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Gerade drei Wochen war Jeanie in London, als Herr Archibald, der Kammerdiener des Herzogs, in einer Equipage vor dem Laden der Frau Glas vorfuhr. Nach herzlicher Verabschiedung von der Tante stieg sie ein, und alsbald trieb der Kutscher die Pferde an, nachdem Herr Archibald den Platz ihr gegenüber eingenommen hatte. Jeanie war nicht wenig überrascht, als sie, vor dem herzoglichen Palais angelangt, vernahm, daß der Herzog sie noch einmal zu sehen wünsche; aber weit größer noch wurde ihre Ueberraschung, als sie den Fuß in ein herrlich eingerichtetes Prunkzimmer setzte, in welchem der Herzog mit seiner Gemahlin und seinen Kindern versammelt war. »Da, meine Liebe,« sagte der Herzog, Jeanie an der Hand nehmend und zu seiner Gemahlin führend, »ist meine kleine Landsmännin.« Die Herzogin reichte ihr huldvoll die Hand und sagte ihr mit wenigen, aber herzlichen Worten, daß sie einen Charakter, der so fest und zäh an der für recht erkannten Sache halte, anderseits soviel aufopfernde Liebe berge, aus vollem Herzen hochschätze, und schloß ihre Anrede mit der Versicherung, »daß sie wohl noch von ihr hören werde, wenn sie den Fuß in die Heimat setzen werde«, worauf die kleinen Prinzessinnen eine nach der andern hinzusetzten: »Und von mir auch! von mir auch!« – Die älteste von ihnen aber trat auf Jeanie zu und reichte ihr die Hand. »Ja, Jeanie, Du wirst noch von uns allen dort hören, denn Du gereichst der lieben, lieben Heimat zu großer Ehre!«
Jeanie, von so vielem Lobe höchlich überrascht, – wußte sie doch nicht, daß der Herzog sich Nachricht über den Verlauf des gegen ihre Schwester geführten Prozesses verschafft und auf diese Weise auch Auskunft über ihr Verhalten während desselben bekommen hatte, – errötete tief und stammelte: »Vielen, vielen Dank!« – »Aber, meine liebe Landsmännin,« nahm nun der Herzog das Wort, »ohne einen Abschiedstrunk darfst Du doch nicht reisen!« Mit diesen Worten nahm er von dem Tische, auf dem Wein und Kuchen standen, ein Glas und brachte den Spruch aus: »Auf aller treuen Herzen Wohl, die unser Schottland lieben!« Aber Jeanie lehnte es ab, ihr Glas zu leeren, indem sie sagte, sie habe noch nie in ihrem Leben einen Schluck Wein genossen.«
»Warum denn nicht, Jeanie?« fragte der Herzog; »der Wein erfreut ja doch des Menschen Herz!«
»Mein Vater, gnädiger Herr,« antwortete Jeanie, »ist wie Jonadab, der Sohn Rehabs, der seinen Kindern gebot, keinen Wein über die Lippen zu bringen.«
»Ich hätte Deinen Vater für verständiger gehalten,« antwortete der Herzog, »es müßte denn sein, daß er dem Branntwein hold ist. Aber, Jeanie, essen mußt Du doch wenigstens, denn einen Teil seines heiligen Rechts mußt Du meinem Hause schon lassen.« Mit diesen Worten nötigte er sie, ein Stück Kuchen zu nehmen; und litt nicht, daß sie einen Bissen davon weglegte. »Was Du jetzt nicht essen kannst oder magst,« sagte er, »das tu in Deine Reisetasche. Ehe Du die Turmspitze von Saint-Giles zu Gesicht bekommst, wirst Du längst damit aufgeräumt haben. Ich wünschte von ganzem Herzen, ich könnte sie auch so bald sehen wie Du. Nun, zum wenigsten grüße mir alle meine lieben Freunde droben in Schottland, und Dir selbst, Kind, wünsche ich eine recht, recht glückliche Reise dorthin!«
Darauf überantwortete er sie Archibalds Fürsorge, und in kurzen Tagereisen, um die Fohlen nicht zu übernehmen, die der Herzog bei dieser Gelegenheit mit nach dem Norden sandte, gelangten sie bis in die Gegend von Carlisle. Unfern der alten Stadt erblickte sie auf einem kleinen Hügel, in geringem Abstande von der Heerstraße, einen Haufen Volks und hörte von Leuten, die auf dem Wege dorthin an ihnen vorbeieilten, daß eine schlimme Hexe aus Schottland gehenkt werden solle, die die Gegend schon lange durch ihre Diebereien unsicher gemacht habe, und die mit dem Strick noch viel zu gnädig wegkäme, da sie mit ebensolchem Rechte den Scheiterhaufen verdient habe.
»Die Magd, der die Milchkammer in Inverary übergeben werden sollte, rief, als sie die Kunde vernommen: »Ach, liebster Herr Archibald, ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gesehen; lassen Sie uns doch hinüberfahren!« Herr Archibald aber, der sich als Schotte keinen Genuß von der Hinrichtung einer Landsmännin, wenn sie auch Hexe und Diebin war, versprach, zudem auch Einsicht und Zartgefühl genug besaß, um Jeanie nicht einen Anblick zu bieten, der ihr das schreckliche Los, dem die Schwester um Haaresbreite verfallen wäre, vor Augen führte, – Herr Archibald antwortete, daß er unmöglich halten lassen dürfe, da er zu ganz bestimmter Zeit, gewisser Aufträge des Herrn Herzogs halber, in Carlisle sein müsse. Er hieß deshalb die Postillone weiter fahren. Die Augen der neugierigen Jungfer, Dolly Dutton mit Namen, wichen aber nicht von der kleinen Höhe, die den Schauplatz des grausen Ereignisses bildete. Trotz der Entfernung ließen sich die Hauptgestalten ziemlich genau unterscheiden, und mit einem Male kündete ein lauter Schrei aus ihrem Munde den Vollzug der schrecklichen Prozedur an. Jeanies Blicke nahmen unwillkürlich die gleiche Richtung. Aber als sie den Leib der Verbrecherin an dem Galgen in die Höhe schnellen sah, als sie sich vorstellte, welchem schrecklichen Schicksale ihre arme Schwester hatte verfallen sollen, da mußte sie sich abwenden, denn sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Ihre Gefährtin bestürmte sie mit Fragen und Versicherungen ihrer Teilnahme, mit Angeboten von Beistand und Hilfe, rief, der Wagen solle halten, ein Arzt solle geholt, Tropfen oder Hirschhornsalz sollte herbeigeschafft werden; Archibald aber, der die Ruhe auch jetzt nicht verlor, befahl den Postillonen, flotter zu fahren, damit man bald aus dem Sehbereiche der Hinrichtungsstätte gelange. Dann erst ließ er, durch die Leichenblässe, die Jeanies Gesicht verfärbte, bestimmt, halten und stieg aus, um eine Arzenei zu holen, leichter erhältlich und wirksamer als alle von Dolly Dutton vorgeschlagenen Mittel, einen Trunk frischen Wassers nämlich. Inzwischen trollten all die Menschen, die der grausen Prozedur beigewohnt hatten, an dem Wagen vorbei ihren Heimstätten zu, und aus ihren Reden entnahm Jeanie, daß die Verbrecherin als verstockte Sünderin, ohne alle Spur von Gottesfurcht, in den Tod gegangen sei. Als eben ein Troß von Buben und Dirnen sich vom Richtplatze heranwälzte, schreiend und johlend, kam Archibald mit dem endlich gefundenen Quellwasser zurück. Da sah Jeanie, daß in der Mitte der Schar eine lange, wunderlich herausstaffierte Person weiblichen Geschlechts, bald hüpfend, bald tanzend, sich vorwärts bewegte.
Eine schreckliche Erinnerung trat vor ihre Seele, als sie das unglückliche Wesen erblickte. Aber auch dieses erkannte sie, und mit jäher Gewalt die Menge auseinander schiebend, rannte sie zu der Kutsche, klammerte sich an den Wagenschlag und schrie, zwischen Weinen und Lachen:
»Jeanie, Jeanie Deans, weißt Du auch, eben haben sie die Mutter gehängt!« Dann begann sie auf einmal zu jammern und zu schreien: »O, sag's ihnen, daß mir erlaubt wird, sie loszuschneiden! Sag's ihnen, bitte! sag's ihnen! Sie ist doch meine Mutter, wenn sie gleich schlimmer war als der leibhaftige Teufel. Ansehen wird's ihr so wenig jemand, daß sie schon am Galgen gehangen wie der Maggie Dickson, die auch rechtzeitig abgeschnitten wurde und dann noch lange mit Salz gehandelt hat, der man's auch, bloß an der etwas heisern Stimme und an dem etwas schiefen Hals anmerkte, daß was nicht ganz in Ordnung mehr bei ihr war, die aber sonst niemand von den andern Salzweibern unterscheiden konnte.«
Herr Archibald, außer stande, die Wahnsinnige von dem Wagenschlage zu entfernen, und belästigt durch die sie umdrängende Menge, sah sich vergeblich nach einem Fron oder Büttel um; da sich keiner sehen ließ, wollte er versuchen, den Wagen schnell in Gang zu setzen, wurde aber durch einige Schreier in der Menge, die die Pferde auszuspannen drohten, daran verhindert.
Unterdes schrie Madge Wildfire wieder: »So laßt mich doch die Mutter losschneiden! Bitte, bitte! Es kostet ja bloß einen armseligen Strick, und was ist ein Strick gegenüber einem Menschenleben!« Da wurde aber Herrn Archibald unvermutete Hilfe durch einen neuen Menschentrupp, der sich in der Hauptsache aus Viehhändlern zusammenzusetzen schien, denen vor kurzem durch eine Seuche viel Vieh krepiert war: ein unglücklicher Zufall, den sie den Künsten der eben gerichteten Hexe zuschrieben. Mit Gewalt rissen sie die Madge Wildfire vom Kutschenschlage los und schrieen sie an: »Was kommt Dir denn bei, Du Hexe, die Leute auf königlicher Heerstraße zu überfallen? Hast Du nicht schon Unheil genug angerichtet mit Deinen Hexen- und Zauberkünsten?«
»O Jeanie, Jeanie, Jeanie Deans!« schrie die Wahnsinnige aus dem Menschentroß heraus, »rette meine Mutter, und ich will Dich wieder ins Mittlerhaus führen, und will Dich alle Lieder lehren, die ich kenne, und will Dir sagen, was die Mutter gemacht hat mit dem ...« Aber das wilde Gejohle der Menge verschlang die Schlußworte ihrer Bitte oder ihrer Verheißung.
»Herr Archibald,« rief Jeanie, »um der himmlischen Barmherzigkeit willen, retten Sie die Arme aus den Händen dieser Rasenden!«
Archibald, der inzwischen wieder seinen Platz Jeanie gegenüber im Wagen eingenommen hatte, beugte sich zum Fenster hinaus und rief den Leuten zu: »Sie ist närrisch, aber unschuldig an dem Schaden, der Euch Leute betroffen hat, tut ihr nichts zu leide, sondern bringt sie aufs Amt!«
»Was kümmert Dich einer Hexe Tochter?« rief einer aus der Menge; »scher Dich, steck Deine Nase nicht in fremde Sachen!« – Ein andrer schrie: »Der Kerl ist ein Schotte! Hört ihr's nicht an der Sprache? Er soll sich bloß mucksen oder gar aus seinem Rumpelkasten herauskommen, so kann's ihm passieren, daß er seine Knochen und Rippen in seinem Plaid nach Hause schleppen muß!«
Daß sich unter solchen Umständen für die Arme nichts tun ließ, war einleuchtend, und Herr Archibald suchte wenigstens so schnell wie möglich nach Carlisle zu gelangen, um dort polizeiliche Hilfe zu requirieren. Rohes Geschrei, der Vorbote grausamer Handlungen von wilden Volkshaufen, klang, untermischt mit schrillen Angstrufen des beklagenswerten Opfers, den Personen im Wagen noch lange nach.
In Carlisle wurde auf Archibalds dringendes Ersuchen sogleich ein Büttel mit ein paar Fronen vor die Stadt hinaus geschickt; nach etwa anderthalb Stunden kehrten sie mit der Meldung zurück, daß sie den Pöbel in heller Wut gefunden hätten, daß er die Irre, nach der Sitte jener Gegend, Hexen zu strafen, in einen Schlammtümpel getaucht und daß es unsägliche Mühe gemacht hätte, ihnen sein Opfer zu entreißen, das sich aber schon in einem Zustande gänzlicher Bewußtlosigkeit befunden hätte. Im Krankenhause sei es aber mit dem armen Geschöpfe schnell wieder besser geworden, so daß man wohl bald auf völlige Genesung rechnen dürfe. Das letztere war jedoch eine starke Beschönigung, denn daß Madge Wildfire in ihrem ohnehin sehr angegriffenen Zustande die ihr zugefügte grausame Behandlung überstehen werde, glaubte wohl niemand, aber Archibald wollte Jeanies Zustand durch die unverblümte Wahrheit nicht noch mehr verschlechtern.
Archibald entschied sich dafür, den Rest des Tages und die Nacht in Carlisle zu verbringen; Jeanie war dies um so lieber, als sie sich schon mit dem Gedanken befreundet hatte, sich nach dem Befinden von Madge Wildfire zu erkundigen. Sie wurde hierzu durch zweierlei Gründe bewogen, erstens durch die Sorge um die Unglückliche, zweitens weil sie versuchen wollte, etwas über das kleine Wesen zu erfahren, das ihrer Schwester solch namenloses Herzeleid bereitete. Und Madge Wildfire war doch jetzt die einzige, durch die einiges Licht über diesen dunklen Punkt vielleicht noch gewonnen werden konnte.
Archibald gegenüber äußerte sie nichts über den letzteren Grund, sondern nur, daß sie sich als Christin verpflichtet fühle, einen Mitmenschen im Elend nicht allein zu lassen, und so ließ sich Archibald bestimmen, sich zunächst nach dem Befinden der Unglücklichen zu erkundigen; er kam jedoch mit dem Bescheide aus dem Krankenhause zurück, daß der Arzt streng verboten hätte, jemand zu der Kranken zu lassen. Am nächsten Morgen jedoch, als Jeanie selbst hinging, wurde sie vorgelassen. Der Arzt sagte ihr, Madge sei gegen Abend ruhiger geworden, worauf der Geistliche versucht habe, ihren Sinn dem Glauben zuzuwenden. Es habe auch so ausgesehen, als wenn sie mit ihm gebetet habe; kaum aber sei er fort gewesen, so habe sich der böse Geist wieder über sie gesenkt. Seiner Meinung nach habe sich ihr Zustand im Laufe der Nacht so verschlimmert, daß er ihr schwerlich mehr als zwei Stunden Leben noch versprechen zu dürfen meine.
Sie lag in einem großen Krankenraume, worin zehn Betten standen, die aber, bis auf das ihrige, unbesetzt waren. Sie sang, als Jeanie mit dem Arzt und der Pflegerin eintrat. Aber ihre Stimme klang nicht mehr so überlaut wie ehedem im Walde, sondern war durch die Erschöpfung, die sie noch immer nicht verlassen hatte, und durch die ausgestandenen Schrecknisse sehr geschwächt. Ihr Sinn war noch immer verstört; die Lieder, die sie sang, hörten sich an wie Wiegenlieder, mit denen Mütter ihre Kleinen in Schlaf lullen.
Wann der Glaubenskampf vollendet,
Wann das Hochzeitskleid gewebt,
Wann der Glaub' die Zweifel endet,
Hoffnung sehnend aufwärts strebt ...
Wann die Liebe, hier gefangen,
Nach dem Höhern fühlt ein Bangen,
Dann wirf ab die Sündenhülle!
Auf, o Christ, zur Segensfülle!
Jeanie trat, als das Lied verklungen war, an ihr Bett heran; aber selbst als sie sie bei ihrem Namen rief, regte sich kein Zeichen von Erinnerung bei der Kranken; es sah vielmehr ganz so aus, als sei sie über die Störung unwillig, die ihr der Besuch bereitete, denn sie rief verdrießlich: »Schwester, ich will nach der Wand zu liegen: mir ist alles zuwider, was ich auf dieser jammervollen Welt noch sehe.«
Die Wärterin legte sie, wie sie es haben wollte, aber kaum hatte sie die Wand vor Augen, so stimmte sie ein anderes Lied an, das sie wohl zur Erntezeit gesungen oder gehört haben mochte ...
Das Werk ist aus – die Müh' getragen,
Der muntre Schnitter atmet neu.
Es schwankt dahin der volle Wagen,
Zur Lust und Freude sind wir frei.
Die Nacht bricht an ... es sinkt die Sonne,
Wenn mit dem Tag die Mühe weicht,
Vorm Winter flieht des Herbstes Wonne,
Wenn sich der erste Frühreif zeigt.
Der nahende Tod verlieh der von Natur schönen Stimme ein süßes, schmachtendes Weh, so daß selbst Archibald sich einem tiefen Mitgefühl nicht verschließen konnte, trotzdem sein Sinn, wie bei einem Lakeien wohl begreiflich, fast nur auf das Weltliche gerichtet war.
Ueber Jeanies Wangen rannen heiße Tränen, und auch Jungfer Dutton, der es im Gasthofe keine Ruhe gelassen hatte, schluchzte laut; die Kranke wurde schwächer und schwächer, ihr Atem kurz und schwer; zuweilen schien ihr die Stimme versagen zu wollen; allein der Sinn für Melodie, der dem armen Wesen angeboren zu sein schien, gewann über die leibliche Schwäche immer wieder den Sieg, so daß sie, sobald die Schmerzen eine Weile aussetzten, gleich wieder zu singen anfing; und aus den Liedern, die sie dann sang, klang immer etwas heraus, das auf ihre augenblickliche Lage Beziehungen zu haben schien. Was sie zum Beispiel jetzt sang, ein Bruchstück aus einem alten Volksliede, nannte sogar den Namen des herzoglichen Lakaien ...
Kalt ist mein Bett, Lord Archibald,
Mein schwerer Schlaf so trüb',
Doch morgen ist auch trüb und kalt
Dein Lager, falsches Lieb!
Ihr Dirnen, die ihr mich geliebt,
Beweint mein Schicksal nicht!
Er, der den Tod mir heute gibt,
Tritt morgen vors Gericht.
Darauf änderte sie abermals die Weise; die Melodie wurde wilder, regelloser; der Klang der Stimme wieder lebhafter. Aber die Umstehenden konnten nur Bruchstücke von dem ergreifenden Texte verstehen:
In den düstern Hain,
Als der Morgen graut,
Tritt sie ein.
Und im Hain wird's laut ...
Sag mir, Vögelein,
Wann wird Hochzeit sein?
Wann geben Edelleut'
Dir das Geleit?
Wer macht das Brautbett sein,
Sag' es mir, Vögelein,
Dorten der Greis am Stab
Gräbt Dir das frühe Grab.
Glühwurm auf Gruft und Stein
Soll Dir die Leuchte sein;
Grüß Dich, Du stolze Braut,
Krächzet das Käuzchen laut.
Mit dem letzten Verse schwand ihre Stimme; sie sank in einen Schlummer, aus dem sie, wie die Schwester sagte, entweder gar nicht wieder oder zum letzten Todeskampfe erwachen würde ... Diese Vorhersage erfüllte sich; die Arme verschied, ohne noch einmal zu einem Liede anzusetzen; aber die Reisenden warteten den letzten Augenblick nicht ab; denn Jeanie hatte eingesehen, daß sie von Madge Wildfire irgend welche Aufklärung über ihrer Schwester Unglück nicht erlangen konnte.