Peter Rosegger
Waldheimat
Peter Rosegger

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Die fremden Holzknechte

Mein Vater verstand sich gut auf das Gerben der Häute, auf die Weberei, auf die Müllerei und auf das Leinölpressen. Bei letzterem war ich als etwa zehnjähriger Knabe ihm oft recht wacker behilflich, indem ich eine Schnitte Weißbrot ins Öl tauchte, das aus der Kluft der Preßbäume rann, und dann mit der gelbglänzenden Schnitte in meinen Mund fuhr.

Während solcher Beschäftigung trat eines Tages der Holzhändler Klemens Zaunreuter in die Preßkammer. Der war einmal Waldmeister bei einem Großgrundbesitzer gewesen, hatte sich aber im Holzhandel so heidenmäßig viel Geld erworben und war bei dieser unerquicklichen Beschäftigung ganz mager geworden, im übrigen aber immer noch leidlich bei Humor. Der Klemens fragte nun, als er in der Holzmulde das Rieseln hörte, ob der Most süß wäre?

Er solle ihn vorkosten, lud mein Vater ein; aber als der Klemens die ganze Mulde hob und daraus einen Schluck machte, taumelte er zurück, als ob ihm einer einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hätte, und machte den Schluck auf das lebhafteste wieder ungeschehen.

»Schaden kann's nicht, Klemens«, tröstete der Vater, »es ist reines Leinöl.«

»Waldbauer«, sagte hierauf der Holzhändler, sich wieder in Ordnung stellend, »ich bringe dir viel gute Sach' ins Haus und du tust mir so was an!«

»Du bist mir auch der erste, der den Flachswein nicht mag!« sagte hierauf mein Vater. »Ist ja richtig wie ein Wein, so guldfarbig und klar. Und für die liebe Gesundheit kannst gar nichts Besseres finden. Ich bin den Ärzten ein paar Ochsen schuldig geworden, und dennoch tät' ich heut' tief unter der Erden liegen, wenn der himmlisch' Vater das Leinöl nicht hätt' wachsen lassen.«

»Und weil du, gottlob, noch über der Erden stehst, Waldbauer, so wirst halt Geld brauchen«, fädelte der Klemens ein, »schau, mich hat dein Schutzengel hergeführt, ich bring' dir eins.«

»O mein du«, versetzte hierauf der Vater und legte sich mit seiner ganzen Schwere über den Hebel, daß der Leinkuchen in der Presse noch seine letzten Tropfen lassen mußte, die aber in ein besonderes Töpflein kamen, weil solcher Rest nicht ganz so klar und milde war als die erste Abrunne. »O mein du«, sagte er, »das Geld hätt' ich freilich wohl zu brauchen, aber trag's nur wieder fort, ich weiß, was du dafür haben willst. Du willst die sechs alten Fichten haben, die bei meinem Haus stehen. Es geht mir heute um ein groß' Trumm schlechter als vor einem Jahr, wo du dich der Bäume wegen hast angefragt, aber ich hab' dir keine andere Antwort als wie dazumal: die sechs Bäume neben dem Haus, die sind ein Angedenken von alters, und wenn ich Acker und Wiesen verkaufen muß und das Vieh aus dem Stall: die Bäume bleiben stehen, und wenn sie mich ohne Truhen ins Grab legen sollten müssen: die alten Bäume bleiben stehen, bis sie selber fallen.«

Die letzten Worte waren schnaufend gesprochen, und mit denselben war nun auch der letzte Tropfen aus dem Leintreber.

Der Klemens aber sagte: »Waldbauer, du wirst keinen Acker verkaufen und kein Stück Vieh aus dem Stall; du wirst eine Truhen aus weißem Eschenholz kriegen, Gott geb', daß du sie noch lange nicht brauchest! Du wirst auf der Welt noch gute Tage haben. Du wirst nicht die alten Fichten, aber du wirst aus deinem Wald die schlagbaren Lärchen verkaufen, die drinnen stehen. Hast deine Brieftasche bei dir, so halte sie auf!«

Ich erschrak, als ich die Ziffer der Banknote sah, die der Versucher jetzt aus seinem Leder gezogen hatte und mit zwei Fingerspitzen wie ein Fähnlein vor den zuckenden Augen meines Vaters hin- und herflattern ließ. Das Mißgeschick hatte bei uns dem Holzhändler gut vorgearbeitet, wir konnten all das, was wir unser zehn Köpfe und Mägen bedurften, nicht mehr aus den achtzig Jochen Berggrund herausziehen; der Arzt schickte uns Briefe, die ich nicht weich und sanft genug lesen konnte, daß sie dem Vater erträglich wurden: »Der Waldbauer wird hiermit aufgefordert, binnen vierzehn Tagen... widrigenfalls...« »Da meine Geduld endlich gerissen, so habe ich bewußte Angelegenheit dem k. k. Gerichte übergeben, und wird, wenn nicht innerhalb acht Tagen... die Pfändung...« Derlei sind so ziemlich die ersten Sätze gewesen, die ich in unserer lieben, hochdeutschen Sprache zu lesen bekam. Auch das »Steuerbüchel« mit seinem »Datum der Schuldigkeit« und »Datum der Abstattung« ließ mich ahnen, welche Kraft in der Sprache Schillers und Goethes verborgen liegt.

Es war ein leibhaftiger Hunderter, den nun der Holzhändler mit den zwei Fingern an der Ecke hielt. – Ob in demselben Augenblicke nicht ein kaltes Schauern durchs Gewipfel der Lärchen gegangen ist, die draußen einzeln zerstreut im Fichtenwalde standen! Ob nicht ein banges Ahnen durch die kleinen Vogelherzen geweht hat, die in jenen Wipfeln ihre Nester gebaut! – Mein Vater streckte die Hand nicht aus nach dem Gelde, aber er verbarg sie auch nicht im Kleide, er beschäftigte sie nicht mit dem Hebel, er ließ sie – wie er von der Arbeit erschöpft, so dasaß – halb offen, wie sie die Natur gebogen, auf seinem Schoße ruhen. Der Klemens senkte das seltsame Papier hinein, da krümmten sich die hageren Finger sachte – und hielten es fest.

Die Lärchen waren verkauft.

»Nur muß ich mir noch eine Bedingung machen«, sagte der Holzhändler, da er wußte, der arme Mann lag bereits in der Gewalt des Geldes, »im Spätherbst, wenn der Schnee kommt, lasse ich die Bäume schlagen. Du wirst dich verwundern, Waldbauer, wenn ich dir sage: über deine Lärchenbäume wird der Kaiser fahren! Ja, ja, zum Eisenbahnbau brauchen wir sie. Meine Bedingung ist die, daß meine Holzknechte, solange sie im Walde arbeiten, in deinem Hause kochen und schlafen dürfen.«

»Warum denn nicht!« meinte der Vater, »das ist ja recht brav, wenn's ihnen unter meinem Dach gut genug ist!«

Welch ein Unheil wurde mit diesen gutmütigen Worten über unser Waldhaus heraufbeschworen!

Der Klemens schenkte mir noch ein sehr glänzendes Gröschlein und ging dann munter davon.

Ich erinnere mich noch, daß ich mich darüber wunderte; die Munterkeit war doch offenbar unsere Sache, denn wir hatten das Geld. Der Vater trug das seine in den Dachboden hinauf und verbarg es im Gewandkasten; es wird ja bald wieder auswandern. Dann gingen die Tage hin, wie sonst, und im Walde standen die Lärchen und schaukelten im Winde ihre langen Äste, wie sonst, und wurden im Herbste gelb, wie sonst, und setzten an den Zweigen für ein nächstes Frühjahr an, wie sonst.

»Die wissen's auch nicht, daß sie schon so bald sterben sollen!« sagte mein Vater einmal zu mir, als wir von der Wiese herauf durch den Wald gingen. Ich tröstete mich aber mit der Hoffnung, daß der Holzhändler Klemens, der gar nicht mehr in unsere Gegend kam, dieser Lärchen vergessen würde. Meine Mutter, der ich das heimlich aussprach, rief laut:

»O, Kind, der vergißt auf seine Seel', aber nicht auf die Lärchen!«

Und eines Tages, als der Erdboden schon fest gefroren war, als das Moos unter den Füßen knisterte und brach, da hörten wir im Walde das Rauschen der Säge. Wie wir über die braunen Fichtenwipfel hinschauten, sahen wir aus denselben den gelblichen Spitzkegel eines hohen Lärchenbaumes ragen. Das Rauschen der Säge verstummte, die Keilschläge klangen, da neigte sich sachte der Kegel, tauchte nieder und im Erdboden war ein Zittern.

Am Abende darauf hatten wir die Holzknechte im Haus. Es waren nur zwei, und als wir sie sahen, gefielen sie uns allen. Der eine war schon betagt, hatte einen langen roten Vollbart, eine Glatze und eine scharf krummgebogene Nase. Die Äuglein des Mannes schienen sehr klein, weil die roten Wimpern und Brauen von der Hautfarbe kaum abstachen, aber in den Äuglein war viel Spaß und Schalkheit. Der andere war wohl um zwanzig Jahre jünger, hatte ein braunes Bärtlein; wer seinen strammen Nacken und seine breite Brust beachtete, der wußte es: ein kernfester Holzknecht. Beide hatten steife Schurzfelle um und rochen nach Harz und Holzspänen.

Für uns war bald abgekocht, so überließ ihnen die Mutter den Herd. Und wahrlich, die verstanden ihn zu benützen! Was sie da kochten, war nicht das bekannte Holzknechtwildbret, als Hirschen, Fuchsen, Spatzen und dergleichen Nocken, wie man sie aus Mehl und Fett zubereitet: das war wirklich Fleisch und Speck und Braten, und das schmorte und knatterte in den Pfannen, daß unsere Mägen, welche mit einer Brotsuppe und Erdäpfeln abgetan worden, in Aufregung gerieten. Aber der Rote zerriß mit den Fingern ein ganzes Speckstück und wir sollten kosten. Einen mit Stroh umwundenen Zuber hatten sie bei sich, daraus tat einer und der andere tapfere Züge. Der Rote lud meinen Vater ein, ihren Wein zu versuchen. Er tat's und dabei erging's ihm noch schlechter als dem Klemens bei der Leinölmulde: Im Zuber war höllischer Branntwein. – Jetzt war's Tag für Tag, daß die Holzhauer in unserem Hause praßten. Uns verging die Lust an unserer täglichen Kost, weil wir den Überfluß und das Wohlleben sahen. Wir wurden unzufrieden, und unser Gesinde, das aus zwei halberwachsenen Dienstmädchen und der blinden Einlegerin bestand, tat manchen Seufzer. Doch der Rote wußte uns zu ergötzen. Er erzählte von den Städten und Ländern, denn die beiden Männer waren viel herumgekommen und hatten in großen Fabriken gearbeitet. Dann gab er Schwänke und Schalkheiten zum besten; in den ersten Tagen auch Rätsel und drollige Wortspiele, bei denen die Mädchen viel kicherten, Vater und Mutter stillschwiegen und ich nicht recht wußte, was ich mir denken sollte. Dann kamen Liedchen, in welchen zum inneren Entzücken unseres Gesindes das ländliche Liebesleben in allen seinen Gestalten zu klarem Ausdrucke kam. Für uns Kinder war's da allemal Zeit ins Bett zu gehen, aber unsere Strohschaube befanden sich eben in der Stube, in welcher die lustigen Dinge vorgingen. Wir schlossen wohl die Augen und ich hatte wirklich den festen Willen einzuschlafen, doch die Ohren blieben offen und je fester ich die Augen zudrückte, je mehr sah ich im Geiste.

Der junge Holzknecht war still und ordentlich, blieb des Abends auch nicht so lange in der Stube, sondern suchte stets beizeiten seine Schlafstelle auf, die draußen im Heustadl war. Diesem gesitteten Beispiele konnten doch auch die Mädchen nicht nachstehen, sie ließen den Roten schwatzen und verloren sich. Mein Vater bemerkte einmal zum Roten, daß der junge gescheiter wäre als der Alte, worauf der Rote fragte, ob dem Bauer etwa die lustigen Liedlein nicht recht wären, dann wolle er fromm sein und beten. Und hub betrunkenerweise an, im Tone des Vaterunsers Spottsprüche herzusagen; stieg auf den Herd und verhöhnte in der Predigermanier eines Kapuziners die heiligen Apostel, Märtyrer und Jungfrauen, so daß meine Mutter mit aufgehobenen Händen vor meinen Vater trat: »Ich bitte dich tausendmal, Lenzel, wenn du mir diesen gottlosen Menschen nicht bei der Türe hinauswirfst, so tu' ich es selber!«

»Weibel, tu's selber!« rief der Rote, sprang vom Herd herab und wollte die Mutter packen und liebkosen.

Das war unerhört. In unserem Hause, wo jahraus jahrein kein unanständiges Wort gesprochen wurde, plötzlich solche Sachen! Mein Vater war schier gelähmt vor Erstaunen, die Mutter aber faßte den frevelhaften Holzknecht am Arm und rief: »Jetzt gehst, Schandmaul! und in mein Haus kommst mir nimmer!«

Nicht einen Zoll ließ sich der Holzhauer vom Fleck rücken.

»Wenn die Waldbauernleut' schon so fromm sind«, sagte er immer noch im Predigerton, »daß sie vergessen, was sie unserem Herrn versprochen haben, so geh' ich deswegen doch nicht aus diesem Dach hinaus. Weiber jagen mich nicht, da zieht's mich noch alleweil näher hin.«

»Vielleicht jagen dich Männer und Ofenscheiter!« sagte jetzt mein Vater und riß mit einer Schnelligkeit und Entschlossenheit, die ich an dem sanftmütigen Manne bisher nicht erlebt, ein Holzscheit von der Asen. Der rote Holzknecht fiel ihm in die Arme, sie rangen. Die Mutter suchte den Vater zu schützen, meine Geschwister in Stroh und Windeln erhoben ein Geschrei, ich sprang im bloßen Hemde zur Türe hinaus und rief die Mägde um Hilf' an, die wohl schon friedsam in ihren Nestern ruhen mußten. Die blinde Jula kam als die erste glücklich über den Hof gehumpelt, während eine der Sehenden über den Schweintrog stolperte. Und die Jungmagd kletterte auf mein Geschrei und den Lärm im Hause, des Schreckens voll, die Sprossenleiter hernieder, die vom Heustadl in den Hof herabführte. Ohne damals die Tragweite dieser letzteren Tatsache zu erwägen, eilte ich wieder ins Haus, wo die beiden Männer im Kampfe schnaufend und ächzend in der Stube von Wand zu Wand fuhren. Der lange Bart des Holzhauers hatte sich in Fetzen um das Haupt meines Vaters geschlungen. dieser schien doch die Oberhand zu gewinnen; da kam der junge Holzknecht, bloß im Hemd und blauer Unterhose zwar, aber mit der ganzen Wucht seines Körpers. Die Weiber taten, was bei solchen Auftritten ihres Amtes ist, sie schlugen die Hände zusammen und jammerten. Meine Mutter nur, als sie sah, es wäre alles verloren, erfaßte auf dem Herd einen lodernden Feuerbrand, rief: »Ich will euch noch hinaustreiben, ihr Raubersleut', das weiß ich gewiß!« und fuhr mit dem Brande an den Bretterverschlag.

»Die Furie will uns verbrennen!« kreischten die Holzknechte und stürzten durch den wirbelnden Rauch zur Tür hinaus.

Wir waren von den unflätigen Gesellen befreit, aber die Flammen züngelten lustig die Wand hinan. Mit Not und Wasserkübeln gelang es noch, die Feuersbrunst zu ersticken.

So ist derselbe Abend in eine stille bange Nacht übergegangen. Die Haustür hatten wir verriegelt und verrammelt, und als wir das Kienspanlicht ausgelöscht, horchte später der Vater an den Fenstern, ob sie etwa noch draußen.

Es blieb still, erst am nächsten Morgen kam der junge Holzknecht, um seine und seines Kameraden Geräte mit sich zu nehmen. Sie haben sich dann im Walde aus Holzschwarten und Baumrinden eine Hütte gebaut, in welcher sie den halben Winter über wohnten, bis die Lärchenstämme verarbeitet waren.

Wir waren jedoch überzeugt, daß sie Böses gegen uns spinnen mußten, worauf aber die Jungmagd einmal ganz klug bemerkte, das beste wäre doch, mit solchen Leuten sich stets in gütlicher Weise zu vertragen.

»Du hast leicht reden, Dirn, du weißt nichts«, entgegnete ihr mein Vater.

Auf ein solches – schwieg sie. Sie wußte viel.

Da hatte ich zur selben Zeit einen neuen Schreck. Aus Begierde, die gottlosen Gesellen doch noch einmal zu sehen und zu beobachten, ob ihnen bei ihrer Holzarbeit nicht etwa der Teufel knechtliche Arbeit leiste, lugte ich eines Tages vom Waldwege aus durch das Dickicht auf ihren Arbeitsplatz hin. Da sah ich, daß sie lange Totentruhen machten.

Ich berichtete das zu Hause und rief damit eine große Erregung hervor.

»Wie ich sag', sie haben noch was im Sinn!« sagte meine Mutter.

Der Vater vermutete: »Bub, du wirst wieder einmal beim hellichten Tag geträumt haben. Nachschauen will ich aber doch gehen.«

Wir gingen in den Wald. Mein Vater guckte durch das Dickicht zu den Holzhauern hin – und da sah ich, wie er blaß wurde. »Uh, Halbnarr!« lachte er ächzend, die graben uns Bauern von ganz Alpl ein!«

In ganzen Stößen waren die Totensärge aufgeschichtet und noch immer hackten sie mit ihren Beilen an neuen herum. – Wir schossen davon, um alsogleich dem Ortsrichter, der auf dem Berge jenseits des Engtales sein Haus hatte, die Mitteilung zu machen von dem, was wir gesehen. Unterwegs dahin begegnete uns der Zimmermann Michel, dem sagte mein Vater, er möge all seine Hacken und Messer bereit halten, es habe den Anschein auf schlimme Zeiten. Die fremden Männer, die in seinem Walde arbeiteten, täten nichts, als Totentruhen machen.

»Ja«, antwortete der Michel, ich hab's auch schon gesehen, ein Glück ist nur, daß diese Truhen nicht hohl sind.« Hierauf belehrte uns der erfahrene Mann über die Form der Eisenbahnschwellen, die, gewöhnlich zu zweien aus dem Block gehauen, bevor sie auseinandergeschnitten wurden, mit ihren sechs Ecken einem Sarge glichen. Wir kehrten alsogleich um und als wir auf dem Feldraine hingingen, wo der Rasenweg glatt und hübsch eben war, sagte mein Vater zu mir: »Jetzt hätten wir schön Zeit, daß wir uns selber auslachen kunnten, sonst tun's andere. So geht's, wenn man wem feind ist, des Schlechtesten zeiht man ihn und ist so verblendet, als hätte einem der bös' Feind die Hörner in die Augen gestoßen. Am Ende sind auch die zwei Holzhacker nicht so schlecht, als sie ausschauen. Wie der Will', ich werd' froh sein, wenn sie beim Loch draußen sind. Und das weiß ich: der Klemens kauft mir keine Lärchen mehr ab.«

»Weil Ihr keine mehr habt«, war meine Weisheit drauf. Der Vater schien sie nicht gehört zu haben.

Die Holzknechte waren endlich fortgezogen und mit ihnen die Lärchenschwellen. Die rötlichen Baumstöcke blieben zurück und auf den Poren derselben standen helle Tröpflein des Harzes. »Daß sie keine Christen waren«, bemerkte mein Vater einmal, »zeigt sich schon darin, daß sie nicht in einem einzigen Stock das Kreuzel eingehackt haben.« Im Walde war's nämlich damals noch Sitte, daß die Holzknechte in jeden Stock, sobald der Baum gefallen war, mit dem Beil ein Kreuzlein eingruben. Warum, das habe ich nie recht erfahren können; es wird wohl aus demselben Grunde geschehen sein, aus welchem der Schmied beim Wegziehen des glühenden Eisens mit dem Hammer noch ein paar leere Schläge auf den Amboß tut. Man will mit solchen Dingen dem Teufel, der bekanntlich nie müßig ist und sich in alle Arbeiten der Menschen mischt, das Handwerk legen.

Mein Vater, dessen Leben stets so sehr mit dem Kreuze verwoben war, ging hintendrein und hieb in die Lärchenstöcke Kreuze ein. Also war's wieder in Ordnung mit dem Walde und voller Frieden, wie es ehedem gewesen.

Und das ist die Geschichte von den fremden Holzern, den Kindern der Welt, die wie ein erster Wellenschlag aus dem hochbewegten Meere des Lebens in unseren entlegenen Waldwinkel gedrungen waren. Wie klein war dieser Wellenschlag, und wieviel Unruhe, Unzufriedenheit und Ärgernis hatte er herangeschwemmt! Nach und nach waren die fremden Elemente wieder vergessen, selbst die Mutter war ihrer Entrüstung endlich Herr geworden. Unsere Jungmagd jedoch träumte bisweilen wachend von einem jungen Holzknecht.


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