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Zur blauen Flasche

Silvesternacht 1853/54

Der Bursche wandelt froh hinaus zur Linie,
Ins Trinkerland, ins lustge Lerchenfeld,
Da winkt ihm nicht die Zeder und die Pinie,
Doch frischer Labetrunk für wenig Geld.
Und ist der Rubikon dann überschritten,
So zieht er rechts die wohlbewußte Bahn
Und in der langen Häuserreihe Mitten
Die »Flasche« findet jeder ohne Plan.
Durchs schmale Tor, da führt der Pfad nach Eden,
Der Trinker Heimat seit uralter Zeit,
Wo Durst sich und Philistertum befehden,
Wo längst zur Fabel ward die Nüchternheit.
Vom Qualm der Raucher ist erfüllt die Schenke
Und golden blinkt des Gerstentrankes Naß,
Und mitten durch den tollen Lärm der Bänke,
Da wälzt sich wohlgemut des Wirts lebendig Faß.
Der Mann versteht's, zu ködern durstge Gäste,
Sein Gruß und Abschied ist von nagelneuester Art,
Ein Chronometer baumelt auf der prallen Weste
Und seiner Mienen Wonne kränzt ein junger Bart.
Kein Wölkchen trübt beschattend seine Stirne,
Im Antlitz glänzt er wie ein satter Gott,
Nicht fern steht der Vergleich der Plutzerbirne,
Doch tauscht mit kühner Laune er den Spott.
Wohl ihm, er ist des eignen Glückes Diener
Und trägt mit Gleichmut seinen runden Bauch,
Drum lieben ihn die lebensfrohen Wiener,
Und schütteln ihm die Hand nach altem Brauch.
Und seines Hauses Flor erhebt ein Junge,
Belebt von Geist und rührig wie ein Aal,
Der Gäste Wunsch erfüllt er gleich im Sprunge
Und ist der mäßgen Seideltrinker Qual,
Denn kaum sieht er ein schlankes Glas entleeren,
So steht er wie im Fluge vor dem Gast,
Da nützt auch Weigern nicht und nicht Begehren,
Und fruchtet auch kein Zögern, keine Hast.
Nichts Würdges ist bedeutungslos auf Erden,
Der Schenkerjung ist auch der Achtung wert,
Und mög er einst ein braver Bürger werden
Und führen seine Braut zum eignen Herd.
Doch hätt ich bald des Töchterleins vergessen,
So arm an Jahren und schon so reich an Geist;
Des mag ein älter Kind sich kaum vermessen,
Das Blödsinn oft als liebenswürdig preist.
Drum seltsam sind verteilt des Himmels Gaben,
Manch Blümlein duftet aus bescheidnem Gras
Und manches schöne Herz ward schon begraben,
Das nicht beglänzt der Täuschung grelles Gas.
Genug! Laßt uns den düstern Ernst verbannen,
Des Jahres letzte Scheidestunde winkt,
Drum hört noch einen Spruch, ihr biedern Mannen,
Und füllt die Humpen, daß der Gram versinkt;
Es bringet euch den Toast der frohe Dichter,
Nicht töricht und nicht weise wie ein Buch,
Denn Dichtung ist kein Schlauch und auch kein Trichter
Und deckt mit Blüten zu des Lebens Fluch:
»Es rolle friedlich hin das neue Jahr,
Es möge Freund und Feind versöhnt vereinen,
Es möge niemand an der Seinen Bahr
Um den Verlust von einem Herzen weinen!«


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