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Der Kalif und der Abt

Ein Hofmann des Kalifen Mutass erzählte das folgende:

Der Kalif Mutass ritt eines Tages auf die Jagd, wurde aber durch einen Zufall von seiner Suite getrennt und befand sich schließlich allein mit dem Hofmann Alfadl und dem ihm nah befreundeten Prätorianerobersten Jûnus Ibn Bughâ in unbekannter Gegend. Da er nun anfing über Durst zu klagen, sprach Alfadl zu ihm: »O Fürst der Gläubigen, ich kenne hier irgendwo ein Kloster, dessen Abt mir sehr befreundet und der ganz wohnlich eingerichtet ist. Wenn es Eurer Majestät gefällt, wollen wir uns ihm zuwenden.« Der Kalif war einverstanden.

Als wir das Kloster erreichten, begrüßte uns der Abt, empfing uns auf das beste, brachte uns schönes kühles Wasser, mit dem wir unseren Durst stillten. Dann forderte er uns auf, bei ihm abzusteigen und sprach: »Kühlt euch bei uns ab und wir werden euch vorsetzen, was das Kloster vermag. Dann könnt ihr euch erholen.« Dem Kalifen gefiel die Neuheit der Situation. Er sprach: »Gut, kehren wir bei ihm ein.« Darauf stiegen wir ab von unseren Pferden und betraten das Kloster.

Bald darauf – so erzählt Alfadl – nahm mich der Abt beiseite und fragte mich, wer die beiden Herren, der Kalif und Jûnus wären, worauf ich ihm sagte, es seien Offiziere von der Armee. Er aber sprach: »Nicht doch, das sind himmlische Wesen, die ihrer Heimat entronnen sind.«

Alfadl: »Das entspricht doch nicht deiner Religion und deinem Glauben.«

Der Abt: »Doch, das ist jetzt meine Religion und mein Glaube.« Der Kalif, der das Gespräch überhörte, lachte. Dann brachte uns der Abt Brot, Schnitten von Fleisch und Obst und was sonst in einem Kloster vorrätig zu sein pflegt, feine Speisen auf feinem Tischgerät.

Nachdem wir nun gegessen und uns die Hände gewaschen hatten, sprach der Kalif zu mir: »Sag' dem Abt, wenn du ihn allein hast: ›Wen von den beiden Herren möchtest du wohl beständig um dich haben?‹« Ich, Alfadl, sagte ihm das, worauf er sofort erklärte: »Alle beide, und das nötige dazu.« Darüber lachte der Kalif, der es gehört hatte, sodaß er sich krümmte. Dann sprach ich zum Abt: »Nein, das geht nicht, du mußt wählen.«

Der Abt: »Hier zu wählen ist ganz unmöglich. Allah hat keinen Verstand erschaffen, der imstande wäre zwischen diesen beiden zu unterscheiden.«

Mittlerweile hatte die Suite des Kalifen uns eingeholt, und nun wurde dem Abt beim Anblick der glänzenden Reiterscharen angst und bange; der Kalif aber sprach zu ihm: »Bei meinem Leben, die Freundschaft, die wir miteinander geschlossen haben, soll niemals aufhören. Bei jenen dort – auf die Suite hinzeigend – bin ich Herr, hier unter uns bin ich Freund.« Wir blieben dann noch eine Zeitlang bei dem Abte im Gespräch mit ihm sitzen.

Zum Abschied befahl der Kalif, daß dem Abt 50 000 Dirhem überreicht werden sollten.

Der Abt: »Die kann ich aber nur unter einer Bedingung annehmen.«

Der Kalif: »Und was ist das für eine?«

Der Abt: »Daß ich Eure Majestät einladen darf zusammen mit guten Freunden von mir.«

Der Kalif: »Zugestanden.«

Sodann verabredeten wir uns über einen Tag, an dem wir ihn besuchen wollten, ganz wie er gewünscht hatte. Er empfing uns unter seinen Gästen, auch ließ er Christenkinder kommen, die uns auf das anmutigste bedienten. Der Kalif war so froh, wie ich ihn sonst nie gesehen und schenkte dem Abt an diesem Tage viel Geld. Allemal, wenn er später durch diese Gegend kam, ließ er sich von dem Abt bewirten, solange er lebte.


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