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Zweites Kapitel.

Ein paar Stunden seitwärts von Sankt-Leonard lag das Rittergut Dumbiedike mit seinem einst in der Gegend weit und breit gefürchteten Schlosse; denn der verstorbene Laird, von dessen Schnurren und Streichen im ersten Band die Rede gewesen, führte in seinen Mannsjahren eine gar derbe Klinge, trank und fluchte, fehlte bei keinem Hahnenkampfe und keiner Edeljagd und war ohne sein strammes Roß und seine Koppel bissiger Hunde nicht wohl zu denken. Aber sein Sohn war ein anderer, und durch ihn hatte das alte ritterliche Ansehen des Geschlechts nicht profitiert, denn er war ein ebenso sparsamer, bedächtiger und weltscheuer Mann, wie der Vater gierig und geizig, roh und aufdringlich gewesen war.

Schluß Dumbiedike war kein architektonisches Meisterwerk, sondern konnte kaum für mehr als einen schlichten Landedelsitz gelten. In jedem seiner drei Stockwerke lag bloß ein einziges großes Gemach, das durch ein halbes Dutzend Fenster sein Licht erhielt, die aber alle zusammen mit ihrer spitzen Form und ihrem wuchtigen Rahmen nicht soviel Licht gaben wie heute ein einziges, richtig angelegtes Fenster. Durch einen halbrunden Turm gelangte man zu den oberen Stockwerken; das Dach war nicht mit Schiefer, sondern mit rohen, grauen Steinen gedeckt. Ein paar niedrige, verfallene Nebengebäude, durch eine verfallene Mauer mit ihnen verbunden, lagen um den Hof her, der ehedem gepflastert gewesen; jetzt sproßten Gras und Disteln munter aus den Ritzen zwischen den Fliesen. Ueber dem niedern Torwege, der in den Hof hinein führte, war etwas wie ein Wappen in den Stein gehauen, und über dem innern Eingange hing schon seit mehreren Jahren das moderne Wappenschild Lawrence Dumbies von Dumbiedike, zum Zeichen, daß er bei seinen Vätern auf dem Kirchhofe von Newbattle in Frieden ruhe.

Zu dieser Stätte, nicht der Armut, aber des langsamen Verfalls infolge von Trägheit und Stumpfsinn ihres dermaligen Besitzers lenkte Jeanie nachts die Schritte und trat schüchtern, fast beschämt, am frühen Morgen in den Innenhof. Einem schlichten Landkinde wie ihr, das außer der bescheidenen Hütte ihres Vaters kaum ein anderes Heim gesehen, mußte Schloß Dumbiedike als stattlicher Wohnsitz und der damit verbundene Land- und Feldbesitz, der sich um dasselbe herum erstreckte, als Zeichen großen Reichtums erscheinen; aber in ihr redliches, ehrliches, schlichtes Gemüt fand jetzt, als sie das Heim ihres alten, getreuen Verehrers mit eigenen Augen erblickte, kein Gedanke den Weg, der zu den Empfindungen im Widerspruch gestanden hätte, die dort bisher gewohnt hatten, und nicht einen Augenblick fühlte sie sich in Gefahr, dem Laird, Butler oder sich selbst auch nur das leiseste Unrecht anzutun.

Da sie den Laird selbst zu sprechen wünschte, sah sie sich in den Wirtschaftsgebäuden nach jemand von der Dienerschaft um, der sie bei ihm melden könne. Aber alles war noch still auf dem Hofe. Sie klinkte eine Tür auf, die zu einem leeren Raume führte: dem einstigen Hundezwinger des alten Laird, der dem Anscheine nach jetzt als Waschküche benutzt wurde. Eine andere Tür, mit der sie es versuchte, zeigte den Raum ohne Dach, in welchem, nach ein paar vermoderten Stangen und an den Wänden herumhängenden Riemen und Federspielen zu schließen, die Falken des verstorbenen Lairds gehaust hatten. – Eine dritte Tür führte zum Steinkohlenschuppen, dessen reichliche Vorräte auf die Vorliebe des jetzigen Lairds für eine warme Stube schließen ließen. Nun kam sie an die Tür, die zu dem Stalle führte; ihren alten Bekannten, den eigensinnigen Klepper vom Hochlande, hatte sie draußen grasen gesehen, aber daß er hier seine Unterkunft hatte, bekundeten Sattel und Zaum, ihr ebensogut bekannt, die halb an der Mauer, halb auf die Streu hernieder hingen. In der andern Stallhälfte, durch einen Querbaum geschieden, stand eine Kuh, die, als sie Jeanies ansichtig wurde, ein lautes Gebrüll ausstieß. Jeanie, die ja daheim beim Vater die Kühe wartete, verstand sogleich, was das Tier wollte, trat zu seiner Krippe und schüttete ihm Futter auf. Wie alles in dem verlotterten Herrensitze, war auch der Kuhstall schlecht versorgt; in dem Augenblick aber, als sie dem Tiere Futter streute, kam die Magd hereingetrottet, die sich noch verschlafen die Augen rieb und, als sie eine fremde Person verrichten sah, was sie längst hätte verrichtet haben sollen, mit wildem Geheul, als sei ihr der Gottseibeiuns erschienen, auf den Hof hinaus rannte. »Der Kobold! Der Kobold!« schrie sie, wie besessen ...

Nun ging in dem Schlosse seit alters die Sage, es gehe darin ein Hausgeist herum, das träge Gesinde zu schrecken. Aber um so geringere Lust die Magd haben mochte, von ihrer Trägheit zu lassen, um so lauter zeterte sie jetzt auf dem Hofe, daß ein anderes Wesen sich der Kuh erbarmt hatte, die sie bis in den Morgen hinein hatte hungern lassen, und ihr Geschrei verfehlte natürlich nicht, die andern faulen Schläfer des Herrensitzes munter zu machen. Jeanie, bemüht, keinerlei Unruhe zu stiften, war hinter dem Schreihalse her auf den Hof getreten und versuchte, ihm gut zuzureden; aber schon hatte sich die alte – wie böse Zungen sagten – Busenfreundin des verblichenen und die Hausverwalterin des dermaligen Lairds aus den Federn gemacht und gleichfalls auf den Hof hinunter begeben, eine ansehnliche, korpulente Person, die zwischen vierzig und fünfzig Jahren gewesen sein mochte, als der alte Laird das Zeitliche segnete, und nun an die siebzig heranreichte. Eifersüchtig über ihr Amt und Ansehen im Hause wachend, keineswegs jedoch in Unkenntnis darüber, daß ihre Macht nicht mehr auf so festen Füßen stand wie ehedem, hatte sie ihre Nichte zu sich genommen, eben die Magd, die jetzt mit ihrem Geschrei den Hof erfüllte. So eifrig aber Jeanet Balchristie – so hieß die wackre Dame – es auch darauf angelegt hatte, den jungen Laird in ihre Netze zu ziehen, so war der Laird doch nicht zu der Erkenntnis zu bringen gewesen, daß neben Jeanie Deans auch noch eine Jeanet Balchristie auf der Welt und obendrein in größerer Nähe von ihm existiere, hatte es aber auch nicht hindern können, daß sich Jeanet Balchristie über seine täglichen Ritte nach Sankt-Leonard hinüber ihre eigenen Gedanken machte und auf Jeanie Deans einen besonderen Groll hatte. Da sie nun heute zwei Stunden früher aus dem Schlafe gerissen wurde, als sonst, war sie begreiflicherweise auch in noch schlechterer Laune als sonst, und nicht bloß erbost auf die Nichte, die sie durch ihr Geschrei geweckt, sondern noch weit erboster auf Jeanie, die der Nichte Ursache zu dem Geschrei gegeben hatte. Aber da sie die Augen noch nicht recht aufmachen konnte, erkannte sie Jeanie nicht gleich, sondern fuhr sie grob an, wer sie sei und was sie so früh hier zu suchen habe?

Jeanie antwortete: »Ich habe eine Bitte an den Laird, liebe Frau Balchristie,« aber sie sprach es sehr schüchtern, denn wie immer, wenn der Vater sie einmal zu ihr geschickt hatte, etwas zu bestellen, fürchtete sie sich vor ihrem zänkischen Wesen.

»Liebe Frau Balchristie,« wiederholte die Alte fuchswild, »wer seid Ihr denn? Da könnte jede kommen!« – »Aber kennen Sie mich denn nicht, Frau Balchristie? Ich bin ja Jeanie Deans!«

»Was? die Jeanie Deans?« rief die Alte, sich verwundert stellend, »wirklich? Jeanie Dämon müßtet Ihr eher heißen!« und sie trat dicht vor sie hin und maß sie mit boshafter Neugierde. »Habt ja mit Euerm Vater ein feines Stückchen verübt, solch armes, unschuldiges Würmchen umzubringen! Ein wahrer Segen, daß wir in Schottland noch Gesetze haben! Sonst käme Euer liederliches Stück von Schwester womöglich noch gar nicht mal an den Galgen, was doch jammerschade wäre! Und solch erbärmliches Gesindel rennt ehrlichen Leuten in aller Herrgottsfrühe das Haus ein? verlangt in aller Herrgottsfrühe zu anständigen Junggesellen geführt zu werden? Schert Euch! Hinaus! Vom Hofe!«

Jeanie, entsetzt über diese gemeine Deutung ihres Besuchs, hatte schon den Rücken gewandt, um den Hof zu verlassen, während die grobe Frau noch lauter schrie, da ging ein Fenster auf, und der Kopf des Lairds, mit dem Tressenhute des Vaters, lugte heraus, um zu sehen, was seine sonst so verschlafene Hausverwalterin so früh in solche Wut versetzte. Zu seiner nicht geringen Verwunderung sah er Jeanies wohlbekannte Figur auf dem Rückzuge aus seinem Gute begriffen, verfolgt von der Haushälterin, die ihr, den Arm in die Hüfte gestemmt, zitternd vor Wut und die Faust ballend, die gröbsten Verwünschungen zuschrie.

Er geriet außer sich vor Wut. »Satansweib!« schrie er zum Fenster hinunter, »wer gibt Dir das Recht, die Tochter eines redlichen Mannes auf meinem Grund und Boden so zu behandeln?«

Frau Balchristie merkte sofort, daß mit dem Laird nicht zu spaßen sei, denn aus seiner Trägheit kam er nur in den ernstesten Fällen, und suchte sich, so gut sie konnte, zu entschuldigen, es wäre ihr ja bloß um seine Ruhe gegangen, und die Mamsell könnte doch wiederkommen, statt ihn so früh zu stören, u. s. w.

Aber der Laird schrie: »Maul gehalten, alte Hexe! und der Teufel soll Dir ins Genick fahren, wenn ich recht gehört habe. Jeanie, Dirne, komm ins Wohnzimmer herein! Ich bin gleich unten. Kehr Dich nicht an den alten Satan!«

»Na, so schlimm war's ja nicht gemeint,« sagte Jeanet darauf zu ihr, »ich konnt's doch nicht wissen, daß Sie sich mit dem Laird besprochen hatten. Warum sagen Sie mir das nicht gleich? Ich weiß doch, wie es im Leben zugeht. Na, so treten Sie, bitte, näher!«

Jeanie wich vor ihr zurück. »Ich habe mich mit dem Laird nicht besprochen,« sagte sie, »ich habe nur weniges mit ihm zu reden, und es kann gerade so gut auf dem Hofe geschehen, wie in der Stube.« '

»Draußen auf dem Hofe?« versetzte die Alte; »aber so unhöflich werden wir doch nicht sein! Was macht denn der wackre Vater?«

Das Erscheinen des Lairds enthob Jeanie der Mühe, auf die heuchlerische Frage zu antworten.

»Scher Dich und sieh nach dem Frühstück,« fuhr er die Alte an; »mach auch ein tüchtiges Feuer an! Komm, Jeanie, Dirne! Setz Dich ein bißchen!«

»Nein, Laird, ich kann nicht in die Stube treten, ich habe noch einen weiten Weg heute vor, noch viele Meilen, wenn meine Füße mich tragen wollen.«

»Noch viele Meilen zu Fuß? Da sei der Himmel vor!« rief der Laird, »Jeanie, Dirne, das geht nicht! Ich sage Dir, komm herein und setz Dich!«

»Was ich zu sagen habe, kann auch hier geschehen, Laird, und die Frau Balchristie.«

»Der Teufel soll sie holen, zu schleppen hat er schon an ihr!« erwiderte Dumbiedike, »Jeanie, Dirne, viel Worte sind meine Sache nicht; aber Herr in meinem Hause bin ich und in Zucht halte ich alles, wenn mir auch mein Klepper manchmal nicht pariert. Bloß ist's mir manchmal zuwider, bis mir schließlich 'mal die Galle überläuft.«

»Ich komme, Laird,« sagte Jeanie, die Notwendigkeit, ihr Anliegen sogleich vorzubringen, erkennend, »um Ihnen zu sagen, daß ich eine Reise vorhabe, ohne Vorwissen des Vaters.«

»Ohne Vaters Wissen, Jeanie?« fragte er; »ist das recht? Das mußt Du noch einmal überlegen, Jeanie! Es ist nicht recht,« sagte er nach einer Weile, und sein Gesicht zeigte eine sehr besorgte Miene.

»Wenn ich nur erst da wäre, in London,« sagte Jeanie, in der Absicht, sich zu rechtfertigen, »da fände ich dann schon Mittel und Wege, die Königin um meiner Schwester Leben zu bitten.«

»London?« rief der Laird, außer sich, »zur Königin? Der Schwester Leben? Die Dirne ist von Sinnen!«

»Nein, Laird, von Sinnen bin ich nicht,« versetzte Jeanie; »aber nach London zu gehen, ist mein fester Entschluß, und sollte ich mich von einer Tür zur andern betteln. Was anderes aber wird mir nicht übrig bleiben, sofern Sie mir nicht etwas Geld für die Reise leihen. Es soll nicht viel sein; aber Sie wissen, mein Vater ist wohlhabend und wird nicht leiden, daß jemand, am wenigsten Sie, Laird, durch mich zu Schaden kommen.«

Der Laird traute kaum seinen Ohren, als er diese Worte hörte. Er sah starr auf den Boden und fand kein Wort der Erwiderung.

»Ich sehe, Laird, Sie wollen nicht,« sagte Jeanie, »nun, dann Adieu! Aber sehen Sie recht oft nach dem Vater! Er wird jetzt recht allein sein.«

»Wo will sie hin, die alberne Dirne?« rief Dumbiedike, indem er sie bei der Hand nahm; »ich hab's ja schon immer sagen wollen; es ist mir aber immer in der Kehle stecken geblieben,« sagte er halb zu sich selber; dann führte er sie in das Haus und in ein altertümliches Zimmer, dessen Tür er hinter ihnen abschloß und verriegelte. Jeanie, blieb, verwundert über sein Verhalten, an der Tür stehen; der Laird ließ ihre Hand los und drückte auf eine Feder in dem Wandgetäfel, wodurch sich ein geheimer Schrank öffnete. Tief in die Wand eingelassen, stand hier ein großer eiserner Kasten, den der Laird aufschloß. Darin lagen verschiedene lederne Beutel, mit Gold und Silber bis zum Rande gefüllt. Bald Jeanie, bald seinen Schatz wohlgefällig betrachtend, sagte er: »Sieh, Jeanie, Dirne, das ist meine Bank; mit Wechseln und Papiergeld, wie andere Leute, habe ich nicht gern was zu tun. Das bringt den Menschen bloß ins Malheur!« Dann schlug er einen anderen Ton an und sprach bestimmt und fest: »Jeanie, Dirne, noch ehe die Sonne untergeht, will ich Dich zur Lady Dumbiedike machen, und dann kannst Du, wenn Du Lust hast, in meiner Karosse nach England fahren.« '

»Laird! Meines Vaters Herzeleid! Meiner Schwester Schande!« rief Jeanie; »nein! Es kann nicht sein! Es wäre zu herbe Kränkung für Sie!«

»Das geht mich an, Jeanie, Dirne! Und wären Sie keine dumme Person, so würden Sie das mit keinem Worte berühren. Aber gerade um deswillen mag ich Sie nur noch lieber! Gescheit braucht bei Eheleuten bloß einer zu sein. Das reicht! Aber Ihnen ist heute das Herz schwer, Jeanie, Dirne. Drum wollen wir's heute lassen, bis Sie zurück sind. Nehmen Sie soviel Geld, wie Sie wollen. Mir kommt es ja auf den Tag nicht an.«

Jeanie hatte die Empfindung, daß es einem so wunderlichen Liebhaber gegenüber notwendig sei, sich deutlich zu erklären; drum sagte sie: »Aber, Laird, ich habe einen andern Mann lieber als Sie und kann Sie deshalb nicht zum Manne nehmen.«

»Einen andern Mann lieber als mich?« wiederholte der Laird, »wie kann das sein, Jeanie, Dirne? Du kennst mich doch schon so lange! Jeanie, Dirne! Das kann nicht sein.«

»Laird,« versetzte das schlichte Mädchen, »den andern kenne ich länger.«

»Länger? Jeanie, Dirne, das kann nicht sein! Du bist ja auf meinem Gute geboren! Aber, Jeanie, Du hast noch lange nicht alles gesehen, was ich besitze.« – Er zog ein paar Kästen in dem Wandschranke auf. »Da, sieh! Alles Gold, und hier blankes Silber. Da hast Du mein Kontobuch! Bare dreihundert Pfund Sterling! Und meiner Mutter Garderobe, und meiner Großmutter Garderobe, schwere Seidenkleider mit Spitzen wie Spinngewebe, und Ringe und Ohrbommeln dran. Es liegt alles im Sterbezimmer. Jeanie, Dirne! Geh mal hinauf und sieh Dir alles an!«

Aber Jeanie blieb fest und unerschütterlich. »Laird! Es kann nun einmal nicht sein, ich hab dem andern das Wort gegeben, und das kann ich nicht brechen.«

»Ihm das Wort gegeben?« wiederholte der Laird verdrießlich, »und wer ist's denn, Jeanie? Geh, Du hast mich bloß zum besten. Daß es so einen gibt, glaube ich einfach nicht. Du zierst Dich bloß! Sage es mir, wer es ist, und was er ist!«

»Reuben Butler ist's, der Lehrer von Libberton,« antwortete Jeanie.

»Butler? Reuben Butler?« wiederholte der Laird, außer sich in der Stube auf und ab schreitend; »der Hilfslehrer? der Sohn meines Instmanns? Na, wie Sie wollen, Jeanie! Dirnen sollen ihren Willen haben. Aber der Mensch hat ja keinen roten Heller im Sack und nichts auf dem Leibe als einen alten, abgetragenen Rock. Aber Dirnen wollen 'mal ihren Willen haben. Schön! Es hat weiter nichts auf sich!« Mit diesen Worten stieß er heftig einen Kasten nach dem andern wieder zu. »Guter Wille findet oft keinen Dank, Jeanie, Dirne! Und wohl kann einer ein Pferd zur Tränke führen; aber keine zwanzig können's zum Saufen zwingen, wenn's nicht saufen will. Aber mein Geld verschleudern, damit sich andre einen guten Tag machen, nein! nein! Das tue ich nicht.«

Jeanies Stolz empörte sich ob dieser letzten Worte. »Ich habe Euer Gnaden um nichts gebeten, das solche Auslegung verdiente. Lebt wohl, Laird! Dem Vater haben Sie viel Freundschaft erwiesen, und ich will Ihrer immer in Freundschaft gedenken.«

Sie stand auf und verließ das Gemach. Wohl rief er ihr nach: »Aber, Jeanie, Dirne! So bleib doch!« Jeanie aber, der Worte nicht achtend, ging raschen Schrittes über den Hof und begann ihre Wanderung, das Herz voll Scham und Verdruß darüber, daß ihr die kleine, voll Vertrauen erbetene Gunst wider Erwarten versagt wurde. Als sie sich auf der freien Landstraße sah, verlangsamten sich ihre Schritte. Bange Sorge, durch diese unvorhergesehene Täuschung wachgerufen, kam über sie. Sollte sie sich wirklich bis London betteln? Oder sollte sie umkehren und den Vater einweihen? Wieviel Zeit ging wieder verloren, wenn sie sich noch einmal nach Edinburg begab! Aber sie schritt langsam in der Richtung weiter, die sie eingeschlagen hattet und die die Richtung nach London war. Da klang plötzlich Hufschlag an ihr Ohr, und dann wurde ihr Name gerufen. Sich umsehend, erkannte sie, auf ungesatteltem Klepper, im Schlafrock, Pantoffeln und Tressenhut, wie er sie empfangen, den Laird von Dumbiedike! In dem Eifer, hinter ihr herzusetzen, hatte er sogar Rory Bean, den störrischen Klepper, auf den Weg gezwungen, den heute er reiten wollte! Und alles Bocken hatte dem Biest nichts geholfen, heute hatte es seinem Herrn parieren müssen. Jetzt hatte er Jeanie erreicht, und seine ersten Worte waren: »Jeanie, es heißt doch bei den Leuten, man müsse die Dirne nicht gleich beim Worte nehmen!«

Jeanie blickte nicht auf und blieb nicht stehen, aber sie sagte: »Meinem Worte, Laird, können Sie trauen, denn ich kann niemandem was anders als die lautere Wahrheit sagen.«

»Nun, dann sollten doch Sie wenigstens nicht gleich einen Mann beim Worte nehmen!« rief der Laird, »ohne Geld können Sie die Reise nicht machen, daran ist nicht zu denken. Hier haben Sie Geld,« und er gab ihr eine kleine Börse in die Hand, »gern gäb ich den Rory Bean noch drein, aber er ist ein so störrischer Racker, daß er bloß seinen Weg gehen will, ganz wie Sie, Jeanie, Dirne, ganz wie Sie!«

»Aber, Laird, wenn Ihnen der Vater das Geld auch zurückerstatten wird auf Heller und Pfennig, so möchte ich doch nicht borgen von jemand, der vielleicht was anders dafür erwartet hat.«

Dumbiedike seufzte tief. »Jeanie, Dirne, es sind fünfundzwanzig Guineen. Ihr Vater mag sie mir wiedergeben oder nicht: Sie selbst enthebe ich jeglicher Verbindlichkeit. Gehen Sie, wohin Sie wollen, tun Sie, was Sie wollen, heiraten Sie soviel Butlers Sie wollen! Und nun Adieu, Jeanie, Dirne! Adieu!«

»Laird, der liebe Gott segne Sie mit vielen, vielen frohen Tagen!« sagte Jeanie, und ihr Herz war durch die seltsame Großmut dieses seltsamen Menschen tiefer ergriffen, als es dem armen Lehrer von Libberton vielleicht recht gewesen wäre.

Er machte Kehrt, nachdem er noch einmal mit der Hand gewinkt hatte, und gab seinem Klepper die Sporen und nun muß ich freilich ihm hinterher sagen, daß ein Liebhaber, der im Schlafrock, Tressenhut und in Pantoffeln von einem störrischen Klepper im Galopp hinweggeführt wird, eine so possierliche Erscheinung abgibt, daß man sich nicht zu wundern braucht, wenn selbst ein Mädchen wie Jeanie, trotz alles heißen Dankes in der Brust, die schwache Regung zu seinen gunsten erstickt und zu seiner alten Liebe zurückkehrt. »Ein guter, guter Mensch,« sagte sie, ihm nachblickend, »bloß schade, daß er solch störrischen Gaul reitet!«


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