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Neununddreißigstes Kapitel.

Mein gnädiger Fürst, so rief er aus,
Stellt Rache Gott anheim;
Den eh'rnen Scepter leg' hinweg,
Nimm den Olivenstab.

Ballade von Sir Carl Bawdin.

Die zur Hinrichtung bestimmte Stunde war lange vorüber, und es mochte ungefähr 5 Uhr Abends sein, als der Protektor den Pearson zu sich rufen ließ. Er ging mit Furcht und Widerstreben, ungewiß, wie er wohl empfangen werden möchte. Nachdem er ungefähr eine Viertelstunde bei ihm geblieben war, kehrte der Adjutant in Victor Lee's Zimmer zurück, wo er den alten Soldaten Zerobabel Robins fand, der seine Zurückkunft abwartete.

»Wie geht es unserm Oliver?« sagte der alte Mann ängstlich.

»Je nun, gut,« antwortete Pearson, »er hat mir keine Fragen über die Hinrichtung vorgelegt, aber gar viele hinsichtlich der Flucht des jungen Mannes, und der Gedanke, daß er nun allen Verfolgungen entgangen sein muß, scheint ihn sehr zu beunruhigen. Auch gab ich ihm gewisse Papiere, welche dem übelgesinnten Doctor Rochecliffe gehörten.«

»Dann will ich mich an ihn wagen,« sagte der Soldat; »gib mir nur ein Tischtuch, damit ich wie ein Kellner aussehe und die Speise auftragen kann, die ich für ihn zubereiten ließ.«

Demzufolge erschienen sogleich zwei Soldaten mit einer Portion Rindfleisch, so wie man es den gemeinen Soldaten austheilt, und auch nach ihrer Weise zubereitet, – einem zinnernen Krug mit Bier, einem Gefäß mit Salz und Pfeffer und einem Laib Commisbrod.

»Komme mit,« sagte er zu Pearson, »und fürchte dich nicht, – Noll liebt einen unschuldigen Scherz.« Kühn trat er in des Generals Schlafzimmer und sagte laut: »Stehe auf, der du berufen bist, Richter zu sein in Israel, – falte die Hände nicht ferner zum Schlafe. Siehe, ich komme dir als ein Zeichen; darum stehe auf, iß, trink und laß dein Herz damit fröhlich sein, denn du sollst mit Freude die Speise dessen essen, der in den Schanzen arbeitet, damit du sehest, daß, obgleich du der Befehlshaber der Heerscharen bist, die arme Schildwache nur solche Nahrungsmittel hat, die ich jetzt zu deiner Erfrischung hinstelle.«

»Wahrlich, Bruder Zerobabel,« sagte Cromwell, welcher an solche enthusiastische Streiche bei seinen Soldaten gewöhnt war, »es ist unser Wunsch, daß es so sei; auch wollen wir nicht sanfter schlafen noch besser speisen, als der Geringste, der sich unserem Paniere anreiht. Wahrlich, du hast meine Erfrischungen gut ausgesucht und süß duften die Speisen in meiner Nase.«

Er stand vom Bette auf, auf dem er halb angekleidet gelegen hatte, warf seinen Mantel um, setzte sich auf das Bett, und griff tüchtig bei den einfachen Speisen zu, die für ihn zubereitet worden waren. Während er sprach, befahl Cromwell dem Pearson seinen Bericht zu beendigen. – »Du brauchst nichts zu verhehlen in der Gegenwart eines würdigen Soldaten, dessen Geist ist gleich meinem Geiste.«

»Ja, aber,« unterbrach ihn Robins, »du mußt wissen, daß Gilbert Pearson deine Befehle nicht vollkommen ausgeführt hat, hinsichtlich eines Theils dieser Uebelgesinnten, die um die Mittagszeit sämmtlich sterben sollten.«

»Welche Hinrichtung, – welche Uebelgesinnten?« sagte Cromwell, indem er Messer und Gabel niederlegte.

»Diejenigen, die sich hier im Gefängniß zu Woodstock befinden,« antwortete Zerobabel, »und von denen Eure Excellenz befahl, daß sie um die Mittagsstunde hingerichtet werden sollen, da sie bei einer rebellischen Handlung gegen die Republik gefangen genommen wurden.«

»Elender!« schrie Cromwell, indem er aufsprang und sich an Pearson wandte. »Du hast doch hoffentlich den Markham Everard nicht berührt, an dem keine Schuld zu finden ist, da er durch den getäuscht wurde, der unsere Botschaften überbrachte, – du hast doch auch eben so wenig deine Hand an den presbyterianischen Geistlichen gelegt, wegen dessen alle Stände uns der Gottesvergessenheit anklagen, und auf ewig unsere Feinde werden würden?«

»Wenn Euer Excellenz wünschen, daß sie leben mögen, so leben sie, – ihr Leben und ihr Tod liegt in der Macht eines Wortes,« sagte Pearson.

»Gebe ihnen die Freiheit; ich muß wo möglich die Presbyterianer zu gewinnen suchen.«

»Rochecliffe, den argen Ränkeschmied,« sagte Pearson, »den hätte ich wohl hinrichten lassen, aber –«

»Barbarischer Mann,« sagte Cromwell, »gleich undankbar und unpolitisch, – willst du unsern Lockvogel zerstören? Dieser Doctor ist nur eine Welle, freilich nur eine geringe, aber doch etwas tiefer, als die Quelle, die ihren geheimen Tribut seiner Obhut anvertraut; dann komme ich mit einer Pumpe und bringe Alles an das Tageslicht. Laß ihn frei und gib ihm Geld, wenn er es braucht. Ich kenne seine Schliche; er kann nirgends hingehen, wo unser Auge ihn nicht erblickt. – Aber ihr seht einander finster an, als wüßtet ihr mehr, als ihr zu sagen wagt. Ich hoffe doch, ihr habt den Sir Henry Lee nicht getödtet?«

»Nein. Doch ist der Mann ein anerkannter Uebelgesinnter, und« –

»Ja, aber er ist auch ein edles Ueberbleibsel des alten englischen Adels,« sagte der General. »Ich wollte, ich wüßte, wie man ihre Gunst gewinnen könnte. Aber wir, Pearson, dessen königliche Kleidung nur die Rüstung ist, die wir auf unserem Körper tragen, und dem der Commandostab zum Scepter dient, wir sind noch zu neu, um die Ehrfurcht der stolzen Uebelgesinnten zu erwerben, die sich keinem geringern, als einem königlichen Stamme unterwerfen wollen. Doch, was können sie in der größten königlichen Reihe Europa's sehen, außer daß sie von einem glücklichen Soldaten herstammt? Es ärgert mich, daß man einen Mann ehren und ihm dienen soll, weil er der Abkömmling eines siegreichen Feldherrn ist, während man einem Andern minder Ehre und Gehorsam beweist, der in persönlichen Eigenschaften und im Glücke mit dem Gründer der Dynastie wetteifern kann. Gut, Sir Henry lebt, und soll für mich leben. Sein Sohn aber hat den Tod verdient, den er ohne Zweifel auch erlitten hat.«

»Mylord,« stammelte Pearson, »da Ew. Excellenz es für Recht gefunden hat, daß ich bei so vielen Andern Ihre Befehle aufhob, so hoffe ich, Sie werden mich auch deßwegen nicht tadeln. Ich hielt es für das Bessere, genauere Ordre abzuwarten.«

»Du bist heute Morgen in einer gewaltig gnädigen Laune, Pearson,« sagte Cromwell nicht ganz mißvergnügt.

»Wenn es Ew. Excellenz befehlen, so ist Strick und Henker bereit.«

»Nein, wenn solch ein Blutmensch, wie du, ihn verschont hat, so würde es mir übel ziemen, ihn umzubringen,« sagte der General. »Aber es findet sich da unter Rochecliffe's Papieren ein Einverständniß von zwanzig verzweifelten Royalisten, uns aufzuheben. – Man sollte doch ein Beispiel geben.«

»Mylord,« sagte Zerobabel, »bedenken Sie, wie oft Ihnen dieser junge Mann, Albert Lee, nahe stand, ja wahrscheinlich in den dunklen Gängen, die er kannte und wir nicht, ganz dicht an der Seite Eurer Excellenz war. Wäre er ein Mörder, so würde es ihn nur einen Pistolenschuß gekostet haben, und Israels Licht wäre erloschen. Ja, in der unvermeidlichen Verwirrung, die daraus erfolgt wäre, hätten die Schildwachen ihre Posten verlassen und er würde eine Aussicht zu einer glücklichen Flucht gehabt haben.«

»Genug, Zerobabel, er lebt,« sagte der General. »Doch soll er einige Zeit in Verhaft bleiben und dann aus England verbannt werden. Die beiden Andern sind sicher; denn du wirst doch nicht glauben, daß so erbärmliche Bursche passende Gegenstände für meine Rache seien.«

»Jedoch der eine, der Förster Joliffe genannt,« sagte Pearson, »verdient den Tod, da er frei eingestanden hat, den ehrlichen Joseph Tomkins erschlagen zu haben.«

»Er verdient eine Belohnung, uns eine Arbeit erspart zu haben,« sagte Cromwell; »dieser Tomkins war ein höchst doppelzüngiger Verräther. Ich habe unter diesen Papieren hier Beweise gefunden, daß, wenn wir die Schlacht bei Worcester verloren hätten, wir Ursache gehabt hätten, es zu bereuen, je dem Mr. Tomkins getraut zu haben. – Es war nur unser Glück, das seiner Verrätherei zuvorkam. – Schreib' uns hin, als Schuldner und nicht als Gläubiger des Joceline, wie du ihn nennst, und seines Knotenstockes.«

»Nun bleibt nur noch der gotteslästerliche, verruchte Cavalier, der in vergangener Nacht Ew. Excellenz nach dem Leben trachtete,« sagte Pearson.

»Nun,« sagte der General, »das wäre eine zu niedrige Rache. Sein Schwert hat nicht mehr Macht, als hätte er mit der Tabackspfeife zugestoßen. Die Adler fallen weder die Krähen noch die wilden Enten an.«

»Doch, Sir,« sagte Pearson, »sollte der Kerl als ein Verfasser von Schmähschriften bestraft werden. Die Anzahl von schändlichen und pestilenzialischen Gedichten, die wir in seinen Taschen fanden, lassen mich bedauern, daß er ganz frei ausgehen soll. – Ist's Ihnen gefällig, einen Blick darauf zu werfen, Mylord?«

»Eine erbärmliche Handschrift,« sagte Oliver, als er einige Blätter der poetischen Erzeugnisse unseres Freundes Wildrake betrachtete. »Schon die Schrift scheint betrunken zu sein, und die Dichtkunst nicht sehr nüchtern. – Wie heißt denn das:

Als ich ein junger Bursche war,
Da ging es mir ganz wunderbar,
Ein Taug'nichts hat kein Glück!

Ach wie erbärmlich! – Und dann wieder:

Hol' der Teufel auf der Stelle,
Schurke Noll dich in die Hölle.
Trinken wollen wir und singen,
Bis wir zurück den König bringen.

»Wahrhaftig, wenn es auf diese Weise geschehen könnte, wäre der Dichter ein gewaltiger Kämpfer. Gib dem armen Burschen fünf Silberstücke, Pearson, und sage ihm, er solle im Lande herumgehen und seine Balladen verkaufen. Nahet er sich aber unsrer Person auf zwanzig Meilen, so will ich ihn peitschen lassen, bis das Blut herunterfließt.«

»Nun bleibt nur noch eine verurtheilte Person übrig,« sagte Pearson, »ein edler Wolfshund, schöner als Ew. Excellenz je einen in Irland sahen. Er gehört dem alten Ritter Sir Henry Lee. Wenn Ew. Excellenz das schöne Thier nicht für sich zu behalten wünschen, darf ich dann nicht um die Erlaubniß bitten, ihn mir zuzueignen?«

»Nein, Pearson,« sagte Cromwell, »der alte Mann, der selbst so getreu ist, soll auch seines getreuen Hundes nicht beraubt werden. – Ich wollte, ich hätte ein Geschöpf, wäre es auch nur ein Hund, das mir folgte, blos weil es mich liebte, und nicht um seines Vortheils willen.«

»Ew. Excellenz ist ungerecht gegen Ihre treuen Soldaten,« sagte Zerobabel derb, »die Ihnen wie Hunde nachfolgen, wie Hunde für Sie fechten, und ein Hundsgrab bekommen, auf der Stelle, wo sie zufällig fallen.«

»Was ist das, alter Brummer,« sagte der General, »was soll dieser veränderte Ton?«

»Korporal Humgudgeon's Ueberreste läßt man liegen, um unter den Ruinen jenes Thurms zu verwesen, und Tomkins wurde wie ein Vieh in einen Graben im Gebüsche geworfen.«

»Wahr, ganz wahr,« sagte Cromwell, »sie sollen auf den Kirchhof gebracht werden, und alle Soldaten sollen ihnen folgen mit Cocarden von seegrünem und blauem Bande. Alle Offiziere oder Oberleute sollen einen Trauerflor anlegen; wir selbst wollen den Zug anführen; auch soll Wein, Branntwein und Liqueur ausgetheilt werden. Sieh' darauf, daß es geschieht, Pearson. Nach dem Leichenbegängniß soll Woodstock eingerissen und zerstört werden, damit seine Gänge nicht ferner den Rebellen und Uebelgesinnten eine Zuflucht geben möchten.«

Die Befehle des Generals wurden pünktlich befolgt, und als die übrigen Gefangenen entlassen wurden, blieb Albert Lee einige Zeit in Verhaft. Nach seiner Befreiung ging er auf das feste Land, und trat in König Carls Leibwache, wo er von diesem Monarchen befördert wurde. Aber wie wir später sehen werden, gestattete ihm sein Schicksal nur eine kurze, obgleich glänzende Laufbahn.

Wir kehren zu der Befreiung der übrigen Gefangenen von Woodstock zurück. Die beiden Geistlichen, die nun vollkommen mit einander ausgesöhnt waren, gingen Arm in Arm dem Pfarrhause zu, das früher die Residenz des Doctor Rochecliffe war, das er aber jetzt als Gast seines Nachfolgers Nehemias Holdenough betrat. Kaum hatte der Presbyterianer seinen Freund unter seinem Dache empfangen, als er in ihn drang, seine Wohnung und sein Einkommen mit ihm zu theilen. Doctor Rochecliffe war sehr gerührt, aber weislich verwarf er das großmüthige Anerbieten, da er die Verschiedenheit ihrer Ansichten über die kirchliche Regierung, die ein Jeder so heilig wie seinen Glauben hielt, in Betracht zog. Ein anderer, obgleich leichter Streit über den Dienst der Bischöfe bei den ersten Kirchen bestätigte ihn in seinem Entschluß. Sie trennten sich den darauf folgenden Tag; ungestört von allen Streitigkeiten bestand ihre Freundschaft bis zum Tode des Mr. Holdenough im Jahre 1658; doch darf man wohl auch gewissermaßen ihre Harmonie dem zuschreiben, daß sie sich nie wieder trafen.

Nach der Wiedereinsetzung des Königs bekam Doctor Rochecliffe seine Pfarrei wieder, und stieg später zu hohen, geistlichen Würden.

Die untergeordneten Personen bei der großen Befreiung aus dem Gefängnisse des Jägerhauses zu Woodstock fanden unter ihren alten Bekannten in der Stadt leicht eine zeitige Aufnahme; aber keiner wagte es, den alten Ritter zu beherbergen, von dem man glaubte, daß er das Mißvergnügen der herrschenden Gewalt auf sich gezogen habe, und kaum wagte es der Wirth im Gasthause zum St. Georg, der doch einer seiner Unterthanen gewesen war, ihm das gewöhnliche Recht eines Reisenden einzuräumen, der für sein Geld wohnt und ißt. Everard folgte ihm, ohne daß er ihn darum bat, und ohne daß er es erlaubte, aber er verbot es ihm auch nicht.

Das Herz des alten Mannes hatte sich ihm wieder zugeneigt, als er erfuhr, wie er sich bei dem merkwürdigen Zweikampfe bei der Königseiche betragen hatte, und als er sah, daß er eher ein Gegenstand der Feindschaft, als der Gunst des Protectors war. Aber es regte sich in ihm noch ein anderes geheimes Gefühl, welches ihn dazu bewog, sich mit seinem Neffen auszusöhnen – das Bewußtsein, daß Everard mit ihm die große Angst theile, die er wegen seiner Tochter fühlte, die von ihrer wichtigen und gefährlichen Ausflucht noch nicht zurückgekehrt war. Er fühlte, daß er selbst wahrscheinlich nicht im Stande wäre, den Ort zu entdecken, wo Alexis seit der letzten Begebenheit ihre Zuflucht genommen, oder ihre Befreiung zu bewirken, im Falle sie einem Feinde in die Hände gefallen sein sollte. Er wünschte, daß Everard ihm seine Dienste zu Nachforschungen nach ihr anbieten möchte, aber die Scham verhinderte ihn, seinen Neffen darum zu bitten; und Everard, der den veränderten Zustand des Gemüthes seines Oheims nicht vermuthen konnte, fürchtete sich, es vorzuschlagen, oder nur den Namen der Alexis zu nennen.

Schon war die Sonne untergegangen – sie saßen da, und sahen sich stillschweigend an, da hörte man das Stampfen von Pferden – da klopfte es an die Thüre – da hörte man einen leichten Tritt auf der Treppe, und Alexis, der Gegenstand ihrer Angst, stand vor ihnen. Sie warf sich freudig in die Arme ihres Vaters, der sich sorgfältig umsah, als er sie flüsternd frug: »ist alles sicher?«

»Sicher und außer Gefahr, wie ich hoffe,« erwiederte Alexis, »ich habe ein Zeichen für Sie.«

Dann verweilten ihre Augen auf Everard – sie erröthete verlegen und schwieg.

»Du brauchst dich nicht vor deinem presbyterianischen Vetter zu fürchten,« sagte der Ritter mit gutmüthigem Lächeln, »er hat sich doch endlich selbst als ein Bekenner des Royalismus gezeigt, und war in Gefahr, ein Märtyrer zu werden.«

Sie zog das königliche Rescript aus ihrem Busen, das auf ein kleines, beschmutztes Papier geschrieben, und mit einem schmutzigen Faden, statt des Siegels, umwunden war. In diesem Zustande drückte Sir Henry den kleinen Brief, ehe er ihn öffnete, mit orientalischer Verehrung an seine Lippen, sein Herz und seine Stirne; und eine Thräne entschlüpfte seinem Auge, ehe er den Muth hatte, das Billet zu öffnen und zu lesen. Es war in diesen Worten abgefaßt:

 

»Getreuer und sehr geschätzter Freund;
Unser ergebenster Unterthan!

Da Wir erfahren haben, daß Vorschläge zu einer Heirath zwischen Fräulein Alexis Lee, Ihrer einzigen Tochter, und Markham Everard Esquire von Eversly Chase, ihrem Verwandten, im Werke waren, überzeugt, daß diese Verbindung Ihnen höchst angenehm sein würde, wäre es nicht wegen gewisser Rücksichten auf Unseren Dienst, die Sie bisher bewogen, Ihre Zustimmung zu verweigern. – Wir thun Ihnen also hiermit zu wissen, daß, weit entfernt davon, als ob unsere Geschäfte durch eine solche Verbindung litten, wir Sie ersuchen, und so weit Wir es können, von Ihnen fordern, daß Sie Ihre Zustimmung dazu geben, wenn Sie wünschen, Unseren Willen zu erfüllen, und Unseren Angelegenheiten einen großen Vortheil zu verschaffen. Jedoch überlassen Wir Ihnen, wie es einem christlichen Könige ziemt, die volle Ausübung Ihrer Gewalt hinsichtlich anderer Hindernisse zu dieser Verbindung, die unabhängig von denen, die Unsern Dienst betreffen, bestehen mögen. Empfangen Sie Unsere Hand, welche das Gegenwärtige schrieb, verbunden mit der dankbaren Rückerinnerung an die guten Dienste, die Sie Unserm verstorbenen königlichen Vater sowohl, als Uns selbst geleistet haben.

Carolus Rex.«

 

Lang und fest starrte Sir Henry auf den Brief, so daß es fast schien, als lerne er ihn auswendig. Dann legte er ihn sorgfältig in sein Taschenbuch, und verlangte von Alexis Bericht über ihre Abenteuer in der vergangenen Nacht. Sie waren bald erzählt. Ihr mitternächtlicher Spaziergang durch den Forst ward bald und schnell bewerkstelligt. Als sie Carl und seinen Begleiter hatte wegreiten sehen, ruhte sie in der Hütte, wo sie sich trennten, ein wenig aus. Beim Anbruch des Morgens kam die Nachricht, daß Woodstock von Soldaten besetzt sei, so daß ihre Zurückkunft Gefahr, Verdacht und Nachforschungen veranlaßt haben würde. Alexis wagte es also nicht, sondern ging in ein benachbartes Haus, wo eine Dame von anerkanntem Royalismus wohnte, deren Gatte Major im Regimente des Sir Henry Lee gewesen, und in der Schlacht von Naseby gefallen war. Frau Aylmer war ein vernünftiges Frauenzimmer, auch hatte die Noth in den gefährlichen Zeiten alle Anlagen zur List und zu Intriguen ausgebildet. Sie schickte einen getreuen Diener, welcher um das Jägerhaus zu Woodstock herumschlich, und der kaum die Gefangenen entlassen und in Sicherheit sah, und den Aufenthaltsort des Ritters ausgespäht hatte, als er auch sogleich seiner Gebieterin die Nachricht mittheilte, und auf ihren Befehl zu Pferde die Alexis zu ihrem Vater zurückführte. Selten ward wohl ein Abendmahl in tieferer Stille gehalten, als von dieser verlegenen Gesellschaft, da ein Jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war, und nicht wußte, wie er die der Anderen ergründen solle. Endlich kam die Stunde, wo Alexis sich nach einem so ermüdenden Tagewerke zur Ruhe begab. Everard führte sie bis an die Thüre ihres Zimmers, und wollte dann Abschied nehmen, als zu seinem Erstaunen sein Oheim ihn bat, mit ihm zurückzugehen, ihm einen Stuhl anwies, und des Königs Brief zu lesen gab, wobei er seine Blicke fest auf ihn richtete. Fest entschlossen war der alte Ritter, daß, wenn er nicht das höchste Entzücken bei ihm bemerkte, eher den Befehlen des Königs selbst nicht gehorcht werden sollte, als er Alexis einem Mann aufopfern würde, der ihre Hand nicht als den größten Segen empfange, den die Erde gewähren könne. Aber Everard's Züge zeigten freudige Hoffnung, größer noch als der Vater erwartete, doch vermischt mit Erstaunen; als er nun seine Augen schüchtern und zweifelnd zum Ritter emporhob, da schwebte ein Lächeln auf den Zügen des Sir Henry, als er das Stillschweigen brach.

»Der König,« sagte er, »und hätte er auch keinen andern Unterthanen in England, soll doch ganz nach seinem Willen über die Mitglieder des Hauses Lee verfügen. Aber es scheint mir, als ob die Familie Everard in den letzten Zeiten der Krone nicht so ergeben gewesen wäre, als daß sie einem Schreiben Folge leisten sollte, das ihren Erben einladet, die Tochter eines Bettlers zu heirathen.«

»Die Tochter des Sir Henry Lee,« sagte Everard, indem er vor seinem Onkel niederkniete, und ihm die Hand küßte, »würde das Haus eines Herzogs zieren.«

»Das Mädchen ist ordentlich genug,« sagte der Ritter stolz; »was mich betrifft, meine Armuth soll meine Freunde weder beschämen noch belästigen. Durch Doctor Rochecliffe's Güte besitze ich einige Goldstücke, und Joceline und ich, wir werden schon etwas ausersinnen.«

»Nein, mein theurer Oheim, Sie sind reicher, als Sie glauben,« sagte Everard. »Der Theil Ihrer Besitzungen, den mein Vater durch die Zahlung einer mäßigen Ausgleichungssumme an sich brachte, gehört immer noch Ihnen zu, und wird von einigen Männern, unter welche auch ich gehöre, in Ihrem Namen verwaltet. Sie sind nur unser Schuldner für das vorgeschossene Geld, worüber wir, wenn Sie es zufrieden sind, wie Wucherer mit Ihnen abrechnen wollen. Mein Vater ist unfähig, für sich selbst Nutzen aus dem Kaufe der Güter seiner unglücklichen Freunde ziehen zu wollen. Sie hätten das alles schon längst erfahren, nur wollten Sie – ich meine, die Zeit war nicht zu Erklärungen geeignet – ich meine –«

»Du meinst ich war zu hitzig, Vernunft anzuhören, Mark, und ich glaube es selbst. Aber hoffentlich verstehen wir uns jetzt. Morgen gehe ich mit meiner Familie nach Kingston, wo ein altes Haus steht, das ich noch immer das meinige nennen darf. Wenn du Musse hast, Mark, so komme hin – oder eile dich, wenn du willst – aber komme mit der Einwilligung deines Vaters.«

»Mit meinem Vater in Person,« sagte Everard, »wenn Sie es erlauben.«

»Dem sei,« antwortete der Ritter, »wie ihr es wollt – ich denke, Joceline wird dir wohl die Thüre nicht vor dem Gesicht zuschlagen, und Bevis wird nicht heulen, wie er es bei dem armen Louis Kerneguy that. – Nein – genug Entzücken, – gute Nacht, Mark, gute Nacht; und wenn dich die Anstrengungen des gestrigen Tages nicht zu sehr ermüdet haben – je nun, wenn du morgen frühe um sieben Uhr hier erscheinst, so mußt du uns wohl auf dem Wege nach Kingston Gesellschaft leisten.«

Noch einmal drückte Everard die Hand des Ritters, streichelte den Bevis, der seine Freundlichkeit gnädig aufnahm, und ging nach Hause, um von einer Glückseligkeit zu träumen, die, so weit es die veränderliche Welt erlaubt, nach einigen Monaten vollkommen in Erfüllung ging.



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