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Buchenwalde im Februar.
»In meiner Heimat, da wird es jetzt Frühling!«
Fritz schreibt, daß in Thüringen schon dicke Knospen an den Sträuchern sind, daß ganz Rotbach an seinem Festgewande arbeitet, – zum Einzuge der Herrin. Der närrische Friedel! Er hält immer noch daran fest, daß unsere Hochzeit im Mai sein soll, trotzdem wir alle ihn schon längst überzeugt davon glaubten, daß sie erst im Oktober sein kann. Aber Fritz tut, als ob der Oktober im Monde läge und alle fünf Jahre einmal herunterstiege, während mir die Zeit, die noch bis dahin liegt, riesig knapp vorkommt. Denn ich bin ja noch urdumm und muß noch rasend viel lernen, sonst dreht schließlich mein Fritz noch vor dem Standesamt um.
Bis jetzt sind wir ja wenig beisammen gewesen, da hat er's nicht so gemerkt, ich glaube, er meint, ich bin ein ganz vollkommener Engel, dem eben nur gerade die Flügel fehlen. Aber es juckt mich kein Bißchen an den Schultern, und so werden die Flügel auch wohl niemals kommen, fürchte ich.
Ich bin nun in Buchenwalde, um zu lernen, Aussteuer zu nähen, Kochen und Einmachen intus zu bekommen, die Landwirtschaft gründlich zu studieren (weshalb Onkel einstweilen mächtige Fuhren Dünger in der Nähe meines Zimmers hat auffahren lassen), kurz, um eine vollendete Hausfrau zu werden.
Mein Fritz hat zwar den unberechtigten Ausspruch getan: »Kerlchen kann alles«, aber da hatte er bei den Buchenwaldern, die alle durch die Bank so tüchtig sind, in ein Wespennest gestochen, und als Tante Hedwig sich zu 'ner Reichstagsrede rüstete, da gab er Fersengeld und ließ seinen armen Kerl in einem Berg von Leinwand und Wirtschaftssorgen zurück. So sind die Männer.
Allerdings, als er mich einmal so eifrig Namen sticken sah, da muckte er auf und wurde in der Folge etwas rasend. Ich solle nicht so gequält werden, rief er, ich solle sein Sonnenscheinchen sein und weiter nichts. Er kann überhaupt furchtbar heftig werden, und wenn wir beiden Hitzköpfe erst zusammen hausen, könnten unsere leichteren Möbel und Haushaltungsgegenstände wohl etwas ruiniert werden.
Fritz behauptete, die Beschaffung der Aussteuer sei seine Sache, ich solle in das fertige Nestchen kommen und alles, alles von ihm annehmen.
Aber das kann ich nicht. Das will ich nicht! Ich will meine Leibwäsche allein beschaffen und will mein Stübchen, meine kleine, liebe, eigene Bude mitbringen, es soll genau so aussehen, wie meine Schwarzhausener Bude. Und mein eigenes geliebtes Feldbett wird schön neu zurecht gemacht, oh, ich bin ja gar nicht so arm, meine Muusch hat mein Sparkassenbuch nicht angerührt, da sind die größten Summen drin, die Stundengelder vom alten Johannsen, dann noch etwas von Onkel Liskow und – kurz – Fritz soll nicht alles beschaffen.
Er läßt ja Rumohr und Rotbach schon von Kopf bis zu Fuß einrichten, besonders Rotbach entsteht ganz neu nach dem Brande und dort in unserm Thüringen werden wir hauptsächlich wohnen.
Ich hab' das Herrenhaus selbst zeichnen dürfen, ein weißes schlichtes Haus mit großen Fenstern und acht Säulen und einer Riesenterrasse.
Wunderbar hat der Baumeister den alten, vom Brande verschont gebliebenen Teil des Schlosses ausgebaut und erneuert, das ist jetzt so ein recht liebes, trautes, efeuumranktes Nestchen geworden, darin will mein Muttchen hausen, mein geliebtes.
An alles hat Fritz gedacht und zarte, liebe Überraschungen ausgesonnen, er ist so groß und gut, mein Muttchen hat immer helle Tränen in den Augen, wenn sie mit ihm spricht und kann nur ja und amen zu all seinen Plänen sagen.
Nur was die Aussteuer betrifft, da denkt sie, wie ich. Onkel Waldemar sagt: »Ihr habt so 'ne verdammte Art, den Kopf zurückzuwerfen und dann kommt der ›Schliedensche Tück‹ hoch.« Mag sein! – Er hat ihn ja selbst, den Schliedenschen Tück.
Fritz schenkt so beinahe alles, selbst das Brautkleid wird, nach Thüringer Sitte, seine Gabe sein.
Die Cousinen möchten natürlich, daß wir in Rumohr wohnten, aber Rotbach ist größer und braucht den Herrn mehr, doch hat mir Fritz gesagt, daß wir im Winter nach Rumohr ziehen und dann den herrlichsten Schlittenverkehr mit Buchenwalde pflegen wollen.
Augenblicklich ist Fritz in Rotbach und hat viel zu tun, schreibt aber trotzdem jeden Tag. Er sehnt sich tot nach mir, wie er behauptet, während ich – –
Doch – doch, – ich sehne mich ja auch, – o unsäglich bange ich mich nach ihm – hier kann ichs ja ruhig niederschreiben, aber – ich kanns nicht so sagen, ich kann es nicht und ich will es nicht ...
Wenn Fritz kommt – – dann ist er wie ein Sturmwind. Nur für ihn soll ich da sein, alles andere beiseite setzen, er ist unbeschreiblich zärtlich, stürmisch – – – o – ich – ich finde, er ist sehr gut in Rotbach aufgehoben, man kann viel mehr tun und so schön fleißig sein, wenn er fort ist.
Auch bin ich doch nicht so unausgesetzt den Neckereien der Walküren unterworfen, als wenn er da ist.
Es ist merkwürdig, welch feinen Geruchsinn sie haben müssen, denn sobald Fritz sich anmeldet, melden sich sicher auch die Drei an, oder wenigstens Munke erscheint plötzlich zu Pferde und tut nie sonderlich überrascht, ihn vorzufinden.
Ich bin auch überzeugt, daß sie dann über jede unserer Handlungen Protokoll führt, denn die Walküren rechnen mir später immer jeden Kuß vor.
Aber prächtige Menschen sind's doch und wie sie sich über meine Verlobung gefreut haben, das ist einfach unbeschreiblich.
Fritz hat sich auch ihre schriftlichen Glückwünsche aufgehoben; sie waren so, – wie die Walküren eben sind.
Bümi schrieb: »Na habt Ihr Euch endlich? So sei denn das Schicksal gelobt, getutet, geblasen, gepfiffen und getrommelt. Ihr habt Euch! Kerlchen, ich muß Euch zusammen sehen. Küßt er viel? O Kerlchen, es muß so zum Radschlagen sein, Dich in seinen Armen zu sehen. Spreizt Du noch alle zehn Finger auseinander und bekommst Du eine eiskalte Stirn, wenn er anrückt? Wie Du es früher bei jeglichem Männlein und Weiblein machtest? Oder hast Du Dich furchtbar verändert? Ich gehe unter vor Neugier, aber wundern solls mich nicht, wenn er Dich »bei klein« auffuttert, Du süßes Kerleleini. Nur Einer trauert und das ist – – Franz! –
Franz, mein angetrauter Ehemann. Er gönnt Dich dem Rumohr nicht, er gönnt Dich überhaupt niemand.
Einen schwarzen Flor hat er sich um die große Zehe getan und seinen Patienten verschreibt er nur noch schwarze Arznei. Es ist ein Kreuz mit ihm. Komm nur bald nach Buchenwalde, hörst Du?
Und melde es uns, wenn Du dort bist, ich muß Dich sehen! Und Fritz von Rumohr muß mir 'n Kuß geben. Ich bestehe darauf. Du bist so gut, wie unsere vierte Schwester, ergo ist er unser Bruder, und ich denke mir, er küßt famos. Also bereite ihn schonend vor.
Und nun, liebes, liebes Kerlchen – – sieh das war alles toller Unsinn, was ich oben gesagt.
Du bist Braut, Kerlchen, – glückseliges Kerlchen! Gottes Segen über Dich! Wie stolz muß der Mann sein, dem Du Deine erste, reine, heilige Liebe schenkst.
Glückauf Kerlchen, Glückauf und innige Segenswünsche von Deiner getreuen
Bümi.«
Nachschrift: Verzeihen Sie meiner kleinen Frau, – liebes, verehrtes Kerlchen, – sie weiß manchmal nicht recht, was sie tut, aber ihre letzten Sätze haben vieles wieder gut gemacht, nicht wahr? – Daß ich Ihnen das reichste, vollste Glück wünsche, wissen Sie, und wo sollten Sie es eher finden, als an der Seite dieses Edelmenschen, als den wir alle Fritz von Rumohr schätzen. Glückauf!
Mit treuem Gruß und Handschlag
Ihr ergebener Schirmer.«
Und richtig, – als unsere Verlobung durch ein Diner in Buchenwalde gefeiert wurde, wobei die Walküren mit Kind und Kegel versammelt waren, bestand Bümi auf ihrem Kuß von Fritz, und als sie ihn endlich hatte, verdrehte sie die Augen, als ob es wirklich was Außergewöhnliches, Herrliches gewesen wäre. Närrische Bümi!
Briefe und Telegramme kamen in Unmengen, – – selbst ein Handschreiben von Tante Emerenzia lief ein, – ich bin wieder in Gnaden aufgenommen, denn – die Fürstin Mutter will mich sehen, Fritz soll mich und sich vorstellen, sobald wir vermählt sind, denn jetzt ist die Fürstin noch in Italien.
Sie sandte mir, »der alten Spielkameradin« ein wunderschönes Bild von Li, meinem alten Li, den ich nie, nie vergessen kann. Es soll den Ehrenplatz in unsern Zimmern haben, sagt Fritz.
Aber von all den Briefen der liebste ist mir doch wieder der von meinem ältesten Freunde, dem Schlachter Krone:
»Edelgeborene Jungfrau und Braut!
»Die schönste Zeit, das ist die Liebe
Die schönste Jungfrau ist 'ne Braut
Mit ihres Herzens heißem Triebe
Hat sie den Jüngling angeschaut.«
Diese schönen und edelen Worte rufe ich Ihnen heute zu und allen Ihren Festgenossen.
Ihre Verlobungsanzeige war mir eine Ehre ohne Gleichen und hängt jetzt neben dem Ehrendiplom, was ich an der letzten Mastviehausstellung für meinen preisgekrönten Ochsen bekam.
Vivat sequens sagen die alten Griechen. Was habe ich mir den Kopf zerbrochen mit meine Alte, wen wohl unser allerwertestes Kerlchen einmal beehren würde und ist uns nun so erfreulich kund geworden durch den hochwohlgeborenen Antrag des Herrn von Rumohr.
Sagte ich gleich in heftiger und edler Gemütsbewegung zu meiner Frau:
»Da hat endlich mal der richtige Topp auch den richtigen Deckel gekriegt!«
Und bitte ich meinen untertänigsten Glückwunsch auch der Frau Oberst vor die Füße zu legen zu dürfen, wo an dieser guten und edelen Frau der Herr Bräutigam erkennen werden, daß die Schwiegermutter nicht immer Deubels Unterfutter ist, sondern 'ne gemeine Redensart. Mit diesem Wunsche schließe ich meine Fürbitte und meine Frau auch.
Krone, ganz ergebenster Schlachtermeister.« Die Buchenwalder saßen am Kaffeetisch.
Der Gutsherr schmauchte ein Pfeifchen, der Duft des Varinas mischte sich mit dem des frischen Kaffees und der blühenden Hyazinthen am Fenster.
»Urgemütlich«, sagte Kerlchen und ließ seine Augen fröhlich-liebevoll über die Tafelrunde gleiten. Onkel Waldemar zog die Stirne kraus:
»Jawohl, urgemütlich, – aber du willst fort.«
»Ach du liebe Zeit, bis zum Oktober sind's ja noch Ewigkeiten, wer wird denn jetzt schon daran denken!« lachte Kerlchen.
»Ich!« brummte der Gutsherr. »Unentwegt denke ich daran und die andern auch, nur der Rumohr, dieser Gauner lacht sich ins Fäustchen.«
»Gauner« ist sehr treffend,« trumpfte Bümi auf, die einmal wieder Urlaub von ihrem Doktor erbettelt hatte und seit gestern bei den Eltern weilte. »Aber guckt euch mal unser Kerlelein an, wie unvernünftig glücklich es aussieht und wie gern es sich stehlen läßt.«
Kerlchen faßte die Hand ihrer Mutter.
»Muusch geht ja mit, und ihr besucht uns oft, und im Winter kommen wir nach Schleswig-Holstein.« »So? Als ob dein Othello es erlauben würde, daß wir dich ›oft‹ besuchen! Ins Burgverließ würde er uns werfen, ›da Molch und Uhu hausen‹. Aber seht, da kommt die Post, natürlich ist wieder ein Doppelbrief vom ›Schreibkrampf‹ da, daher auch die ungeheuren Einnahmen der Reichspost.«
»Wie das klingt! ›Schreibkrampf!‹ begehrte Kerlchen auf, nahm aber dann errötend und strahlend den dicken Brief in Empfang, mit dem sie sofort ihr Zimmerchen, den ›Parnaß‹, aufsuchte.
Bümi raste hinterher, fand aber verschlossene Türen, an denen sie eine Weile planlos bollerte, um sich dann sehr gekränkt wieder zurückzuziehen.