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Oxford, den 1. November 1642.
Victoria! Der erste Schritt ist gethan! Wir haben ihnen für's Erste eine gute Lehre gegeben, obgleich sie uns und den König manch edles Leben gekostet hat. Lord Essex ist froh, sich nach London zurückziehen zu können, um die geängstigten Bürger zu beruhigen, und läßt das Land dem Könige offen. Allein mein Vater hat uns im Vertrauen gesagt, daß ohne die Unvorsichtigkeit des Prinzen der Sieg bei Edgehill weit vollständiger gewesen wäre. Ja beinahe hätten sich nach der Schlacht in Gegenwart des Königs der Prinz und ein Edelmann duellirt, weil Letzterer ziemlich offen seine Ansicht über diese Sache äußerte. Der Prinz nämlich hielt sich mit Plündern der Bagage auf, nachdem er die Rebellen bis Keinton verfolgt hatte, und kehrte mit Beute beladen zu der Armee des Königs zurück, die er nicht in so guter Ordnung antraf, wie es hätte der Fall sein können, wenn er mit seinen Truppen dabei geblieben wäre.
»Wir bringen Eurer Majestät einen guten Bericht über die Reiterei des Feindes,« sagte er. »Ja,« versetzte jener Edelmann, der dabei stand, »und auch von seinen Karren!« Für diesen Scherz würde der stolze, heftige Prinz blutige Rache genommen haben, wenn sich der König nicht alle Mühe gegeben hätte, eine Versöhnung zu Stande zu bringen.
Nachschrift. – Die kaum zehn und zwölf Jahre alten Prinzen Karl und Jakob sind einer großen Gefahr entgangen. Ihr Hofmeister, der gelehrte Dr. Harvey, saß ruhig mit ihnen auf dem Grase und las in einem Buche, ohne das Geringste zu bemerken, als auf einmal die Kugeln um sie herum zischten. Ich begreife nicht, daß man königliche Kinder Leuten anvertraut, deren Verstand wie bei den Philosophen immer an den äußersten Enden der Erde verweilt. Wer weiß, wie ganz anders sich Alles in der Welt gestaltet hätte, wenn Dr. Harvey mit den jungen Prinzen nur noch einige Minuten länger dort sitzen geblieben wäre!
Allein die besten Früchte des Sieges beginnen sich schon zu zeigen. Edelleute, deren Treue ein wenig schwankend geworden war, kommen, wohl gerüstet und beritten, mit zahlreichem Gefolge herbei, um dem König ihre Dienste anzubieten.
Diese finstere und stattliche alte Stadt nimmt sich in dem kriegerischen Schmucke prächtig aus und widerhallt von kriegerischer Musik.
Vater, Mutter und ich wohnen in dem Lincoln-Collegium, weil ein entfernter Vetter von uns, Sir William Davenant, der viele Lustspiele und Possen geschrieben hat und nun im Heere des Königs ficht, ein Collegiat dieser Anstalt ist, so wie noch mehrere unserer Verwandten aus dem nördlichen Theile des Landes. Mir ist ganz heimisch zu Muthe in diesen Zimmern mit ihren dicken Mauern und den hohen schmalen Bogenfenstern wie die des Thurmzimmers in unserm Schlosse, heimischer als den alten Mauern und viereckigen Höfen bei all diesem Waffenlärm und Trompetengeschmetter.
Nicht als ob in dem großen innern Hofe, auf welchen meine Schlafzimmerfenster hinaus gehen, gerade sehr viel zu sehen wäre. Ein alter Weinstock rankt sich an einer Seite der Mauer empor und umgibt das gewölbte Portal, und sein rothes und braunes herbstliches Laub, das vom Winde bewegt wird, macht eine angenehme ländliche Musik, während ich schreibe. Dieser Weinstock wird hier im Collegium in hohen Ehren gehalten, da er den Text der Predigt »Suche diesen Weinstock heim« illustrirte, welche vor mehr als zweihundert Jahren dem frommen Bischof von Rotheram den Gedanken eingab, der zweite Gründer dieses Collegiums zu werden.
Durch dieses gewölbte Portal sehe ich auf die sonnige Straße hinaus, wo hin und wieder glänzende Waffen, bunte Cavaliersmäntel oder ein prunkender Reitertrupp auftauchen. Das ist Alles, was ich von der äußern Welt zu sehen bekomme.
Allein meine Mutter, glaube ich, würde gern ihr ganzes Leben an einem solchen Orte zubringen. Mehr als einmal täglich zieht sie sich in einen stillen Winkel der neuen Kapelle zurück, um ihre Andacht zu verrichten, ganz entzückt von der Ruhe und Stille und von den herrlichen Farben der gemalten Fenster, welche Bischof Williams (früher Erzbischof Lauds Gegner und jetzt sein Mitgefangener im Tower) vor einigen Jahren aus Italien gebracht hat.
Vor dieser Kapelle ist ein Garten, worin wir uns ergehen und über die Aussichten unseres Vaterlandes und von unseren Freunden in Netherby reden, von denen wir jetzt auf so traurige Weise getrennt sind.
Denn Roger und Herr Drayton sind bei dem Rebellenheer. – Ach, es ist nicht länger daran zu zweifeln! – und täglich können sie und meine sieben Brüder, die alle bei der königlichen Armee sind, einander feindlich gegenüberstehen.
Den 8. November. – Der König ist mit der Armee, mit meinem Vater und den Brüdern nach Reading gezogen; und die Stadt ist jetzt sehr still ohne sie.
Sir Launcelot hat jetzt Dienst im Schlosse. Ich wollte, einer meiner Brüder wäre an seiner Stelle hier geblieben. Ich werde ihn jedoch für's Erste nicht sobald zu sehen bekommen. Er wird es schwerlich wagen, sich uns zu nähern, nach dem, was ich ihm diesen Morgen gesagt habe.
Er trat lachend herein und erzählte, er habe soeben am Thore einem Zusammentreffen zwischen einem alten Rebellenweibe und vier Plünderern des Prinzen Ruprecht beigewohnt. »Sie zankte sich mit ihnen um den Besitz eines nüchtern puritanisch aussehenden alten Gaules,« sagte er. »Sie forderten dasselbe für den Dienst des Königs«. Sie sagte, das könne wohl sein; aber in diesem Falle wolle sie es selbst einer Person am Hofe des Königs, an welche sie einen Brief habe, übergeben.
»Haben Sie nicht ein gutes Wort für sie eingelegt?« fragte ich.
»Ich werde wohl ein solch fahrender Ritter sein, Fräulein Lätitia!« versetzte er; »da hätte ich, meiner Treu, viel zu thun! Ueberdies kämpfen die Gottseligen gemeiniglich gar wacker um ihre fleischlichen Güter, und bei dieser Gelegenheit schien das Weib eben so gut den Sieg davontragen zu können wie ihre Gegner; nichts davon zu sagen, daß sie zahnlos und voller Runzeln war.«
Dies entflammte meinen Zorn, wie eine spöttische Bemerkung über ältere Frauen immer zu thun pflegt. »Ein ärmliches Ritterthum, das sich nicht genug seiner eigenen Mutter erinnert, um einer alten, runzligen Frau eine hilfreiche Hand zu bieten! In wenigen Jahren werden wir selbst runzlig und zahnlos sein, mein Herr, und unsere Phantasie ist nicht so schwach, daß wir uns diese Zeit nicht jetzt schon vorstellen und alle diese feigen, herzlosen Scherze auf uns anwenden könnten. Ich bin unter den Puritanern an eine edlere Ritterlichkeit gewöhnt worden!«
Er lachte und that ziemlich pathetisch Abbitte. Seine Mutter, sagte er, sei gestorben, als er noch zu jung war, um sich ihrer zu erinnern. Dies möchte ihm vielleicht zur Entschuldigung dienen. Allein Rogers Mutter starb auch, als er noch ein kleines Kind war. Doch mag dem sein, wie ihm wolle, ich war nicht aufgelegt auf ihn zu hören. Und während wir sprechen, tritt ein Bedienter in's Zimmer um mir zu sagen, daß eine arme Frau aus Netherby im Vorzimmer warte und mich oder meine Mutter zu sprechen wünsche.
Es wahr Rahel Forster.
Ihr nettes puritanisches Kleid und ihre einfache, eng geschlossene Kapuze (die, wie mir däucht, ihr blasses angegriffen aussehendes Gesicht so zierlich umgibt) waren ziemlich zerknittert, und obgleich ihre Augen den gewohnten ruhigen Ausdruck hatten (nur ein weniger stolzer als sonst), zitterte sie doch und nahm dankbar den Stuhl an, welchen ich ihr anbot.
»Es ist Euch nicht leicht geworden durch die Reihen der königlichen Soldaten zu kommen,« sagte ich.
»Nichts als einige rohe Scherze am Thor, Fräulein Lätitia,« erwiderte sie; »aber ich bin nicht an dergleichen gewöhnt, so wenig als so allein in der Welt herumzuziehen. Aber ich bin in guter Obhut gewesen. Und nun bin ich hier,« setzte sie mit Inbrunst hinzu; »und das ist alles, was ich erbeten habe!«
»Hat man Euch Euer Pferd nehmen wollen?« fragte ich.
»Sie haben es genommen,« sagte sie. »Aber das macht nichts. Es war ein treues Thier und es macht mir Sorge, wie sie es wohl behandeln werden. Allein die Thiere haben nur ein Jetzt und kein Vorher und Nachher, was ihnen vielen Schmerz erspart.« Dann überreichte sie mir, ohne weitere Worte zu machen, Oliviens Brief.
Aus diesem erfuhr ich, daß Roger mit Hiob Forster hier im Schlosse gefangen liegt.
Ich ging in's andere Zimmer und fragte Sir Launcelot, ob er etwas davon gewußt habe.
»Ich erfuhr es vor ein Paar Tagen,« erwiderte er zögernd; »aber ich mochte es Ihnen und Lady Lucia nicht mittheilen, weil Sie so mitleidig sind, und ich fürchtete, Sie unnöthig zu betrüben.«
»Es wäre an uns gewesen zu beurtheilen, ob es unnöthig war oder nicht, Sir Launcelot,« sagte ich.
»Kann ich etwas für Sie thun?« fragte er in Verwirrung.
»Nein,« entgegnete ich. »Sie hätten einer alten Frau, einer Freundin von mir, helfen können, welche Sie diesen Morgen in großer Verlegenheit am Thore fanden. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen; ich habe keine Zeit zu verlieren – ich muß zu meiner Mutter gehen.« Und mit diesen Worten zog ich mich in das innere Gemach zurück, um sogleich meine Mutter zu holen und zu sehen, was gethan werden könnte, während Sir Launcelot sich durch das Vorzimmer entfernen mußte, in welchem Rahel Forster saß.
Ich denke, er wird sich wohl nicht sehr beeilen uns wieder zu besuchen.
Meine Mutter und Rahel sind stets gute Freunde gewesen. Beide leben viel auf den Höhen, von welchen aus die Parteifarben in dem gemeinsamen Sonnenschein sich verschmelzen; und beide sprechen nicht halb so viel über Religion als sie denken und fühlen.
Es gab daher nicht viel zu sprechen, als meine Mutter den Zweck ihrer Reise gehört hatte. In wenigen Stunden hatte die Fürsprache meiner Mutter für Rahel die Erlaubniß ausgewirkt, ihren Gatten zu besuchen, unter der Bedingung, daß es in Gegenwart meiner Mutter geschehe.
»Es war ein widerlicher ungesunder Kerker,« sagte sie, »in dem viele Menschen wie eine Herde Vieh zusammen gesperrt waren, wo Luft und Licht nur spärlich hineindringen konnte und Einer den Andern pflegen mußte.« Hiob lag in einem Winkel auf ein wenig Stroh und sah traurig verändert aus; – seine sonst so kräftigen Glieder waren schwach und abgemagert und sein Auge blickte matt und trübe. Doch erheiterte sich sein Gesicht wunderbar, als er Rahel gewahrte.
»Ich dachte wohl, Du würdest kommen,« sagte er, »obgleich ich Dich bat es nicht zu thun. Ich wußte, Du hattest gelernt, daß ›Alle Dinge möglich sind.‹«
Meiner Mutter Fürbitte verschaffte ihnen die große Wohlthat einer eigenen Zelle, welche zwar eng, niedrig, feucht und unterirdisch war, in der sie aber wenigstens allein bleiben durften. Und noch ehe Mutter sich entfernte, hatten Rahels geschickte Hände das Stroh und die Matten so geordnet, daß es einem anständigen Krankenlager glich, während ihre Gegenwart die dunkle Zelle erhellte und heimisch machte.
Nun begab sich meine Mutter zu Roger Drayton. Seine Wunde war weniger schlimm als Hiobs, und seine Wohnung minder elend, obgleich noch traurig genug. Ueberhaupt hörte man viele Klagen über die Gefängnisse. Allein ich fürchte, alle Kriegsgefängnisse sind hart, da sie in der Eile und nicht sehr sorgfältig eingerichtet werden.
»Haben Sie Hiob Forster gesehen?« war seine erste Frage, nachdem er sie begrüßt hatte.
Sie erzählte ihm, was für ihn gethan worden war.
»Ich bat dringend, seinen Kerker theilen zu dürfen. Aber es wurde mir nicht erlaubt,« sagte Roger.
Mutter sagte, Roger habe, obgleich weit weniger leidend, doch viel unruhiger ausgesehen als Hiob. Er fragte nicht nach mir, bis er Olivia's Brief gelesen hatte, dann sagte er plötzlich:
»Olivia sagt, sie habe an Fräulein Lätitia geschrieben.« Tief erröthend setzte er hinzu: »Olivia ist noch ein Kind in solchen Sachen, Lady Lucia, und kann die strengen Kriegsgesetze nicht kennen. Sie werden es ihr nicht verargen, wenn sie für uns bittet, in der Voraussetzung, daß Sie etwas für uns thun könnten. Sie müssen sich durch nichts, was sie Ihnen sagen mag, beunruhigen lassen; Sie sind so gütig. Denn ich weiß, daß nichts zu machen ist.«
»Mich bekümmert nur Eins,« sagte meine Mutter ausweichend, »ich würde viel darum geben, wenn dies geändert werden könnte.«
Sie hielt es nicht für großmüthig, mehr zu sagen; allein er verstand sie gar wohl und erwiderte:
» Das kann nicht geändert werden, Lady Lucia, außer wenn Alles geändert werden könnte. Es macht mich ungeduldig genug, hier eingeschlossen zu sein; aber Zweifel macht es mir keine.«
Diese Draytons sind wie die Felsen – so fest und beinahe so hart. Nein, nicht hart. Nichts, was sie nicht sein sollten, wenn sie nur auf der rechten Seite wären!
Und Roger nannte Olivia ein Kind! Was mag er wohl von mir denken, die ich noch um zwei Jahre jünger bin als sie!
Mutter meint jedoch, daß etwas für Roger gethan werden könne. Eine Auswechselung kann Statt finden. Ein geringer Trost! Wo er sich jetzt befindet, ist er sich und Andern weniger gefährlich, als wenn er wieder in's Feld zieht. Allein Mutter sagt, die Luft und Kost im Gefängniß sei nicht besonders gesund. Und Olivia wünscht natürlich, ihn frei zu sehen. Das sind äußerst verwirrende Zeiten. Man weiß sogar nicht einmal, was man wünschen soll.
Ich möchte ihm einen Gruß sagen lassen, wenn Mutter ihn wieder besucht; allein er hat ja kaum nach mir gefragt, und sich nur gegen Oliviens Fürbitte zu seinen Gunsten vertheidigt. So stolz! Nein, ich will ihm nichts sagen lassen, kein einziges Wort. Nur ein Paar duftende Herbstveilchen aus dem Garten des Collegiums werde ich ihm senden, weil die Luft im Gefängnisse so schlecht ist.
Den 10. Februar. – Hiob Forster nahm zusehends ab. Er wäre sicher gestorben, wenn meine Mutter sich nicht eifrigst für ihn verwendet und zuletzt die Erlaubniß erlangt hätte, ihn in einem unserer Wagen nach Netherby zurückzuschicken. Sie dachte, er werde die Reise kaum überleben. Allein heute erhielten wir einen Brief von Rahel, worin sie schreibt, daß der bloße Anblick der Schmiede und der Geruch der Felder wie eine himmlische Arznei auf ihn gewirkt habe, und daß sie gar nicht an seinem Aufkommen zweifle. Dr. Antonius habe ihn besucht, und Olivia, Fräulein Gretchen und Fräulein Dorothea, und ihm kräftige Fleischspeisen und stärkende Getränke gebracht, sagt sie, und ihm Predigten vorgelesen, und Alle versichern, er könnte sich gar nicht schneller erholen. Aber sie setzt hinzu, sie hoffe, Lady Lucia werde es nicht als Undankbarkeit auslegen, wenn er seine Freiheit benütze, wieder für das Parlament zu kämpfen, da man ihn ohne Bedingung entlassen habe, und er glaube, daß der Covenant, unter dem er fechte, bestehen müsse und von ihm nicht gebrochen werden dürfe. So hat also meine süße Mutter die Schuld auf dem Gewissen, eine Natter zärtlich gepflegt zu haben, welche diejenigen stechen wird, die ihr die Theuersten sind.
Roger Drayton jedoch soll gegen einen unserer Cavaliere ausgewechselt werden und wird morgen Oxford verlassen. In all diesen Wochen, welche er hier zugebracht, haben wir kein Wort mit einander gewechselt, ausgenommen einen kalten Dank für jene Veilchen. So stolz ist er! Und für mich ziemte es sich doch nicht ihn anzureden.
Den 11. Februar. – Roger Drayton war so gnädig, uns vor seiner Abreise im Lincoln-Collegium seine Aufwartung zu machen. Allein er wollte sich kaum setzen. Ich glaube, er fürchtete überwunden zu werden, wenn er sich in einen Streit in Betreff seiner schlechten Sache einlasse. Mit mir sprach er kein Wort. Ich wäre versucht gewesen, etwas Heftiges zu erwidern. Allein er fing nicht an, und warum sollte ich es thun? Zuletzt beim Fortgehen sagte er noch:
»Fräulein Lätitia, ich gehe wieder zu Oberst Cromwell nach Cambridge. Aber vielleicht sehe ich Olivia auf der Durchreise. Kann ich ihr etwas von Ihnen ausrichten? Oft ist eine mündliche Botschaft besser als ein Brief.«
Es wollte mir nichts einfallen. Die Frage kam mir so unerwartet nach seinem Stillschweigen. Denn es war ganz sein alter Ton bei dem See, oder in den Wäldern, oder auf der Terrasse von Netherby und im Schlosse. Und die Erinnerung an mein liebes altes Netherby und an vergangene, glückliche Tage überfiel mich mit solcher Gewalt, daß ich befürchtete, meine Stimme möchte zittern, wenn ich ihm antwortete. Nur Fräulein Dorotheens Predigten kamen mir in den Sinn. Es gehen Einem oft so seltsame Dinge durch den Kopf. Nach einer Weile sagte ich ganz kurz: »Herzliche Grüße an Olivia – und sie möchte Fräulein Dorothea sagen, daß ich ihre Predigten gelesen habe.«
Seine Stimme bebte jedoch ein wenig, als er uns Lebewohl sagte. Ich glaube ganz gewiß, daß sie bebte. Noch war er nicht ganz zur Thüre hinaus, als mir tausend Dinge einfielen, welche ich hätte Olivien sagen lassen können. Aber ich konnte ihm doch nicht nacheilen, um sie ihm noch aufzutragen. So eilte ich denn nur an's Fenster, um ihm nachzuschauen. Fast bereute ich es. Denn er blickte herauf und sah mich, und schien halb geneigt wieder umzukehren. Doch besann er sich eines Andern und machte statt dessen eine seltsame kleine Verbeugung, als ob er nicht recht wüßte, ob er mich sehen sollte oder nicht. Ist ihm wohl auch Manches eingefallen, was er gern gesagt hätte? Er pflegte immer etwas langsam mit der Sprache zu sein; oder vielmehr seine Worte sagten immer zehn Mal mehr als die anderer Männer.
So schritt er durch den Hof, unter dem Schatten des gewölbten Thorweges auf die sonnige Straße hinaus. Um zu Oberst Cromwell zu stoßen! Fürwahr, ein rechter Oberst! Von wem ernannt? Das wenigstens hätte uns Roger ersparen können. Wenn es noch Herr Hampden oder Lord Essex gewesen wäre! Aber dieser fanatische Bierbrauer!
Ich bin doch froh, daß ich ihm nichts Unfreundliches sagte. In diesen Zeiten weiß man ja nie, wo oder wann man sich wieder sprechen wird. Ach! und dieser Cromwell, sagt man, ist immer da, wo es ein Gefecht gibt.
Er sah gar nicht übel aus in seiner einfachen, puritanischen Uniform, der vollständigen Rüstung der Eisenseiten, wie man sie neuerdings zu nennen pflegt. Sie scheint mir weit kriegerischer und männlicher als der bunte Schmuck unserer Cavaliere. Auffallender Putz steht wohl hübsch zu einem Tanze oder einer Maskerade, aber im wirklichen Kriege sieht, denke ich, die einfachste Kleidung am vornehmsten aus. Seine Majestät muß sich bei Edgehill gar stattlich ausgenommen haben in dem einfachen, schwarzen Sammtanzug ohne andere Verzierung als den Orden des heiligen Georg.
Im März 1643. – Gegenwärtig wohnt ein Dr. Thomas Fuller hier, der für Mutter und mich ein großer Trost ist. Durch seinen Onkel mütterlicher Seite, den Bischof von Salisbury, ist er weitläufig mit uns verwandt.
Seine Gestalt ist hoch und athletisch; seine hübschen blauen Augen drücken Heiterkeit und Güte aus; er hat eine frische Gesichtsfarbe und helles lockiges Haar. Er ist witzig genug für einen Schauspieldichter und fromm genug, bald hätte ich gesagt für einen Puritaner; ich sollte aber lieber sagen für einen Erzbischof.
Vor einigen Wochen war er in London, wo er eine Predigt hielt, um die Rebellen zum Frieden zu stimmen, den er sehnlichst herbeiwünscht. Allein sie fanden keinen Gefallen daran und verlangten, er solle einen ihrer unmanierlichen Covenants unterzeichnen, und da er dies nicht thun konnte, flüchtete er sich hierher. Ich weiß übrigens nicht gewiß, ob er sich unter unsern Possen treibenden Cavalieren heimischer fühlt.
Wenn ich nur die Hälfte der weisen und witzigen Dinge, welche er sagt, behalten könnte! Sein Witz ist mir äußerst angenehm, weil er oft beide Richtungen geißelt, Puritaner und Cavaliere, und vorzüglich die junge Generation unter den Letztern, deren stürmisches Wesen ihm schlecht zusagt. Die armen Puritaner werden ohnehin so von allen Seiten lächerlich gemacht, daß es nur gerecht ist, wenn ich mich freue, einige Pfeile auch auf die andere Seite fliegen zu sehen, besonders gegen Solche, welche ein Monopol für den Witz zu haben glauben.
»Harmlose Heiterkeit,« sagte neulich Dr. Fuller, »ist das beste Mittel gegen die Abzehrung des Muthes; aber scherzet nicht mit dem zweischneidigen Schwerte des Wortes Gottes. Magst Du Dir in nichts Anderem die Hände waschen als in dem Taufstein? Oder aus nichts Anderem Gesundheit trinken als aus dem Abendmahlskelch?«
Er steht früh auf, ist sehr thätig, und äußerst enthaltsam im Essen und Trinken. Sir Launcelot, der, wie ich vermuthe, nicht gern den Scherz auf sich gemünzt sieht, nennt ihn einen verkappten Puritaner; aber Harry und er sind ganz gute Freunde und gegen Mutter benimmt er sich, wie übrigens alle Männer, mit zarter Hochachtung. In ihrer Nähe scheint sein Witz sich aus Feuer in Sonnenschein zu verwandeln. So zärtlich ist er bemüht, ihrem nachdenklichen und ein wenig sich mit Selbstvorwürfen quälenden Gemüthe Frieden und Freudigkeit zum Lobe Gottes einzuflößen. Sie dagegen erwidert ihrerseits seine Theilnahme, indem sie ihn aufmuntert, ihr von seiner jungen, erst kürzlich gestorbenen Gattin und von seinem kleinen, mutterlosen Knaben zu erzählen.
Religion ist bei meiner Mutter nicht bloß eine Sammlung von Regeln, sondern ein Leben der Liebe, und bringt eben darum, vermuthe ich, wie jede Liebe, ihre Schmerzen sowohl als ihre Freuden mit sich. Anders vermöchte ich mir die Niedergeschlagenheit, worunter sie oft leidet, nicht zu erklären.
Eines Tages als sie es nicht wagte, sich die tröstlichen Worte der Schrift anzueignen, ermunterte sie Dr. Fuller, indem er sie an die Verheißung in dem Hebräerbriefe erinnerte: »Ich will dich nicht verlassen noch versäumen,« welche, obgleich ursprünglich dem Josua gegeben, doch allen frommen Menschen gelte. »Alle, welche sich auf den Heiland verlassen und ihm folgen,« sagte er, »sind Erben aller Verheißungen.«
Allein sie, welche nach allen Regeln der Kanonisation eine Heilige ist, obgleich sie immer wehklagt, als ob sie eine büßende Sünderin zwischen der Thüre und dem Altar wäre, wies diesen Trost zurück mit den Worten:
»Ganz recht, in der That, allen frommen Menschen!«
Worauf er, ganz verschieden von den meisten geistlichen Tröstern, die ich gehört habe, nicht mit süßen, falschen oder wahren Lobsprüchen antwortete, sondern sagte:
»In der Angst eines beunruhigten Gewissens blicke nur immer auf zu Gott, um Deine Seele standhaft zu erhalten. Denn wenn Du abwärts auf Dich selbst schauest, wirst Du nichts finden, was nicht Deine Furcht vermehrte – eine unendliche Sündenmenge und nur wenige, und unvollkommene gute Werke. Nicht auf Deinen Glauben, sondern auf Gottes Treue mußt Du Dich verlassen. Der Blick hinab auf Dich selbst, der Dir den großen Abstand zeigt zwischen dem, was Du wünschest und dem, was Du verdienest, ist hinreichend Dir Schwindel zu erregen, Dich zum Straucheln und zur Verzweiflung zu bringen. Daher hebe nur stets Deine Augen auf zu den Bergen, von welchen Dir Hülfe kommt.«
»Der Grund,« sagte er nachher, »warum so Manche in der Angst eines verwundeten Gewissens keinen Trost finden, ist, weil sie ihr Leben an dem unrechten Orte suchen, – nämlich in ihrer eigenen Frömmigkeit und Reinheit. Laßt sie noch so lange suchen, noch so tief graben und tauchen, es ist doch Alles vergebens. Denn obgleich das Leben Adams in ihm selbst verborgen war, so sind doch, seit Christus auf Erden erschienen ist, alle Beweise unserer Erlösung in höherer Obhut – nämlich in Gott selbst verborgen. Sicher hat schon manche verzweifelnde Seele, welche mit ihrem letzten Seufzer fürchtete, in die Hölle zu versinken, sich plötzlich von Gott zur ewigen Seligkeit berufen gefunden.«
Seine Worte entlockten den Augen meiner Mutter Thränen, aber sie trösteten, sagte sie, ihr Herz.
Jedoch obgleich sie die Sonne durch die Wolken scheinen sah, fürchtete sie hinter dem Sonnenschein wieder Wolken zu finden, worüber er ihr ferner Muth zusprach, indem er sagte: »Nirgends ist die Musik lieblicher als an oder auf einem Flusse, wo das Echo von dem Wasser am besten zurückgeworfen wird. Lob für Schwermuth, Dank für Thränen und der Preis Gottes über den Fluthen der Trübsal geben für das Ohr des Himmels das herrlichste Concert.«
Gute und passende Worte für sie, welche deren so sehr bedarf und sie so wohl verdient. Für mich paßt jener andere Ausspruch von ihm besser:
»Wie bequem,« sagte er, »ist Feder- und Papier-Frömmigkeit. Es kostet Einen weit weniger Mühe, seinen Kopf als sein Herz fromm zu machen. Viel leichter kann ich hundert religiöse Betrachtungen anstellen, als eine Sünde in meinem Herzen überwinden.«
Er gab meiner Mutter auch eine seiner Predigten »über die Lehre von der Gewißheit des Gnadenstandes,« die sie sehr rührt. »Alle, welche bei einem fleißigen und glaubenstreuen Leben die Gewißheit ihres Gnadenstandes suchen,« schreibt er, »können dieselbe erlangen ohne wunderbare Erleuchtung. Allein es gibt Viele, welche den rechten Glauben besitzen ohne diese Gewißheit. Wer dies leugnet, wird zarte Gewissen foltern. Wie die unvorsichtige Mutter ihr Kind tödtete, indem sie es erdrückte, so würde diese schwere Lehre manche arme, aber fromme Seele, manchen kindlichen Glauben schwer belasten und in den Abgrund der Verzweiflung stürzen.«
Im April 1643. – Dr. Fuller hat uns verlassen, um eine Kaplanstelle in Lord Hopton's Regiment anzutreten. Der Lord ist ein sehr ehrenwerther Charakter, der ihn achten und ihm Freiheit geben wird, den Soldaten so viel als möglich Gutes zu thun.
In dem Garten des Collegiums nahm er von uns Abschied, wobei er meiner Mutter ein Buch überreichte, das er voriges Jahr herausgab, als er Prediger in der Savoykirche zu London war. Es trägt den Titel: »der heilige und der weltliche Stand,« und scheint weise und witzig wie er selbst. Als er uns verließ, bat er Mutter nicht zu vergessen, daß man, da alle himmlischen Gaben nur durch Gebet erlangt werden, dieselben auch nur durch Loben und Danken erhalten und vermehren könne.
Nachschrift. Mir gefällt sehr gut, was er vom Zorn sagt: »Der Zorn ist eine Sehne der Seele. Wer gar nicht zornig werden kann, hat ein verkrüppeltes Gemüth!« Ich wollte, ich hätte diesen Ausspruch schon gekannt, um Roger Drayton damit zu trösten, als Sir Launcelot ihn zu jenem Schlage reizte.
Ein anderer Ausspruch jedoch ist vielleicht eben so nützlich, wenigstens für mich! »Werde nicht zornig über einen verzeihlichen Fehler. Wer bei der Landung jedes Kahnes die Lärmfeuer anzündet, wird eine seltsame Feuersbrunst in seiner Seele anrichten!«
Wir vermissen Dr. Fuller schmerzlich; meine Mutter wegen seines geistlichen Trostes, und ich, weil er es wagt, von frommen Menschen der feindlichen Partei Gutes zu sagen, und zwar auf eine so witzige und treffende Weise, welche keinem spöttischen Scherz den geringsten Anlaß gibt, ihn zu bestreiten.
Wenn Dr. Fuller Unterpfarrer in Netherby gewesen wäre und die Draytons ihn gekannt hätten, würde sich vielleicht Manches anders gestaltet haben.
Jetzt scheint leider weniger Hoffnung auf eine friedliche Ausgleichung bis zu Weihnachten vorhanden, als ich voriges Jahr hegte!
Den ganzen März hindurch waren die Commissäre des Parlaments hier und sind eben erst abgereist.
Es waren einige Lords und einige Mitglieder des Unterhauses. Allein sie haben nichts ausgerichtet. Was war auch von Unterthanen zu erwarten, die mit ihrem obersten Lehnsherrn wie mit einer feindlichen Macht unterhandeln?
Lord Falkland, der jetzt Sekretär des Königs ist, besucht Mutter hie und da. Diejenigen, welche ihn vor dem Ausbruch dieser traurigen Rebellion kannten, sagen, er sei nicht mehr derselbe wie früher. Während sonst sein Geist so frei und offen war, alle weisen und heitern Gedanken Anderer aufzunehmen, wie sein Schloß zu Groß Tew hier in der Nähe so frei und offen stand, ihre Personen zu bewirthen, daß man es ein kleines Collegium in reinerer Luft zu nennen pflegte; so ist er jetzt oft in Gedanken versunken, wie man sagt, und seufzt und stöhnt: »Friede! Friede!« Er meint, er werde gewiß bald an einem gebrochenen Herzen sterben, wenn dieser traurige Krieg noch lange währe. Besonders traurig ist er, seit die königliche Armee auf ihrem Marsch gegen London von Brentford zurückgeschlagen wurde.
Allein uns, die wir ihn nicht mit dem, was er selbst früher gewesen, sondern nur mit andern Männern vergleichen, scheint er der freundlichste, leutseligste aller Cavaliere, der stets bereit ist, den Gedanken und Wünschen Anderer, selbst den Kleinsten und Niedrigsten ein williges Ohr und gerechte Erwägung zu leihen.
Wir hatten ihn ehedem nicht genau gekannt, weil er sich auf die puritanische Seite hinneigte (da er ein intimer Freund von Hampden war), von dem Erzbischof Laud eine schlimme Meinung hatte und überhaupt nicht gut auf Bischöfe und bischöfliche Verfassung zu sprechen war.
Allein in diesem Kampfe sind, glaube ich, die Edelsten von jeder Partei diejenigen, welche fast zu der andern gehören, nicht in Betreff der Anhänglichkeit – denn Lauheit ist nie eine Tugend – sondern in Bezug auf Charakter und Ueberzeugung.
Die Königin ist wieder zu uns zurückgekehrt, so anmuthig und reizend als je. Allein Manche denken, der König würde, wenn sie nicht da wäre, eher gemäßigten Rathschlägen folgen. Er betet sie noch immer völlig an und wird dem Parlament wohl schwerlich verzeihen können, das gewagt hat, sie öffentlich anzuklagen! Dies wäre fast eine Gotteslästerung, wenn man es nicht eher als eine Thorheit unartiger Kinder ansehen könnte, welche große Herren und Damen spielen.
Den 26. Juni. – Herr Hampden ist todt. Ein merkwürdiger Beweis des göttlichen Gerichts (wie Herr Hyde sagt) fügte es, daß er auf Chalgrove-Field tödtlich verwundet wurde, gerade an derselben Stelle, wo er vor wenigen Monaten angefangen hatte, die rebellische Miliz-Ordonnanz zu proklamiren. Er fiel in einem Scharmützel mit Prinz Ruprecht. Noch in derselben Nacht verbreitete sich unter uns das Gerücht, daß er ungewöhnlich leidend sein müsse, da man ihn mitten im Gefecht mit tief gesenktem Haupte und die Hände auf den Nacken seines Pferdes herabhängend hatte vom Kampfplatz hinwegreiten sehen, was bei ihm etwas Unerhörtes war. Nicht ganz vierzehn Tage darauf starb er, wie man sagt, nach furchtbarem Todeskampf, aber bis an's Ende in seinem Irrthum beharrend, so daß sein Gemüth nicht beunruhigt war.
Der König würde ihm gern einen seiner eigenen Wundärzte geschickt haben, wenn es etwas hätte helfen können.
Er lag meiner Mutter sehr auf dem Herzen, seitdem sie erfahren, daß er verwundet sei. Denn er galt stets für einen muthigen und tadellosen Edelmann und es betrübte sie tief, daß er, ohne ein bußfertiges Wort zu äußern, verschied.
Allein sein letztes Wort war gar nicht so übel um darauf zu sterben; denn man sagt, er habe geseufzt: »O Gott, rette mein blutendes Vaterland!«
Aber Mutter sagt, es gebe Papisten, welche nie die Messe für etwas Unrechtes gehalten und die gebenedeite Jungfrau stets als Himmelskönigin betrachtet hätten, die aber doch im Sterben unsern hochgelobten Heiland mit solcher Inbrunst anriefen, daß er sie ganz gewiß habe erhören müssen. Und wir dürfen wohl hoffen, daß Herrn Hampdens Ketzerei nicht schlimmer ist.
Die Meisten unter uns betrachten seinen Tod nur als unsere Befreiung von einem der Hauptrebellen und sagen, dies sei mehr als ein ganzes Heer. Denn er war der beliebteste Mann im ganzen Lande. Aber Einige von uns sprechen davon, was England an ihm verloren habe, und sagen, seine und Lord Falklands Hände wären die einzigen gewesen, welche unser zerrissenes Vaterland wieder hätten vereinigen können.
Ich sehe gar nichts Ruhmvolles in dem Ruhm dieses Krieges, nichts Triumphirendes in seinen Triumphen, keinen Gewinn bei seiner Beute.
Das Herz thut mir weh, wenn ich Prinz Ruprecht und seine Cavaliere von ihren Einfällen überall im Lande, ganz stolz auf ihre gelungenen Unternehmungen und mit Beute beladen, zurückkehren sehe. Ich kann mich dann nicht erwehren, mir im Geiste die armen Bauern vorzustellen, wie sie durch ihre ausgeplünderten Kornböden und Ställe wandern, wie das Weib über ihre leere Milchkammer und die Kinder um das Vieh und die Hühner jammern, die für sie nicht »Vorräthe« allein, sondern auch Freunde sind; obgleich sie, leider! auch diese nur zu bald vermissen und vergebens darum weinen werden.
Und doch sind es unsere eigenen englischen Häuser und Höfe, welche so verwüstet und ausgeplündert werden. Welcher Triumph kann dabei für irgend Eines unter uns sein? Ich wollte das Herz dieser Pfälzer Prinzen fühlte ein wenig mehr Theilnahme für die Landsleute ihrer Mutter!
Die einzige Hoffnung ist nur, daß all diese Greuel das Ende herbeiführen werden, den »Frieden, Frieden,« nach dem Lord Falkland seufzt.
Allein ich weiß doch nicht; ich denke an Netherby und die Draytons, und ich bezweifle, daß englische Herzen durch Schrecken und Plünderung sich wieder gewinnen lassen.
Den 28. August 1643. – Frohe Hoffnung! Endlich wenigstens etwas wie ein Blick auf das Ende.
Zwei denkwürdige Monate sind vorüber.
Alles geht glücklich für den König und die gute Sache im Norden, Süden und Westen.
Im Norden schlug der Graf von Newcastle am 3. Juni den Lord Fairfax und die Rebellen bei Atherton Moor. Wenige Tage darauf ergaben sich York, Gainsborough und Lincoln, und dem Parlament bleibt keine Stadt mehr übrig zwischen Berwick und Hull.
Zehn Tage nachher, am 13. Juni wurde Sir William Waller auf der Landsdowner Heide bei Devizes geschlagen und seine ganze Armee zerstreut. Der einzige Verlust von unserer Seite, womit dieser Sieg erkauft wurde, ist der Tod des tapfern und frommen Sir Bevil Grenvill, dessen ihm treu ergebene Gemahlin Lady Gratia meine Mutter innigst beklagt.
Der Westen, sagt man, sei loyal, Cornwallis eifrig für den König.
Und am 22. Juli, nicht vierzehn Tage nach jenem Siege nahm Prinz Ruprecht Bristol ein und sicherte uns auf diese Weise Wales, das überdies wohlgesinnt sein soll.
Ja, unsere Hoffnungen sind hoch gespannt. Nur ein Wölkchen ist am ganzen Horizont, und dieses ist so klein, daß ich es nicht erwähnen würde, wenn nicht ein alter Freund darunter wäre. Herr Cromwell (oder Oberst Cromwell, fürwahr! wie man ihn jetzt nennt), gewann einen leichten Vortheil bei Grantham und Gainsborough und stürmte Schloß Burleigh. Ueberhaupt heißt es, er bringe Glück mit, wo er auch sei. Aber ich hoffe, dies sei von keiner übeln Vorbedeutung. Jedoch solche unbedeutende Scharmützel können wenig Gewicht haben gegen wirkliche Siege, eingenommene Städte und neubelebte Treue im Norden und Westen und Süden. Und wenn die Rebellen irgendwo siegen mußten, so ist mir's am liebsten da, wo Roger Drayton ist; denn es liegt im Charakter der Draytons, im Glücke nachgiebiger zu sein als im Unglücke.
Jetzt ist Seine Majestät eben mit dem Heere froh und siegesmuthig ausgezogen, um die eigensinnige und untreue Stadt Gloucester zu belagern.
Es heißt, Lord Essex sammle ein Heer um sich ihm entgegenzustellen. Eine entscheidende Schlacht, sagen Lord Falkland und andere kluge Männer, wird das Ende des Krieges herbeiführen.
Den 22. September 1643. Ich kann es nicht begreifen. Man sagt, bei Newbury sei ein Sieg erfochten worden, und doch scheint er gar keine Folgen zu haben. Der König ist wieder hier; die Belagerung von Gloucester ist aufgehoben, und unsere Partei beginnt unter sich um Stellen, Titel und Würden zu zanken. Ich meine, damit hätten sie auch noch ein wenig warten können, wenigstens bis der Hof wieder nach Whitehall zurückgekehrt wäre.
Es ist jedenfalls ein gutes Zeichen, daß drei rebellische Grafen, Bedford, Holland und Clare zu ihrer Pflicht zurückgekehrt sind. Der Graf von Holland hat die Miliz für das Parlament aufgeboten, und hat daher Grund genug zur Reue. Die Meinungen über die Art, wie man sie empfangen soll, sind sehr getheilt; die ältern Cavaliere rathen zu einem klugen Vergessen ihres Fehlers; wir Jüngern aber möchten, daß man sie, wie unartige Kinder, wenn auch nicht mit Vorwürfen, doch mit kalter, stolzer Gleichgültigkeit aufnähme, um ihnen zu zeigen, daß man ihrer nicht bedarf. Es würde nicht wohl anstehen, wollte man zu froh sein. Und überdies sind drei Leute mehr da, welche Ansprüche an die königliche Gnade machen, und die Getreuen können es nicht leiden, daß die Treulosen besser behandelt werden als sie, die des Tages Last und Hitze getragen haben.
Ich dachte, das Glück sollte uns vereinigen; allein dies scheint nicht der Fall zu sein.
Und Harry sagt, die Edelsten seien dahin. Die Edelsten, sagt er, fallen immer in solchen Kämpfen als die ersten Opfer, und darum werde der Streit immer grausamer und gemeiner von Jahr zu Jahr.
Lord Falkland fiel bei Newbury. Am Abend nach der Schlacht wurde er vermißt; allein die ganze Nacht hindurch hoffte man, daß er nur gefangen sei. Jedoch des Morgens fand man ihn unter den Gefallenen, nur zu froh, seinen Abschied erhalten zu haben, wie Harry sagt. Am Morgen vor der Schlacht war er, wie gewöhnlich, sehr heiter, da sein Muth stets bei Annäherung der Gefahr wuchs. Seine Freunde redeten ihm zu, nicht mit in die Schlacht zu gehen, da er keine Soldaten zu befehligen hatte; aber er ließ sich nicht abhalten. Stolz ritt er in den vordersten Reihen von Lord Byrons Regiment zwischen zwei Hecken dahin, hinter welche die Rundköpfe ihre Musketiere versteckt hatten. »Ich bin dieser Zeiten müde,« sagte er zu denjenigen, welche ihn baten, sich zurückzuziehen; »ich sehe viel Elend für mein Vaterland voraus; allein ich glaube, noch vor der Nacht werde ich erlöst sein.«
Und das war er auch. Nun braucht er nicht mehr, wie so oft in den letzten Monaten, schmerzlich auszurufen: »Friede, Friede!« Jetzt singt er es, wie wir hoffen, dort, wo fromme Menschen alle Verwirrungen und Dunkelheiten und auch sich unter einander verstehen werden.
Falkland und Hampden! Ach! wer wird alles noch fallen müssen, ehe die Friedenslieder auf Erden gesungen werden?
Die zwei rechten Hände sind kalt und steif, durch welche der König und die Nation in Einigkeit hätten verbunden werden können.
Wer oder was soll uns nun verknüpfen?