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Leopold, Erzherzog von Oesterreich, war zur herzoglichen Würde im Deutschen Reiche durch seine nahe Verwandtschaft mit dem Kaiser Heinrich dem Ersten gelangt und herrschte über die schönsten Provinzen, welche die Donau durchfließt. Sein Charakter ist in der Geschichte durch seine Gewalttat befleckt, die ihren Grund in den Ereignissen im heiligen Lande hat, und doch fiel diese Schmach, Richard Löwenherz gefangen zu nehmen, als er in Verkleidung und ohne Begleitung durch Oesterreich den Weg zur Heimat suchte, nicht eigentlich auf Leopold selbst. Er war eher ein schwacher und eitler als ehrgeiziger und tyrannischer Fürst. Seine geistigen Kräfte entsprachen seiner körperlichen Beschaffenheit. Er war groß, stark und hübsch, lange blonde Locken umschlossen sein frisches, blühendes Gesicht; in seinem Gange war aber etwas Unbeholfenes, als fände er die Kraft nicht, eine solche Masse zu dirigieren. Auch schien ihm die reichste Kleidung nie zu passen, und nicht selten meinte er, durch Grobheit und unzeitige Heftigkeit zu ersetzen, was er durch seine geistige Schwerfälligkeit einzubüßen fürchtete.
Als er sich dem Kreuzzuge mit einem großen, fürstlichen Gefolge anschloß, hatte er sich eifrig um König Eduards Freundschaft bemüht. Aber er stand, wenn auch nicht an Tapferkeit, doch an Mut und Feuer dem englischen König so auffällig nach, daß ihn dieser bald gering achten lernte. Dazu kam, daß Richard, als ein an Mäßigkeit gewöhnter Fürst, Leopold seine starke Vorliebe für Tafelfreuden sehr verargte.
Dies alles war dem argwöhnischen Erzherzoge nicht entgangen, und die zwischen den beiden Fürsten herrschende Zwietracht wurde durch Philipp von Frankreich genährt, einen der umsichtigsten Monarchen seiner Zeit, der Richards feurigen, herrschsüchtigen Charakter fürchtete.
Auf diese tiefe Abneigung des Erzherzogs von Oesterreich gegen den englischen König Richard baute nun Konrad von Montserrat seinen Plan, der auf eine Lockerung des Kreuzfahrerbundes hinauslief. Er wählte die Mittagszeit zu seinem Besuche, unter dem Vorwande, dem Erzherzog eine vorzügliche Sorte Cypernwein zum Geschenk zu machen, die er vor kurzem erhalten hatte. Die Folge dieser Absicht war eine höfliche Einladung zur Tafel des Erzherzogs.
Zahlreiche Diener, alt und jung, warteten im Zelt auf; Lustigmacher, Zwerge und Minnesänger waren in ungewöhnlicher Zahl vorhanden: unter einem Geschrei und Getöse, das sich besser für eine deutsche Jahrmarktsschenke als für das Zelt eines regierenden Fürsten geschickt hätte, wurde dem Herzog aufgewartet, mit einem Zeremoniell, das sein ängstliches Streben, den Stand und Charakter seines hohen Ranges streng zu behaupten, deutlich verriet. Er wurde von knieenden Pagen bedient, speiste auf Silber und trank seinen Tokayer und Rheinwein aus goldenem Becher. Sein Herzogsmantel war mit Hermelin verziert, seine Herzogskrone kam an Wert einer Königskrone gleich, und seine Füße, die in Sammetschuhen steckten, deren Länge zwei Fuß betragen konnte, ruhten auf einem Schemel aus gediegenem Silber. Seine Aufmerksamkeit teilte er zwischen seinem fürstlichen Gaste, der zu seiner Rechten saß, und seinem »Spruchmeister«, der rechts hinter ihm stand.
Dieser Mann war mit einem Mantel und Wams aus schwarzem Sammet bekleidet. An dem kurzen Stabe, den er trug, waren wie am Wamse Silbermünzen befestigt, und wenn er die Aufmerksamkeit auf seine Rede lenken wollte, klingelte er mit all den Münzen, daß jedermann die Ohren weh taten. Diese Person nahm am Hofe des Erzherzogs einen Rang ein zwischen einem Minnesänger und einem Rat, war abwechselnd Schmeichler, Dichter und Redner; und wer bei dem Herzog gut zu stehen wünschte, pflegte sich deshalb um die Gunst seines Spruchmeisters zu bemühen.
Als Dämpfer der Weisheit dieser wichtigen Person stand auf der anderen Seite hinter dem Erzherzog sein Hofnarr Jonas Schwanker, der fast ebenso viel Geräusch mit seiner Narrenkappe, seinen Schellen und seiner Kolbe machte, wie der Spruchmeister mit seinem Münzenstabe.
Es währte nicht lange, so wurde die Politik mit ihren Trägern von dem Hofnarren in die Diskussion gezogen, der den englischen König nie anders als »Richard vom Ginster« titulierte. Als der Marquis ihn hierüber um Aufklärung bat, sagte er: »Der Ginster auch Besenpflanze genannt, ist das Sinnbild der Demut; es wäre gut, wenn alle, die solch Sinnbild zu dem ihrigen machten, sich auch dieser Tugend erinnerten.« Darauf meinte Jonas Schwanker, daß mancher, der sich selbst erniedrigt hätte, durch Rache erhöht worden wäre.
»Ehre, dem Ehre gebühret,« sagte der Marquis von Montserrat; »wir haben an diesen Heerzügen und Schlachten Anteil gehabt, und mich dünkt, auch andere Fürsten verdienten ihren Teil an dem Ruhme, dessen sich Richard unter den Minnesängern erfreut. Weiß kein Zunftgenosse der fröhlichen Kunst ein Lied zum Preise des königlichen Erzherzogs von Oesterreich, unseres fürstlichen Wirtes?«
Drei Minnesänger nahten sich wetteifernd mit Gesang und Harfenspiel. Zwei wurden vom Spruchmeister, der die Aufsicht über das Gelage führte abgewiesen; der dritte sang in hochdeutscher Sprache:
Welcher Held ists, der die Scharen,
Mit dem roten Kreuz geziert,
Als Feldmarschall wohl erfahren,
Hoch zu Roß ins Treffen führt?
Hier unterbrach der Spruchmeister mit seinem Stabe den Sänger, um der Gesellschaft begreiflich zu machen, was sie sonst nicht erraten hätten, daß ihr königlicher Wirt der Held sei, auf den die Strophe hinziele – und ein voller Becher machte mit dem lauten Rufe »Hoch lebe Herzog Leopold!« die Runde. – Eine zweite Strophe folgte:
Welcher Fürst ist's, dessen Banner
Ueber allen andern schwebt?
Dessen kühner Doppeladler
Sich zur Sonne stolz erhebt?
»Der Adler,« erklärte wieder der Spruchmeister, »ist das Sinnbild unseres edlen Herrn, des Erzherzogs, und der Adler fliegt am höchsten und steigt von allen gefiederten Geschöpfen der Sonne am nächsten.« – »Der Löwe hat einen Sprung über den Adler getan,« warf Konrad von Montserrat achtlos hin.
Der Erzherzog, errötend, heftete sein Auge auf den Marquis, während der Spruchmeister nach einigem Bedenken antwortete: »Der Herr Marquis werden verzeihen, aber ein Löwe kann nicht über einen Adler fliegen, weil er keine Flügel hat.« – »Ausgenommen der Löwe auf dem St. Markusplatze,« entgegnete der Narr.
»Ich meinte nicht den Löwen Venedigs,« entgegnete der Marquis, »sondern die drei wandernden Löwen Englands, die vor allem Getier der Erde den Vorrang haben. Wehe dem, der dagegen spricht!«
»Ist das Euer Ernst, Marquis?« fragte der Oesterreicher, den der Wein schon stark erhitzt hatte ... »Glaubt Ihr, Richard von England mache Anspruch auf Vorrang unter den freien Fürsten, die ihm freiwillig gefolgt sind?« – »Ich urteile nur nach dem Augenschein,« versetzte Montserrat. »Sein Banner hängt allein mitten in unserm Lager, als ob er König und Oberfeldherr unseres christlichen Heeres sei.« – »Und das ertragt Ihr so geduldig?« versetzte Leopold. – »Gnädiger Herzog,« entgegnete Konrad, »nicht dem armen Montserrat kommt es zu, wider ein Unrecht sich aufzulehnen, dem sich mächtigere Fürsten wie Philipp von Frankreich und Leopold von Oesterreich lammfromm gefügt haben. Ein Schimpf, den Ihr vertragt, kann für mich keine Schmach sein!« – Leopold schlug mit der geballten Faust auf die Tafel ... »Ich habe es Philipp schon oft gesagt,« antwortete er, »daß es unsere Pflicht sei, die geringen Fürsten gegen die Anmaßung dieses Inselkönigs zu schützen, allein er rückt immer die Rücksichten ins Treffen, die er auf seine Lehnsherrschaft dem Vasallen gegenüber zu nehmen habe, und hält es für unpolitisch, es jetzt zu einem Bruche kommen zu lassen.« – »Die Welt kennt ja Philipps Weisheit,« erwiderte Konrad, »und wird seine Mäßigung für Politik halten, Eure Unterwerfung aber, gnädiger Herr, könnt Ihr nur allein rechtfertigen; ohne Zweifel habt Ihr gute Gründe dazu.«
»Ich soll Gründe haben, mich dem Könige von England zu unterwerfen?« rief Leopold empört. »Ich, als Erzherzog von Oesterreich, als wichtigstes Glied des heiligen Römischen Reiches – ich soll mich diesem Fürsten einer Halbinsel, diesem Enkel eines normannischen Bastards unterwerfen? Nein, bei allen Heiligen! Die ganze Christenheit soll es erleben, daß ich mir Recht zu verschaffen weiß, daß ich dem englischen Kettenhunde nicht einen Zollbreit Land einräume. Auf, meine Vasallen und Leute! Folgt mir! Ohne zu säumen, wollen wir Österreichs Doppel-Adler dorthin bringen, wo er als Wahrzeichen von König und Kaiser höher schweben soll, als jegliches andere!«
Von seinem Sessel aufspringend, unter dem Jauchzen seiner Diener, eilte er nach der Zelttür und griff nach seinem Banner.
»Nicht so, gnädiger Herr!« rief Konrad, wie wenn er bemüht sei, zu vermitteln; »beginnt Ihr zu solcher Zeit im Lager Zwist, so werdet Ihr Eurer Weisheit schaden; es ist vielleicht besser, sich der englischen Anmaßung noch eine Weile zu unterwerfen, statt – «
»Nicht einen Augenblick länger!« unterbrach ihn der Herzog und schritt mit dem Banner in der Hand, von seinen jauchzenden Gästen und Dienern begleitet, nach der Anhöhe, wo Englands Fahne flatterte. Er packte deren Stange, als ob er sie aus dem Boden reißen wolle.
»Gnädigster Herr!« rief Jonas Schwanker, dem Erzherzog in die Arme fallend, »Löwen haben Zähne.« – »Adler haben Fänge,« versetzte der Erzherzog, die Fahnenstange noch immer gepackt haltend, aber im Zweifel, ob er sie aus dem Boden ziehen sollte.
Der Spruchmeister aber hatte trotz seinem Amte, Unsinn zu schwatzen, doch recht gesunden Verstand, ließ seinen Stab laut erklingen und rief: »Der Adler ist König unter den Vögeln, der Löwe unter den Tieren. Jeder hat sein Gebiet, und beide sind soweit voneinander, wie England und Deutschland – tue dem Löwen keinen Schimpf an, edler Aar, laßt Eure Banner lieber friedlich nebeneinander flattern.«
Leopold zog die Hand von der Fahnenstange zurück und sah sich nach Konrad von Montserrat um, erblickte ihn aber nicht, denn dieser hatte sich, sobald er das Unheil angestiftet hatte, vorsichtig aus dem Gewühl entfernt, um unparteiischen Personen zu sagen, daß der Erzherzog die Zeit nach dem Mittagessen gewählt habe, eine Beleidigung zu rächen, die er von England erlitten haben wollte.
Indes war die entscheidende Stunde herangerückt, wo der kranke König, wie sein Arzt bestimmt hatte, aufgeweckt werden sollte. El Hakim hatte erklärt, daß das Fieber den König verlassen habe, und er werde bei der starken Konstitution desselben keine zweite Dosis Arznei anzuwenden brauchen. Richard schien gleicher Meinung zu sein, richtete sich in seinem Bett auf und fragte Thomas von Vaux, wie es mit seiner Kasse beschaffen sei. Der Baron konnte ihm keine richtige Auskunft geben ... »Gleichviel,« sagte Richard, »gebt, was drin ist, diesem gelehrten Arzte, der mich wieder gesund gemacht hat. Was an tausend Byzantinen fehlen sollte, ergänzt durch Juwelen.« – »Die Weisheit, die mir Allah verliehen hat, ist mir nicht verkäuflich,« erwiderte der arabische Arzt, »denn die göttliche Arzenei, die Du gebraucht hast, würde ihre Wirkung in meiner unwürdigen Hand verlieren, wenn ich sie mir bezahlen ließe.« – »Er schlägt eine Belohnung aus!« sprach Thomas von Vaux für sich, »das geht ja noch über sein hundertjähriges Alter.«
»Thomas von Vaux,« sprach Richard, »dieser Araber könnte denen, die sich für die Zierde der Ritterschaft ansehen, zum Beispiel dienen.«
Die Arme kreuzweise über die Brust schlagend, versetzte der arabische Arzt: »Es ist mir Lohn genug, daß ich einen großen König des Abendlandes also von seinem Diener sprechen höre; aber ich muß Euch jetzt ersuchen, Euch wieder niederzulegen, denn wenn ich auch meine, daß es entbehrlich sei, Euch den göttlichen Trank zum andern Male zu reichen, so möchte doch zu frühe Anstrengung Euch nachteilig sein.« – »Ich muß Dir gehorchen, El Hakim,« sagte der König, »allein glaube mir, meine Brust fühlt sich frei von dem verzehrenden Feuer, und ich könnte sie gleich der Lanze eines Tapferen bloßstellen ... Doch horch! Was hat dieses Jauchzen im Lager zu bedeuten? Geh, Thomas, erkundige Dich!« – »Der Herzog Leopold,« versetzte der Abgesandte, sogleich zurückkehrend, »hält mit seinen Zechbrüdern einen Umzug.« – »Der trunkene Tor!« rief Richard. »Kann er seine Unmäßigkeit nicht hinter seinem Zelte verbergen? muß er die Schande der ganzen Christenheit offenbaren? Was ist Euer Wunsch, Herr Marquis?« fügte er hinzu, als Konrad von Montserrat in das Zelt trat.
»Ich freue mich, Euer Majestät soweit hergestellt zu sehen,« erwiderte der Marquis, »und das sind der Worte schon genug für jemand, der Gast des Erzherzogs gewesen ist.« – »Wie? Ihr habt bei dem teutonischen Weinschlauch gespeist?« sagte Richard. »Was hat ihn denn zu diesem Aufzuge bewogen? Herr Konrad, ich habe Euch stets für einen fröhlichen Gesellschafter gehalten, drum wundre ich mich, daß Ihr das Gelage schon jetzt verlassen habt.«
Thomas von Vaux hatte sich hinter dem Könige zurückgezogen und suchte dem Marquis begreiflich zu machen, daß er dem Könige nichts von den letzten Vorgängen melden möchte, aber Konrad verstand oder beachtete die Weisung nicht... »Was der Erzherzog tut,« sagte er, »ist für niemand von Bedeutung, für ihn selbst aber am wenigsten, weil er wahrscheinlich nicht weiß, was er tut. Immerhin ist es ein Jux, an dem ich keinen Teil haben möchte. Er vermißt sich, Englands Banner vom St. Georgenberg zu reißen und sein eigenes dort aufzupflanzen.« – »Was sagst Du?« rief der König in einem Tone, der Tote hätte wecken können. – »Erregt Euch nicht über Narreteien!« sagte der Marquis.
»Kein Wort mehr!« rief Richard, sprang von seinem Lager auf und warf sich mit einer ans Wunderbare grenzenden Geschwindigkeit in seine Kleider; »kein Wort, Marquis, kein Wort, Thomas von Vaux, Hakim, schweig, ich befehle es Dir!« Dann nahm er das Schwert, das am Pfeiler des Zeltes hing, und stürzte, ohne andere Waffen oder Begleitung zu verlangen, hinaus. Konrad hielt die Hände erstaunt empor und wollte mit Thomas von Vaux ein Gespräch beginnen; dieser aber rannte an ihm vorbei und rief einen Stallmeister: »Eile nach Lord Salisburys Quartier! sage ihm, er solle seine Leute zusammenrufen, und dann folge mir zum St. Georgenberg.«
Der Stallmeister eilte mit seinen Leuten in die Zelte der benachbarten Edelleute; die Soldaten fuhren aus ihrer Mittagsruhe auf, an die sie sich in dem heißen Klima schnell gewöhnt hatten. Einige dachten, die Sarazenen seien im Lager, andere, des Königs Leben sei in Gefahr, noch andere, er sei in der Nacht am Fieber gestorben, der Herzog von Österreich habe ihn umgebracht, und dergleichen wilde Gerüchte nahmen ihren Weg durchs Lager.
Der Lärm verbreitete sich schnell. Von den vielen christlichen Völkern, die hier versammelt waren, eilten Mannen über Mannen zu den Waffen. Zum Glück war Graf Salisbury mit seinen tüchtigsten Reisigen dem Könige auf der Stelle zu Hilfe geeilt, der ohne einen Augenblick auf das Geschrei und den Tumult zu achten, halb angekleidet, mit dem Schwert in der Scheide unter dem Arm, nur von Thomas von Vaux und einigen Dienern begleitet, den Weg zum St. Georgenberg hin rannte. Er wurde schnell inne, daß bis zum Quartier seiner tapferen Truppen von Poitou, Gascogne, Anjou und der Normandie noch nichts von dem Lärme gedrungen war. Der Ritter vom Leoparden allein hatte den König bemerkt. Schlimme Gefahr ahnend, griff er nach seinem Schild und Schwert und schloß sich an Thomas von Vaux an, der nicht ohne Mühe mit seinem feurigen Gebieter Schritt hielt. Der König kam bald in die Nähe des St. Georgenberges, gefolgt von herzoglichen Mannen sowie von Leuten der verschiedenen Völker, die unwillig über die Engländer oder neugierig auf den Ausgang des ungewöhnlichen Ereignisses waren. Durch dieses Menschengewühl drang Richard, unbekümmert, ob sich die rollenden Wogen desselben hinter ihm schließen oder über ihn hinwegbrausen würden. Oben auf der Anhöhe, auf einer kleinen ebenen Fläche, standen die beiden Banner aufgepflanzt, die sich um den Vorrang stritten, umringt von den Anhängern des Erzherzogs. Darunter stand dieser, dem Beifall lauschend, mit dem seine Mannen nicht geizten. Da schoß, nur von zwei Rittern gefolgt, in seiner tollkühnen Stärke aber einer unbezwinglichen Schar gleich, König Richard unter sie. »Wer hat es gewagt,« rief er mit donnerndem Tone, die Hand an die österreichische Standarte legend, »diesen elenden Lappen neben Englands Banner zu hängen?«
Dem Erzherzog fehlte es nicht an Mut, und solche Frage unbeantwortet zu lassen, war nicht möglich. Gleichwohl schien er durch Richards völlig unerwartete Ankunft so erschrocken und hatte, gleich allen Kreuzfahrern, vor dessen feurigem und trotzigem Charakter so großen Respekt, daß dieser die Frage zweimal wiederholen mußte, ehe der Erzherzog zu antworten vermochte: »Ich, Leopold von Oesterreich!« – »Dann soll Leopold von Oesterreich sehen, was sein Banner bei Richard von England gilt!« und er stieß den Fahnenstock um, zerbrach ihn und warf die Fahne auf den Boden. Dann setzte er den Fuß darauf... »So stampfe ich das österreichische Banner in Grund und Boden,« rief er. »Wer von Euren Rittern wagt es, mich meiner Tat anzuklagen?«
»Ich – ich – und ich!« hörte man von vielen Rittern aus dem Gefolge des Erzherzogs, und er selbst blieb nicht zurück... »Was zögern wir?« rief Graf Wallenrode, ein riesenhafter Krieger von Ungarns Grenze... »Edle Ritter und Waffenbrüder, laßt uns die Ehre des Vaterlandes schützen vor Schmähung durch englischen Stolz!«
Mit diesen Worten zog er sein Schwert und hätte König Richard sicher einen tödlichen Streich versetzt, hätte nicht Kenneth, der Schotte, ihn mit seinem Schilde aufgefangen.
»Ich habe geschworen,« rief König Richard, »niemals nach einem Ritter zu schlagen, dessen Schulter das Kreuz trägt. Drum sollst Du leben, Wallenrode, aber Richards von England gedenken!« Mit diesen Worten faßte er den Ungar um den Leib und schleuderte ihn mit unvergleichlicher Kraft und Gewandtheit so wuchtig nach rückwärts, daß er über den Kreis der erschreckten Ritter hinweg und den Abhang hinunter flog, wo er mit verrenkter Schulter wie ein Toter liegen blieb. Dieser Beweis von beinahe übernatürlicher Kraft ließ es weder dem Herzog noch jemand aus seinem Gefolge geraten erscheinen, den Kampf aufzunehmen. Zwar wurden noch Stimmen laut: »Haut den englischen Hund in Stücke!« Aber die meisten riefen, ob nun aus Furcht oder aus Achtung der Manneszucht: »Frieden! Frieden! im Namen des Kreuzes, der heiligen Kirche und des heiligen Vaters!«
In diesem Augenblick erschien Philipp von Frankreich, von einigen seiner Edlen begleitet, auf der Bühne, höchlich erstaunt, den König von England auf den Beinen und gegenüber dem Erzherzog von Oesterreich, ihrem gemeinschaftlichen Bundesgenossen, in drohender Stellung zu sehen. Richard errötete, von Philipp, dessen Klugheit er achtete, wenn ihm auch seine Person mißfiel, in einer Situation getroffen zu werden, die weder seiner Würde als Monarch noch seinem Charakter als Kreuzfahrer ziemte.
»Was bedeutet diese Zwietracht zwischen Kreuzrittern, die sich brüderliche Liebe gelobt haben?« fragte in strengem Tone König Philipp, »wie kann es geschehen, daß die edelsten Pfeiler dieses heiligen Unternehmens – «
»Mit Verlaub, König von Frankreich,« erwiderte Richard, empört darüber, daß er sich auf gleichen Fuß mit dem Erzherzog gesetzt sah. »Die Waffen ruhen zur Zeit im Lager und doch hat dieser Fürst oder Herzog oder Pfeiler, wenn Ihr wollt, ihn gebrochen aus Uebermut, und ich habe ihn dafür gezüchtigt.« »König Philipp,« versetzte der Erzherzog, »ich appelliere an Euch wegen des Schimpfes, den dieser Mann mir angetan, indem er mein Banner umstürzte, zerfetzte und mit Füßen trat.« – »Weil er so verwegen war, es neben das meinige zu pflanzen,« entgegnete Richard. – »Dazu hielt ich mich durch meinen Rang berechtigt,« rief der Erzherzog, durch Philipps Gegenwart ermutigt. – »Behauptest Du, mir gleich an Rang zu sein,« rief König Richard, »so will ich, beim heiligen Georg, Dich ebenso mit Füßen treten wie den gestickten Fetzen, den Du aus irgend einem Winkel frech hervorgeholt hast.«
»Geduld, mein Bruder von England,« antwortete Philipp, »ich will Leopold zeigen, daß er im Unrecht ist. Wähne nicht, edler Herzog,« fuhr er fort, »daß wir, die unabhängigen Fürsten des Kreuzzuges, dem königlichen Richard dadurch einen höheren Rang einräumen, daß wir dem Banner Englands den höchsten Standpunkt in unserem Lager vergönnen. Das wäre widersinnig, da selbst die Oriflamme, Frankreichs großes Banner, trotzdem der königliche Richard Frankreichs Vasall auf Grund seines in Frankreich gelegenen Besitzes ist, hier einen niedrigeren Platz einnimmt als Englands Löwen. Aber als Brüder des Kreuzes, als Pilger, die unter Verzicht auf alle Pracht und Eitelkeit dieser Welt mit dem Schwerte sich den Weg nach dem heiligen Grabe bahnen, haben wir in Rücksicht auf den hohen Ruhm und die großen Waffentaten König Richards ihm den Vorzug zugestanden, der ihm aus anderen Beweggründen nicht gewährt worden wäre. Ich bin überzeugt, daß Eure Königliche Hoheit in Erwägung dieser Umstände sich nicht besinnen werden, Bedauern darüber zu äußern, daß Ihr Euer Banner an dieser Stelle aufgepflanzt habt, und daß dann Englands königliche Majestät wegen der Euch zugefügten Schmach Euch die Genugtuung nicht verweigern wird.«
Der Herzog brummte, er wollte seine Beschwerde bei der Bundesversammlung vorbringen, und Philipp bewilligte dieses Vorhaben, weil solcher dem Ansehen der Christenheit nachteilige Zwist auf diese Weise am besten gehoben werde. König Richard ließ Philipp ruhig ausreden, rief aber dann: »Das Fieber hat mich noch nicht verlassen, Bruder von Frankreich, aber Du kennst mich und weißt, daß ich niemals viel Worte mache. So wisse, daß ich Englands Ehre weder durch Fürsten, noch durch den Papst, noch durch die Ratsversammlung herstellen lasse. Hier steht mein Banner – und wäre auch die Oriflamme, von der Du wohl eben sprachst, neben ihm aufgepflanzt worden, so sollte sie, das sage ich hier vor allen Anwesenden, keine andere Behandlung erfahren als dieser mit Schimpf beladene Lumpen.« – »Nun,« flüsterte der Hofnarr seinem Begleiter zu, »das ist ja Narrheit, wie aus meinem Munde; indessen dünkt mich, es gibt in dieser Sache vielleicht noch einen größern Toren als Richard selbst.« – »Und wer wäre das?« fragte der Spruchmeister. – »Philipp von Frankreich,« sagte der Hofnarr, »wenn nicht unser königlicher Herzog, sobald nämlich einer von ihnen auf die Herausforderung anbeißt... Aber, höchst weiser Spruchmeister, was hätten wir beide für Könige abgegeben, da doch Richard und Philipp uns als Narr und Sprecher so vollständig geschlagen haben?«
Unterdes erwiderte Philipp ruhig auf Richards maßlose Herausforderung: »Ich bin nicht gekommen, neuen Streit zu entzünden, der unserem heiligen Eidschwur und der heiligen Sache, der wir dienen, zuwider wäre. Ich scheide darum von meinem Bruder Richard, wie Brüder voneinander scheiden sollen, und zwischen uns soll kein anderer Wettstreit sein als der, wer von uns am tiefsten in die Reihen der Ungläubigen dringt.« – »So sei es, mein königlicher Bruder,« versetzte Richard, ihm seine Hand mit jener Offenheit reichend, die seinem heftigen, aber edelmütigen Charakter eigen war. »Vielleicht bietet sich bald Gelegenheit, daß wir uns in einem tapferen Ringen versuchen.«
»Laß den edlen Erzherzog an dem Glück dieses Augenblicks teilnehmen,« sagte Philipp.
Leopold trat, halb mürrisch, halb willens, sich zu vergleichen, näher.
»Toren haben für mich so wenig Erinnerungswert wie ihre Torheiten!« sagte Richard gleichgültig, worauf der Erzherzog ihm den Rücken wandte und sich entfernte. Richard sah ihm nach ... »Ein absonderlicher Mut, dessen Glut an Johanniswürmchen erinnert,« sagte er, »bloß in der Nacht sichtbar. – Ich darf dies Banner im Dunkel nicht unbewacht lassen; am Tage reicht der Blick der Löwen hin, es zu schützen. Thomas von Gilsland, Du sollst die Aufsicht über die Standarte führen. Bewache die Ehre Englands!« – »Englands Wohlfahrt ist mir noch teurer,« entgegnete Thomas von Vaux, »und Richards Leben ist Englands Heil und Sicherheit. Eure Königliche Hoheit muß sich daher wieder ins Zelt verfügen, und zwar ohne Aufschub.« – »Du bist ein rauher, gebieterischer Krankenwärter,« versetzte der König lächelnd und wandte sich hierauf zu Ritter Kenneth: »Tapferer Schotte, ich bin Dir eine Gnade schuldig und will sie Dir reichlich gewähren. Da steht das Banner Englands. Bewache es, wie ein junger Krieger seine Rüstung nachts vor dem Ritterschlage. Weiche nicht auf Speerweite von ihm, und verteidige es mit Leib und Leben gegen Schmach und Schimpf. Stoß in Dein Gifthorn, wenn mehr als drei zu gleicher Zeit Dich angreifen sollten. Uebernimmst Du dieses Amt?« – »Gern und willig,« versetzte Kenneth, »und ich stehe mit meinem Kopfe dafür, daß es treu und redlich verwaltet wird. Ich hole meine Waffen und kehre sogleich zurück.«
Die Könige von Frankreich und England verabschiedeten sich von einander, ihren Groll unter scheinbarer Höflichkeit verbergend. Richard grollte Philipp um seiner Einmischung willen, und Philipp grollte Richard um der geringschätzigen Art willen, wie er die Vermittlung aufgenommen hatte.
Diese Ereignisse wurden von den verschiedenen Völkern verschieden beurteilt, und während die Engländer den Erzherzog beschuldigten, die erste Veranlassung zum Zwiste gegeben zu haben, wälzten die Oesterreicher und andere Völker den Haupttadel auf den Hochmut Richards.
»Du siehst,« sagte der Marquis von Montserrat zum Großmeister des Templerordens, »daß seine Kunstgriffe mehr als Gewalt ausrichten. Ich habe die Bande gelockert, bald wirst Du sie reißen sehen.«
»Ich möchte Deinen Plan gutheißen,« erwiderte der Templer, »wenn es nur einen einzigen unter diesen kaltblütigen Oesterreichern gegeben hätte, der die Bande, von denen Du sprichst, mit seinem Schwerte trennte. Gelöste Knoten lassen sich wieder knüpfen; aber eine Schnur, wenn sie einmal zerhauen ist, nicht wieder zusammenfügen!«