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Siebtes Kapitel.
Der Notmast.

Alle Mann mühten sich aus Leibeskräften, einen Notmast zu errichten. Ein unbeschreibliches Gefühl der Hoffnungslosigkeit überkam mich beim Anblick der dünnen Spiere, die unsere drei stolzen Masten ersetzen sollte ...

Wie konnte der Fetzen Leinwand, den die schmächtige Holzstange dort tragen konnte, uns aus dieser entsetzlichen Lage befreien! Unwillkürlich formten meine trostlosen Gedanken sich zu Worten.

»Das nützt doch nichts!« rief ich aus; »die Spiere ist ja viel zu dünn, um ein Segel zu tragen!«

»Dann wird sie uns als Signalstange gute Dienste leisten,« erwiderte Mrs. Burke. »Eine Flagge müssen wir hissen, denn ein flach daliegendes Wrack ist auf vier Meilen Entfernung schon nicht mehr sichtbar.«

Der Kapitän nickte uns ermutigend zu.

»Manche gute Brise ist schon mit noch dünneren Masten aus der Seeschlacht in den Hafen bugsiert worden,« rief er, halb zu den Leuten, halb zu mir gewandt. Dann riet er mir, nicht zu lange an Deck zu bleiben und mir das Herz nicht unnötig schwer zu machen.

»Nimm Miß Otway wieder mit nach unten, Mary,« sagte er zu seiner Frau, »der Anblick dieser Verwüstung hier ist nichts für sie.«

»Soll der Notmast ein Segel tragen?« fragte ich.

»Gewiß, wenn es uns gelingt, ihn ordentlich zu befestigen, können wir zwischen seiner Spitze und dem Bugsprietende ein Stück Segelleinwand ausspannen. Und bläst dann der Wind aus Süden oder meinetwegen auch nur aus Osten oder Westen, so wollen wir schon wieder vorwärts kommen. Doch jetzt hinunter mit Ihnen, Miß, Sie sehen ja schneeweiß aus.«

*

Die hereinbrechende Dunkelheit brachte wieder schweres Wetter. Von Kap Horn her blies ein eisiger Schneesturm über die See, die bald wieder einem kochenden Hexenkessel glich.

Die Mannschaft suchte, wie tags zuvor, in der Kajüte Zuflucht und kochte hier, so gut es ging, ihr Abendbrot. Auch wir, Kapitän Burke, seine Frau und ich, setzten uns zu einer Mahlzeit nieder, die aus etwas kaltem Fleisch und einer Tasse heißen Kaffees bestand. Mr. Owen erschien gleichfalls auf der Schwelle seiner Kabine, zog sich aber, als er den Kapitän bemerkte, sofort wieder zurück und schloß die Tür hinter sich. Mr. Burke nahm keine Notiz von ihm. Seine hoffnungsfreudige Stimmung war wieder verflogen und hatte tiefster Niedergeschlagenheit Platz gemacht. Düster brütend starrte er vor sich hin, sprach kein Wort und rührte kaum einen Bissen an. Seine Frau warf ab und zu einen besorgten Blick auf ihn, wagte aber nicht, ihn anzureden oder zum Essen zu nötigen.

Von Zeit zu Zeit ging einer der Leute nach oben, um Ausguck zu halten, doch alle kehrten mit dem Bescheid zurück, man könne an Deck keine drei Schritt weit sehen. Der Kapitän kümmerte sich um nichts; nur als der Bootsmann von einem solchen Rekognoszierungsgange wiederkam, fragte er:

»Klärt es sich noch nicht auf?«

»Es schneit, daß man nicht die Hand vor den Augen sehen kann,« war die Antwort.

»Eisgeruch in der Luft?«

»Nein, Kapitän.«

Ich wunderte mich über den Ausdruck.

»Kann man denn Eis riechen?« fragte ich.

Der Kapitän warf mir einen abweisenden Blick zu und bejahte kurz und schroff.

Mrs. Burke, die sich trotz aller Sorgen über ihres Mannes Unhöflichkeit ärgerte, wandte sich an den Bootsmann, dessen stämmige, gedrungene Gestalt sich auf dem warmen Plätzchen neben dem Ofen durch wiegende Bewegungen im Gleichgewicht zu halten suchte:

»Haben Sie schon einmal Eis gerochen, Mr. Wall?«

»Ja, Madam,« antwortete er mit einem scheuen Seitenblick auf den Kapitän, der sich erhoben hatte und die Kajütentreppe hinaufstieg. Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloß gefallen, als Mr. Owen, der den Kapitän durch das Schlüsselloch beobachtet haben mußte, die Kajüte betrat.

» Wie riecht Eis eigentlich?« fragte ich. Die Furcht vor einem Zusammenprall unseres Fahrzeuges mit einem Eisberg beherrschte mein ganzes Denken und Empfinden, und ich brannte darauf, zu erfahren, wie man die Annäherung dieses furchtbaren Feindes in tiefer Dunkelheit, ohne ihn zu sehen, wahrnehmen könne.

»Es ist kein Geruch im eigentlichen Sinne, sondern ein ganz besonderes Kältegefühl, das man beim Einatmen der Luft spürt,« sagte der Bootsmann. »Auf meiner ersten Reise in diesen Breiten hab' ich es selber kennen gelernt, als uns in der Nähe von Kap Horn ein Nebel überfiel, dick wie Milchbrei. ›Kapitän, es riecht nach Eis!‹ hörte ich plötzlich den Bootsmann rufen, und gleich darauf tönte auch aus dem Mastkorb der Ruf: ›Eis in Sicht!‹ ›Hart Backbord!‹ schrie der Kapitän, und in demselben Augenblicke tauchte dort auch ein gewaltiger Eisberg auf, der beinahe unser Bugspriet streifte. Damals lernte ich den Eisgeruch kennen.«

Ein zustimmendes Gemurmel durchlief den Kreis der Matrosen, »'s Eis kann man riechen,« murmelten sie.

Auch in dieser Nacht ließen die jähen Bewegungen des Schiffes, das Heulen des Sturmes und der donnernde Anprall der Wogen an die Seitenwände meiner Kabine mich kaum ein Auge zutun. Am nächsten Morgen aber herrschte wunderbarer Weise wieder völlige Windstille, und ich konnte gegen zwölf Uhr mit Mrs. Burke an Deck gehen.

Die dünne Spiere, die uns jetzt als Notmast diente, war von allen Seiten so vielfach gestützt, daß ihr unteres Ende aussah, wie die Innenseite eines Regenschirms. Eben bemühten sich die Leute, ein Stück Segelleinwand an einer Raa zu befestigen, die sie nachher an dem neu errichteten Mast emporhissen wollten. Auf dem gegenüberliegenden Ende des Decks, dessen glattgefrorene Planken ich bei dem schweren Rollen des Schiffskörpers nicht zu überschreiten wagte, lag die notdürftig ausgebesserte Kombüse, aus deren schiefem Schornstein wieder dünner gelblicher Rauch in die Luft emporwirbelte und der Lady Emma einen matten Widerschein ihrer einstigen anheimelnden Traulichkeit verlieh.

Vergeblich durchforschten meine Blicke den Horizont nach einem rettenden Segel. Nur die flimmernden Eismassen, die wir schon gestern bemerkt hatten, leuchteten noch immer mit magischem Glanz in derselben Richtung und Entfernung auf dem bleigrauen Wolkenhintergrunde.

»Kommt denn niemals ein Schiff in diese Gegend?« fragte ich.

»Oh doch, viele sogar,« entgegnete Mrs. Burke.

»Was für welche?«

»Meistenteils Walfischfänger, wie Edward sagt.«

»Was würde Kapitän Burke tun, wenn uns ein Schiff begegnete?«

»Er würde es auffordern, uns ins Schlepptau zu nehmen.«

»Und wenn der andere Kapitän nicht will? Wie kann man einem anderen Fahrzeug zumuten, bei so schwerem Seegang ein unbehilfliches Wrack ins Schlepptau zu nehmen? Und was sollte das Schiff wohl mit uns anfangen, wenn wir wieder so einen Sturm bekommen wie gestern oder vorgestern?«

Mrs. Burke schwieg.

»Nein,« sagte ich, »ich glaube, daß Kapitän Burke das andere Fahrzeug ersuchen würde, uns alle aufzunehmen.«

Mrs. Burke schüttelte den Kopf.

»Mein Mann verläßt die Lady Emma nicht. Wenn er auch den Verlust seines unversicherten Eigentümer-Anteils verschmerzen würde, so stände doch seine Berufsehre auf dem Spiel, sobald er das ihm anvertraute Schiff im Stiche ließe und nicht alles daran setzte, es zu retten. Und das wird geschehen, wenn überhaupt noch Rettung möglich ist,« setzte sie mit einem angstvollen Blick hinzu.

Unterdessen schickten die Leute sich an, das Segel zu setzen, und der kunstlose, einförmige Arbeitsgesang der rauhen Seemannskehlen klang mir wie ein tröstliches Hoffnungslied. Langsam schwebte die Segelstange am Notmast in die Höhe. Aber die Leinwand begann bei den heftigen Schwankungen des Schiffes sofort so zu flattern, daß die dünne Raa sich bog wie ein Weidenzweig. Der Kapitän befahl, die ganze Vorrichtung wieder herunterzulassen, bis ein frischer Wind dem Segel größere Straffheit und Festigkeit verleihen würde.

Bald trieb uns die schneidende Kälte wieder in die Kajüte zurück. Bei unserem Eintritt verließ Mr. Owen seinen Platz am Ofen, um sich ebenfalls an Deck umzusehen. Doch schon nach einigen Minuten kehrte er wieder zurück, warf sich mit einer Gebärde völliger Mutlosigkeit auf einen Stuhl und versank in dumpfes Brüten.

»Glaubt der Kapitän mit dem Spazierstock da oben auf dem Vorderkastell den Ozean durchsegeln zu können?« wandte er sich nach einer Weile an Mrs. Burke.

»Weiß ich nicht,« antwortete sie, »fragen Sie ihn selber.«

Mit bitterem Auflachen ließ Mr. Owen den Kopf wieder sinken und verfiel in seine frühere Lethargie, aus der er nur von Zeit zu Zeit emporfuhr, um sich mit irren, verstörten Blicken umzusehen. Wie von innerer Angst gepeinigt, versuchte er, mit unstäten, schwankenden Schritten die Kajüte zu durchmessen, wurde aber immer wieder an die Wand oder auf seinen Platz zurückgeschleudert. Er war das Bild eines Menschen, dem Furcht und Grauen den Verstand verwirrt haben.

Gegen zwei Uhr kam der Kapitän herunter.

»Kopf hoch!« rief er uns zu. »Ich denke, wir werden jetzt nicht mehr lange in dieser gottverlassenen See herumschwimmen. Von Süden her weht eine frische Brise, und wenn unser Notsegel auch nur ein Leinwandfetzen ist, so scheint es das Schiff doch von der Stelle zu bringen. Nun gehts nach Norden, Miß Otway, und will's Gott, so sehen Sie bald wieder die Sonne scheinen.«

Auf Mrs. Burkes Gesicht malte sich bittere Enttäuschung.

»Ich glaubte, es wäre ein Schiff in Sicht,« sagte sie seufzend.

Mr. Owen, der dem Kapitän die Worte fast von den Lippen gelesen hatte, ließ wieder mutlos den Kopf sinken. Auch ich konnte meine Betrübnis über den Fehlschlag unserer Hoffnung so wenig verbergen, daß Kapitän Burke ärgerlich auffuhr:

»Wenn wir günstigen Wind behalten, so sind unsere Rettungsaussichten um kein Haar schlechter, als wenn ein Schiff in Sicht wäre. Durch den Notmast ist die Lady Emma auch auf größere Entfernung hin sichtbar. Wenn die Brise nicht abflaut, kommen wir bald in belebteres Fahrwasser.«

In gedrückter Stimmung setzten wir uns zu Tisch. Mr. Owen sprach lange Zeit kein Wort; doch als der Kapitän die Absicht äußerte, die Lady Emma von dem ersten Fahrzeug, das wir treffen würden, ins Schlepptau nehmen zu lassen, fragte der Doktor kurz und scharf:

»Wohin?«

Mr. Burke warf ihm einen Blick unverhohlener Verachtung zu:

»Darüber haben Sie nichts zu bestimmen!«

»Dann muß ich Sie ersuchen, mich auf jeden Fall auf das andere Fahrzeug überzusetzen,« sagte der Schiffsarzt.

»Ich wüßte nicht, was ich lieber täte!« versetzte Mr. Burke mit mühsam beherrschtem Zorn. »Doch muß ich Sie darauf aufmerksam machen, weshalb Sie eigentlich hier sind. Sie sind Miß Otways Arzt. Miß Otway wird schwerlich geneigt sein, Sie zu begleiten, und es ist Ihre Pflicht als Mann, sie nicht im Stiche zu lassen.«

»Ich zweifle nicht daran, daß Miß Otway mich begleiten wird, sobald Sie ihr Gelegenheit geben, dieses hilflose Wrack zu verlassen.«

Kapitän Burkes Augenbrauen zogen sich drohend zusammen.

»Herr,« knirschte er, »mein Schiff ist noch kein hilfloses Wrack.«

Der Doktor aber beharrte dabei, sein und mein Leben in Sicherheit zu bringen, sowie sich Aussicht dazu böte. Dann verloren seine Worte sich in unverständlichem Murmeln, und schließlich sprang er auf, stieß seinen Stuhl zurück und stürzte in seine Kabine, ohne einen Bissen genossen zu haben.

»Ich fürchte, er hat den Verstand verloren,« sagte Mrs. Burke.

»Glaubt der Feigling wirklich, ich würde ein Schiff im Stich lassen, das noch fest und dicht ist!« grollte der Kapitän. »Ihm wäre es freilich gleich, ob die paar tausend Pfund Sterling, die ich mir mühsam erspart habe, von der See verschluckt werden oder nicht, wenn er nur mit heiler Haut davon kommt.«

Ich wollte Mr. Owen entschuldigen, doch Mrs. Burkes Blicke baten mich, ihren Mann nicht durch Widerspruch noch mehr zu reizen. Nach einer Weile erhob sich der Kapitän und eilte in seine Kabine.

Ich wollte das Schiff unter Segel sehen und Mrs. Burke und ich gingen an Deck.

Das Wetter war kalt und klar. Vereinzelte Schneeflocken rieselten durch die Luft, vermochten aber nicht, den unbewölkten Horizont zu verschleiern. Eine schneidend scharfe Brise schwellte unser Segel. Die Lady Emma bewegte sich tatsächlich vorwärts und gehorchte dem Steuer, das ein bis an die Nase in Tücher und Oelzeug gewickelter Matrose bediente.

Ein Teil der Schiffsmannschaft ging in ernstem Gespräch auf dem glattgefrorenen Deck auf und ab, und ich bewunderte die Geschicklichkeit der Leute, sich bei dem hohen Seegange in den schweren Wasserstiefeln auf den Füßen halten zu können. Ihre Blicke schweiften unausgesetzt mit besorgtem Ausdruck über die See, und diese Besorgnis war nur zu sehr begründet.

Denn kaum hatten wir uns fünf Minuten lang an Deck umgesehen, als in einer Entfernung von ungefähr einer halben Seemeile die bleigrauen Ozeanwogen sich ohne wahrnehmbare Ursache plötzlich in milchweißen Gischt verwandelten. Eben wollte ich Mrs. Burke auf diese merkwürdige Erscheinung aufmerksam machen, als der Mann am Steuerrad einen lauten Warnungsruf ausstieß, dem ein gellendes Pfeifen und Heulen, ein ohrenbetäubendes Zischen und Sausen in der Luft folgte. Nadelspitze Hagelkörner prasselten auf uns herab, und wie durch einen Schleier sah ich unser Segel gleich einer Schneeflocke auf und davonwirbeln.

Dann zog Mrs. Burke mich die Kajütentreppe hinab, und halb erfroren, atemlos und zitternd vor Schreck, standen wir dem Kapitän gegenüber, der aus seiner Kabine stürzte.

Schnell, wie er gekommen, ging dieser orkanartige Windstoß auch vorüber, und schon nach fünf Minuten waren die Kajütenfenster wieder klar. Unsere Rettungsaussichten aber hatte die Tücke des Wetters vernichtet, denn bald merkten wir an den hilflosen, unstäten Schwankungen des Schiffskörpers, daß die Lady Emma wieder zum Wrack geworden war.

Auf Mr. Owens Gemütsverfassung wirkte dieser neue Schicksalsschlag niederschmetternd. Mit gerungenen Händen saß er neben dem Ofen und jammerte:

»Allmächtiger Gott, wie wird das enden! Diese stete Ungewißheit, diese unaufhörliche Todesangst ist mehr, als ein Mensch ertragen kann.«

»Schämen Sie sich, Doktor!« rief Mrs. Burke entrüstet. »So spricht kein Mann.«

»Herrgott!« rief Mr. Owen in jäh ausbrechender Verzweiflung. »Hätte ich Ihren Mann und sein Schiff doch nie gesehen! Fünfhundert Pfund gäbe ich drum, so arm ich auch bin.«

Es mochte etwa drei Uhr sein, als der Kapitän zu uns herunterkam, um sich am Ofenfeuer die erstarrten Hände zu wärmen.

»Sind Mast und Segel ganz und gar verloren, Edward?« fragte Mrs. Burke.

»Ja. Eine Bö ist gerade über uns hingegangen, trotzdem sie rechts und links den ganzen Ozean zur Verfügung gehabt hätte, um sich auszutoben.«

»Wir haben ja noch Spieren genug, um einen neuen Notmast zu errichten,« tröstete Mrs. Burke.

»Spieren haben wir wohl noch,« erwiderte der Kapitän, »aber keine Mannschaft mehr.«

Mrs. Burkes Augen weiteten sich vor Entsetzen.

»Was heißt das?« stammelte sie.

»Die Leute haben mir zu verstehen gegeben, daß sie auf eigene Hand ihr Heil versuchen und sich meine Erlaubnis dazu nötigenfalls erzwingen wollen. Mit Notsegeln ist ihrer Meinung nach hier nichts getan. Sie wollen das Langboot ausrüsten und nordwärts steuern, bis sie ein anderes Schiff treffen. Bei dieser Kälte in einem offenen Boot – solch ein Wahnsinn!«

»Aber irgend etwas muß geschehen,« rief Mr. Owen aus seiner Ecke heraus. »Wenn das Schiff noch länger so von den Wellen hin und hergeworfen wird, muß es in Stücke gehen.«

Der Kapitän nahm von diesem Einwand nicht die mindeste Notiz. Für ihn war Mr. Owen Luft.

Das Wetter war unterdessen verhältnismäßig schön geworden. Von Süden her wehte eine leichte Brise, hie und da schimmerte ein Stern durch das zerrissene Gewölk, und die Dünung ging stetig und regelmäßig.

»Warum zünden wir kein Signalfeuer an?« fragte ich Mr. Burke beim Abendbrot.

»Sollen wir das Schiff vielleicht in Brand setzen?« erwiderte er.

»Für so gefährlich halte ich es nicht,« wandte Mrs. Burke ein, »und wir können doch nicht wissen, ob nicht gerade ein Schiff in der Nähe ist, das uns Rettung bringen könnte.«

Zornig stieß der Kapitän das geleerte Grogglas zurück und verließ ohne ein Wort der Erwiderung die Kajüte. Die geringste Kleinigkeit genügte jetzt, ihn in Harnisch zu bringen.

Als wir am nächsten Morgen beim Frühstück saßen, hörten wir an Deck plötzlich ein lautes, vielstimmiges Hallo. Mr. Owen stürzte die Kajütentreppe hinauf und rief uns nach einem raschen Rundblick mit fast jauchzender Stimme zu:

»Ein Schiff! Ein Schiff! Mrs. Burke, Miß Otway! Ein Segel ist in Sicht!«

Ein Schiff! Ich stieß einen Freudenschrei aus. Mit zitternden Knien hastete ich die Stiege empor ...


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