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Troja war gefallen. Die heimsegelnde Flotte der Hellenen, vom Sturm halb vernichtet, hatte sich in ihren Überbleibseln wieder zusammengefunden, und auf der beruhigten See fuhren die Abteilungen der Griechen jede ihrer Heimat zu. Agamemnon, dessen Schiffe, von der Herrscherin Hera beschützt, keinen Schaden genommen hatten, steuerte rüstig auf die Küste des Peloponneses los. Schon nahete er dem spitzigen Felsenhaupte des Vorgebirges Malea in Lakonien, als ihn plötzlich aufs neue das Ungestüm eines Orkanes ergriff und ihn mit allen Fahrzeugen in die offene Flut des Meeres zurückwarf. Seufzend mit aufgehobenen Händen flehte der Völkerfürst empor zum Himmel und bat die Götter, ihn nicht nach so vielem Ungemach und nach mühselig vollbrachtem Willen der Himmlischen im Angesichte seiner Heimat mit so vielen tapferen Männern verderben zu lassen. Er wußte nicht, daß diesmal der Sturm sein Freund und von warnenden Gottheiten ihm zugesendet war: denn ihm wäre besser gewesen, an die fernste Barbarenküste verschlagen, in der Verbannung sein Leben zu beschließen, als seinen Fuß in den heimischen Königspalast Mykenes zu setzen.
Auf Agamemnons Geschlecht ruhete ein Fluch; von seinem Urahn Tantalos her war es unter Greueln erwachsen; ruchlose Gewalt hatte die einen seiner Glieder gestürzt, die andern erhoben; durch einen ungeheuren Frevel im eigenen Hause sollte auch Agamemnon das Ziel seines Lebens finden. Der Urgroßvater Tantalos hatte den zum Mahle geladenen Göttern seinen Sohn Pelops gekocht zu schmausen vorgesetzt, und nur ein Wunder hatte diesen Stammhalter des Geschlechts ins Leben zurückgerufen. Pelops, sonst unsträflich, ermordete seinen Wohltäter Myrtilos, den Sohn des Hermes, und half durch diesen Mord den Fluch des Hauses weiterspinnen. Myrtilos nämlich, der Stallmeister des Königs Önomaos, dessen Tochter Hippodameia Pelops durch den Sieg im Wagenrennen gewinnen sollte, ließ sich überreden, die Nägel aus dem Wagen seines Herrn zu ziehen und wächserne statt der eisernen einzustecken. Dadurch ging der Wagen des Önomaos auseinander, und Pelops gewann den Sieg und die Jungfrau. Als aber Myrtilos die versprochene Belohnung forderte, stürzte ihn Pelops, um keinen Zeugen seines Betruges zu haben, ins Meer. Vergebens suchte er den über diesen Frevel zürnenden Gott Hermes zu versöhnen, baute dem Sohn ein Grabmal und dem Vater einen Tempel: er und sein Geschlecht waren der Rache des Gottes verfallen.
In den Söhnen des Pelops, Atreus und Thyestes, wirkte der Fluch kräftig fort. Atreus war König zu Mykene, Thyestes neben ihm König im südlichen Teile des argolischen Landes. Der ältere Bruder besaß einen Widder, der goldene Wolle trug; nach diesem gelüstete Thyestes, den jüngeren; er verführte die Gemahlin des Bruders, Aërope, zur Untreue und erhielt von ihr das goldene Lamm. Als Atreus das doppelte Verbrechen seines Bruders inneward, hielt ihn keine Überlegung ab; er handelte wie der Großvater: heimlich ergriff er die beiden kleinen Söhne des Thyestes, Tantalos und Pleisthenes, setzte sie geschlachtet beim gräßlichen Gastmahle dem Bruder vor und gab ihr Blut zum Weine gemischt, dem unseligen Vater zu trinken. Dem zuschauenden Sonnengott kam über dieser Unmenschlichkeit ein solches Grauen an, daß er seinen Wagen rückwärts lenkte; Thyestes aber floh vor dem entsetzlichen Bruder nach Epiros zu dem Könige Thesprotos. Das Land des Atreus ward von Dürre und Hungersnot heimgesucht, und der befragende König erhielt vom Orakel die Antwort, die Landplage werde aufhören, wenn der vertriebene Bruder zurückberufen sei. So machte sich Atreus selbst auf den Weg, den Thyestes in seiner Zufluchtsstätte aufzusuchen, und führte ihn mit einem Sohne, namens Ägisth, in die alte Heimat zurück. Auch dieser Ägisth war das Kind eines Greuels und in seinem Asyle von Thyestes erzeugt. Aber er hatte geschworen, seinen Vater an dem Atreus und dessen Kindern zu rächen. Das erste vollführte er bald, nachdem die Brüder zusammen nach Mykene zurückgekehrt waren. Ihre Freundschaft war dort von kurzer Dauer gewesen, und Atreus hatte den Bruder in den Kerker geworfen. Da erbot sich Ägisth trügerischerweise dem Oheim, indem er sich über den Greuel seiner Geburt entrüstet stellte, den eigenen Vater umzubringen. In den Kerker eingelassen, verabredete er mit seinem Vater die Rache, zeigte dem Atreus ein blutiges Schwert, und als dieser, über den geglaubten Tod des Bruder fröhlich, am Meeresufer ein Dankopfer anstellte, stieß ihm Ägisth dasselbe Schwert in den Leib. Thyestes kam aus seiner Haft hervor und bemächtigte sich auf kurze Zeit des brüderlichen Reiches; aber der älteste Sohn des Atreus, Agamemnon, stellte ihm nach und rächte mit dem Stahl an ihm des Vaters Mord. Ägisth blieb verschont, er ward von den Göttern zum Fluche des Geschlechtes aufgehoben und regierte als König in dem alten Anteile seines Vaters im südlichen Lande.
Wie nun Agamemnon in den Krieg vor Troja gezogen war und seine Gemahlin Klytämnestra, über die Opferung ihrer Tochter Iphigenia grollend, im tiefen Mutterschmerze zu Hause saß, da deuchte Ägisth die rechte Zeit gekommen, auch dem Atriden mit seiner Rache zu nahen. Er erschien im Königspalaste zu Mykene, und der Wunsch, am unmenschlichen Gatten sich zu rächen, gab Klytämnestra nach langem Widerstreben der Verführung des Bösewichts preis, daß sie mit ihm als mit einem zweiten Gemahle Palast und Reich Agamemnons teilte. Von ihrem rechtmäßigen Gatten lebten in dessen Hause damals drei Geschwister der entrückten Iphigenia: ihr zunächst am Alter die kluge Jungfrau Elektra, eine jüngere Schwester Chrysothemis und ein kleiner Knabe Orestes. Vor ihren Augen nahm Ägisth von dem Ehebund und Palaste des Vaters Besitz. Das frevelnde Paar war jetzt, als sich der Kampf vor Troja zu seinem Ende neigte, nur darauf bedacht, daß der heimkehrende Agamemnon mit seiner furchtbaren Kriegerschar sie nicht unvorbereitet überraschen möchte. Seit Jahren war auf den Zinnen des Palastes ein Wächter aufgestellt, dem ein nächtliches Fackelzeichen von der Meergrenze des Landes her die Nachricht von der Eroberung Trojas und der Ankunft des Königes geben sollte. War die Kunde einmal gekommen, so sollte es an Zurüstungen nicht fehlen, dem Könige Agamemnon einen festlichen Empfang zu bereiten und ihn in die Falle zu locken, noch bevor er den wahren Zustand der Dinge in seiner Heimat erführe.
Endlich erglänzte die Fackel bei Nacht. Der Wächter eilte von der Zinne herab und meldete der Herrin das erblickte Zeichen. Mit Ungeduld erwarteten Klytämnestra und ihr Buhle den Morgen; und die Sonne war noch nicht lange aufgegangen, als schon ein Herold, von dem heimkehrenden König abgesandt, mit Olivenzweigen sein Haupt beschattend, auf den Palast von Mykene zugeschritten kam. Die Königin ging ihm mit verstellter Freundlichkeit entgegen. Doch sorgte sie, daß der Bote sich im Königshause nicht umsehen konnte, und als dieser in einer langen Erzählung seiner Siegesfreude Luft machen wollte, unterbrach sie ihn hastig und sprach: »Bemühe dich nicht; am besten werde ich das alles aus dem Munde meines königlichen Gemahles selbst erfahren. Kehre zurück und beschleunige seinen Weg. Sage ihm, wie erwünscht er mir und der Stadt komme und daß ich selbst mich zum Aufbruch anschicken werde, ihn nicht nur als meinen verehrten und geliebten Gatten, sondern auch als den herrlichen Eroberer einer weltberühmten Stadt nach Würden zu empfangen.«