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Eines Tages rasteten Nat-ah'-ki und ich nach langem Ritt auf einem Hügel. Wir hatten unser Mahl auf einem Baumstumpf vor uns ausgebreitet und hatten unseren Spaß an einem Füchslein, das uns schnuppernd umkreiste und seine ganze Teilnahme unseren Eßvorräten zuwandte. Bei dieser Gelegenheit erzählte mir Nat-ah'-ki eine merkwürdige Begebenheit aus dem Leben ihres Großvaters.
»Im Traum bekam mein Großvater eines Tages den Befehl, einen jungen Fuchs zu fangen, ihn zu zähmen und gut zu behandeln. Er dachte lange über diese Sache nach und beriet sich mit seinen Freunden über den Sinn dieses Traumes. In den nächsten drei Nächten wiederholte sich dasselbe. Viermal wurde ihm der Befehl zuteil. Vier ist eine heilige Zahl. So fragte er nicht länger warum und wozu, sondern ging am vierten Morgen gleich nach dem Frühstück aus, um einen Fuchs zu fangen. Es gab in der Gegend viele Füchse; fortwährend liefen ihm welche über den Weg, oder er sah sie bei ihrem Bau sitzen. Näherte er sich, so verschwanden sie. Er legte am Eingang einer Höhle ein langes Seil mit starker Lederschlinge aus. Steckte ein Füchslein den Kopf heraus, so mußte es sich in der Schlinge fangen. Auf diese Art fangen Kinder Erdeichhörnchen. Er hatte das selbst in seiner Jugend getan und glaubte, nun auch auf diese Weise einen Fuchs erwischen zu können, und legte sich auf die Lauer.
Diese Tiere haben aber viele Eingänge zu ihren Höhlen. Legte mein Großvater seine Schlinge um ein Loch, in dem er einen Fuchs verschwinden sah, so konnte er sicher sein, daß derselbe alsbald aus einem anderen wieder herausschaute. So verstrichen die ersten beiden Tage mit vergeblichen Versuchen. Am dritten Abend fing er einen, der aber biß die Schlinge durch und lief davon.
Müde und durstig ging er an jenem Abend auf dem Heimweg an 5 jungen Füchsen, die vor ihrem Bau spielten, vorbei. Vater und Mutter lagen beobachtend in der Nähe. Die Kleinen waren noch sehr jung, konnten noch nicht auf den Beinchen stehen, sondern purzelten stets einer über den anderen. Er setzte sich und beobachtete sie. Wie konnte er wohl solch Tierchen fangen? er betete, berief sich auf seinen Traum und flehte die großen Naturkräfte an, ihm zu helfen.
Dann ging er heim, aß und trank, nahm seine Pfeife und betete wieder um Hilfe. Plötzlich, als er so schweigend dasaß, wurde ihm klar, was er tun müßte. Er ging zu Bett und schlief fest ein. »Nimm ein großes Büffelschulterblatt«, befahl er der Großmutter am anderen Morgen, »und eine Büffelhaut und komm mit.«
Sie gingen zum Fuchsbau. Nahe dem Spielplatz der Kleinen sprießte ein Flecken wilder Roggen, in dessen Mitte mein Großvater den Boden aushob. Die Großmutter half ihm, schaufelte mit dem Schulterblatte und trug in der Büffelhaut die Erde fort. Sie arbeiteten fleißig, bis das Loch so tief war, daß der Großvater drin stehen konnte. Die Augen waren in Erdbodenhöhe, der Roggen verdeckte ihn, so daß die Füchse ihn zwar riechen, aber nicht sehen konnten. »Geh heim und bring der Sonne ein Opfer, daß mein Vorhaben gelingen möchte!« befahl er seiner Frau.
Dann stieg er in das Loch und wartete, bis die kleinen Füchse herauskämen. Es war ein heißer Tag, die Sonne sank langsam hinter die Berge, ihn dürstete schrecklich, die Beine schmerzten, aber er stand so still wie das Loch selbst. Kurz vor Sonnenuntergang kam die Alte aus dem Bau und umschlich den Roggenfleck. Plötzlich bekam sie Witterung und rannte die Schlucht hinauf; denn sie wagte nicht, umzukehren, da der Wind sie gewarnt hatte. Eine Gefahr, die man nicht sieht, ist umso größer. Bald nachher kamen die Kleinen heraus, langsam, faul gähnend und sich reckend, mit blinzelnden Aeuglein in dem hellen Licht. Sie fingen an zu spielen wie am Abend vorher, und es dauerte nicht lange, da lagen sie alle in einem Knäuel im Roggen. Schnell griff mein Großvater zu und langte sich einen am Hals heraus. »Hai-ya, kleiner Bruder, nun hab ich dich.« Fix kletterte er aus dem Loch heraus, steckte das Tierchen unter seine Decke und eilte heim. Viermal hatte der Traum zu ihm gesprochen, am vierten Tage hatte er seinen Befehl erfüllt. Er fühlte deutlich, daß dieser kleine Fuchs für ihn etwas Gutes bedeuten müsse.
»Puh'-po-kan«, d. h. »Baum«, nannte der Großvater das Tierchen. Von Anfang an fürchtete es sich nicht vor ihm und schloß bald Freundschaft mit den Hunden im Zelt. Eine alte Hündin liebte ihn besonders und beschützte ihn mütterlich. Das Füchslein fraß die Fleischbissen, die ihm mein Großvater gab, und lernte Wasser und Suppe trinken. Keiner außer ihm durfte das Tierchen anfassen oder füttern. Es folgte ihm auf Schritt und Tritt und schlief nachts mit unter seiner Decke. Wurde das Lager abgebrochen, so bekam das Füchslein sein kleines Nest in einem Travoi, in dem es während der ganzen Reise still liegen blieb. Es war ein lustiges Dingelchen, immer bereit, mit dem Großvater oder den Hunden im Zelt zu spielen. Aergerte ihn etwas, so rannte es auf den Gegenstand zu und kläffte in kurzen, heiseren Tönen, gerade wie wir es des Nachts zuweilen in der Nähe der Zelte hören. Ich wollte so schrecklich gern mit ihm spielen, ihn auf den Arm nehmen und liebkosen, aber die Mutter sagte immer wieder: »Du darfst's nicht; es ist ein heiliges Tierchen, und wenn du es anfaßt, geschieht dir ein Unglück, vielleicht wirst du blind.«
Als das Füchslein älter wurde, wanderte es nachts manchmal draußen herum, bis einer der Hunde es wieder hereinjagte und es in meines Großvaters Bett kroch. Ließ sich mal ein Mäuschen im Zelt blicken, Puh'-po-kan hatte es sofort gefangen. Manchmal brachte es auch einen Vogel oder ein Erdeichhörnchen heim. Der Fuchs war zwei Jahre alt, als wir nördlich des Bärentatzengebirges lagerten. Eines Abends, als die Zeltfeuer erloschen waren und alles schlief, stieß Puh'-po-kan den Großvater am Kopf und weckte ihn durch sein Kläffen auf. »Laß das und schlaf!« sagte sein Herr und gab ihm einen Klaps.
Aber Puh'-po-kan wurde nicht ruhig, sondern bellte lauter und lauter und zitterte vor Erregung. Der Großvater richtete sich auf. Der Mond schien durch die Rauchöffnung ins Zelt, so daß er alles genau sehen konnte; am Eingang bemerkte er etwas, das da nicht hingehörte, ein dunkles, bewegungsloses Etwas, das einem kriechenden Menschen gleichsah.
»Wer bist du,« fragte er, »was willst du hier?«
Der Großvater fragte wieder: »Wer bist du? antworte! sonst schieße ich.«
Keine Antwort. Puh'-po-kan kläffte wie toll. Der Großvater nahm ruhig sein Gewehr, lud und feuerte. Mit einem gellenden Schrei sprang ein Mann auf und fiel tot in die heiße Asche des Lagerfeuers. Der Großvater zog ihn schnell heraus. Es wurde rasch Feuer angemacht, und bei Licht erkannte man, daß der Tote einem weit entfernt wohnenden Siouxstamme angehörte. Er hielt in der Hand ein großes, langes Messer. Wahrscheinlich wollte er sich ein Gewehr stehlen. Er schien allein ins Lager eingedrungen zu sein, denn man fand sonst keinerlei Spuren. Pferde waren auch nicht gestohlen.
Alles im Lager redete vom Fuchs und meines Großvaters Traum. Das war ein wunderbar starker Zauber. Und wie freute sich der Großvater! Er betete und opferte viel und liebte Puh'-po-kan mehr als je. Das kleine Tier lebte noch zwei Jahre und starb dann an dem Biß einer Klapperschlange. Die Weiber wickelten den aufgeschwollenen kleinen Balg in Decken, bauten in einer Pappel ein Gerüst und setzten ihn dort bei, gerade, als sei er ein Mensch gewesen.