Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Den Bogen wohlbekannt, erfaßt der Mann nunmehr,
Kehrt ihn nach rechts und links, besieht ihn hin und her.
Da spottet Einer: »Seht ihn doch den Bogen drehen!
Er hat wohl einen schon, der diesem gleicht, gesehen:
Mit Bögen handelt er, sucht den da nachzumachen;
Macht selber oder stiehlt vielleicht auch solche Sachen.«
Homers Odyssee.
Das schöne Mädchen näherte sich mit dem halb schüchternen, halb kecken Blick, der jungen Hausfrauen so wohl ansteht, wenn sie zugleich stolz und beschämt sind über die Pflichten der Wirthschaft, die ihnen obliegen, und flüsterte ihrem Oheim etwas in's Ohr.
»Konnten die einfältigen Buben nicht selbst ihre Botschaft anbringen? Was wollen sie, daß sie es nicht selbst fordern, sondern dich schicken müssen, darum zu bitten? Wäre es etwas Vernünftiges, so hätte es mir von vierzig Stimmen in die Ohren getönt, so bescheiden sind unsere Schweizer Jünglinge heutzutage.«
Sie beugte sich vorwärts und flüsterte ihm etwas zu, während er ihr mit seiner großen Hand die gelockten Haarflechten streichelte und erwiderte: »Den Bogen von Buttisholz, meine Liebe? Die Jungen sind doch gewiß seit letztem Jahr nicht stärker geworden, und damals konnte ihn keiner spannen. Aber dort hängt er mit seinen drei Pfeilen. Wer ist der erfahrene Kämpe, der zu einem Spiel herausfordert, in welchem er gewiß überwunden wird?«
»Der Sohn des Herrn da,« sagte das Mädchen. »Er kann sich mit meinen Vettern im Laufen, Springen, Stangenwerfen und Steinschleudern nicht messen, und hat sie nun herausgefordert, mit ihm zu reiten oder mit dem englischen Bogen zu schießen.«
»Das Reiten,« sagte der ehrwürdige Schweizer, »wäre schwer, wo es keine Pferde gibt, und wenn auch solche da wären, keinen ebenen Boden zum Wettrennen. Aber einen englischen Bogen soll er haben, da wir glücklicherweise einen solchen besitzen. Bring' ihn den jungen Leuten nebst den drei Pfeilen, meine Nichte, und sag' ihnen, daß, wer ihn spannt, mehr leistet, als Wilhelm Tell oder der berühmte Stauffacher hätten thun können.«
Als das Mädchen wegging, ihn von dem Platze zu holen, wo er unter dem Haufen von Waffen hing, die Philipson früher schon gesehen, bemerkte der englische Kaufmann, die Minstrels seines Landes würden ein so schönes Mädchen zu nichts als zum Bogenträger des kleinen blinden Liebesgottes machen, wenn sie ihr ein Amt anzuweisen hätten.
»Ich mag nichts von dem blinden Gott Cupido wissen,« sagte Arnold hastig und doch zugleich mit halbem Lachen. »Wir sind ganz betäubt worden von den Narrheiten der Minstrels und herumziehenden Minnesänger, seitdem diese wandernden Spitzbuben herausgefunden haben, daß Geld bei uns zu gewinnen ist. Ein Schweizer Mädchen sollte nichts singen als Albert Tschudi's Balladen, oder das lustige Lied vom Auszug der Kühe auf die Alpenweide und ihrer Heimkehr.«
Während er redete, hatte die Dirne aus den Waffen einen mehr als sechs Fuß langen Bogen von außerordentlicher Stärke und drei ellenlange Pfeile herausgesucht. Philipson bat, sie ansehen zu dürfen und prüfte sie genau. »Das ist ein zähes Stück Eibenholz,« sagte er. »Ich muß das kennen, denn ich habe zu meiner Zeit mit solchen Waaren gehandelt, und in Arthurs Alter hätte ich ihn so leicht spannen können, als ein Knabe eine Weide biegt.«
»Wir sind zu alt, um zu prahlen, wie Kinder,« sagte Arnold Biedermann mit einem Blicke leichten Vorwurfs auf seinen Gesellschafter. »Bring' den Bogen deinen Vettern, Anna, und wer ihn spannt, soll sagen dürfen, er habe Arnold Biedermann überwunden.«
Während er dies sagte, wandte er die Augen auf die magere, aber kräftige Figur des Engländers, und überflog dann mit dem Blick seine eigene stattliche Gestalt.
»Ihr müßt Euch erinnern, mein gütiger Wirth,« sagte Philipson, »daß die Waffen nicht durch Stärke gehandhabt werden, sondern durch die Geschicklichkeit und Gewandtheit der Hände. Ich muß mich sehr wundern, hier einen Bogen von Matthias von Doncaster zu sehen, einem Bogenmacher, der vor wenigstens hundert Jahren gelebt hat, und dessen Arbeiten durch ihre große Zähigkeit und Stärke merkwürdig sind. Selbst ein englischer Krieger kann sie jetzt kaum mehr führen.«
»Wie kennt Ihr so genau den Namen dessen, der den Bogen gemacht hat, werther Gast?« fragte der Schweizer.
»An dem Zeichen des alten Matthias,« versetzte der Engländer, »und den Anfangsbuchstaben seines Namens, die in den Bogen eingeschnitten sind. Nicht wenig wundert's mich, eine solche Waffe hier und in so gutem Zustande zu finden.«
»Sie ist,« sagte der Landammann, »wie sich's gehört, mit Wachs und Oel eingeschmiert und in gutem Stand erhalten worden als Andenken an einen denkwürdigen Tag. Es könnte Euch kränken, wenn ich die frühere Geschichte derselben erzählte, denn sie ward an einem für Euer Land unglücklichen Tage gewonnen.«
»Mein Vaterland,« versetzte der Engländer ruhig, »hat so viele Siege erfochten, daß seine Kinder wohl von einer einzigen Niederlage erzählen hören können. Aber ich weiß nichts davon, daß die Engländer einmal in der Schweiz Krieg führten.«
»Nicht gerade als Nation,« antwortete Biedermann, »aber es war in den Tagen meines Großvaters, daß ein großer Haufen herumschweifender Söldner aus fast allen Ländern, besonders aber aus England, der Normandie und Gascogne das Aargau und die angrenzenden Gegenden überschwemmte. An ihrer Spitze stand ein großer Kriegsmann, Ingelram von Couci, der einige Ansprüche an den Herzog von Oesterreich erhob. Sie zu befriedigen, verwüstete er das Gebiet von Oesterreich und unserer Eidgenossenschaft ohne Unterschied. Seine Krieger, für Geld gedungene Söldner, nannten sich Freischaaren, schienen keinem Land anzugehören und waren eben so tapfer im Gefecht, als grausam bei ihren Verwüstungen. Ein Stillstand in den beständigen Kriegen zwischen Frankreich und England hatte viele von dieser Bande ihrer ordentlichen Beschäftigung beraubt, und da sie ohne Krieg nicht leben konnten, so suchten sie ihn in unsern Thälern. Die Luft schien im Feuer zu stehen beim Glanz ihrer Rüstungen und die Sonne selbst ward von dem Flug ihrer Pfeile verdunkelt. Sie thaten uns viel Schaden und wir verloren mehr als eine Schlacht. Aber wir trafen sie bei Buttisholz und mischten das Blut manches Reiters (man nannte und achtete sie als Edle) mit dem ihrer Pferde. Die gewaltige Anhöhe, welche die Gebeine der Männer und Rosse bedeckt, heißt noch jetzt der englische Grabhügel.«
Philipson schwieg eine oder zwei Minuten und erwiderte dann: »Laßt sie im Frieden ruhen! Wenn sie unrecht thaten, so bezahlten sie es mit ihrem Leben, und das ist alles Lösegeld, was ein Sterblicher für seine Uebertretungen geben kann. Der Himmel sei ihrer Seele gnädig!«
»Amen,« versetzte der Landammann, »und der Seele aller tapferen Männer! Mein Großvater war in der Schlacht, man glaubte, er habe sich wie ein guter Krieger gehalten, und dieser Bogen ist seither in unserer Familie sorgfältig aufbewahrt worden. Es gibt eine Prophezeihung, die sich auf ihn bezieht, aber ich halte es nicht der Mühe werth, sie anzuführen.«
Philipson wollte eben weiter fragen, wurde aber durch einen lauten Schrei der Ueberraschung und des Erstaunens von Außen unterbrochen.
»Ich muß hinaus,« sagte Biedermann, »und sehen, was die wilden Jungen machen. Es ist nicht mehr wie früher in diesem Lande, da die jungen Leute es nicht wagten, ein Urtheil zu fällen, bis sie die Greise angehört hatten.«
Er trat zum Haus hinaus und sein Gast folgte. Die ganze Gesellschaft, welche den Spielen zugesehen, sprach zusammen, jauchzte und stritt in einem Athem. Arthur Philipson stand etwas entfernt von den Andern und stützte sich mit anscheinender Gleichgültigkeit auf den abgespannten Bogen. Beim Anblick des Landammanns schwieg Alles.
»Was bedeutet dieser ungewöhnliche Lärm?« sagte er und erhob die Stimme, auf welche Jedermann mit Ehrfurcht zu horchen gewöhnt war. – »Rüdiger,« redete er seinen ältesten Sohn an, »hat der junge Fremde den Bogen gespannt?«
»Ja, Vater,« sagte Rüdiger, »und er hat das Ziel getroffen. Solche drei Schüsse hat Wilhelm Tell nicht gethan.«
»Zufall, bloßer Zufall!« sagte der Schweizer von Bern. »Keines Menschen Geschicklichkeit hätte das vollbringen können, viel weniger ein schwächlicher Mensch, der in Allem, was er sonst mit uns versuchte, den Kürzeren gezogen hat.«
»Aber was hat er denn gethan?« fragte der Landammann. – »Nein, sprecht nicht Alle auf einmal! – Anna von Geierstein, du hast mehr Verstand und Lebensart, als diese Bursche, sag' mir, wie es bei dem Spiele hergegangen ist!«
Das Mädchen schien etwas betreten über diese Aufforderung, und schlug die Augen nieder, gab aber ruhig zur Antwort:
»Das Ziel war, wie gewöhnlich, eine Taube an einer Stange. Alle die jungen Leute, den Fremden ausgenommen, hatten sich mit Armbrust und Bogen daran versucht, ohne zu treffen. Als ich den Bogen von Buttisholz herausbrachte, bot ich ihn zuerst meinen Vettern an. Keiner wollte ihn nehmen, und Jeder, geehrter Oheim, sagte, eine Aufgabe, die Euch zu schwer sei, müsse es noch weit mehr für sie sein.«
»Da haben sie recht gehabt,« antwortete Arnold Biedermann; »und der Fremde spannte den Bogen?«
»Ja, mein Oheim, aber er schrieb zuerst etwas auf ein Stück Papier und gab es mir in die Hand.«
»Und er schoß und traf das Ziel?« fuhr der überraschte Schweizer fort.
»Er rückte zuerst die Stange hundert Ellen weiter hinaus, als sie zuvor gestanden,« sagte das Mädchen.
»Sonderbar,« sagte der Landammann, »das ist das Doppelte der gewöhnlichen Entfernung.«
»Dann spannte er den Bogen,« fuhr das Mädchen fort, »und schoß mit unglaublicher Schnelligkeit die drei Pfeile, welche er in seinen Gürtel gesteckt hatte, einen nach dem andern ab. Der erste spaltete die Stange, der zweite durchschnitt den Strick und der dritte tödtete den armen Vogel, wie er sich in die Luft erhob.«
»Bei der heiligen Maria von Einsiedeln!« sagte der alte Mann, indem er sich erstaunt umsah, »wenn eure Augen das wirklich gesehen haben, so habt ihr ein Bogenschießen erblickt, das in den Waldstädten ohne Beispiel ist.«
»Ich sage nein! mein verehrter Vetter,« versetzte Rudolph Donnerhügel, dessen Verdruß augenfällig war, »es war mehr Zufall, wenn nicht Täuschung oder Zauberei.«
»Was sagst du dazu, Arthur?« sagte Philipson mit halbem Lächeln, »kam dein Glück durch Zufall oder Kunst?«
»Mein Vater,« versetzte der junge Mann, »ich brauche Euch nicht zu sagen, daß ich ein bei einem englischen Bogenschützen nicht ungewöhnliches Kunststück gemacht habe; auch rede ich nicht diesem bauernstolzen und unwissenden jungen Mann zu lieb, aber unserem werthen Wirth und seiner Familie will ich Antwort geben. Dieser Jüngling beschuldigt mich, ich habe den Leuten die Augen geblendet oder das Ziel zufälligerweise getroffen. Was das Blendwerk betrifft, so ist dort die gespaltene Stange, das zerschnittene Band und der todte Vogel; man kann sie sehen und in die Hände nehmen, überdies wird dieses schöne Mädchen, wenn sie das Blättchen öffnen will, das ich ihr in die Hand gelegt, den sicheren Beweis darin finden, daß ich, bevor ich den Bogen spannte, die drei Punkte darauf bestimmt hatte, auf die ich zielen wollte.«
»Zeig' mir den Zettel her, gute Nichte!« sagte ihr Oheim, »und ende den Streit!«
»Nein, mit Eurer Erlaubniß, mein werther Wirth,« sagte Arthur, »es sind blos ein paar scherzhafte Reime, die nur dem Mädchen selbst vor Augen kommen sollen.«
»Und mit Eurer Erlaubniß, Herr,« sagte der Landammann, »was für die Augen meiner Nichte paßt, darf auch meine Ohren erreichen.«
Er nahm das zusammengerollte Papier von dem Mädchen, welche, als sie es weggab, tief erröthete. Die Handschrift darauf war so schön, daß der Landammann überrascht ausrief: »Kein Schreiber in St. Gallen hätte es hübscher machen können. Sonderbar,« fing er dann wieder an, »daß eine Hand, die einen Bogen so gut zu spannen im Stande ist, so kunstreiche Züge zu machen versteht.« Und auf's Neue rief er: »Ha, Verse, bei der heiligen Jungfrau! Was, haben wir Minstrels als Handelsleute verkleidet bei uns?« Dann machte er das Röllchen auf und las die folgenden Zeilen:
Treff' ich Pfahl, Schnur und Vogel dort, –
Ein Schütz aus England hält sein Wort, –
So gäb' ich, zieltest du nach mir,
Die drei für einen Blick von dir.
»Das sind feine Reime, werther Gast,« sagte der Landammann und schüttelte den Kopf; »schöne Worte, um tolle Wünsche in einem Mädchen zu erregen. Aber Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, das ist Brauch in Eurem Lande und wir wissen uns darnach zu richten.« Und ohne weitere Anspielung auf die Schlußzeilen, deren Vorlesung ihren Verfasser sowohl als den Gegenstand derselben in einige Verlegenheit brachte, fügte er ernsthaft hinzu: »Du wirst jetzt einräumen, Rudolph, daß der Fremde auf rechtmäßige Art die drei Ziele getroffen hat, die er sich selbst gesetzt?«
»Daß er sie getroffen hat, ist offenbar,« antwortete der, an welchen die Aufforderung gerichtet war, »aber daß er es auf rechtmäßige Art gethan, dürfte zu bezweifeln sein, so lange es in der Welt Dinge gibt wie Hexerei und Zauberei.«
»Schäme dich, schäme dich, Rudolph,« sagte der Landammann, »kann Zorn und Neid auf einen so wackern Mann, wie du, Einfluß haben, von dem meine Söhne Mäßigung, Nachsicht und Biederkeit sowohl lernen sollten, als männlichen Muth und Geschicklichkeit?«
Der Berner wurde blutroth bei dem Verweis, auf den er keine Erwiderung zu versuchen wagte.
»Zu Eurem Spiel bis Sonnenuntergang, meine Kinder,« fuhr Arnold fort; »ich und mein würdiger Freund wollen unsere Zeit auf einen Spaziergang verwenden, zu welchem der Abend jetzt günstig ist.«
»Mich dünkt,« sagte der englische Kaufmann, »ich würde gerne die Ruinen jenes Schlosses besuchen, welches an dem Wasserfall liegt. Es liegt etwas schwermüthig Erhabenes in einem solchen Anblick, der uns mit dem Unglück der eigenen Zeit versöhnt; denn er zeigt, daß unsere Vorfahren, die vielleicht verständiger oder mächtiger waren, dessen ungeachtet in ihren Tagen ähnliche Sorgen und Kümmernisse durchgemacht haben, wie die, unter welchen wir seufzen.«
»Ich halte es mit Euch, mein werther Herr,« versetzte sein Wirth. »Auf dem Wege wird sich auch Zeit finden, von Dingen zu sprechen, die Ihr wissen müßt.«
Der langsame Schritt der zwei ältlichen Männer entführte sie allmälig aus dem Bereich des Grasplatzes, auf welchem Geschrei und Gelächter wieder begonnen hatten.
Der junge Philipson, dessen Glück als Bogenschütze jede Erinnerung an frühere Fehler verwischt hatte, machte andere Versuche, sich in den Zeitvertreib der Landesangehörigen zu mischen, und errang nicht wenig Beifall. Die jungen Leute, welche erst kürzlich so bereit gewesen waren, zusammenzuhalten, wenn es galt, ihn zu verspotten, fingen ihn jetzt mehr zu beachten an. Rudolph Donnerhügel aber sah mit Verdruß, daß er nicht länger ohne Nebenbuhler in der Meinung seiner Vettern sei, vielleicht auch nicht in der seiner Base. Den stolzen Schweizer verdroß es gar sehr, daß er das Mißfallen des Landammanns erregt hatte und im Ansehen bei seinen Gesellschaftern gesunken war. Ja, er hatte sich einer noch kränkenderen Demüthigung ausgesetzt; und das Alles war, wie sein schwellendes Herz ihm sagte, durch ein fremdes Bürschchen gekommen, ohne Geburt oder Ruf, und der ohne die Ermuthigung eines Mädchens nicht von einem Felsen zum anderen steigen konnte.
In dieser aufgeregten Gemüthsstimmung trat er dem jungen Engländer näher, und während er sich die Miene gab, als ob er mit ihm von den Wechselfällen bei den Spielen redete, die noch immer fortgeführt wurden, zielte er bei dem, was er ihm zuflüsterte, auf ganz andere Dinge. Indem er Arthur mit der ungezwungenen Derbheit eines Bergbewohners auf die Schulter klopfte, sagte er laut: »Ernst's Bolze pfeift durch die Luft, wie ein Falk, wenn er unter dem Wind hinfliegt.« Dann fuhr er mit leiser, unterdrückter Stimme fort: »Ihr Kaufleute verkauft Handschuhe, handelt Ihr auch mit einzelnen, oder gebt Ihr sie nur paarweise?«
»Ich verkaufe keinen einzelnen Handschuh,« sagte Arthur, der ihn sogleich verstand, und sehr geneigt war, sich für die höhnischen Blicke des Berner Kumpans während des Essens und dafür zu rächen, daß er erst kürzlich sein glückliches Schießen dem Zufall oder der Hexerei zugeschrieben hatte. – »Ich verkaufe keinen einzelnen Handschuh, aber nie weigere ich mich, einen solchen einzutauschen.«
»Ihr seid schlau, seh' ich,« sagte Rudolph; »blickt auf die Spieler, während ich spreche, sonst errathen sie unser Vorhaben. Ihr habt eine schnellere Fassungskraft, als ich erwartete. Wenn wir unsere Handschuhe austauschen, wie soll Jeder den seinen wieder einlösen?«
»Mit unsern guten Schwertern,« sagte Arthur Philipson.
»In der Rüstung, oder wie wir da sind?«
»Wie wir da sind,« sagte Arthur. »Ich habe kein besseres Gewand, als dies Wamms, keine andere Waffe, als mein Schwert, und das, meine ich, ist für unsern Zweck hinreichend. Nennt Zeit und Ort!«
»Der alte Schloßhof von Geierstein,« entgegnete Rudolph, »die Zeit Sonnenaufgang; – aber wir werden beobachtet. – Ich habe meine Wette verloren, Fremdling,« fügte er laut und in gleichgültigem Tone hinzu, »denn Ulrich hat weiter hinausgetroffen, als Ernst. – Hier ist mein Handschuh, zum Zeichen, daß ich die Flasche Wein nicht vergessen werde.«
»Und hier der meine,« sagte Arthur, »zum Zeichen, daß ich sie in Lustigkeit mit Euch trinken will.«
So trafen zwei hitzköpfige Jünglinge unter den friedlichen, wenn auch rohen Spielen ihrer Kameraden Anstalten, ihre feindseligen Gesinnungen gegen einander zu befriedigen.