Peter Rosegger
Waldheimat
Peter Rosegger

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Als ich mir die Welt am Himmel baute

Nach solchen Erfahrungen wird einem das wiedergekehrte Alltagsleben zwischen den Wäldern langweilig. Man will immer was Neues haben.

Ich war damals ein Bursche in den Jahren, wo man mit dem Knaben nicht mehr viel anzufangen weiß, den Junggesellen aber lange noch nicht im Jöppel hat. Trug eine ungebleichte Leinwandhose, eine Jacke aus grauem Wilfling und eine buntgestreifte Zipfelmütze. War barfuß und ungeschickt im Gehen und Laufen, jeden Tag trug ich eine andere Zehe in der Binde. Die Haare hatte ich mit den fünf Fingern vorn herabgekämmt, mit den Zähnen kaute ich an einem Strohhalm. Es war mit mir bisweilen nichts anzufangen; wenn man mich auf das Feld stellte, so stolperte ich über den Pflug und den Spaten und wenn man mich in den Wald schickte, so hieb ich die Axt anstatt in das Holz in einen Stein und bald war die Schneide des Werkzeuges so stumpf, daß man darauf hätte reiten können. Und dann stand ich da und hielt die zehn Finger in den Händen und glotzte zum Himmel auf.

Unsere Waldwege waren mir schon gar so lästig geworden, das ewige Dunkelgrün und das ewige Vögelzwitschern und Windrauschen war nicht mehr auszuhalten. Es war einerlei, immer einerlei. Und ich sann, träumte anderem nach. Da eines Tages – ich weidete unsere Herde auf der Hochöde, wie wir ein hochgelegenes Brachfeld, auf dem schon die Eriken und Wacholder wuchsen, nannten – entdeckte ich – den Himmel, den wunderbaren Wolkenhimmel. Ich war nun plötzlich entzückt über die Formen und Gestaltungen in allen Lichtarten. Ich wunderte mich nur, daß mir dieser Himmel nicht schon längst aufgefallen war. So stand ich nun da und sah empor zu der neuen Welt, zu den Ebenen und Bergen und Schluchten, zu den ungeheuerlichen Tieren, die bewegungslos dastanden und dennoch dahinkrochen und sich reckten und dehnten und Arme und Beine ausstreckten, die sich wieder in Wedel und Rümpfe und Flügel verwandelten. Und ich glotzte die Luftschlösser an, die sich vor mir aufbauten.

Von nun an war auf der Heide meine Freude und gerne weidete ich die Herde, weidete ich dabei doch auch die lockigen Lämmer des Himmels.

In demselben Jahre war ein heißer Sommer, da ging's am Himmel wohl auch oft ein wenig einförmig zu, aber des Morgens und des Abends gab's doch immer was zu sehen. Ich war eine Zeitlang wie vernarrt in das Firmament. Mein Vater wunderte sich, daß ich oft gar der erste aus dem Bette war, daß ich die Morgensuppe stehenließ und die Rinder mit einer fast ängstlichen Behendigkeit auf die Hochöde jagte. Er wußte nicht, warum. Ich aber setzte mich in der Hochöde auf einen Stein, über welchen das Moos ein zartes, gelblich-grünes Samtpelzchen gelegt hatte, und während die Kühe und die Kälber emsig im Heidekraut grasten und dabei mit ihren Schellen lustig glöckelten, biß ich allfort an einem dünnen Federgrashalm und blickte hin gegen Sonnenaufgang. Da war zuerst über dem fernen Gebirgszug des Wechsels eine dunkle mattrote Bank; sie dehnte sich weit, weit hin und verlor sich, man wußte nicht wo. Mit einemmal zogen sich goldene Fäden durch und die ganze Wolkenbank wurde durchbrochen von Licht und sah nun aus wie ein ungeheurer rotglühender Eisenklumpen.

Da waren alle meine Kühe rot und das Heidekraut war rot, das sie grasten, und die Steine waren rot, und die Stämme am Waldrande waren rot und meine Leinwandhose war rot. Jetzt flammte am Rande der Wechselalpe plötzlich ein kleines Feuer, wie es Hirtenjungen gern anzünden, wenn sie sich Erdäpfel braten wollen. Aber das Feuer dehnte sich aus nach rechts und links und ging in die Höhe; das war ja ein Brand, zuletzt brannten dort alle Almhütten? Aber in einer wunderbaren Regelmäßigkeit hob sich der Brand empor und eine großmächtige Glutscheibe tauchte auf – die Sonne. Da hatten meine Kühe und die Steine und ich auf einmal lange Schatten hin über die Heide. Mein Schatten war so lang, daß, wenn er vom Boden aufgestanden wäre, er mit seinen Fingern in den weißgelblichen Wolkenballen des Himmels hätte Wolle zupfen können. Die Nebelbank über dem Gebirgszuge wurde schmächtiger, es ging ihr ans Herz, noch streckte sie einen glühenden Speer aus, der ging mitten durch die Sonne, aber er schmolz und die Sonne wurde kleiner und funkelnder und bald war die Wolkenbank, waren die roten Fäden am Gesichtskreise verschwunden.

Hie und da in der weiten Himmelsrunde hing es wohl noch wie weiße Wolle und dort und dort schwamm ein Federchen hin, aber bald gingen auch die Federchen verloren und die Wolle wurde unmerklich langsam auseinandergezupft in leichten Locken und dünnen Fädchen und auf einmal war gar nichts mehr da als der tiefblaue Himmel und der blitzende Sonnenstern.

Es lag fast wie Dunkelheit über den Waldbergen, so unsäglich klar und leer war der Himmel, es war, als ob die Sonne zu klein werden wollte für die unendliche Weite. Und doch konnte ich das Auge kaum auftun vor lauter Licht.

Gegen die Mittagszeit ging die Bläue etwas in das Graulichte über, da sah es noch sonniger aus und es war sehr heiß. Meine Herde hatte schon kühles, schattiges Dickicht aufgesucht, um sich die stechenden Fliegen abzuhalten; ich saß noch auf dem Stein und sah den Himmel an und dachte, wie schön das sein müßte, wenn die Himmelsrunde ein Spiegel wäre und wenn das Bild der Erde drin läge mit aller großen Herrlichkeit; vielleicht hätte ich dann von meiner Hochöde aus fremde Länder und große Städte sehen können.

Nach der neunten Stunde, die ich an dem Schatten einer aufrechtstehenden Stange bestimmte, hob sich gewöhnlich ein Lüftchen, das ein paar Stunden fächelte und leise in den Bäumen säuselte. Das war zum Einschlummern süß zu hören. Mir fiel gar der Grashalm aus dem Munde. Die Ameisen konnten innerhalb meines Höschens emporkrabbeln, wie sie wollten, ich gewahrte sie nicht. Ja, ich gewahrte es nicht einmal und wußte nicht, wie es kam, aber plötzlich waren zu allen Seiten des Gesichtskreises, sowohl über den schwarzbläulichen Waldbergen der Mittagsseite als über der Wechselalpe und über den Matten der Mitternachtshöhen, hinter welchen die kahle, wettergraue Rax aufragte, und über der fernen Felsenkette der Abendseite – schneeweiße Wolken. Sie waren in halbrunden Haufen, sie waren wie dicht aufqualmender Reisigrauch, der plötzlich versteinert wird zu weißem Marmor.

Die Ränder waren so scharf, wie mit einer Schere aus Papier geschnitten. Ganz unbeweglich schienen die Wolken und doch änderten sie sich in jedem Augenblicke und bauten sich auf, eine über die andere und schoben sich von unten nach, dichter und dichter, grauer und grauer, oder es war jählings ein Riß, eine Lücke hinaus in die Bläue.

Und hoch oben über meinem Scheitel standen auch Wolkenschichten, grau, stellenweise ganz dunkel, aber mit lichten, federartigen Rändern.

Da blickte man hin und sah das Verwandeln nicht und sah die Verwandlung. Wie war das wunderbar! Ist es möglich, daß das jeden Tag geschieht, und die Menschen achten es nicht, bemerken es nicht einmal und wundern sich mehr über ein Taschenspielchen, als über den allherrlichen Wolkenhimmel?

Die Schichten über der fernen Felsenkette waren niedlicher und gegliederter als die näheren Ballen; sie waren zum Teile bläulich wie der Himmel und wären von diesem oft kaum zu unterscheiden gewesen, wenn die Ränder nicht milchweiß geglänzt hätten.

Ich tat die Füße auseinander, bückte mich und guckte zwischen den Beinen hindurch auf die fernen Wolkenschichten hin, um durch diese ungewohnte Lage des Blickes ein möglichst abenteuerliches Bild zu schauen. Da sah ich unerhörte Bergriesen mit den schwindelndsten Kuppen und schauerlichsten Abgründen, und da ragten die Felshörner, und da glänzten die Gletscher in unermeßlichen Höhen. Wenn dann vor diesen Gebilden ein dunkles Wölkchen dahinschwamm, so hielt ich das für einen riesigen Steinadler oder gar für den Vogel Greif. Das war mein Tirol, von dem ich schon gehört hatte, und ich guckte so lange zwischen den Beinen darauf hin, bis ich schwindelig wurde und in das Gras purzelte.

Auch lächerliche Riesen mit goldigem Mantelsaum, mit verknorrten Gliedern und gewaltigen Köpfen standen am Himmel und schwangen ihre Arme und streckten ihre Finger nach der Sonne aus. Die Sonne hatte sich lange sehr geschickt zwischen diesen Ungeheuern durchgewunden, aber endlich ging sie doch ins Netz. Da lag dann ein dunkler Flecken über dem Waldlande oder über den reifenden Feldern im Tale und es lagen mehrere Flecken und zogen sich langsam hin auf den Flächen und krochen wachsend empor an Hängen und verschwanden endlich wieder.

Je mehr die Sonne niedersank, je schöner wurde ihr Strahl. Die dichten Wolken schwanden, gingen in Federn und Fransen aus und gegen Abend weideten am Firmamente, wo früher die Ungeheuer gestanden, milde, weiße Lämmchen.

Nur die Bilder über der fernen Felsenkette blieben am längsten. Aber auch dort waren großartige Veränderungen; das Hochgebirge war zu einer leuchtenden Stadt mit goldenen Türmen und Kuppeln und Zinnen geworden. Das war meine Himmelsstadt, ich blickte wieder zwischen den Beinen darauf hin.

Aber wie wenn das ganze Reich von Butter gewesen wäre, so zerging es nun, als die Sonne nahe kam, und es dehnte sich eine weite Ebene aus über die Felsenkette, eine rötliche, unabsehbare Ebene mit Licht- und Schattenfäden und darüber hin der Himmel. Das war mir das Meer und ich guckte wieder durch mein dreieckiges Fernrohr.

Die Sonne durchbrach diese Ebene und tauchte als große rote Scheibe hinter den Kanten der Felsen hinab. Da lagen rote Linien und glühende Nadeln darüberhin, die noch lange leuchteten und erst zur späten Stunde erloschen, als über unserem Gehöfte schon die Stille der Nacht war und am Himmel die Sterne sichtbar wurden, oder das Mondlicht liebliche Schleier wob.

So waren die Tage des Juli und August. Die Kornfelder im Tale nahten langsam der Reife, sie wurden sorgfältig bewacht, sie machten für den Winter die einzige Hoffnung aus. Die Früchte an den Berghängen aber waren im Verdorren, denn es rieselte wochenlang kein Regen. Da blickten auch andere Leute zuweilen aufwärts zu den Wolken oder hin gegen die Rax, die aber stets klar war und an der nie die Nebelflocke klebte; eine Nebelflocke an der Rax wäre das sichere Anzeichen eines nahen Regens gewesen.

Ich saß täglich auf meiner Hochöde und sah den Himmel an. Ich wußte nicht warum, ich dachte mir es oft auch kaum, was ich sah, ich fühlte es nur.

Einmal gegen die Abendstunde hin saß über der Felsenkette ein ungeheures Eichhörnchen. Es setzte seine Vorderfüßchen gerade auf, es hatte ein deutliches Schnäuzchen und spitzte die Ohren und der buschige, sanft wollige Schweif ging weithin gegen die Neubergeralpen. Es war ein launiges Wolkengebilde, gar ein Äuglein hatte das Tier, ein blaues Äuglein, durch welches der klare Himmel guckte; aber auf einmal wurde es licht und funkelnd in diesem Auge und es warf einen mächtigen Strahl quer über den Himmel hin. Hinter der Wolke die Sonne! Endlich erlosch das Auge wieder, ich wußte nicht, hatte ein Wölklein das Lid zugedrückt oder war die Lichtscheibe dahinter gesunken; ich wartete, bis die Sonne unterhalb am Halse herauskommen würde und freute mich schon auf das goldige Halsgehänge, das mein Eichhörnchen bekommen sollte. Aber siehe, während ich so wartete und mich freute, war das Tier zu einer formlosen Masse geworden, nur der buschige, sanft wollige Schweif ging noch weit hin in das Österreicherland.

Einmal war der Himmel mit einer leichten gleichmäßigen Nebelschichte umzogen, auf welcher tieferliegende Wolken verschiedene Figuren bildeten. So kroch eine Kreuzspinne dahin und der Sonne zu. Die Kreuzspinne war riesig groß und meine Phantasie sah acht oder zehn Füße. Sie kam der ohnehin matt scheinenden Sonne immer näher und sie fraß sie auf, so daß Schatten lag über dem Waldlande. Als ich wieder hinaufsah, war das Gebilde verschwommen und eine plumpe Wolkenmasse verhüllte die Sonne.

Wieder zu anderen Tagen war es wirklich lebendig am Himmel. Von der Felsenkette über unsere Waldberge und gegen Morgen und Mittag hin zog ein endloses Heer von Wolken. Stellenweise wanderten sie einzeln, stellenweise wieder in großen Gruppen und Massen, licht und dunkelgrau und »wollig« und »lämmelig« und sie duckten sich untereinander und sie ritten übereinander und es war eine wüste Flucht. In den Wäldern rauschte unwirtlich der Wind.

Das war eine wahre Völkerwanderung am Himmel, tagelang. Ich fragte die Wolken, woher sie kämen, wohin sie zögen? Sie hatten nur Schatten für mich und keine Antwort.

Nach den Tagen des Windes blieb der Himmel eine Zeitlang gleichmäßig trüb und es strich eine kühle, oft fast frostige Luft. Die Leute meinten, nun werde der ersehnte Regen kommen. Aber das Wolkengewölbe wurde lichter und durchsichtiger und endlich sah man durch dasselbe wieder den Sonnenstern schimmern.

Ich vergaß auf die welkenden, verdorrenden Pflanzen der Erde, die bereits fahl oder rot verbrannt waren; ich vergaß auf die Waldvöglein, die nicht mehr singen wollten, weil sie schier vertrocknete Kehlen haben mochten; ich freute mich, daß sich der Himmel wieder erheiterte. Die Wölklein waren nun so zart und leicht und milchweiß und leichte Fäden zogen hin, als ob in den weiten Lüften eine unsichtbare Spinnerin wäre oder ein Webstuhl stünde in der hohen Himmelsrunde.

Und aus all den wunderbaren Geweben fügten sich Nester mit Eiern und schneeweißen Tauben; dann machten diese Tierchen hohe Krägen und schnäbelten miteinander und da dachte ich mir: zuweilen trifft es doch zu, daß der Himmel ein Spiegel der Erde ist. Ich hatte zu derselben Zeit mehrmals von einem Müllerstöchterlein geträumt, das Maria hieß und ein weißes Hemdchen trug.

Die Himmelsgebilde waren an diesen Tagen gar zu lieblich und dazu hauchte eine labende Kühle von der fernen Felsenkette her. Die Leute aber waren mißmutig, man hörte kein Singen und Jauchzen, das sonst den Wald so lebendig macht. Es war eine große Trägheit im Walde.

Endlich, eines Morgens – sonst tiefblauer Himmel – klebte an dem Gewände der Rax ein Nebelchen. Die Leute jubelten; ich betrachtete gedankenlos die Flocke an der Felswand, die fast den ganzen Vormittag in derselben Stellung blieb. Es zog ein beinahe frostiger Alpenhauch, zur Mittagsstunde aber wurde es empfindlich schwül.

Am Gesichtskreise stiegen wieder die vielgestaltigen Wolkenhaufen auf. Die Sonne verzog sich für kurze Zeit; an der Mitternachtsseite gingen mattgraue Streifen nieder und man hörte mehrmals ein fernes Donnern. Das Gewitter verging, ohne daß auf unsere Gegend ein Regentröpfchen fiel. Das Wölkchen an der Rax war verschwunden. Doch es war jetzt die Sonne nicht.

Das Waldland lag im Schatten, kein Vogel war zu hören, nur vernahm man zuweilen den Pfiff eines Geiers. Ich wäre noch gern auf der Hochöde geblieben und hätte die so ruhsamen Dinge betrachtet, aber meine Herde graste talab und gegen unser Haus, ehe es noch Abend wurde.

Als ich zum Hause kam, stand die Mutter am Gartenrain und betete aus einem Buche halblaut das Evangelium des heiligen Johannes und machte mit dem hölzernen Kruzifix unseres Hausaltares Kreuze nach allen Himmelsrichtungen.

Es war noch die Sonne nicht untergegangen, aber es war schon ganz dunkel. Das Bächlein unten in der Schlucht war so klein, daß es nur sickerte, und doch war ein seltsames Brausen wie von einem mächtigen Wasserfalle. Der Hof lag wie träumend da, die Tannen daneben regten sich nicht. Ein großer glitzernder Habicht schwamm von der Hochöde hernieder und über den Hof hin. Im Gewölke hallte ein halbersticktes Donnern, das sich mit Mühe weiterzudrängen schien und plötzlich abzuckte.

An der Mitternachtsseite des Hauses wurden die Fensterbalken geschlossen; einzelne Schwalben flatterten verwirrt unter dem Dache umher. Der Brunnen vor dem Hause spritzte zuweilen unregelmäßig über den Trog hinaus und doch merkte man sonst kein Lüftchen. Mein Vater ging vor der Haustüre auf und ab und hielt die Hände über den Rücken.

Plötzlich begann es in den Tannen zu rauschen und mehrere bereits vergilbte Ahornblätter hüpften vom Walde heran. Regentropfen schlugen nieder und spritzten von der Erde wieder auf. Jetzt war es wie ein schwaches Aufleuchten durch die Abenddämmerung, dann tanzten wieder lose Blätter über den Anger. In den Wolken rauschte es wie das Rollen wuchtiger Sandballen.

Nun brach es los. Die Bäume wurden lebendig und es krachten die Strünke. Vom Dache der Scheune rissen sich ganze Fetzen los und tanzten in den Lüften.

In demselben Augenblicke sauste das erste Schloßenkorn nieder; hoch sprang es wieder auf und kollerte hüpfend über den Boden hin. Das Schloßenkorn war so groß wie ein Hühnerei.

Die Leute sahen es und mit einem leisen: »Jesus Maria!« eilten sie ins Haus. Ich blieb so lange im Freien, bis mir ein Eisklumpen auf die Zehen fiel, dann huschte ich unter das Dach.

Nun war eine Weile lang nichts als ein fürchterliches Geknatter. Die Leute beteten den Wettersegen, aber man verstand kein einziges Wort.

Zuletzt klirrten die Fenster der Morgenseite, auf den Dächern knatterte es und zackige Schloßen kollerten in die Stube und der Wind wogte herein und blies die Wetterkerze aus und fachte das Herdfeuer an zu einem wilden Sprühen und wir glaubten schon, es käme uns das Feuer zum Rauchfang hinaus. Erst als ein Donnerschlag krachte und ein zweiter, legte sich das wüste Getöse und es zog nur noch ein eiskalter Luftzug durch die Fenster und es rieselte der Regen. Endlich legte sich auch dieser. Es war Nacht geworden; draußen lag eine Winterlandschaft.

Wir nahmen kein Nachtmahl, wir gingen nicht zur Ruhe. Ich legte Strohschuhe an und ging mit meinem Vater hinaus auf das hohe knisternde Eis. Wortlos schritten wir um das Gehöfte. An den Gebäuden lagen Haufen von Schloßen und Dachsplittern, unter den Tannen waren hohe Schichten von Reisig und die schönen Stämme hatten nur kahles oder zerzaustes Geäste. Auf dem Kornfeld und auf dem Kohlgarten lag die gleichmäßige Eisschicht; kein einzig Hälmlein, kein einzig Häuptchen ragte hervor.

Mein Vater stand still, hielt die Hände über das Gesicht und seine Atemstöße zitterten.

Von der Mittagsseite war noch das ferne Murren des Gewitters zu hören. Über dem Wechsel ging zwischen zerrissenen Wolken der Mond auf und aus dem dunkeln Grunde der Wälder erhoben sich weiße Nebelgebilde. Am Himmel standen zarte Flocken mit silberigen Rändern.


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