen, daß der Herr ihnen an Verstand überlegen ist, und daß er sich strenge an den Vorschriften der Gerechtigkeit und Billigkeit hält. So bald sie in seinem Kopf oder in seinem Herzen eine schwache Seite ausfindig gemacht haben, ist es um die gute Bedienung geschehen. Bloß der strengen Unpartheilichkeit, Gerechtigkeit und dem überlegenen Verstand des Königs muß man die Thätigkeit und Ordnung in den preußischen Dikasterien zuschreiben. Kein Prinz von Geblüte hat vor dem Bauer vor Gerichte nur ein Haar breit voraus. Wenn sein Domäne, oder irgend ein Kronfonds, mit dem Eigenthum eines seiner Unterthanen in Kollision kömmt, so fällt keinem Richter ein, für den König ein Vorurtheil zu fassen. Im Gegentheil, er befahl bey seiner Thronbesteigung, in diesem Fall vorurtheilig gegen ihn zu seyn. Aus der nämlichen undespotischen Gesinnung macht er gar kein Geheimniß daraus, daß die Könige in seinen Augen eben nicht durch eine unmittelbare Verordnung Gottes über die Völker der Erde gesetzt und Statthalter des Allmächtigen hienieden sind. Er hält die königliche Würde für einen Stand, der durch menschliche Verfügungen, wie der Stand eines Generals u. s. w. aufgekommen ist, und wozu nach der einmal geltenden Ordnung bloß die Geburt den äusserlichen Beruf ausmacht. Anderstwo würde man durch eine solche Behauptung in den Kerker kommen oder des Landes verwiesen werden. Er braucht die Religion eben so wenig als die politische Theorie, um sein Volk zu blenden, und sein Ansehn mit Glauben und Meinungen zu unterstützen. Das Bewußtseyn, daß er keiner vorsätzlichen Ungerechtigkeit und Gewaltthätigkeit fähig ist, kann ihn ganz allein über diese sogenannten machiavelischen Künste hinaussetzen. Zum Beschluß meiner Beweise, daß der König nichts weniger als Despot im gewöhnlichen Verstand ist, muß ich noch bemerken, daß er keine überwiegende Leidenschaft hat. Ruhmsucht ist seine Sache gar nicht. Er verachtet alles Geschrey der Menschen von Herzen. Der große Physiognomist Lavater Lavater – schweiz. Theologe. Er stellte eine Lehre auf, daß der Charakter eines Menschen an Gesichtszügen und Körperformen ablesbar sei, † 1801 will sogar in seinem Gesicht gelesen haben, daß er die Menschen selbst verachtet. Wenigstens glaub ich mit Zuverläßigkeit behaupten zu können, daß der König in keines Menschen Augen kleiner ist, als in seinen eignen. Schmeichler sind die, welche sich am schlechtesten bey ihm empfehlen, und Schriftsteller, die ihn mit aller Bitterkeit getadelt haben, können sicher seyn, daß er keine Galle gegen sie hat. Er achtet wahrlich nicht darauf. Abt Raynal, Abt Raynal – Guillaume Thomas François Raynal, franz. Historiker. Abbe, nicht Abt, † 1796 welcher wirklich hier ist, ist ein Beweis davon. Nirgends, in der weiten Welt wird von den Thaten des Regenten weniger Lärmen gemacht, als hier. Es währte lange Zeit, bis man es endlich bemerkte, was der König für seine Bauern und Armen thut. Keine der inländischen Zeitungen meldete ein Wörtchen davon, und es wäre auch nie ein Wörtchen davon gesprochen worden, wenn nicht einige Patrioten die Betrachtung gemacht hätten, daß auswärtige Hofzeitungen hinten und vorn die Posaune der Fama ansetzen, wenn der Fürst einige Batzen verschenkt, oder etwas thut, was keine offenbare Sottise ist; denn wirklich las' ich viele Beschreibungen von vorgeblichen schönen Handlungen verschiedener Regenten, die nur darum schön genennt wurden, weil sie nicht das Gepräge sultanischer Impertinenz hatten. Einige Preussen, die ihren König liebten, wurden durch dieses Geschrey gereizt, der Welt Beweise vorzulegen, daß ihr von den meisten Fremden so verkannter König in der Stille mehr thut, als irgendein halbes Dutzend der andern Halbgötter auf der Erden zusammen. Die Welt staunte, als sie vernahm, daß der König schon seit vielen Jahren Millionen unter seine Unterthanen verschenkt, und die Journalisten nahmen es ihm übel, daß er es ohne ihr Wissen that. Es sind auch erst wenige Jahre her, daß man weiß, daß die Landtaxe Landtaxe – Grundsteuer in den preußischen Staaten für immer vestgesetzt ist, und man kein Beyspiel von einer Erhöhung derselben hat, obschon dieses Sistem so alt als die Regierung des Königs ist. Schon lange zuvor, als es unsern neuern Philosophen einfiel, gegen Todesstrafen, Folter, Langwierigkeit der Prozesse u. dgl. m. zu deklamiren, waren alle diese Dinge in Preußischen Landen abgeschaft, ohne daß sich ein Schreyer die Mühe nahm, das Te Deum Te Deum – Tedeum, christlicher Hymnus »Te Deum laudamus ...«, »Großer Gott, wir loben dich ...« wurde gern beim Verbrennen von Menschen gesungen. anzustimmen. Bekkaria macht selbst diese Bemerkung. – Geiz ist eben so wenig des Königs Schwäche, als Ruhmsucht. Niemand giebt williger her, als er, wenn er sieht, daß das Geld gut verwendet wird. Das Geld ist bey ihm im Kopf, und nicht im Herzen, und Oekonomie ist eine der ersten Tugenden eines Regenten. Doch hievon in meinem nächsten Brief.


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