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Ueber Vaccination. – Abfahrt des Yorktown. – Stündliche Beobachtungen. – Besuch der Häuptlinge Awara und Pomare. – Unzufriedenheit der Neuseeländer. – Einfluss der Missionäre.
Am Morgen des 20. August brachten wir die magnetometrischen und andern Instrumente ans Land und ihre Aufstellung und Berichtigung nahm unsere ganze Thätigkeit in Anspruch. Früh Morgens kam der Chirurg des Yorktown an Bord mit einem Briefe vom Capitain Aulick, in welchem er uns anzeigte, dass die Pocken sich auf seinem Schiffe gezeigt hätten, und uns bat, ihm etwas Impfmaterie zukommen zu lassen, da diejenige, welche er aus America mitgebracht, ihre Kraft verloren hatte. Leider konnten wir ihm keine geben und auch von dem Arzte in Kororarika war keine zu erlangen; so dass, wenn die Eingebornen von dieser schrecklichen Krankheit angesteckt worden wären, man nur mit Schauder an die Folgen und an die Tausende denken kann, welche ihr als Opfer gefallen wären. Wenn es, wie ich glaube, erwiesen ist, dass die als Präservativmittel so kräftige Impfmaterie blos das auf eine Kuh übertragene Pockengift ist, so sollte ich meinen, es sei das Beste, beim Ausbruch der verheerenden Pockenkrankheit in einem Lande, wo keine Impfmaterie zu haben ist, einer Kuh die Pocken einzuimpfen und so das stärkste Schutzmittel zu erlangen. Die Entscheidung dieser Sache wollen wir den Sachverständigen überlassen, und wenn mein Vorschlag ausführbar sein sollte, so ist es wünschenswerth, dass er in dem möglichst weiten Kreise bekannt werde.
Commandeur Crozier und ich erwiederten den Besuch Capitain Aulick's und veranlassten ihn und zwei seiner Offiziere, den folgenden Tag an Bord des Erebus zuzubringen und die Instrumente in den Observatorien zu untersuchen, die er sehr zu sehen wünschte. Da ich bei dieser Gelegenheit von ihm vernahm, dass er sich vor Kurzem erst von der von Lieutenant Wilkes befehligten Expedition getrennt habe und wahrscheinlich diesen Offizier, dessen persönlicher Freund er war, bald treffen werde, so glaubte ich ihn wählen zu dürfen, um auf die schonendste Weise Lieutenant Wilkes mit dem Umstand bekannt zu machen, dass wir auf einer Stelle, wo er auf der mir übergebenen Karte Bergland aufgezeichnet, nichts als offenes Meer gefunden hatten. Unglücklicherweise traf Capitain Aulick den Lieutenant Wilkes nicht in Owaihi, so dass Letzterer den eben erwähnten Umstand zuerst durch Zeitungen und zwar sehr entstellt erfuhr, was einige Weiterungen veranlasste, die wie ich hoffe zur Zufriedenheit beider Theile geschlichtet sind. Der Yorktown segelte den nächsten Morgen nach den Sandwich-Inseln ab.
Die regelmässigen stündlichen Beobachtungen wurden jetzt bald ins Werk gesetzt und beschäftigten ausreichend alle dienstthuenden Offiziere beider Schiffe, mit Ausnahme der ersten Lieutenants, welche die Aufsicht über die Fahrzeuge hatten.
Unsere Aerzte machten kurze Ausflüge ins Innere, um unsere Sammlungen naturhistorischer Gegenstände zu vergrössern; aber die Eingebornen fingen während der Zeit unsers Dortseins an, grosse Unzufriedenheit über die Wirkungen des Vertrags von Waitangi zu fühlen und dieses Gefühl mit Bitterkeit auszusprechen, so dass ich es nicht für rathsam hielt, diesen Herren zu erlauben, ihre Excursionen bis auf eine beträchtliche Entfernung von unserm Ankerplatz auszudehnen. Und obgleich es nothwendig war, Boote mehrere Meilen flussaufwärts zu schicken, um die zum Ersatz unsrer Vorräthe nöthigen Rundhölzer zu fällen, so hielt ich es doch für geeignet, sie gut zu bewaffnen, damit sie jedem Angriff, zu dem die Eingeborenen nur zu geneigt erschienen, widerstehen könnten; auch übertrug ich die Führung dieser Boote stets einem der ersten Lieutenants. Ueberhaupt war ich so fest überzeugt von der Geneigtheit der Eingeborenen, jede günstige Gelegenheit zu ergreifen, um ihre Ländereien wieder in Besitz zu nehmen und die Europäer zu vertreiben, dass ich während der Abwesenheit der Mannschaft stets von grosser Besorgniss erfüllt war, obgleich ich mich vollkommen auf die Klugheit und Entschlossenheit Lieutenant Bird's verlassen konnte, der sie meistens befehligte. Rundhölzer von der Art und Grösse, wie wir sie brauchten, waren in der Nähe unseres Ankerplatzes nicht zu finden; die Bedürfnisse der vielen Wallfischfahrer, die früher diesen Hafen behufs der Ausbesserung besuchten, hatten die Waldungen der nächsten Umgebung vollkommen erschöpft, und Lieutenant Bird musste eine grosse Strecke stromaufwärts fahren, ehe er welche finden konnte. Hier sah er sich genöthigt, sie einem Häuptling Namens Awara abzukaufen, der sich aber durchaus nicht wie früher mit einer unbedeutenden Bezahlung befriedigen lassen wollte. Jetzt wurden blos Schiessgewehre für die Bäume angenommen, und ohne dieselben hätten wir kein einziges Rundholz bekommen, ausser durch Gewalt, deren Anwendung bei der damaligen Stimmung der Maories bedenkliche Folgen haben konnte. Sobald Awara seine Forderung von zwei Musketen für die gewünschten Hölzer zugestanden sah, wurde er höflicher und dienstwilliger, zeigte uns die besten Bäume und wie wir sie am leichtesten nach dem Wasser bringen könnten, und die Wahl, die der Häuptling unter den noch stehenden Bäumen traf, erwies sich immer besser als die unserer Zimmerleute. Er kehrte mit dem Lieutenant Bird zu den Schiffen zurück, um die versprochene Bezahlung zu empfangen; hier aber zeigte es sich, dass er unter seinen zwei Musketen ein doppelläufiges Gewehr verstand, nach deren Besitz sie alle sehr lüstern zu sein schienen; da aber diejenigen, welche wir an Bord hatten, Privateigenthum der Offiziere waren, die sich natürlich nicht von ihnen trennen wollten, so war Awara zuletzt vollkommen zufrieden mit zwei Büchsen und einer vollständigen Lieutenantsuniform, die er zur Erheiterung der Matrosen und mit grosser Selbstzufriedenheit anlegte. Den Namen dieses Häuptlings habe ich unter denen, welche bei den in der letzten Zeit hier ausgebrochnen Feindseligkeiten betheiligt waren, nicht gefunden, ich darf daher wohl hoffen, dass die Büchsen nicht gegen unsere eigenen Landsleute gebraucht worden sind; und da ihm wegen seiner vereinzelten Stellung die Politik vorschreibt, es mit den Europäern zu halten, so ist er wahrscheinlich mit unsern Truppen gegen den rebellischen Heki gezogen.
Pomare, ein andrer Häuptling, der eine zweideutige, wenn nicht verrätherische Rolle bei diesen Vorfällen gespielt, besuchte ebenfalls unsere Schiffe, um sein gewöhnliches Geschenk von Pulver und Schutzwaffen, hauptsächlich aber Rum zu empfangen, an den er sich neuerdings so sehr gewöhnt hatte, dass er nur selten nüchtern war. Er hatte sich jedoch bei allen früheren Gelegenheiten sehr freundschaftlich gegen die Europäer gezeigt und dem Gouverneur Hobson, als er das erste Mal auf der Insel erschien, um sie im Namen der Königin Victoria in Besitz zu nehmen, wesentlichen Beistand geleistet; auch hatte er nicht nur den Vertrag von Waitangi zuerst mit unterschrieben, sondern hatte auch andere Häuptlinge von viel grösserer Wichtigkeit als er dazu bewegt. Deshalb hatte er Anspruch auf mehr als gewöhnliche Beachtung und wurde, als er seinen ersten Staatsbesuch auf den Schiffen machte, mit der gehörigen Feierlichkeit empfangen. Er kam nicht in seinem festlichen Aufzug, denn das Kriegscanot und der Kriegstanz blieben diesmal weg und er hatte offenbar mehr Rum getrunken, als mit seiner angenommenen Würde verträglich war. Sein Lieblingsweib schien ebenfalls an diesen Libationen Theil genommen zu haben und war deshalb eben so ungeeignet, die königliche Rolle, welche sie spielte, durchzuführen. In einem ihrer unbewachten Augenblicke, als sie sich beim Betrachten des flitterhaften Tandes, den ich ihr geschenkt, ihrer Freude ganz hingab, erkannte sie ein Portrait der Königin, das in meiner Cajüte hing. Sie nahm sogleich eine höchst lächerlich würdevolle Miene an, ging darauf los, streckte ihre kupferfarbige Hand aus und sagte: Ja, ganz selbe wie ich – Victoria – sie Königin – ich Königin auch. Pomare fand grossen Gefallen an den Zimmermannswerkzeugen, die ich ihm anstatt des gewöhnlichen Geschenkes gab.
In starken Ausdrücken beklagte er sich über den Vertrag, an dessen Zustandekommen er selbst so viel Antheil gehabt hatte. Er hatte nicht geglaubt, dass ihm dadurch die Macht genommen werde, sein Land an jeden Beliebigen zu verkaufen; und obgleich sie Alle klar einsahen, dass der Tractat von Waitangi sie verpflichtete, der Regierung jeden Theil ihres Landes, den sie zu verkaufen wünschten, zuerst anzubieten, so sprach er doch die grösste Entrüstung bei dem Gedanken aus, dass, wenn der Gouverneur sein Anerbieten nicht annähme, kein Privatmann rechtmässiger Besitzer des Landes werden könnte, so dass er thatsächlich der freien Verfügung über sein Eigenthum beraubt sei. Auch Diejenigen, welche vor mehreren Jahren einen grossen Theil ihrer Ländereien für eine geringe Summe verkauft hatten, bereuten dies jetzt, wo sie Augenzeugen der grossen Zunahme des Bodenwerthes waren, aufs Bitterste; und obgleich sie die Berechtigung der jetzigen Besitzer vollkommen anerkannten, so würden sie doch gewiss gern jeden Vorwand ergriffen haben, um sich der ersten besten Partei, die sie für stark genug zur Vertreibung der Europäer hielten, anzuschliessen und so durch Eroberung ihr Eigenthum wieder zu erlangen.
Die Einführung der Zölle und andrer Abgaben, welche die Südseefahrer abhielt, ihre Ausbesserungen in der Inselbucht vorzunehmen und mit den Eingeborenen Handel zu treiben, war für die um die Bucht Wohnenden ebenfalls ein Gegenstand grosser Beschwerde, da diese Maassregel ihnen ihre besten Kunden entzog. Die Wallfischschiffe, die sonst alle ihre Vorräthe aus den ihnen passend gelegenen Häfen von Neuseeland holten, müssen sie jetzt auf einer der Inseln der polynesischen Gruppe suchen.
Dies waren die Hauptursachen der Klagen, die ich während unsers Aufenthaltes auf der Insel hörte; und es war offenbar, dass der Vertrag von Waitangi in Folge der Maassregeln, welche so unmittelbar auf seinen Abschluss gefolgt waren, jetzt mit ganz andern Augen betrachtet wurde, und zwar nicht blos von Eingebornen im Allgemeinen, sondern auch von einigen der mächtigsten Häuptlinge, die allmälig zweifelhaft über die Vortheile ihrer neuen Stellung wurden, als sie ihre Macht und ihren Einfluss nach und nach in die Hände der Colonisten übergehen sahen, welche in Schaaren von England ankamen und sich in verschiedenen Theilen der nördlichen Insel niederliessen. Es konnte der argwöhnischen Wachsamkeit der Häuptlinge nicht entgehen, dass die Menge der Europäer so schnell zunahm, dass sie bald zahlreicher als die Eingebornen werden und alle ihre Ländereien in Besitz nehmen müssten. Mehrere Häuptlinge hatten unter dem Vorwande eines Gastmahles bereits grosse Versammlungen der Eingebornen zusammenberufen und über diesen Punkt Reden gehalten, worin sie ihre Landsleute vorzüglich aufforderten, ihr Land nicht an die Pakehas (die Fremden) zu verkaufen; und bei einer Versteigerung von Land, die während unsers Aufenthalts in Auckland stattfand, hörten wir, dass einige Häuptlinge anwesend seien und früher verkauftes Land zurückerstanden hätten. Gewaltthätigkeiten waren noch nicht vorgekommen und die Rechte der gegenwärtigen Grundbesitzer hatten bis jetzt noch immer die gebührende Achtung gefunden; aber selbst die bittersten Feinde der Missionaire können nicht läugnen, dass das ruhige Verhalten der Eingeborenen hauptsächlich dem Einfluss und der Ueberredungsgabe dieser vortrefflichen und frommen Männer zu verdanken ist, die wegen der grossen Entbehrungen und Beschwerlichkeiten, denen sie sich bei ihren eifrigen Bestrebungen, die Segnungen des Christenthums unter den Heiden zu verbreiten, aussetzen, bei ihnen in grosser Achtung stehen.
Die Favorite traf am 2. September früh ein und Commandeur Sullivan ging an Bord, um Lieutenant Dunlop, der das Schiff seit dem Tode seines Capitains befehligt hatte, abzulösen. Er lag damals so hart an den Wunden darnieder, die er in jenem unglücklichen Gefechte, in welchem der Capitain fiel, erhalten, dass er zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach England gehen musste. Er begab sich daher den folgenden Tag nach Auckland, wo ein Schiff zur Abreise nach Sidney und von dort nach England segelfertig lag. Ich benutzte diese Gelegenheit, um Depeschen an den Secretair der Admiralität zu senden.
Unsere magnetischen und Pendelbeobachtungen gingen zu unsrer Zufriedenheit vor sich; da sie jedoch auf Kosten der Regierung unter Aufsicht des Oberst Sabine veröffentlicht und binnen Kurzem vollständig erscheinen werden, gehe ich hier nicht näher darauf ein.