Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Kammerherr: Willkommen edler Fürst!
König Richard: Dank edler Pair
Der Wohlfeilste gilt einen Stüber und nicht mehr!
Richard II.
Albert und sein Page wurden von Joceline in das sogenannte spanische Zimmer geführt. Dieses war ein mächtiges altes Schlafzimmer, das sich in einem ziemlich verfallenen Zustande befand, aber mit einem breiten Bette für den Herrn und einem Feldbette für den Bedienten versehen, wie es in einer späteren Zeit in den alten englischen Häusern Gebrauch war, wo der Edelmann oft die Hülfe des Kammerdieners beim Auskleiden verlangte, wenn er von der Gastfreundschaft des Hauses einen zu großen Gebrauch gemacht hatte. Die Wände waren mit Saffian bedeckt, worauf in goldenen Verzierungen Gefechte zwischen den Spaniern und den Mauren, Stiergefechte und andere der Halbinsel eigene Belustigungen dargestellt waren, woher es den Namen des spanischen Zimmers trug. Auf einigen Stellen waren die Tapeten ganz herabgerissen, auf anderen entstellt und zerrissen. Aber Albert verlor keine Zeit mit diesen Bemerkungen und schien nur den Joceline möglichst schnell aus dem Zimmer entfernen zu wollen; was er dadurch bewerkstelligte, daß er sein Anerbieten, frisches Holz und noch mehr Getränke herbeizuschaffen, eilig zurückwies und mit gleicher Kürze des Försters gute Nacht erwiederte.
Dieser zog sich endlich, wie es schien, etwas unwillig zurück, als glaube er, sein junger Herr könne nach einer so langen Abwesenheit einem treuen alten Diener wohl noch einige Worte mehr gönnen.
Kaum war Joliffe fortgegangen, als, ehe noch Albert Lee und sein Page ein einziges Wort sprachen, – der Erstere an die Thüre eilte, Schloß und Riegel untersuchte, und sie mit der genauesten Aufmerksamkeit schloß. Zu dieser Vorsicht fügte er noch einen langen Schraubenriegel hinzu, welchen er so anschraubte, daß es unmöglich war, die Thüre zu öffnen, ohne sie in Stücke zu schlagen. Der Page hielt ihm das Licht während dieser Beschäftigung, die sein Herr mit der größten Gewandtheit und Genauigkeit vollbrachte. Als sich aber Albert von seinen Knieen erhob, auf denen er während dieser Beschäftigung lag, da änderte sich plötzlich das Betragen der beiden Gefährten ganz und gar. Der ehrenwerthe Mr. Kerneguy schien nun von einem tölpelichten Schotten plötzlich die Grazie und die Lieblichkeit des Betragens und der Bewegungen bekommen zu haben, welche man nur durch eine frühe und genaue Bekanntschaft mit den besseren Ständen erlangt.
Er gab dem Albert das Licht mit jener leichten Gleichgültigkeit eines Vorgesetzten zu halten, der seinen Untergebenen mit einem leichten Dienst mehr begnadigt als beunruhigt. Albert seiner Seits übernahm mit der tiefsten Ehrerbietung das Geschäft eines Fackelträgers und leuchtete seinem Pagen durch das Zimmer, ohne ihm dabei den Rücken zuzuwenden. Dann stellte er das Licht auf den Tisch am Bette, nahte sich dem jungen Manne mit tiefer Verehrung und empfing seine grüne beschmutzte Jacke mit derselben Unterthänigkeit, als wäre er der Oberst Kämmerer oder ein anderer Großwürdenträger vom ersten Range, der dem Souverain den Mantel und das Ornat, welches dieser als Großmeister des Hosenbandordens trägt, abnimmt.
Die Person, welcher diese Ceremonien galten, duldete sie einige Minuten mit tiefem Ernst, dann aber brach sie in ein lautes Gelächter aus und rief dem Albert zu: »was Teufel willst du denn mit allen diesen Feierlichkeiten? Du becomplimentirst ja diese erbärmlichen Lumpen als wäre es Sammt und Seide, und den armen Louis Kerneguy, als wäre er der König von Großbritannien.«
»Wenn die Befehle Eurer Majestät und die Umstände mich für einen Augenblick nöthigen, öffentlich vergessen zu müssen, daß Eure Majestät mein Herr und Gebieter sind, so ist es mir doch gewiß erlaubt, meine Huldigung darzubringen, wenn Sie in Ihrem eigenen königlichen Palaste zu Woodstock sind.«
»Wahrhaftig,« erwiederte der verkleidete Monarch, »Fürst und Palast stimmen nicht übel zusammen; diese zerrissenen Tapeten und meine geflickte Jacke passen ganz wunderbar. – Das ist also Woodstock! Das ist der Thurm, wo der königliche Normanne mit der schönen Rosamunde Clifford schwelgte? Wie, das ist ja ein Aufenthalt der Eulen!« Dann fügte er plötzlich mit seiner natürlichen Höflichkeit hinzu, als fürchte er, Alberten wehe gethan zu haben, – »Aber je finsterer und zurückgezogener, um so viel passender ist es auch für unsere Absicht, Lee; und scheint es auch, wie man es nicht läugnen kann, ein Eulennest zu sein, so wissen wir doch, daß es schon Adler hervorgebracht hat.«
Er warf sich unterdessen auf einen Stuhl und empfing nachlässig aber liebreich die Dienste des jungen Albert, welcher ihm seine ledernen Kamaschen aufknöpfte.
»Welch ein schönes Muster der alten Zeit ist dein Vater, Albert, es ist sonderbar, daß ich ihn nicht früher sah; aber ich hörte meinen Vater oft von ihm sprechen, als von der Blüthe des wahren alten englischen Adels. Nach der Art zu schließen, mit welcher er mich schulen wollte, mußt du einen scharfen Lehrmeister an ihm gehabt haben, Albert. Ich wette, du hattest nie in seiner Gegenwart den Hut auf?«
»Wenigstens setzte ich ihn nie in seiner Gegenwart auf, Ew. Majestät, wie ich es in neuerer Zeit von Söhnen sah,« antwortete Albert; »ich hätte eine tüchtige Hirnschale haben müssen, um mit heiler Haut davonzukommen.«
»O daran zweifle ich nicht,« erwiederte der König; »ein wackerer alter Edelmann! – aber er hat, glaub' ich, etwas in seinem Gesicht, welches sagt: man hasse das Kind, wenn man die Ruthe spare. – Höre, Albert – stelle dir einmal vor, diese glorreiche Wiedereinsetzung fände statt (was gewiß nicht ferne sein kann, wenn das Trinken es befördert; denn in diesem Punkte vernachlässigten unsere Anhänger ihre Pflichten nie), nehmen wir einmal an, daß es einträfe, und also dein Vater ein Graf und Mitglied des geheimen Raths würde, potz Blitz, Freund, dann werde ich mich vor ihm ebenso sehr fürchten müssen, wie mein Großvater Henri quatre vor dem alten Sully. Stelle dir vor, es gäbe jetzt bei Hofe so eine Geschichte wie mit der schönen Rosamunde oder La belle Gabrielle, welchen Lärm von Pagen und Kammerherren würde es da geben, um das schöne Mädchen heimlicherweise durch verborgene Treppen wie Contrebande fortzuführen, wenn man den Tritt des Grafen von Woodstock im Vorzimmer hörte!«
»Ich freue mich, Ew. Majestät nach einer so mühseligen Tagreise so guter Laune zu sehen.«
»Ach die Mühseligkeit war gering, Freund,« sagte Carl; »ein freundlicher Willkomm und ein gutes Essen macht Alles wieder gut. Aber sie müssen dich im Verdacht gehabt haben, einen Wolf aus den Wüsten von Badenoch mitgebracht zu haben; und kein zweifüßiges Wesen mit einem gewöhnlichen Magen. Ich schämte mich wirklich über meinen Appetit; aber du weißt, daß ich in vierundzwanzig Stunden nichts aß, das rohe Ei ausgenommen, welches du mir aus dem Hühnerkorbe der alten Frau gestohlen hast. Ich sage dir, ich erröthete, mich so heißhungrig vor dem würdigen alten Edelmann, deinem Vater, zu zeigen, und vor dem gar schönen Mädchen, deiner Schwester – oder Cousine, was ist sie?«
»Sie ist meine Schwester,« sagte Albert Lee trocken, und fügte in demselben Athem hinzu, »der Appetit Ew. Majestät paßte recht gut zu dem Charakter eines rohen, nordländischen Burschen. Belieben Ew. Majestät sich jetzt zur Ruhe zu begeben?«
»Für einen oder zwei Augenblicke noch nicht,« sagte der König, indem er sitzen blieb. »Wie, Freund, meine Zunge ist ja heut den ganzen Tag noch nicht entfesselt worden; und mit jenem nordischen Zwang und jedes Wort dem Charakter gemäß zu sprechen – lieber Himmel, es war, als wenn die Galeerensclaven am festen Land spazierengehen, sie haben eine vierundzwanzigpfündige Kugel am Fuße – Sie können sie wohl nachschleifen, aber doch nicht bequem gehen. Uebrigens bist du sehr zurückhaltend, mir das Lob zu spenden, das mir bei dem guten Spiele meiner Rolle gebührt. – Spielte ich nicht den Louis Kerneguy ganz vortrefflich? –«
»Wenn Ew. Majestät mich um meine ernstliche Meinung fragen, so werden Sie mir vielleicht verzeihen, wenn ich sage, daß Ihr Dialekt für einen schottischen Jüngling von hoher Geburt etwas zu rauh, und Ihr Betragen etwas zu bäurisch war. Ich glaube auch – obgleich ich das nicht recht verstehe – daß Ihr Schottisch zuweilen nicht ganz ächt klang.«
»Nicht ächt? du gefällst mir, Albert! Wer sollte denn ächter schottisch sprechen als ich? War ich nicht ganze zehn Monate lang ihr König? Und wenn ich ihre Sprache nicht lernte, so wüßte ich nicht, wer es sonst könnte. Heulte, gellte, quickte nicht nach und nach das Ostland und das Südland, und das Westland und das Hochland um mich her, so daß bald die tiefen Gaumenlaute, bald die breiten Lippenbuchstaben und bald die scharfen Consonanten die Herrschaften führten? – Alle Welt, Freund, bin ich nicht von ihren Rednern empfangen, von ihren Senatoren angeredet, von ihren Geistlichen zurückgestoßen worden? – Habe ich nicht auf dem Armensünderstuhl gesessen, Freund (hier nahm er wieder den nordischen Dialekt an) und hielt ich es nicht für eine außerordentliche Gnade von dem würdigen Mr. John Gillespie, daß er mir erlaubte, in meinem eigenen Zimmer Buße zu thun, statt im Angesichte der ganzen Gemeinde? – Und willst du mir nachher noch sagen, ich wüßte nicht Schottisch genug, um einen alten Ritter oder seine Familie zu täuschen?« –
»Um Verzeihung, Ew. Majestät – ich sagte ja gleich, ich verstünde die schottische Sprache nicht zu beurtheilen.«
»Ach was, es ist der reine Neid; grade so sagtest du auch zu Norton, ich wäre zu höflich und zu artig für einen jungen Pagen, und nun hältst du mich für zu grob.«
»Aber es gibt einen Mittelweg, wenn man ihn nur trifft,« sagte Albert, der seine Meinung auf dieselbe Weise vertheidigte, wie man ihn angriff; »so z. B., als Sie diesen Morgen in Weiberkleidern waren, hoben Sie Ihren Rock unziemend hoch auf, als Sie durch den ersten kleinen Bach wateten; und auf meine Bemerkung durchschritten Sie, um es wieder gut zu machen, den nächsten und erhoben ihn gar nicht.«
»O der Teufel hole die Weiberkleidung,« sagte Carl; »ich hoffe, ich soll niemals wieder zu dieser Verkleidung gezwungen werden. Wahrhaftig, mein häßliches Gesicht wäre genug, um Röcke, Hauben und Gürtel für immer aus der Mode zu bringen. – Die Hunde sogar flohen vor mir fort. – Wär' ich durch ein Dorf gegangen, das nur aus fünf Hütten bestünde, so würde ich dem Wasserkäfig Dieses war eine ganz eigene in Schottland übliche Maschine ( Cucking-stool), welche man zur Bestrafung zänkischer Weiber anwandte, indem man sie mit dem Kopfe in's Wasser tauchte. Anm. d. Uebers. nicht entgangen sein. Ich war eine Satyre auf die Frauen. Diese ledernen Beinkleider sind freilich auch keine von den zierlichsten, aber sie sind propria quae maribus, und recht froh bin ich, sie wieder zu besitzen. Ich kann dir sagen, Freund, ich werde mit meiner eigenen Kleidung auch alle männlichen Privilegien wieder annehmen; und da du sagst, ich wäre heute Nacht zu grob gewesen, so werde ich mich morgen gegen Fräulein Alexis wie ein Hofmann betragen. Ich machte so schon eine Art von Bekanntschaft mit ihr, als ich von ihrem Geschlechte zu sein schien, und fand, daß noch andere Oberste im Spiel sind außer dir, Oberst Albert Lee.«
»Verzeihen Eure Majestät,« sagte Albert, und hielt dann inne, weil es ihm schwer ward, seine unfreundlichen Gefühle in Worten auszudrücken. Es entging dem Könige nicht, aber dieser fuhr ohne Weiteres fort. »Ich glaube selbst, so gut wie andere Leute, jungen Frauenzimmern in das Herz sehen zu können, obschon Gott weiß, daß sie selbst manchmal für den Weisesten von uns zu tief sind. Aber ich sagte zu deiner Schwester in meinem Charakter als Wahrsagerin, daß sie um einen gewissen Oberst ängstlich wäre; denn ich armer Thor glaubte, ein Landmädchen könne nur von ihrem Bruder träumen; ich meinte dich damit, Albert, aber ich glaube, das Erröthen war doch zu tief, als daß es einem Bruder hätte gelten sollen. Sie stand auf und floh vor mir davon wie ein Rebhuhn. Ich kann sie entschuldigen – denn als ich mich selbst im Bache ansah, kam es mir vor, als hätte ich selbst, wenn ich einer solchen Person begegnet wäre, Feuer und Mord gerufen. Nun, was denkst du, Albert – wer kann wohl dieser Oberst sein, welcher in der Neigung deiner Schwester mehr als dein Nebenbuhler ist?«
Albert, der des Königs Denkweise, was das schöne Geschlecht betraf, wohl kannte, und wußte, daß sie weit frivoler als delikat sei, versuchte es, durch eine ernste Antwort das Gespräch zu endigen.
»Seine Schwester,« sagte er, »wäre gewissermaßen mit dem Sohne ihres Oheims von mütterlicher Seite, Markham Everard, auferzogen worden; aber da sein Vater und er selbst die Sache der Rundköpfe ergriffen habe, so wären die Familien im Streit, und alle Pläne, die man früher gehegt hätte, wären nun von beiden Seiten längst aufgegeben.«
»Ihr habt Unrecht, Albert, Ihr habt Unrecht,« sagte der König, der unbarmherzig seinen Scherz fortsetzte. »Ihr Obriste, ihr möcht nun blaue oder orangenfarbne Aufschläge tragen, seid zu hübsche Bursche, um so mir nichts dir nichts fortgeschickt zu werden, wenn ihr einmal gewisse Ansprüche habt. Aber das schöne Fräulein Alexis, das die Wiedereinsetzung ihres Königs mit einem Blicke und einem Tone wünscht, als wäre sie ein Engel, dessen Gebete es nothwendig bewirken müssen, sollte keine Neigung gegen einen heuchlerischen Rundkopf hegen. Was meinst du – willst du mir nicht erlauben, mit ihr darüber zu sprechen? Uebrigens muß es mir am meisten daran liegen, Eintracht unter meinen Unterthanen zu erhalten; und wenn mir das schöne Mädchen gut ist, so wird der Liebhaber bald nachfolgen. Das war des fröhlichen Königs Eduard Art – Eduard IV. Du kennst ihn ja. Der König-machende Graf von Warwick – der Cromwell seiner Zeit – entthronte ihn mehr als einmal; aber er besaß die Herzen der fröhlichen Damen von London, und die Börsen und Adern der Weichlinge bluteten reichlich, bis sie ihn wieder einsetzten. Was sagst du? – Soll ich meinen nordischen Dialekt abwerfen, in meinem eigenen Charakter mit Alexis sprechen und ihr zeigen, was Erziehung und Bildung für mich gethan haben, um ein häßliches Gesicht wieder gut zu machen?
»Um Verzeihung, Ew. Majestät,« sagte Albert mit verändertem, verlegenem Tone, »ich erwartete nicht« –
Hier hielt er inne, weil er keine Worte finden konnte, um seine Gefühle dem Könige achtungsvoll genug vorzustellen, während dieser in dem Hause seines Vaters und unter seinem eigenen Schutze war.
»Und was erwartete Mr. Lee nicht?« sagte Carl mit merklichem Ernste.
Albert versuchte abermals eine Antwort hervorzubringen, aber es gelang ihm wieder nichts mehr als die Worte: »Ich hoffe, Ew. Majestät,« zu stammeln; denn seine tiefe, erbliche Ehrfurcht vor seinem Monarchen, und die Pflicht der Gastfreundschaft, welche man dem Unglücklichen schuldig ist, verhinderten ihn, seinen gereizten Gefühlen freien Lauf zu lassen.
»Und was hofft denn Obrist Albert Lee?« sagte Carl auf dieselbe trockene, kalte Weise, mit der er früher sprach. – »Keine Antwort? – Nun, ich hoffe, daß Obrist Lee in einem freundschaftlichen Scherze nichts Beleidigendes gegen die Ehre seiner Familie findet, denn wahrlich, mir schiene das ein sehr zweideutiges Compliment für seine Schwester, seinen Vater und sich selbst zu sein, Carl Stuart gar nicht zu erwähnen, den er seinen König nennt. – Ich erwarte, daß man keine so üble Meinung von mir hat, zu glauben, daß ich vergessen könnte, daß Fräulein Alexis Lee die Tochter meines treuen Dieners und Wirthes, und die Schwester meines Führers und Erhalters ist. – Komm', komm', Albert,« fügte er hinzu, indem er plötzlich seine natürliche Weise wieder annahm, »du vergissest, wie lange ich in einem Lande war, wo Männer, Frauen und Kinder, Morgens, Mittags und Nachts höflich zusammen schwatzen und dabei an nichts Ernstlicheres denken, als sich die Zeit zu vertreiben. Und auch ich vergesse, daß du von der alten englischen Schule bist, ein Sohn nach dem Herzen des Sir Henry, der über diesen Gegenstand keinen Scherz versteht. – Aber ich bitte dich um Verzeihung, Albert, recht herzlich um Verzeihung, wenn ich dich wirklich beleidigt habe.«
Indem er das sprach, streckte er seine Hand gegen den Obristen Lee aus, welcher, fühlend daß er den Scherz des Königs zu vorschnell in einem üblen Sinne ausgelegt hatte, sie mit Ehrfurcht küßte und sich zu entschuldigen versuchte.
»Kein Wort – kein Wort,« sagte der gutmüthige Fürst, indem er Alberten aufhob, welcher vor ihm knieen wollte, »wir verstehen uns schon. Du fürchtest dich ein wenig vor dem lustigen Rufe, den ich mir in Schottland erworben habe. Aber ich versichere dich, ich will in Gegenwart der Fräulein Alexis Lee so zurückhaltend sein, wie du oder dein Vetter Obrist es wünscht; und meine Galanterien, wenn ich sie ja wegwerfen will, nur der schönen Hausmagd zuwenden, die bei Tische aufwartete – wenn du, Obrist Albert, nicht etwa schon ein Monopol auf ihr Ohr hast.«
»Es gibt freilich schon ein Monopolium darauf, obgleich ich es nicht besitze, Ew Majestät, sondern Joceline Joliffe, der Förster, den wir nicht böse machen dürfen, da wir ihm schon so viel anvertraut haben, und vielleicht noch Alles entdecken müssen. Ich vermuthe so schon halb und halb, daß er einen Verdacht hegt, wer wohl der Louis Kerneguy in Wirklichkeit sein mag.«
»Ihr seid ein verliebtes Geschlecht, ihr Jäger von Woodstock!« sagte der König lachend. »Nun hätte ich doch zum Schluß Lust als ein pis-aller (wie der Franzose sagt) meine schöne Rede an die taube, alte Frau zu richten, welche ich in der Küche sah, und selbst da getrau ich mir zu sagen, daß ihr Ohr zu Dr. Rochecliffes einzigem Gebrauche bestimmt ist.«
»Ich wundere mich über die gute Laune Ew. Majestät,« sagte Albert, »und daß Sie nach einem Tage voll Gefahr, Mühseligkeiten und Zufällen noch die Kraft haben, sich auf diese Weise zu unterhalten.«
»Das heißt mit anderen Worten, der Kammerherr wünschte, daß Se. Majestät schlafen ginge? – Es ist recht, – jetzt nur noch einige Worte über ein ernsteres Geschäft, und dann sind wir fertig. – Ich bin von dir und Rochecliffe vollkommen geleitet worden – ich habe augenblicklich meine weibliche Verkleidung mit einer männlichen vertauscht, und meinen Weg nach Hamshire verändert, um hier ein Obdach zu finden – haltet Ihr es noch für das Beste?«
»Ich habe viel Zutrauen zu Dr. Rochecliffe,« erwiederte Albert, »dessen Verbindungen mit den zerstreuten Royalisten ihn in den Stand setzen, die genauesten Nachrichten zu erhalten. Freilich ist sein Stolz auf die Größe seines Briefwechsels, und die Verwickelung seiner Complotte und Pläne für den Dienst Ew. Majestät die Nahrung, von welcher er lebt; aber seine Einsicht und sein Scharfblick kommen seiner Eitelkeit gleich. Ich habe überdies das größte Zutrauen zu Joliffe. Von meinem Vater und von meiner Schwester will ich nichts sagen; doch möchte ich das Geheimniß, die Person Ew. Majestät betreffend, nicht ohne Grund mehr verbreiten, als es unumgänglich nöthig ist.«
»Ist es denn schön von mir,« sagte Carl nachdenkend, »daß ich dem Sir Henry Lee mein völliges Vertrauen vorenthalte?«
»Ew. Majestät haben von seiner tödtlichen Ohnmacht gehört – man muß ihm also das nicht allzuschnell mittheilen, was ihn noch weit mehr ergreifen würde.«
»Das ist wahr; aber sind wir vor einem Besuche der Rothröcke sicher – sie liegen in Woodstock sowohl als in Oxford?« sagte Carl.
»Dr. Rochecliffe sagt nicht unwahr,« antwortete Lee, »daß man am besten habe beim Feuer sitzt, wenn das Kamin raucht; und daß Woodstock, das noch vor Kurzem im Besitze der Sequestratoren war und das in der Nähe der Soldaten liegt, weniger Verdacht erregen und minder sorgsam untersucht werden wird, als die entfernteren Oerter, welche eine größere Sicherheit zu versprechen scheinen. Uebrigens,« fügte er hinzu, »ist Rochecliffe im Besitze merkwürdiger und wichtiger Neuigkeiten, den Zustand der Dinge zu Woodstock betreffend, welche sehr günstig dafür sind, daß Ew. Majestät zwei oder drei Tage im Palaste verborgen bleiben, bis für Schiffe gesorgt ist. Das Parlament oder der usurpatorische Staatsrath hat Sequestratoren herabgeschickt, welche ihr böses Gewissen und vielleicht auch die Streiche einiger kühnen Royalisten aus dem Jägerhause verjagt hat, ohne daß sie Lust bezeugen, es wieder zu betreten. Ueberdieß hat der weit furchtbarere Usurpator Cromwell dem Obersten Everard eine Vollmacht ausgestellt, welche dieser nur zu dem Zwecke gebrauchte, seinen Oheim wiederum in Besitz des Jägerhauses zu bringen und der persönlich im kleinen Flecken Wache hält, damit Sir Henry nicht beunruhigt wird.«
»Was! der Obrist unserer Fräulein Alexis? das klingt beunruhigend; – denn zugegeben, daß er auch andere zurückhält, glaubst du nicht, Mr. Albert, daß er täglich hundert Botschaften in eigener Person abzustatten haben wird?«
»Doctor Rochecliffe sagt,« antwortete Lee, »der Vertrag zwischen Sir Henry und seinem Neffen verbiete dem Letzteren, sich dem Jägerhause zu nahen, es sei denn, daß er eingeladen wäre. Wirklich geschah es nicht ohne Schwierigkeiten, und nur dadurch, daß man die guten Folgen vorstellte, welche es für die Sache Ew. Majestät haben würde, daß mein Vater dazu zu bewegen war, Woodstock wieder zu beziehen; aber seien Sie versichert, daß er sich nicht eben sehr eilen wird, dem Obristen eine Einladung zuzuschicken.«
»Und sei du versichert, daß der Obrist kommen wird, ohne sie abzuwarten,« sagte Carl. »Man kann nicht gehörig in einer Sache urtheilen, welche die Schwester betrifft – man ist zu bekannt mit dem Magnet, als daß man seine Anziehungskraft ganz kennen sollte. Everard wird hier sein, als wäre er mit Stricken hergezogen, keine Fesseln, um wie viel weniger Versprechungen werden ihn abhalten, und dann glaube ich schweben wir in ziemlicher Gefahr.«
»Ich hoffe doch nicht,« sagte Albert, »erstens weiß ich, daß Markham ein Sclave seines Wortes ist, und sollte ihn dann auch ein Zufall hieher fuhren, so glaube ich, könnte man Ew. Majestät ohne Schwierigkeit als Louis Kerneguy vorstellen. Und obgleich mein Vetter und ich uns schon in langen Jahren nicht gesehen haben, so halte ich ihn doch für unfähig, Ew. Majestät zu verrathen. Sollten wir aber endlich alsdann die geringste Gefahr von ihm zu befürchten haben, so würde ich ihm mein Schwert in's Herz stoßen, ehe er Zeit hat, seine Absicht auszuführen, und wäre er zehnmal der Neffe meiner Mutter.«
»Nun bleibt noch eine andere Frage übrig,« sagte Carl, »und dann will ich dich entlassen, Albert. Du scheinst also vor Untersuchungen sicher zu sein. Es mag sein! – aber in jeder anderen Gegend würde diese Gespenstergeschichte, die umgeht, Priester und Gerichtspersonen hieher bringen, um die Wahrhaftigkeit der Geschichte zu untersuchen, und Haufen müßigen Volkes, um ihre Neugierde zu befriedigen.«
»Hinsichtlich des Ersteren, Sir, hoffen und vertrauen wir darauf, daß Obrist Everard's Entschluß jede unmittelbare Untersuchung verhindern wird, um den Frieden in der Familie seines Oheims ungestört zu lassen; und hinsichtlich des Zweiten lieben und fürchten alle Nachbarn meinen Vater viel zu sehr und sind von den Gespenstern in Woodstock so in Schrecken gesetzt, daß die Furcht ihre Neugierde zum Schweigen bringen wird.«
»Also im Ganzen,« sagte Carl, »scheint die Wahrscheinlichkeit einer Sicherheit zu Gunsten des Plans zu sein, den wir angenommen haben, und das ist alles, was ich in einer Lage hoffen darf, wo von vollkommener Sicherheit keine Rede sein kann. Der Bischof empfahl den Doctor Rochecliffe als einen der geistreichsten, kühnsten und getreusten Söhne der Kirche von England; du Albert Lee hast deine Treue durch hundert Beweise bezeugt. Dir und deiner Ortskenntniß übergebe ich mich. – Und nun bereite unsere Waffen – lebend will ich nicht gefangen werden; – doch kann ich nicht glauben, daß ein Sohn des Königs von England und der Erbe seines Throns in seinem eigenen Palaste und unter der Wache der getreuen Lee's in Gefahr kommen kann.«
Albert Lee legte Pistolen und Schwerter neben das Bette des Königs und neben das Seinige; und nach einer kleinen Entschuldigung nahm Carl das breitere bessere Bette mit dem Vergnügen in Besitz, wie Jemand der in langer Zeit keine solche Bequemlichkeit genoß. Er wünschte seinem getreuen Diener, der sich auf das Feldbette legte, gute Nacht, und bald lag sowohl der Monarch als der Diener in tiefem Schlaf.