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Die allerhöchsten Herrschaften unter sich

Harun Alraschîd kaufte einst an einem und demselben Tage zwei bildschöne Mädchen und machte sie zu seinen Kebsweibern. Die eine hieß Schekl, die andere Schedhr. Als die letztere nach einiger Zeit dem Kalifen ein Töchterlein gebar, das den Namen Umm Abîha erhielt, wurde die Schekl grimmig neidisch, denn durch die Geburt eines Kalifenkindes hatte die Schedhr die Würde einer freien Frau und einer Prinzessin erlangt. Der Neid der Schekl steigerte sich zu heftiger Feindschaft, die sie ganz offen an den Tag legte, so daß das ganze Frauenhaus des Kalifen davon wußte. Nicht sehr lange danach gebar auch die Schekl ein Kind, und sogar einen Sohn, der vom Vater den Namen Abu Ali bekam.

Nun vergingen Jahre. Die beiden Mütter starben bald nacheinander, aber ihre gegenseitige Feindschaft starb nicht mit ihnen, sondern setzte sich fort in ihren mittlerweile herangewachsenen Kindern, Abu Ali und Umm Abîha. Diese suchten einander auf alle mögliche Weise zu ärgern und zu schaden, griffen einander in höhnischen Spottversen an, mit einem Wort, die Sache wurde ein Ärgernis in der ganzen Kalifenfamilie.

Harun Alraschîd war gestorben, sein ältester Sohn Emin elendiglich ermordet, da zog sein zweiter Sohn Mamûn aus seiner Provinz, dem fernen Chorasan, heran, bemächtigte sich des Thrones und behauptete ihn während einer langen glorreichen Regierung bis an sein Ende. Eines Tages unterhielt sich die neue Majestät im engsten Familienkreise mit seinem Bruder Abu Isaak, seinem Onkel Ibrahim Ibn Mahdi und einigen anderen seiner nächsten Blutsverwandten über die Feindschaft jener beiden Damen und ihrer Kinder. Der Kalif sprach: »In Chorasan ist mir die Feindschaft der beiden Leute zu Ohren gekommen. Ich will doch versuchen, sie miteinander auszusöhnen.«

Er ließ nun Umm Abîha, die ältere von den beiden, kommen und stellte sie wegen ihrer Feindschaft gegen ihren Stiefbruder Abu Ali zur Rede. Sie aber gab keine Antwort, sondern sah stumm vor sich zu Boden.

Darauf ließ der Kalif auch den Abu Ali kommen. Als dieser eintrat, zog die Umm Abîha sofort ihren Schleier vor das Gesicht.

Der Kalif: »Warum verschleierst du dein Gesicht, da du doch vor uns soeben unverschleiert warst? Wie kommst du dazu, dich vor deinem Bruder zu verschleiern?«

Umm Abîha: »Bei Gott, o Fürst der Gläubigen, ich kann eher vor jedem ehrbaren Fremden, vor jedem deiner Generäle und Minister unverschleiert erscheinen als vor diesem Abu Ali, denn – ich schwöre es bei Allah – er ist nicht mein Bruder, ist nicht ein Sohn meines Vaters Harun Alraschîd. Heißt es doch in der frommen Überlieferung: Er (Gott) hat sie (die Nachkommen des Abbâs) gegen Krätze und Aussatz gefeit. Der Abu Ali aber hat die Krätze, er ist ja nur der Sohn des Lakaien N. N.«

Über diese Rede geriet der Kalif in heftigen Zorn und sprach zu seinem Bruder Abu Isaak: »Vollziehe auf der Stelle an ihr die Strafe für Verleumdung.« Das geschah. Sie erhielt die vom Strafgesetz vorgeschriebenen zwanzig Schläge. Ohne einen Laut zu äußern, ertrug sie die Mißhandlung. Dann aber sprang sie auf und schleuderte dem Kalifen folgende Worte in das Gesicht: »Schmach über dich, o Fürst der Gläubigen, daß du deine Schwester mißhandelt hast wegen des Lakaien-Buben da, und daß du eine Kalifentochter zu Unrecht wie ein gemeines Frauenzimmer nach dem Strafgesetz behandelt hast. Bei Gott, ich hatte immer geglaubt, daß die Schande des Abu Ali verborgen bleiben werde, jetzt aber wird sie in aller Ewigkeit bekannt sein und die Geschichtserzähler werden sich davon unterhalten bis an den Tag des jüngsten Gerichts.« Damit ging sie stolz zum Saal hinaus.

Dem Kalifen Mamûn hatte das Auftreten der Umm Abîha mächtig imponiert. »Famoses Frauenzimmer!« sprach er. »Wenn das ein Mann wäre, hätte sie mehr Zeug zu einem Kalifen als viele andere aus meinem Geschlecht.«


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