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Das Pony.

(1911)

Ein Pony hatte mir Papa versprochen – nun gings mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich sah mich stolz wie eine Königin, hoch zu Roß, auf einem Rappen. Eine wallende Mähne mußte der Rappe haben, einen Schweif wie eine Kurschleppe und feurige Lichter; Eleanor sollte er heißen – ich aber: Königin Zirazara Zikazaka, Nummer sieben.

Das war mein Traum bei Tag und Nacht.

Dann lasse ich den dummen Wlado einkerkern, wenn er wieder Steine nach mir schmeißt. Dem Schmiedmeister schenke ich hundert Gulden – er wünscht sich sie so sehr. Unsrer Köchin neue Wäsche. Dem Kutscher eine schöne Sau mit Ferkeln. Jedem Knecht einen Pelz, jeder Frau eine Kuh.

Eine laute Stimme hallte aus dieser Welt in jene – mein Luftschloß stürzte zusammen.

»Marius,« rief Papa, »du fährst mit mir nach Gradina.«

»Ich möchte aber ...«

»Einen Kanal graben – was? Und dich schmutzig machen vom Kopf bis zu den Füßen? Nichts da. Du kleidest dich um und kommst.«

»Ja – wenn du mir ein Pferd schenkst,« antwortete ich; denn ich suchte Papa möglichst oft an das Versprechen zu erinnern.

Er winkte nur. Da mußte ich – und wir fuhren.

In Gradina besuchte Papa den Herrn Roten Kohn und besprach hundert Dinge mit ihm, endlose hundert Dinge – Frau Kohn langweilte mich indessen mit Fragen: wie ich hieße und wie alt ich wäre. Sie war eine nette, kleine Frau, und ich gab ihr Bescheid.

Plötzlich sagte Papa:

»Himmel, heut ist ja Feiertag. Lauf mal auf die Post, Marius, und sieh, daß du noch die Zeitungen kriegst. Sonst sperrt uns der Götzenfürst die Bude vor der Nase zu.«

Der Götzenfürst brummte, unsre Briefe gab er mir doch. Auch eine Postanweisung von Tante Barbara war da, 827 Gulden. Ich behob sie gleich. Es war der Rest der Verwandtenhypothek.

Als ich zurück von der Post ging, hörte ich sonderbare Musik. Ein Trommeln wars, ein Rasseln und Pfeifen. Ich lief hin, so schnell ich konnte, und fand schon halb Gradina versammelt. Als ich mich durch die Reihen drängte, tanzte mitten im Kreis ein Bär.

Er tanzte auf den Hinterbeinen, hatte einen eisernen Korb ums Maul und ein Tamburin in den Vorderpranken.

»Heissa, heissa,« schrie der Bärenführer, machte wilde Sprünge, pfiff auf einer Klarinette, reizte den Bären und riß an seiner Kette, damit er brumme.

Ich dachte mir sogleich: wenn ich einmal Königin bin, kaufe ich mir diesen klugen Bären, damit er nicht so hart sein Brot verdienen muß; und wenn ich dann reite, auf meinem schönen Rappen, dann trabt der Bär neben mir her und blickt immer dankbar zu mir auf, weil ich ihn befreit habe.

Wenn ich einmal reite ...

Ach, ein Pferd, ein Pferd haben!

Da sammelte der Zigeuner ein, schritt auf seinen Wagen zu und zerrte den Bären mit sich.

Und hinter dem Wagen angebunden – was sah ich? – ein junges Pferd.

Schon blitzte mir ein Gedanke auf: ich trat aus der Reihe der Kinder auf den Zigeuner zu und fragte ganz furchtlos:

»Hören Sie, Herr Zigeuner, wieviel kostet das Pferd?«

Er musterte mich verschmitzt an und sprach:

»Was bietest du?«

Ich darauf ohne Besinnen:

»827 Gulden.«

»Hast du denn so viel bei dir?«

Ich zeigte ihm das Geld.

Die Zigeuner grinsten einander zu, besprachen sich auf zigeunerisch – und schon ging einer hin, band das Pferd los und reichte mir den Strick.

»Hast du noch mehr Geld? Gib her!«

Ich hatte nichts, und die Zigeuner gaben sich zufrieden. Sie zogen mit ihrem Klepper ab, mit ihrem Wagen und mit ihrem Bären. Ich mit dem Pferd. Die Jugend Gradinas teilte sich: ein Trupp folgte mir, der andre dem Bären.

Gott, ich freute mich ja sehr, endlich ein Pferd zu haben. Unruhe fühlte ich dennoch. Ich tröstete mich aber: Papa hat mir das Pferd so oft versprochen – ihm wirds ganz recht sein, wenn ichs mir selber kaufe.

Die Gradinaer Jungen, die mir folgten, hatten den Handel mit angesehen – sie waren voll Bewunderung. Wlado vom Bundschuhmacher, sonst mein geschworner Feind, schlug vor, ich sollte reiten, und wollte mir ritterlich hinaufhelfen. Aber ich schämte mich – hier mitten im Ort, ohne Sattel und mit kurzen Röcken.

Papa konnte zuerst gar nicht den Zusammenhang begreifen. Er wußte ja nichts von der Postanweisung. Als ich alles haarklein erzählt hatte, sagte der Herr Rote Kohn:

»An dem Fräuln werden Sie sich noch scheene Sachen erleben, lieber Herr.«

Aber schon saß Papa in seinem Wagen und fuhr den Zigeunern nach. Wir trafen sie noch innerhalb des Ortes.

Papa sagte kein Wort. Er nahm nur die Peitsche und ging auf die Zigeuner los.

Der Zigeuner war ungemein freundlich, lachte, verbeugte sich und sprach:

»Gnädiger Herr Graf, es war ja nur ein Spaß. Hier sind die 622 Gulden.«

Papa hob die Peitsche eine Spanne höher.

»Wollte sagen: 826. Ein Gulden ist Abstandsgeld.«

Während wir noch sprachen, war Matthes, unser Kutscher, mit dem Zigeunerpferd uns nachgekommen und sah, daß der Handel rückgängig war. Hörte auch was von Abstandsgeld. Er kam ganz aus dem Häuschen.

»Gnädiger Herr! Gnädiger Herr! Tun Sie mir das nicht an, daß die Zigeuner so davonkommen. Alle Welt wird uns verlachen. Lassen Sie mich wenigstens dem Ältesten eine Ohrfeige geben.«

»Gut,« sagte Papa, »gib ihm eine.«

Matthes ging hin, packte den Herrn Zigeuner am Hals und hieb ihm eine hinein – ein gläubiger Christ wäre blind davon geworden.

Und weil er schon einmal angefangen hatte, umkrallte er auch den andern Zigeuner, reckte ihn hoch und firmte ihn.

Und er erfaßte die Zigeunerin und maß ihr eine an.

Er hob den ältesten Sohn aus dem Wagen, hielt ihn in der Luft hoch und prackte ihn nieder.

Eben wollte er nach der Zigeunermutter langen.

»Halt,« rief Papa, »du wirst dich überanstrengen.«

Auf dem Zigeunerkarren war großer Jammer – ich weinte nicht weniger. Ich fürchtete mich sehr. Papa aber streichelte mich nur, beruhigte mich und freute sich, daß er sein Geld wiederhatte.

»Mein Sohn,« sagte er, »du hast eine Dummheit gemacht – darum brauchst du nicht zu heulen. Wenn jeder heulen wollt, der eine Dummheit macht, wär die Welt ziemlich geräuschvoll. Trockne deine Zähren und bedenk: in zwei Wochen ist dein Geburtstag. Rate, was Papa dir schenken wird?«

»Ein Pony?«

»Ganz richtig, mein Sohn. Und keins mit Spat und Drüsen. Es wird auch erheblich billiger sein als dein Zigeunerkrampen.«


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