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Siebenunddreißigstes Kapitel.

Den nackten Titel hast du schwer gezahlt;
Was sagtest du mir, daß du König seist.

Heinrich IV. 1ter Theil.

Oliver Cromwell stand von seinem Sitze auf, als die beiden Veteranen Zerobabel Robins und Gnadenvoll Stickalthrow den Gefangenen in das Zimmer führten, und richtete sein finsteres, graues Auge auf Albert, ehe er den Gedanken, die seinen Busen schwellten, freien Lauf lassen konnte. Freudige Wonne aber war vorherrschend.

»Bist du nicht,« sagte er endlich, »jener Egyptier, der vor dieser Zeit einen Aufruhr erregte, und viele Tausende von Mördern in die Einöde führte? – Ha, Jüngling, ich habe dir von Stirling bis Worcester nachgejagt, und endlich treffen wir uns!«

»Ich wollte,« erwiederte Albert, der in der angenommenen Rolle zu sprechen fortfuhr, »daß wir uns da getroffen hätten, wo ich dir den Unterschied zwischen einem rechtmäßigen Könige und einem ehrsüchtigen Usurpator hätte zeigen können!«

»Geh, junger Mann,« sagte Cromwell; »sage lieber den Unterschied zwischen einem Richter, der aufstand zur Befreiung Englands, und dem Sohne der Könige, welchen Gott in seinem Zorne über dieses Land zu herrschen erlaubte. Aber wir wollen keine unnützen Worte verlieren. Gott weiß, daß wir nicht aus unserem Willen zu so hohen Thaten berufen sind, da wir demüthig unsere Schwäche und die Zerbrechlichkeit und Thorheit unseres Geistes anerkennen, sondern aus dem besseren Geiste in uns, der nicht von uns ist – Du bist ermüdet, junger Mann, und deine Natur fordert Ruhe und Erholung, da du ohne Zweifel zart auferzogen worden bist, wie einer, der von dem Fetten gemästet und von dem Süßen getränkt worden ist, und der in Purpur und feiner Leinwand gekleidet war.«

Hier hielt der General plötzlich ein und rief dann erschrocken aus – »Aber was ist das – Ha! wer steht da vor uns? Das sind nicht die Locken des schwärzlichen Burschen Carl Stuart! Ein Betrug, ein Betrug!«

Schnell warf Albert einen Blick auf den Spiegel und bemerkte, daß die schwarze Perücke, die er in der vermischten Garderobe des Rochecliffe gefunden hatte, im Ringen in Unordnung gerathen war, und daß sein eigenes blondes Haar darunter hervorblickte.

»Wer ist das?« sagte Cromwell, indem er nochmals wüthend aufstampfte. – »Reißt ihm die Verkleidung herab.«

Die Soldaten thaten es, und da sie ihn zugleich näher an das Licht brachten, so konnte die Täuschung mit einer Möglichkeit des Erfolgs keinen Augenblick länger gespielt werden. Cromwell ging auf ihn los mit fest geschlossenen Zähnen, die sich während des Sprechens an einander rieben, mit geballten, vor innerer Bewegung zitternden Händen, sprach mit lang nachhallender Stimme, mit bitterem, tiefem Nachdruck, als solle ein Dolchstoß nachfolgen.

»Dein Name, junger Mann?«

Die Frage wurde mit Ruhe und Festigkeit beantwortet, während die Züge des Sprechenden einen Anstrich von Triumph, ja selbst von Verachtung trugen.

»Albert Lee von Ditchley, ein getreuer Unterthan König Carls.«

»Ich hätte es errathen können,« sagte Cromwell. – »Ja, und zu König Carl sollst du auch gehen, sobald die Sonne im Mittag steht. – Pearson, laß ihn zu den Anderen führen und sie pünktlich um zwölf Uhr hinrichten.«

»Sämmtlich, Sir?« fragte Pearson überrascht; denn Cromwell, obgleich er von Zeiten furchtbare Beispiele aufstellte, war doch im Allgemeinen keineswegs blutdürstig.

»Sämmtlich! –« wiederholte Cromwell, indem er sein Auge auf den jungen Lee richtete. – »Ja, junger Herr, dein Betragen hat deinen Vater, deine Verwandten und den Fremden dem Tode geweiht, der dein Haus betrat. Solches Unglück hast du über deines Vaters Haus gebracht!«

»Auch mein Vater, – mein alter Vater!« sagte Albert, indem er gen Himmel blickte und auch seine Hände in derselben Richtung zu erheben suchte, was aber seine Banden verhinderten. »Gottes Wille geschehe!«

»Noch kann all das Unglück abgewendet werden,« sagte der General, »wenn du eine Frage beantworten willst. – Wo ist der junge Carl Stuart, den man den König von Schottland nannte?«

»Unter des Himmels Schutz und außer dem Bereiche deiner Macht,« war die feste, entschlossene Antwort des jungen Royalisten.

»Weg mit ihm in's Gefängniß,« sagte Cromwell; »und von da zum Richtplatze mit den übrigen Allen als Uebelgesinnte, die auf der That ertappt wurden. Sogleich soll ein Kriegsgericht über sie gehalten werden.«

»Nur noch ein Wort,« sagte der junge Lee, als sie ihn aus dem Zimmer führten.

»Halt, haltet ein,« sagte Cromwell, mit der Bewegung einer wiederauflebenden Hoffnung. – »Laßt ihn sprechen.«

»Sie sind ein Freund von Bibelversen,« sagte Albert. »Möge das zum Text Ihrer nächsten Predigt dienen: Hat Zimri Friede, der seinen Herrn erschlug?«

»Fort mit ihm,« sagte der General; »laßt ihn des Todes sterben. – Ich habe es gesagt!«

Als Cromwell diese Worte aussprach, bemerkte sein Adjutant, daß er ungewöhnlich bleich ward.

»Ihre Excellenz ist mit den Staatsgeschäften zu sehr überlastet,« sagte Pearson; »eine Jagdpartie in der Abendkühle wird Sie erfrischen. Der alte Ritter hat da einen edlen Hund, könnten wir ihn nur dazu bewegen, ohne seinen Herrn zu jagen, was schwer fallen möchte, da er getreu ist, und –«

»Hänge ihn auf!« sagte Cromwell.

»Was – wen – den edlen Hund aufhängen? Ihre Excellenz fanden doch sonst Gefallen an einem schönen Hunde?«

»Was liegt daran,« sagte Cromwell, »laß' ihn todtschlagen. Steht es nicht geschrieben, daß sie in dem Thale von Achor erschlugen nicht allein den verfluchten Achan mit seinen Söhnen und Töchtern, sondern auch seine Ochsen und seine Esel und seine Schafe und alles Lebende, das ihm gehörte? Eben so wollen wir es der übelgesinnten Familie Lee machen, die dem Sisera in seiner Flucht half, als Israel auf ewig von seinen Unruhen hätte befreit werden können. Aber sende Couriere und Patrouillen aus – verfolge, jage nach, beobachte nach allen Richtungen. – Laß in fünf Minuten mein Pferd an der Thüre bereit stehen, oder bringe mir das erste beste, das du findest!«

Es schien dem Pearson, als ob das etwas wild gesprochen sei, und daß der kalte Schweiß auf der Stirne des Generals stände, als er dieses sprach. Er stellte ihm daher die Nothwendigkeit der Erholung vor, und es schien, als ob die Natur seine Vorstellungen stark unterstützte. Cromwell stand auf und machte einen oder zwei Schritte gegen die Thüre des Zimmers; aber er hielt ein, schwankte, und nach einer Pause ließ er sich auf einen Stuhl nieder.

»Wahrlich, Freund Pearson,« sagte er, »diese schwierige Hülle ist uns eine Last selbst bei unsern nothwendigsten Geschäften, und ich bin geneigter zum Schlaf als zum Wachen, was doch sonst mein Gebrauch nicht ist. Stelle also Wachen aus, bis wir uns eine oder zwei Stunden erholt haben. Schicke nach allen Richtungen aus und spare das Pferdefleisch nicht. Wecke mich, wenn das Kriegsgericht Instructionen verlangen sollte, und vergiß nicht, darauf zu sehen, daß der Richterspruch pünktlich an den Lee's und Denen ausgeführt werde, die mit ihnen verhaftet wurden.«

Als Cromwell das sprach, stand er auf und öffnete halb die Thüre eines Schlafzimmers, als Pearson abermals um Verzeihung bat, um zu fragen, ob er seine Excellenz auch recht verstanden habe, daß alle Gefangenen hingerichtet werden sollten?

»Habe ich es nicht gesagt?« antwortete Cromwell unfreundlich. »Bloß weil du ein Blutmensch bist und immer warst, heuchelst du diese Gewissenszweifel, um dich auf meine Kosten weichherzig zu zeigen! Ich sage dir, daß wenn bei der Hinrichtung ein Einziger an der vollen Anzahl fehlt, dein eigenes Leben dafür büßen soll.«

Indem er das sprach, ging er in das Zimmer, begleitet von seinem Kammerdiener. – Als der General sich zurückgezogen hatte, blieb Pearson in großem Zweifel, was er nun thun solle, und das aus keinem Gewissenszweifel, sondern aus Ungewißheit, ob er nicht fehlen könnte, sowohl, wenn er die empfangenen Instructionen aufschiebe, als wenn er sie zu schnell und zu buchstäblich ausführte.

Unterdessen waren Stickalthrow und Robins, nachdem sie den Albert in's Gefängniß geführt hatten, in das Zimmer zurückgekehrt, wo Pearson immer noch über die Befehle des Generals brütete. Beide waren Stellvertreter der Armee und alte Soldaten, welche Cromwell mit großer Vertraulichkeit zu behandeln pflegte, so daß Robins nicht schwankte, den Kapitän Pearson zu fragen, »ob er die Befehle des Generals selbst buchstäblich zu befolgen gedenke?«

Pearson schüttelte den Kopf mit zweifelnder Miene, fügte aber hinzu, es bleibe keine Wahl übrig.

»Sei versichert,« sagte der alte Mann, »daß wenn du diese Thorheit begehst, du Israel zur Sünde verleiten wirst, und auch dem General dein Dienst nicht gefallen wird. Du weißt es, und Niemand besser als du, daß Oliver, obgleich er dem David, dem Sohn Jesse, im Glauben, in Weisheit und in Muth gleicht, doch Zeiten hat, wo der böse Geist über ihn kömmt, wie über Saul, und der Befehle gibt, die ausgeführt zu haben er Niemanden dankt.«

Pearson war ein zu guter Politiker, um einer Ansicht, die er nicht läugnen konnte, geradezu seine Zustimmung zu geben. Er schüttelte nur nochmals den Kopf und sagte, daß es für Denjenigen leicht zu schwatzen sei, der nicht verantwortlich sei, daß es aber die Soldatenpflicht erfordere, der Ordre zu gehorchen und nicht darüber zu urtheilen.

»Sehr richtige Wahrheit,« sagte Gnadenvoll Stickalthrow, ein grimmiger alter Schottländer; »ich wundere mich, daß unser Bruder Zerobabel diese Sanftmuth des Herzens auffing?«

»Was,« sagte Zerobabel, »ich wünsche nur, daß vier oder fünf menschliche Wesen Gottes Luft einige Stunden länger einathmen möchten, es kann nur wenig schaden, wenn man die Hinrichtung aufschiebt, – und der General wird dann Zeit zum Nachdenken haben.«

»Ja,« sagte Kapitän Pearson, »aber in meinem Dienste muß ich pünktlicher sein, als du in der Gradheit deiner Sprache, Freund Zerobabel.«

»Dann will ich lieber den rauhen Filzrock eines gemeinen Soldaten tragen, als die vergüldeten Borten eines Hauptmanns,« sagte Zerobabel. »Ja wahrlich, ich kann die Belege zeigen, warum wir uns gegenseitig Freundschaften und Dienste erweisen, da die Besten von uns nur arme sündige Geschöpfe sind, die in kurzer Zeit zur Abrechnung gerufen werden.«

»In Wirklichkeit, du überraschest mich, Zerobabel,« sagte Stickhaltrow, »daß du, der du ein alter und erfahrener Soldat bist, dessen Kopf in Schlachten ergraute, einem jungen Offizier solchen Rath ertheilst. Ist es nicht der Auftrag des Generals, die Bösen hinwegzuschaffen aus dem Lande, und auszurotten die Amalekiten, die Jebusiten, die Perisiten, die Hethiten, die Girgaschiten und die Amoriten? Und kann man diese Männer nicht mit Recht vergleichen zu den fünf Königen, die in der Hölle von Makkede Zuflucht suchten und überliefert wurden in die Hande Josua, des Sohnes Nun? Und er befahl seinen Hauptleuten und Soldaten, hinzuzutreten und ihre Füße auf seinen Nacken zu stellen, – und dann schlug er sie und erschlug sie, und ließ sie hängen an fünf Bäumen bis zum Abend. Und du, Gilbert Pearson mit Namen, laß dich nicht zurückhalten von der Pflicht, die dir aufgetragen wurde, sondern thue, wie dir Der befahl, der da aufstand, Israel zu richten und zu befreien; denn es stehet geschrieben: verflucht sei der, der sein Schwert vom Morde zurückhält.«

So stritten die zwei militärischen Theologen, während Pearson, der weit eifriger die Wünsche des Oliver, als den Willen des Himmels zu kennen wünschte, ihnen mit Zweifel und Verwirrung zuhörte.



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