Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
James Clark Roß.
Reise nach dem Südpol
Abfahrt von Chatham. – Experimente vor Gillingham. – Rhede von Margate. – Abfahrt von Cap Lizard. – Höhe der Wellen. – Bay von Biscaya. – Madeira. – Pico Ruivo. – Lufterscheinung. – Theeplantage. – Ankunft im Hafen Santa Cruz. – Port Praya. – Die Wachtel-Insel. – Ankunft in der Region der veränderlichen Winde. – St. Paulsfelsen. – Geologische Bemerkungen. – Wir passiren den Aequator. – Der magnetische Aequator. – Schnelle Veränderungen der Inclination der Magnetnadel. – Punkte der geringsten Intensität. – Insel Trinidad. – Oertliche magnetische Einflüsse.
Nachdem die zu einer Fahrt im Eismeer nöthigen Verstärkungen am Rumpfe des Erebus endlich fertig waren, wurde er am 15. August aus dem Dock gebracht, worauf seine vollständige Ausrüstung durch die vereinigten Anstrengungen der Mannschaften beider Schiffe schnelle Fortschritte machte; am 16. September erhielt ich die letzten Instructionen von den Lords der Admiralität und am 19. fuhren der Erebus und der Terror den Fluss hinab nach ihrem Ankerplatz auf der Höhe von Gillingham. Hier nahmen wir ein, was uns noch an Vorräthen und Lebensmitteln fehlte, und stellten Beobachtungen an über die Störungen, welche das Eisen des Schiffes auf die Bewegung der Magnetnadel ausübte. Diese einfache und zu jederzeit so wünschenswerthe Beobachtung war von besonderer Wichtigkeit für Schiffe, welche die interessanten Regionen der magnetischen Kraft durchschiffen und bis zur höchsten erreichbaren magnetischen Breite vordringen sollten.
Der Commandeur en Chef Sir Robert Waller Otway nebst Familie, der uns während unserer Ausrüstung, welche unter seinen unmittelbaren Befehlen stattfand, vielfachen freundlichen Beistand leistete, beehrte unsere Schiffe am 24. mit einem Besuch. Am Morgen des 25. kam der Capitain-Superintendent Clavell mit den Zahlmeistern an Bord und zahlte dem Schiffsvolke ausser den fälligen Löhnen einen dreimonatlichen Vorschuss aus; bald nach zwölf Uhr wurden die Anker gelichtet und wir segelten, hinter uns den Terror, den Fluss abwärts. Als wir bei Sheerness vorbeifuhren, kam ein Lootse an Bord, da wir aber nicht genug Wasser fanden, um über die Untiefen zu gelangen, mussten wir bei der Boje der Mouse bis zum nächsten Morgen vor Anker gehen. Von hier aus bugsirte uns das königliche Dampfschiff Hekate nach der Rhede von Margate, wo wir um zwei Uhr 20 Minuten Nachmittags Anker warfen. Am folgenden Abend kam auch der Terror an und viele Bewohner von Margate besuchten die Schiffe während dieser Zeit. Hier erhielten wir aus dem Dockyard von Deal einen neuen Buganker als Ersatz für einen schadhaften, der beim Lichten zerbrochen war, glücklicher Weise zu einer Zeit, wo kein Schaden entstehen konnte durch die grobe Nachlässigkeit derjenigen deren Pflicht es ist, die Tüchtigkeit von Gegenständen von denen unter anderen Verhältnissen die Rettung des Schiffes und seiner Mannschaft hauptsächlich abgehangen hätte zu untersuchen.
Die vorherrschenden Westwinde hielten uns bis zum Abend des 30. Septbr. auf der Rhede von Margate fest. Aber um 6 Uhr Nachmittags schlug der Wind plötzlich nach Osten um, so dass wir die Anker lichten und das Foreland umschiffen konnten; vor Mitternacht legten wir einige Minuten an den Dünen bei, um unseren Lootsen ans Land zu setzen und auf den Terror zu warten.
Bis den 3. October Nachmittags hatten wir günstigen Wind, aber jetzt, Startpoint gegenüber, erhob sich ein heftiger Südwestwind; da wir aber nicht wünschten, durch Anlegen in den Canalhäfen noch mehr Zeit zu verlieren, so suchten wir offene See und hatten die Freude zu sehen, dass unsere Schiffe den Sturm sehr gut aushielten, obgleich sie tiefer beladen waren, als wir für wünschenswerth erachteten. Während dieser stürmischen Nacht trennten wir uns vom Terror; da wir aber von unserem ersten Rendezvous Madeira nicht mehr weit entfernt waren, so setzten wir ohne Verzug unsere Reise allein fort.
Am Morgen des 5. befanden wir uns dem Cap Lizard gegenüber, dem letzten Punkte der engl. Küste den wir zu sehen bekamen. Es ist nicht leicht unsere Freude zu beschreiben, als wir vor einem günstigen Winde den Canal verliessen und nun eigentlich eine Unternehmung begannen nach der wir uns so lange gesehnt hatten;
Die täglichen, fast stündlichen Beobachtungen verschiedener Art, von denen wir so zahlreiche und nützliche Ergebnisse erwarteten, wurden jetzt in ein System gebracht und von den Offizieren der Expedition sogleich mit grossem Eifer begonnen.
Während unserer Fahrt durch die Bay von Biscaya zeigte sich uns keine günstige Gelegenheit die Höhe der Wellen zu bestimmen, da wir keinen heftigen Sturm hatten, dafür hatten wir eine sehr unruhige See, veranlasst durch eine sehr starke südwestliche Brise und die schwere nordwestliche Deining, welche dieser Bucht eigenthümlich ist. Die höchsten von uns gemessenen Wellen überstiegen kaum 36 Fuss von der Basis zur Spitze; ihre Schnelligkeit und Entfernung von einander konnten da ein zweites Schiff nicht vorhanden war nicht bestimmt werden.
Wir benutzten jede Gelegenheit die Tiefe des Meeres zu sondiren, jedoch ohne mit 300 bis 600 Faden Nautischer Faden: 1 fm = 2 yd = 6 ft = 72 in = 182,88 cm = 1,8288 m. Anm. PG.Grund zu finden. Das specifische Gewicht des Wassers war auf der Oberfläche des Wassers 1,078 und eben so in der Tiefe von 300 Faden, obgleich es sich hier 10° bis 15° kälter als auf der Oberfläche zeigte. Unter 48° 20' nördl. Breite und 8° 0' westl. Länge begegneten wir einem jener merkwürdigen leuchtenden Flecke, die man schon so oft beobachtet hat. Er war im Durchmesser zwischen 60 bis 70 Fuss und in der Mitte viel glänzender als an den Rändern. Gebildet wurde er von Myriaden mikroskopischer Thiere, die ein schönes phosphorescirendes Licht ausströmten wenn sie durch ein ihre Masse durchschneidendes Schiff in Bewegung gesetzt wurden.
Mit Tagesanbruch am 20. October erblickten wir die Insel Madeira und ankerten Nachmittags auf der Rhede von Funchal. Die gütige und rechtzeitige Unterstützung des englischen Consuls setzte uns in den Stand, sogleich die zur Regulirung unserer Chronometer und zur Bestimmung der magnetischen Inclination, Variation und Intensität notwendigen Beobachtungen zu beginnen, welche die Hauptveranlassung unsers Aufenthalts auf dieser Insel waren. Da noch immer eine genaue Bestimmung der Höhe des Pico Ruivo, des höchsten Berges der Insel, fehlte, so entschloss sich eine Gesellschaft von Offizieren behufs der Messung mit zwei Bergbarometern den Pic zu ersteigen. Zu gleicher Zeit wurden entsprechende Beobachtungen mit den Barometern des Erebus und Terror etwas über der Hochwasser-Linie angestellt.
Als Resultat ergab sich eine Höhe von 6097,08 oder 6102,90 engl. Fuss über der Meeresfläche, je nachdem man Gay Lussac's oder Rudberg's Mass für die Ausdehnung der Luft durch Wärme nimmt. Diese Messung zeigt einige 100 Fuss mehr als die Höhe, welche Oberstlieutenant Sabine nach seinen und Capitain Clavering's barometrischen Beobachtungen (im Winter 1821–22) gefunden hat. Wahrscheinlicher Weise rührt dieser Unterschied von einem Betrug her, den sich die Führer häufig erlauben; so oft nämlich der Nebel den höchsten Pic verbirgt, machen sie an einer Station Halt, die sie »L'Homme à pied« nennen und die, da sie nach allen Seiten steil abfallt, leicht für den Gipfel gehalten werden kann. Durch diesen Kunstgriff ersparen die Führer sich und den Reisenden die Beschwerlichkeit in eine tiefe Schlucht hinabzusteigen und von da die mühsamste Strecke des Weges nach dem Pic hinaufzuklettern.
Seitdem wir dies geschrieben, ist auch das Ergebniss von Lieutenant Wilkes' Beobachtungen in dem Bericht über seine auf Kosten der Vereinigten Staaten gemachte Entdeckungsreise erschienen. Er giebt eine Höhe von 6237 Fuss über der Meeresfläche bei halber Fluth an; gegen unsere Berechnung ein Mehr von fast 140 Fuss und viel grösser, als man nach der Genauigkeit und Vollkommenheit der bei den Beobachtungen angewendeten Instrumente hätte erwarten sollen.
Die Führer zeigten uns den von Lieutenant Wilkes errichteten Steinhaufen; aber die von den Americanern zurückgelassene Denktafel war im vorigen Jahre von einigen Personen weggenommen worden, wie uns die Führer sagten, um sich ein Feuer anzumachen. Wir konnten die Namen Derer welche sich einer so unschönen Handlung schuldig gemacht hatten nicht erfahren.
Der Tag war ausgezeichnet schön und unsere Offiziere hatten von der Spitze eine herrliche Aussicht über die ganze Insel. Das ist ein seltenes Glück, denn den oberen Theil des Berges verhüllt fast beständig ein dichter Nebel, eine Folge der Condensation der Dünste, an denen die Atmosphäre dieser Insel so ausserordentlich reich ist.
Am Abend des 22. bemerkten wir von unserm Ankerplatze aus ein sehr merkwürdiges Phänomen. Zuerst zeigte sich hinter den Hügeln links von der Loo-Insel und 20° westlich vom Polarstern ein schwacher Schein von sehr blassem Rosa; er nahm an Glanz und Ausdehnung zu, bis er in 20 Minuten die Höhe von 32° erreichte und sich von Nord zu Ost nach Nordwest ausdehnte. Um 7 Uhr 45 Minuten, wo er sich bis 43° erstreckte, wurde seine Farbe tiefer roth, aber viel schwächer, und wenige Minuten nach 8 Uhr war das Phänomen ganz verschwunden. Um halb 10 Uhr erhellte sich derselbe Theil des Himmels wieder auf ähnliche Weise; diesmal waren zwei Glanzflecken von bleicherer und gelblicherer Farbe und an dem Punkte der erstern Ausstrahlung sichtbar; sie waren einen Fuss breit und in der Höhe von 25°, wo sie mit dem anderen Licht verschmolzen, 10 Fuss von einander entfernt. Halb 11 Uhr verschwand die ganze Erscheinung allmälig.
Der Wind war Nord zu West; der Compass zeigte sich während der Dauer des Phänomens nicht im Mindesten afficirt; die Sterne schimmerten hindurch und der Mond, den eine Zeitlang eine Wolke bedeckte, schien nur eine verhältnissmässig kleine Veränderung hervor zu bringen, als er später mit grossem Glanze leuchtete.
Die Bewohner der Insel stellten über diese ungewöhnliche Lufterscheinung Vermuthungen der mannigfaltigsten und unbegründetsten Art an. Die Meisten meinten, es müsse entweder ein neuer Vulcan entstanden oder ein sehr grosses Schiff in Brand gerathen sein. Beide Vermuthungen erwiesen sich bei der Ankunft des Terror um 8 Uhr Vormittags den 24. als unbegründet. Er befand sich zur Zeit des Phänomens ungefähr 200 Meilen nördlich von Madeira und die Beschreibung, welche Commandeur Crozier und die Offiziere seines Schiffes davon gaben, stimmte so genau mit unseren Beobachtungen überein, dass an der Identität der beiden Lufterscheinungen nicht länger zu zweifeln war.
Da der Terror dem Phänomen um so viele Meilen näher stand als wir und es dennoch immer noch nordwärts und ohne einen wesentlichen Unterschied in der Höhe erblickte, so lässt sich mit ziemlicher Gewissheit schliessen, dass seine Region ausser den Grenzen unserer Atmosphäre zu suchen ist; seine Ursachen aber anzugeben muss ich solchen überlassen, die mit diesen Dingen vertrauter sind als ich.
Ausser dem Consul Mr. Stothard fühlen wir uns noch Mr. Veitch, dem jetzt verstorbenen General-Consul, höchlichst verpflichtet; hauptsächlich für die Vortheile, welche wir aus der Besichtigung seines berühmten Berggartens zogen, wo er mit vielem Erfolg verschiedene Arten Thee und andere chinesische Pflanzen angebaut hat. Die Theeplantage bestand aus 300 bis 400 Sträuchern und wir Alle fanden den Aufguss einiger Sorten welche wir kosteten von so gutem Geschmacke, dass uns seine Erwartung den Thee noch zu einem wichtigen Ausfuhrartikel der Insel zu machen vollkommen gerechtfertigt erschien, vorausgesetzt dass die Zubereitungskosten nicht, wie in Rio, durch ihre Höhe ein Hinderniss werden.
In den Gärten um die Stadt wachsen Bananen, Datteln, Feigen, Gewürze und alle die herrlichen tropischen Gewächse im Ueberfluss, und der Kaffee, der von sehr guter Qualität ist, genügt den Bedürfnissen der ganzen Bevölkerung,
Unsere magnetischen und anderen Beobachtungen waren kaum beendigt, als eine starke westliche Brise und eine schwere südwestliche Deining, begleitet von allen Anzeigen eines kommenden Sturmes, uns nöthigten am 31. um vier Uhr Nachmittags in aller Eile abzureisen. Mit Tagesanbruch den 2. Nov. erblickten wir den hohen Pic von Teneriffa in einer Entfernung von etwa 60 Meilen; da wir Briefe ans Land zu bringen hatten, steuerten wir nach Santa Cruz, dem Hauptorte der Canarischen Inseln; aber Windstillen und zu leichte Winde verhinderten uns vor dem Abend des 4. unsern Zweck zu erreichen und nach den capverdischen Inseln zu segeln.
Am 6. Novbr. in 27° nördl. Br. kamen wir in die Region des nordwestlichen Passatwindes und passirten den Wendekreis des Krebses am 8. Abends. Wir stiessen auf grosse Schaaren fliegender Fische, begleitet von ihren Verfolgern, dem Bonito und dem Delphin, und fingen jetzt schon unsere Sammlungen naturhistorischer Gegenstände an, indem wir so viele solcher Fische, als wir erhaschen konnten, aufbewahrten und mit Schleppnetzen und anderen Vorkehrungen zahlreiche merkwürdige und ganz neue Species von mikroskopischen Seethieren sammelten, die, gleich dem Wiesengrase für Landthiere, die Grundlage der Nahrung der grössern Seethiere bilden und durch das phosphorische Licht, welches sie ausstrahlen wenn sie gestört werden, den Weg des Schiffes in dunkler Nacht mit wunderbarem Glanze beleuchten.
Am 13. erblickten wir die St. Jago-Inseln und gingen am nächsten Morgen in Port Praya vor Anker.
Mit Erlaubniss des Gouverneurs brachten wir unsere Zelte und Instrumente auf die Wachtel-Insel, und fingen unverzüglich unsere Beobachtungen an. Wegen seines vulcanischen Ursprunges ist dieses Eiland zu magnetischen Bestimmungen keineswegs gut geeignet; aber wir hatten jetzt bereits gelernt, den auf dem Schiffe angestellten Beobachtungen mehr zu trauen als denen am Lande, selbst wenn letztere unter den günstigsten Umständen gemacht worden waren. Wir beschränkten übrigens unsere Beobachtungen auf Berichtigung unserer Chronometer und wählten zu diesem Zwecke eine Stelle dicht an einer kleinen Bucht an der Westseite der Insel.
Diejenigen unserer Offiziere, welchen Zeit und Obliegenheiten kleine Ausfluge in das Innere verstatteten, beschrieben uns das Land, und vornehmlich das Thal St. Domingo, wo die alte Hauptstadt der Insel war, als weit schöner und fruchtbarer, als man nach dem unwirthlichen Charakter seiner Küste vermuthen sollte.
Bei der Stadt erblickten wir ein schönes Exemplar des africanischen Riesenbaumes, des Baobab (Adansonia digitata). Sein kurzer birnförmiger Stamm von nicht mehr als 10 Fuss Höhe hatte über 38 Fuss im Durchmesser; als wir ihn sahen, hatte er Früchte angesetzt.
Die Hitze war höchst drückend, und da die ungesunde Jahreszeit kaum vorüber war, kürzte ich meinen Aufenthalt so viel als möglich ab. Wenige Tage genügten, unsere Beobachtungen zu vervollständigen und einen Vorrath von lebendigem Vieh, frischen Früchten, Gemüse und Wasser einzunehmen, welche Gegenstände alle mit Ausnahme des Wassers von vortrefflicher Beschaffenheit und mässig billig sind.
Wir verliessen Port Praya am Morgen des 20. und von diesem Tage an trat die stündliche Beobachtung der Barometerhöhe und der Temperatur der Luft und der Oberfläche des Meeres an die Stelle der bis jetzt gewöhnlichen dreistündlichen, hauptsächlich um die Zunahme der barometrischen Depression bei unserer Annäherung an den Aequator und das allmälige Steigen des Barometers, je weiter wir uns vom Aequator wieder entfernten, zu untersuchen – ein Phänomen von der grössten und allgemeinsten Wichtigkeit, denn es ist thatsächlich weiter nichts als das unmittelbare Maass der bewegenden Kraft, welche die grossen Luftströmungen der Passatwinde hervorbringt; so dass das Maass seiner Entwickelung und die Gesetze seiner geographischen Vertheilung die Grundlage der Theorie dieser Winde bilden.
Mit dem 8° N. B. und 26° W. L. kamen wir in die Region der veränderlichen Winde, wie der Strich zwischen den nordöstlichen und südöstlichen Passatwinden genannt wird. Hier wechseln heftige Windstösse und Regengüsse mit Windstillen und leichten, unbeständigen Brisen ab, was neben der erstickenden Hitze der mit Elektricität geschwängerten Atmosphäre diesen Theil der Reise so unangenehm wie ungesund macht, hauptsächlich für ein Schiff mit glattem Verdeck, wo die Notwendigkeit, die Luken geschlossen zu halten, eine freie Circulation der Luft verhindert.
Am 27. sahen wir bei sehr klarem Himmel die Venus fast im Zenith trotz des Glanzes der Mittagsonne. Wir wurden dadurch in den Stand gesetzt, die höhere Wolkenschicht dem Winde entgegenziehen zu sehen, ein Vorkommniss, das sich in unseren meteorologischen Journalen häufig angezeigt findet, sowohl in der Region der NO. als der SO. Passatwinde, und auch von früheren Reisenden beobachtet worden ist. Capitain Basil Hall sah es vom Pic von Teneriffa 5 und Graf Strzelecki erreichte bei Besteigung des Vulcanes von Kirauea auf Owaihi in einer Höhe von 4000 Fuss eine Region oberhalb der des Passatwindes und beobachtete hier einen entgegengesetzten Luftstrom von abweichender hygrometrischer und thermometrischer Beschaffenheit, Thatsachen, welche eigentlich die Mittel anzeigen durch welche das Gleichgewicht der Atmosphäre unter gewissen Bedingungen in diesen Regionen erhalten wird. Noch von einer anderen scheinbar anomalen Beobachtung benachrichtigte mich Graf Strzelecki. Er fand nämlich in einer Höhe von 6000 Fuss einen Luftstrom, der im rechten Winkel über die beiden unteren Schichten hinzog und ebenfalls von abweichender hygrometrischer und thermometrischer Beschaffenheit, aber wärmer als die Zwischenschicht war.
Die Nähe der St. Paulsfelsen, auf die wir zusteuerten, verrieth sich durch das Erscheinen von Seevögeln und um 9 Uhr am nächsten Morgen zeigten sich die zwei höchsten Spitzen am Horizont in einer Entfernung von drei bis vier Seemeilen. Wie wir näher kamen stiegen allmälig auch die kleineren Felsen empor, da aber unsere Schiffe durch eine starke westliche Strömung während der Nacht sehr weit leewärts geführt worden waren, konnten wir sie erst spät Abends erreichen.
Wir landeten zeitig am nächsten Morgen mit einiger Schwierigkeit wegen der Brandung und der hohlen See, welche durch die verschiedenen Canäle in das mittelste Bassin strömte. Die steile NO. Seite der Bucht fanden wir am geeignetsten und stellten in der Nähe dieses Punktes unsere Beobachtungen an.
Diese merkwürdigen Felsen, welche unter 0° 56' N. B. und 29° 20' W. L. und mehr als 500 Meilen vom Festlande entfernt liegen, scheinen durch vulcanische Kraft aus dem Meeresgrund emporgetrieben worden zu sein. Sie erheben sich nirgends mehr als 70 Fuss über die Meeresfläche und bilden zusammen einen länglichen Krater, dessen Längenaxe von NO. noch SW. geht. Die beiden höchsten Spitzen dieser Felsen bestehen aus einem sehr harten Hornstein, der auf einer eigenthümlichen weissen Felsenmasse, welche sich wie trockene Erde anfühlt und etwas an der Zunge hängen bleibt, ruht. Dieses letztere Gestein gleicht dem Caolin oder verwitterten Feldspath und ist mit dünnen Adern von sehr hartem glasartigen Serpentin durchzogen.
Diese beiden Felsarten kommen in verschiedenen Graden der Verwitterung vor; wo sie der Wirkung der Wellen ausgesetzt sind, sind sie an vielen Stellen honigwabenartig und von Massen von Conglomerat und sehr merkwürdigen Adern durchzogen, gebildet von zwei dünnen schwarzen Scheiben von grosser Härte und Sprödigkeit, die alle Zeichen der Einwirkung einer gewaltigen Gluth tragen.
Als einer unserer Leute einen Versuch machte, durch einen engen Canal zu waten, hob ihn eine sehr grosse Welle vom Boden, so dass er längere Zeit in grosser Gefahr war. Mehr als einmal erreichte er den Rand des Ufers und versuchte festen Fuss zu fassen, aber eben so oft riss ihn die zurückweichende Welle wieder los. Ausser Stand ihm den mindesten Beistand zu leisten, konnten wir von der anderen Seite des Ufers seinem Kampfe nur zusehen, erfüllt von der peinlichsten Angst, einer der zahlreichen Haifische die sich in der Bucht befanden möchte ihn wegfangen. Zuletzt gelang es ihm jedoch die Felsen hinauf zu klimmen, höchst ermattet von der langen Anstrengung, aber zum Glück ohne einen weiteren Schaden als ein paar Beulen davongetragen zu haben.
Als wir Nachmittags nach den Schiffen zurückfuhren, liess uns die veränderte Farbe des Wassers vermuthen, dass es bis zu einer Entfernung von einer viertel Meile von der Küste wahrscheinlich seicht sey. Während unserer Abwesenheit hatte man auf dem Schiffe zweidrittel Meile entfernt von den Inseln mit 300 Faden Grund gefunden; aber in der doppelten Entfernung erreichte das Senkblei mit 500 Faden noch nicht den Meeresboden, ein Beweis, dass der Berg, dessen Gipfel diese Spitzen bilden, sich unter dem Meere sehr steil erheben muss.
Am 3. Decbr. gegen Mitternacht passirten wir den Aequator unter 30° westl. L. und die Ceremonie, diejenigen welche es zum ersten Male thaten zu rasiren, wurde am nächsten Morgen mit den gewöhnlichen gutmüthigen Neckereien vollzogen. Man ist noch nicht ganz einig, welcher der beste Meridian sei um die Linie zu passiren; da wir aber die St. Paulsfelsen besuchen mussten, waren wir genöthigt so weit leewärts zu gehen, sonst hätte ich den 26. oder 27. Grad westl. L vorgezogen, denn die starke westliche Strömung bringt leicht Schiffe, die mit einem knappen Passatwinde segeln, der brasilischen Küste zu nahe.
Je weiter südlich wir kamen, desto mehr nahm die Stärke dieser Strömung ab und im 8. oder 9. Breitengrad tritt eine schwache nördliche Strömung an ihre Stelle.
Die Magellanischen Wolken und das schöne Sternbild des südlichen Kreuzes wurden jetzt sichtbar; und obgleich meiner Meinung nach letzteres nicht so schön ist, wie mehrere unserer nördlichen Sternbilder, so erfüllte uns sein Anblick doch mit den freudigsten Hoffnungen für die Zukunft, denn es bezeichnete durch sein allmäliges Höhersteigen am Himmel unsere Fortschritte und wurde von jetzt an der Polarstern, der uns, wie wir hofften, bis an die äussersten Grenzen des antarktischen Oceans leiten sollte.
In diesem Theile des Meeres bemerkten wir grosse Flecken der schönen Pyrosoma, die in einem schönen blassen Silberlichte schimmerten. Wenn man die Thierchen aus dem Wasser nimmt, hört das Glänzen auf, so wie man aber irgend einen Theil des Thierchens reizt, zeigt es sich wieder und verbreitet sich dann von diesem Punkte aus durch die ganze thierische Masse.
Als wir uns dem magnetischen Aequator oder der Linie wo die Magnetnadel horizontal steht näherten (7. Decbr.), stellten wir häufig Beobachtungen über diese interessante Frage an; und um uns eine genaue Aufzeichnung der Beobachtungen auf jedem Schiffe zu verschaffen und die Ursachen der möglichen Abweichungen zu entdecken, theilten wir uns jeden Nachmittag um 1 Uhr durch Signale die täglichen Resultate mit. Diese Einrichtung zeigte sich so vortheilhaft, dass ich sie jeder Expedition, die zu einem ähnlichen Zwecke wie die unsere ausgerüstet ist, empfehlen möchte. Um den magnetischen Aequator im rechten Winkel zu passiren, steuerten wir so gerade nach Süden, als der Wind es nur gestattete, und fanden hei unseren Beobachtungen der allmäligen Abnahme der Inclination eine so schnelle Veränderung vor, dass sie sich mit grosser Genauigkeit bestimmen liess; so genau, dass das Signal unserer Ankunft auf dem magnetischen Aequator, wo die Nadeln, im Gleichgewicht zwischen dem nördlichen und südlichen magnetischen Systeme, eine vollkommen horizontale Lage annahmen, auf beiden Schiffen in demselben Augenblicke gezeigt wurde. Nichts konnte zufriedenstellender sein, als die vollkommene Uebereinstimmung unserer Beobachtungen bei einer so wichtigen Angelegenheit; auch musste es für mich von mehr als gewöhnlichem Interesse sein, die Nadel in dieser Lage zu erblicken, da ich vor einigen Jahren am nördlichen magnetischen Pole sie in vollkommen senkrechter Stellung gesehen hatte; und gewiss war uns, als wir den Südpol der Nadel sich unter den Horizont neigen sahen, die Hoffnung zu verzeihen, dass wir sie in nicht zu langer Zeit am südlichen magnetischen Pole der Erde in ähnlicher Stellung erblicken würden.
Die Regelmässigkeit und Schnelligkeit mit der die Veränderungen der Inclination stattfinden ist ebenfalls bemerkenswerth.
280 Meilen nördlich vom magnetischen Aequator war die Inclination 9° 36', also etwa 2,05' für jede Meile der Breite; 292 Meilen südl. war die Inclination 9° 52' also etwa 2,03' auf jede Meile. Wir müssen hier bemerken, dass eine so grosse Veränderung nur in den Regionen des magnetischen Aequators stattfindet; in der Nähe der Pole gehören fast 2 Meilen dazu, um eine Veränderung von einer einzigen Minute in der Inklination hervorzubringen.
Die geographische Lage des magnetischen Aequators, wo wir ihn passirten, war 13° 45' südl. Br., 30° 41' westl. L. Hier fühlten wir wieder die Einwirkung einer westlichen Strömung von fast einer Meile die Stunde.
Der nächste Punkt, auf den meine Instruction ein besonderes Gewicht legte, war die Lage des Minimumpunktes totaler Intensität oder desjenigen Punktes, wo auf der ganzen Erdoberfläche die Intensität am geringsten ist. Es dürfte hier angemessen sein zu bemerken, dass man, indem man aus der nördlichen in die südliche Hemisphäre übergeht, auf jedem Meridian einen Punkt findet, wo die Intensität, nachdem sie allmälig abgenommen, wieder zunimmt, je näher man den höheren magnetischen Breiten kommt.
Diese verschiedenen Punkte bilden zusammen einen dem magnetischen Aequator ähnlichen Kreis um die Erde, welcher gleich diesem sie in fast gleiche Hälften theilt und irrthümlicher Weise bis vor kurzem mit dem magnetischen Aequator für identisch gehalten wurde. Auf diesem Kreise befindet sich ein Punkt, wo die Intensität am geringsten ist, und diesen aufzusuchen war unser besonderer Zweck, wobei wir noch die Richtung dieses Kreises und die Form und Ausdehnung der Linien und Ovale isodynamischer oder gleicher Intensität untersuchen sollten.
Um diese verschiedenen Zwecke zu erreichen, mussten wir einen ganz andern Curs, als den gewöhnlichen, nach St. Helena steuern und uns der langweiligen Nothwendigkeit unterwerfen, gegen den Passatwind nach dieser Insel zu laviren, ein selten oder nie versuchtes Experiment, das unsere langsam segelnden Schiffe nur durch ein grosses Zeitopfer durchführen konnten. Am 16. Dec. passirten wir den Aequator der mindesten Intensität unter 19° südl. Br., 29° 15' westl. L., also 200 Meilen weiter nach Norden, als frühere Beobachtungen hatten erwarten lassen.
Am 17. Decbr. früh bekamen wir die Insel Trinidad zu Gesicht; und um 7 Uhr 30 Minuten Vormittags verliessen Commandeur Crozier und ich in Begleitung mehrerer Offiziere die Schiffe. Nachdem wir längs der Leeseite hingerudert waren, legten wir endlich an in einer kleinen Bucht, ein wenig nördlich von dem Kegelfelsen Halley's, da an anderen Stellen die Brandung für unsere Boote zu stark war. Die Insel ist eine vulcanische Felsenmasse, die an ihrer Leeseite steil und an manchen Stellen bis zu einer Höhe von 2000 Fuss aus dem Meere emporsteigt. Die Trappfelsen, aus denen sie besteht, zeigen die wunderlichsten Formen; die merkwürdigsten derselben sind der Zuckerhutberg am südlichen und der Kegelfelsen am NW. Ende der Insel.
Der letztere steigt 850 Fuss hoch, fast senkrecht, aus dem Meere, in Gestalt einer Säule von schönen Verhältnissen, und lehnt sich mit seiner Rückseite an eine Hügelreihe von 200-300 Fuss Höhe, die gleich den Bergen, welche eine unübersteigliche Mauer zwischen dem schmalen Strand und dem Innern der Insel bilden, hauptsächlich aus Grünstein bestehen.
In magnetischer Hinsicht waren unsere Beobachtungen gänzlich nutzlos, aber die Resultate können dienen, um in auffälliger Weise zu zeigen, welchen grossen Irrthümern man bei magnetischen Beobachtungen am Ufer ausgesetzt ist. Drei Inclinations-Nadeln, blos so weit von einander aufgestellt, dass sie sich untereinander nicht störten, zeigten nicht weniger als 3° Unterschied in der Inclination und alle drei bei weitem weniger, als sich nach der ganzen Lage erwarten liess.
Horsburgh berichtet, die Insel sei reich an wilden Schweinen und Ziegen; eine der letztern sahen wir. Um die Zahl nützlicher Thiere zu vermehren, brachten wir einen Hahn und zwei Hennen ans Land; sie schienen an der Veränderung grossen Gefallen zu finden und ich bezweifle nicht, dass sie sich auf der sehr wenig besuchten Insel und in dem herrlichen Klima sehr schnell vermehren werden. Wir kehrten um 7 Uhr Abends wieder nach den Schiffen zurück und steuerten mit vollen Segeln südwärts. Am nächsten Morgen war Trinidad immer noch in einer Entfernung von fast 60 Meilen sichtbar und hätte unter günstigen Umständen gewiss noch viel weiter gesehen werden können.