Gustav Schwab
Erzählungen aus den alten Volksbüchern
Gustav Schwab

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Der arme Heinrich

Im Schwabenland lebte einst ein hochangesehener junger Ritter. Von jedermann gepriesen und verehrt, verbrachte dieser seine Tage in Reichtum und Frohsinn, bis sich plötzlich sein Glück in bitteres Leid verkehrte: ihn ergriff der Aussatz. Als diese Krankheit an seinem Leib sichtbar wurde, wandten sich alle von ihm ab, und so beliebt er früher war, so ungern litt man ihn jetzt, so daß ihn niemand mehr ansehen wollte. Als der arme Heinrich von der Aue erkannte, daß er von allen Menschen gemieden wurde, ergriff ihn bitterer Schmerz, daß er soviel Glück aufgeben mußte, ja, oft verwünschte und verfluchte er den Tag, an dem er zur Welt gekommen war.

Manchmal tröstete ihn der Gedanke, daß die Krankheit ganz verschieden und, wie man ihm sagte, zuweilen heilbar sei. Er zog nach Montpellier in Frankreich und fragte die Ärzte um Rat. Aber es wurde ihm geantwortet, er sei nicht zu heilen und werde nie vom Aussatz geheilt werden. Traurig reiste er nach Salerno weiter, um auch dort die berühmtesten Ärzte zu befragen. Nun gab ihm der dortige Arzt eine seltsame Auskunft, nämlich, daß er zwar heilbar wäre, aber niemals geheilt würde.

»Wie ist das möglich?« wunderte sich Heinrich. »Du redest ganz unverständlich! Bin ich heilbar, so werde ich auch geheilt; denn was an Geld dazu notwendig ist, das kann ich beschaffen!«

»Ihr irrt«, antwortete der Meister; »es gibt wohl eine Arznei, die Euch heilt, aber kein Mensch kann sie erwerben; darum werdet Ihr nie geheilt, wenn nicht Gott Euer Arzt wird.«

Da entgegnete der arme Heinrich: »Was nehmt Ihr mir meinen Trost? Ich habe doch Geld und Gut; ich kann Euch soviel geben, daß Ihr mir gewiß gerne helft!«

»Mir fehlt nicht der Wille«, entgegnete der Arzt. »Wär' es eine käufliche Arznei, so wollte ich Euch von Herzen gern helfen! Aber es ist leider nicht so. Hört: Ihr müßt eine reine Jungfrau haben, die freiwillig den Tod für Euch leidet. Nun gibt es aber wohl niemand, der so etwas tut. Und doch, wie ich Euch gesagt habe, ist dies die einzige Arznei für Eure Krankheit!« 176

Nun erkannte der arme Heinrich, daß seine Heilung unmöglich sei. Des Lebens überdrüssig, zog er heim und fing an, sein Hab und Gut zu verteilen, wie es ihm am besten schien, machte seine armen Verwandten reich und linderte auch das Elend der Armen; den Rest gab er Klöstern, damit sich der Herr seiner Seele erbarme. Von all seiner Habe behielt er nur ein Stück neuangebautes Land, wohin er vor den Menschen floh. Dieses Neuland bearbeitete ein freier Meier, der hier in Ruhe und Frieden lebte, während andere Bauern trotz Steuer und Abgabe unter böser Herrschaft viel Unrecht litten. Zu diesem Mann zog der arme Heinrich. Der vergalt ihm nun alle seine Milde und übernahm willig die Sorge für seinen Herrn. Der Meier lebte glücklich und zufrieden, hatte eine fleißige, brave Frau und dazu liebe Kinder. Darunter war ein Mägdlein von zwölf Jahren, ein Kind von freundlichem Wesen, das wollte immer an der Seite seines kranken Herrn sein. Es war so lieblich, daß der Edelste im ganzen Land kein schöneres Kind hätte haben können. Die anderen Hausgenossen mieden den Kranken, wie es sich schickte; es aber eilte zu jeder Stunde zu ihm und wollte nirgends anders sein; mit reiner kindlicher Liebe hatte es ihm sein ganzes Herz zugewendet. Auch Heinrich liebte es, und was ihm Freude machte, was Kindern bei ihren Spielen gefällt und ihr Herz leicht gewinnt, das schenkte er ihm, bald einen Spiegel, bald ein Haarband, oder was sonst zu kaufen war. Durch solche Freundlichkeit machte er die Kleine so zutraulich und anschmiegsam, daß er sie »seine Frau« zu nennen pflegte.

So diente sie ihm drei Jahre, die der arme Heinrich auf dem Hofe zubrachte. Nun saß der Meier eines Tages mit seinem Weib und seiner Tochter, von der Arbeit ausruhend, bei ihm, und sie beklagten des Herrn Leid, bis endlich der Meier anfing: »Lieber Herr, wie kommt es, daß keiner der vielen Ärzte in Salerno für Eure Krankheit einen Rat weiß? Herr, das wundert mich!«

Da seufzte der arme Heinrich tief auf und antwortete traurig: »Ich habe diese schimpfliche und verspottete Krankheit wohl verdient. Du weißt, daß ich mein Leben in weltlicher Lust verbrachte und wenig an Gott dachte. Über meinen Hochmut erzürnte der Himmel und hat mir eine Krankheit gesandt, von der mich niemand befreien kann. In Salerno wurde mir aber gesagt, daß eine schuldlose Jungfrau freiwillig für mich den Tod leiden müßte. Nur ihr Herzblut könnte mir helfen.« 177

Was der arme Heinrich dem Vater sagte, das hörte das Mägdlein mit an. Als es sich aber abends nach seiner Gewohnheit zu Füßen der Eltern niedergelegt hatte und beide eingeschlafen waren, da tat es über das Unglück seines Herrn manchen tiefen Seufzer, und sein Kummer war so groß, daß seine Tränen die Füße der Schlafenden benetzten. Als diese die Tränen fühlten, erwachten sie und fragten, warum es weine. Es wollte dies lange nicht gestehen, bis es endlich der Vater durch sanfte, aber auch strenge Worte dazu brachte zu sagen: »Ihr solltet auch mit mir klagen; denn was kann uns mehr leid tun als das Unglück unseres Herrn, den wir verlieren sollen; niemals bekommen wir mehr einen so guten Herrn wie diesen!«

Die Eltern erwiderten darauf: »Du hast recht! Aber was nützt unsere Trauer und Klage! Liebes Kind, denke nicht mehr daran; es tut uns gewiß ebenso weh wie dir, aber es steht nicht in unserer Macht, ihm zu helfen.«

So brachten sie das Kind zum Verstummen, aber es schlief nicht und blieb traurig die ganze Nacht und den folgenden Tag.

In der nächsten Nacht beschloß die Kleine fest, ihr Leben für ihren Herrn hinzugeben. Dieser Entschluß machte sie froh, ihre einzige Sorge war nur, daß Heinrich und ihre Eltern, wenn sie es ihnen sagte, es nicht zugeben würden. Darüber wurde ihre Unruhe so groß, daß Vater und Mutter wie in der vorigen Nacht davon erwachten. Sie richteten sich auf und fragten: »Was bist du so unruhig? Warum läßt du uns nicht schlafen? Du bist recht albern, daß du dir mit deinen Klagen das Herz schwermachst!«

Da antwortete das Mädchen: »Und doch hat mein Herr gesagt, daß er gerettet werden könnte. Bei Gott! Wenn ihr mir's nicht verwehrt, so will ich seine Arznei sein; denn ich bin fest entschlossen, den Tod für ihn zu leiden.«

Über diese Worte wurden Vater und Mutter ungehalten. »Das sind törichte Reden«, meinte der Vater, »versprich unserem Herrn nicht mehr, als du halten kannst, denn dies geht über deine Kräfte. Du bist ein Kind, du hast den Tod noch nicht gesehen. Darum schweig, oder es soll dir übel ergehen!«

Der Vater meinte, die Kleine mit Bitten und Drohungen beruhigt zu haben, aber sie erwiderte: »Lieber Vater, mir ist bestimmt, für meinen Herrn mein Leben hinzugeben. Ihr sollt mir's nicht verwehren. Ich tue uns allen damit wohl; denn solange unser Herr lebt, geht 178 es auch euch gut. Darum wollen wir ihn retten. Erlaubt es mir, denn es muß sein.«

Als die Mutter ihres Kindes Ernst sah, sprach sie weinend: »Vergiß nie, liebste Tochter, daß du mir dein Leben verdankst. Du willst mir das Herz brechen! Denkst du nicht an Gottes Wort, daß man Vater und Mutter ehren soll? Du sagst, du wollest dein Leben für unser beider Wohl hingeben; nein, du willst uns das Leben verleiden; denn wenn wir, dein Vater und ich, gern leben, so geschieht es für dich. Du solltest die Stütze unseres Alters sein und willst schuld werden, daß wir weinend an deinem Grab stehen?«

Die Jungfrau antwortete: »Ich glaube wohl, Mutter, daß du und der Vater mir in Liebe zugetan seid. Aber ihr habt noch mehr Kinder, die laßt eure Freude sein und tröstet euch über meinen Tod! Auch sollst du, liebe Mutter, nicht an meinem Grab stehn, denn wo mir der Tod gegeben wird, da läßt dich niemand zusehen. Zu Salerno geschieht's; dort will ich mein Leben für meinen Herrn hingeben.«

Als die Eltern erkannten, daß ihr Kind so fest zu sterben entschlossen war, dachten sie, der heilige Geist müsse aus ihm reden, und wagten nicht länger, es von seinem Entschluß abwendig zu machen. Sie erklärten daher, es möge geschehen, was das Mädchen erbeten habe.

Nun freute sich das Mägdlein, eilte, kaum daß der Tag angebrochen war, in das Schlafgemach des Herrn und rief ihn an: »Herr schlaft Ihr?« – »Nein, liebes Kind, aber sage mir, warum bist du heute so früh auf?« »Ach, Herr, dazu zwingt mich die Sorge um Eure Krankheit!«

Herr Heinrich aber setzte fort: »Damit beweisest du dein gutes Gemüt. Gott vergelte dir's! Aber Hilfe für dieses Übel gibt es nicht!«

»Gewiß, lieber Herr, es gibt dafür guten Rat. Ihr habt uns doch gesagt, wenn Ihr eine Jungfrau hättet, die gern für Euch den Tod leidet, so könntet Ihr durch sie geheilt werden. Nun, die will ich selbst sein, denn Euer Leben ist besser und edler als das meine.«

Da dankte ihr der Herr für ihren guten Willen, und seine Augen füllten sich heimlich mit Tränen. »Liebes Mägdlein«, sprach er, »sterben ist kein sanftes Ding, wie du dir vielleicht gedacht hast. Ich bin überzeugt, daß du mir gerne helfen würdest. Ich erkenne deinen guten und reinen Willen; das genügt mir. Deine Treue wolle dir Gott vergelten! Aber bedenke doch, Vater und Mutter können dich nicht entbehren; auch ich kann nicht das Unglück des Mannes 179 verlangen, der mir allzeit Liebe bewiesen hat. Was die beiden dir raten werden, liebes Kind, das tu!«

So redete der arme Heinrich, lächelte und war nicht wenig überrascht über das, was er später vernahm. Denn Vater und Mutter erklärten: »Herr, Ihr habt uns geehrt, es wäre nicht recht von uns gehandelt, wenn wir es Euch nicht mit Gutem vergelten wollten. Unsere Tochter ist willens, den Tod für Euch zu leiden, und wir stimmen zu. Gott lasse Euch genesen, denn wir wollen unser Kind für Euch hingeben.«

Als der arme Heinrich ihren Ernst sah, ergriff ihn solcher Schmerz, daß ihm die Tränen in die Augen traten und er nicht wußte, solle er es annehmen oder nicht. Vor Furcht weinte auch das Mägdlein; denn es meinte, er wolle seinen Entschluß nicht ernst nehmen. Zuletzt besann sich der arme Heinrich, dankte allen für ihre Treue und willigte ein. Da wurde das Mägdlein fröhlich, und nun bereitete es sich aufs beste zur Fahrt nach Salerno vor. Was es nur brauchte, wurde ihm gegeben: schöne Pferde und reiche Kleidung, wie es vorher nie getragen, von Hermelin, Samt und dem köstlichsten Zobel. Aber unbeschreiblich war das Leid seiner Eltern, als sie ihr liebes Kind so schön und frisch in den Tod ziehen sahen.

So fuhr denn die Jungfrau mit ihrem Herrn fröhlich und zufrieden nach Salerno. Sobald sie dort angelangt waren, ging Herr Heinrich zu seinem Meister und erklärte: »Hier bringe ich eine Jungfrau, wie du sie verlangt hast!« Dem Arzt schien das unglaublich, und er erwiderte: »Kind, hast du diesen Entschluß selbst gefaßt, oder haben ihn Bitten und Drohungen deines Herrn bewirkt?«

»Nein«, antwortete das Mädchen, »dieser Entschluß ist aus meinem eigenen Herzen gekommen.«

Darüber wunderte sich der Arzt, führte es beiseite und beschwor es: »Kind, überlege dir wohl, was du tust! Wenn du den Tod nicht freiwillig und gern leidest, so ist dein junges Leben dahin, und dein Tod hilft uns gar nicht. Auch will ich dir sagen, was dir geschehen wird. Ich entkleide dich, daß du dich vor mir schämen mußt, binde dir Hände und Füße fest, und dann – bedenke den großen Schmerz – schneide ich dir das Herz heraus. Mägdlein, nun erkläre mir, wie steht jetzt dein Mut? Daß ich es tun soll, macht mir jetzt schon große Sorgen. Und bedenke weiter, reut es dich nur im geringsten, so habe ich meine Mühe und du dein Leben umsonst verloren.« 180

Die Kleine rief lachend: »Gott lohne Euch, lieber Herr, daß Ihr mir die Wahrheit gesagt habt. Ja, wahrhaftig, ich fange an, mich ein wenig zu fürchten, es ist in mir ein Zweifel aufgestiegen, den ich Euch vortragen will. Ich fürchte nämlich, daß unser Vorhaben allein durch Eure Zaghaftigkeit unterbleibt. Ihr seid nämlich ein Hasenfuß, Eure Angst ist zu groß! Ich bin eine Maid und habe doch die Kraft. Getraut Ihr Euch, mein Herz zu nehmen, ich getraue mir wohl, es zu leiden! Die Angst und Not, von der Ihr mir gesprochen habt, die habe ich schon vorher auch ohne Euch geahnt. Gewiß, ich wäre nicht hieher gekommen, wenn nicht mein Entschluß so fest gewesen wäre. Ich bin so fröhlich, als sollte ich zum Tanz gehen! Es ist Zeit, zeigt Eure Meisterschaft! Was zaudert Ihr länger – nehmt mein Herz!«

Als der Meister die Maid so fest entschlossen fand, brachte er sie zu dem Kranken mit den Worten zurück: »Es ist kein Zweifel mehr, daß Eure Jungfrau vollkommen geeignet ist. Freut Euch, ich mache Euch bald gesund!«

Hierauf führte er die Jungfrau in eine verborgene Kammer und drängte den armen Heinrich hinaus, damit er ihr Opfer nicht mitansehe. In diesem Raum hieß er sie nun die Kleider ablegen. Das tat sie entschlossen. Als sie der alte Meister ansah, dachte er, daß es in der ganzen Welt kein schöneres Geschöpf gebe, und sie erbarmte ihn so sehr, daß ihm das Herz fast verzagte. Hierauf hieß er sie auf einen hohen Tisch steigen, auf dem er sie festband. Dann ergriff er ein Messer, dessen Schärfe er zunächst ausprobierte; aber es schnitt nicht so gut, als ihm lieb gewesen wäre. Und da die Maid nun einmal doch nicht leben sollte, wollte er sie nicht leiden lassen. Daher nahm er einen Wetzstein und fing an, das Messer auf und ab zu streichen und zu schärfen.

Das hörte draußen der, für den sie sterben sollte. Den armen Heinrich jammerte sie unsäglich. Da blickte er durch eine Ritze in der Wand und sah, wie das makellose Mädchen gefesselt dalag. Plötzlich wandte sich sein Sinn. »Du Tor«, sprach er zu sich selber, »du willst leben und dieses Kind soll sterben? Was dir Gott beschieden hat, das nimm geduldig auf dich! Nein, ich will dieses Kindes Tod nicht annehmen!«

Herr Heinrich klopfte fest an die Wand und rief: »Laßt mich hinein!« Der Arzt antwortete: »Ich habe jetzt nicht Zeit, Euch einzulassen!« – »Nein, Meister, hört mich an!« 181

Da ließ ihn der Meister ein, und der arme Heinrich sprach: »Ich kann wahrhaftig den Tod dieses Kindes nicht annehmen. Gottes Wille geschehe an mir! Ich wünsche, daß sie wieder aufsteht. Den bedungenen Lohn gebe ich Euch, aber die Jungfrau sollt Ihr leben lassen!«

Als das Mägdlein sah, daß es nicht sterben und seinen Herrn erlösen sollte, wurde ihm das Herz schwer. Bitterlich weinend klagte es, daß man seinen Willen nicht erfülle. Dann wandte es sich zu dem armen Heinrich und rief: »Ich sehe wohl, die Menschen haben mich getäuscht; ich hörte sie immer sagen, Ihr hättet festen Mannesmut! Sie haben gelogen; denn Ihr seid der feigste Mann! Ihr getraut Euch nicht einmal, das geschehen zu lassen, was ich mir zu leiden getraue! Warum erschrakt Ihr denn, als ich gebunden war?« So bat und schalt das Mädchen ihn, aber umsonst. Es mußte sein Leben behalten.

Der arme Heinrich aber nahm Vorwurf und Spott hin. Als die Jungfrau wieder angekleidet und der Arzt bezahlt war, fuhr Heinrich in die Heimat zurück, obgleich er wußte, daß er dort in aller Mund nur Hohn und Spott finden würde. Das Mädchen aber weinte und klagte unaufhörlich.

Da zeigte der Allmächtige, wie lieb ihm Treue und Erbarmung ist; er beendete den Jammer beider und machte Heinrich wieder rein und gesund. So schnell besserte sich der Zustand des kranken Heinrich, daß er noch unterwegs wieder frisch, schön und jung wurde.

Als seine besten Freunde von seiner bevorstehenden Ankunft hörten, ritten sie ihm drei Tagreisen weit entgegen. Der Meier und sein Weib blieben auch nicht still zu Hause sitzen. Die Freude, die sie über die Nachricht empfanden, war unbeschreiblich. Ihre Herzen waren so bewegt, daß sie mit lachendem Mund Tränen vergossen. Nie wurde jemand in seiner Heimat mit größerer Liebe empfangen, als dies dem tapferen Mädchen geschah. Dem Meier und seinem Weib, denen Herr Heinrich von Schwaben so großen Dank schuldete, gab er das Neubruchland, wo er krank darniedergelegen hatte, zum Eigentum. Das Mägdlein umsorgte er mit sanfter Liebe, als wäre es seine angetraute Frau.

Als nun seine Freunde in ihn drangen, sich zu verehelichen, erklärte er: »Ich will nach meinen Verwandten senden und mich mit ihnen beraten.« Als alle beisammen waren, erhob sich ein großer 182 Streit im Rat seiner Verwandten, wen er sich zur Frau wählen solle. Da ließ der arme Heinrich verkünden: »Ihr Herren und Frauen, es ist euch allen wohl bekannt, daß ich vor kurzer Zeit in schwerster Krankheit lag und alle Menschen mich mieden. Jetzt scheut mich niemand mehr, und durch Gottes Gnade bin ich wieder gesund. Nun ratet mir alle, wie soll ich es dem vergelten, durch den ich wieder gesund worden bin?« Alle antworteten im Chor: »Euer Leib und Gut soll ihm untertänig sein!«

Das Mägdlein stand neben ihm, als sie das erklärten. Da sah Heinrich es liebreich an, umfing es und sprach: »Ihr Herren und Frauen, ich sage euch allen, daß ich dieser Jungfrau, die ihr neben mir stehen seht, meine Gesundheit verdanke, und mein Herz rät mir, daß ich sie zum Weib nehmen möge. Wenn dies Gott und euch gefällt, so soll es geschehen. Ist es aber nicht möglich, so will ich unverehelicht sterben; denn Ehre und Leben habe ich von ihr allein!«

Da antworteten alle, die zugegen waren: »Ja, so ist es geziemend und recht!« Somit stand ihrer Trauung nichts im Weg.

Lang und glücklich war ihr ferneres Leben, bis sie nach einem sanften Tod sich im ewigen Reich der Liebe wiederfanden.


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