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Endlich hatten wir nach wochenlangem Kreuzen die Palaugruppe gesichtet. Mit steilen Klippen, an deren Fuß sich direkt das Meer mit seinen Wogen brach, stieg die Insel Ngaur (Angaur) zu nicht sehr großer Höhe aus dem Meere senkrecht empor, im grünen Schmucke des tropischen Waldes, zwischen dem kahle Felsen von blendender Weiße dem Auge auffielen. Es waren wohl ähnliche Kalkfelsen, teilweise verkleidet, wie sie auch die in einzelnen schroffen und zackigen Gipfeln zu größerer Höhe aufsteigende Insel Pililu und die ihr benachbarten kleinern Inseln zeigten. Auch diese waren zum größten Teil bewaldet, und am Ufer, dem wir uns näherten, zeigte sich ein Saum sehr hoher und schmächtiger Kokospalmen, wie ich sie so noch nie zuvor gesehen hatte. Es sollen – wie verschiedentlich zu lesen steht – diese hohen, mastbaumähnlichen Palmen gewesen sein, nach denen die Spanier, als sie im 17. Jahrhundert die Inselgruppe entdeckten, ihr den Namen der »Islas Palos« gegeben haben, nach den dem Mastbaum ( palos) ähnlichen Palmbäumen. Absichtlich hatten wir uns der bewohnten Insel Pililu genähert, weil alle an Bord den Wunsch hatten, Nachrichten über die jüngsten Ereignisse in der Gruppe zu erhalten, und wir durch unsere Annäherung einige Bewohner von Pililu heranzulocken dachten. Unsere Hoffnung wurde nicht getäuscht. Das war ein wildes Durcheinander der Stimmen, als endlich die kraushaarigen, dunkelkupferbraunen Leute in unsere Nähe kamen. Sie mußten uns offenbar erkannt haben, denn »Piter«, »Cabel Mul«, »Cordo« und »Baber« schrien sie zu uns herüber, je nachdem sie Johnson, den Schweden, der lange auf den Palau-Inseln gelebt hatte, oder den Kapitän Woodin, den kleinen Palau-Insulaner Cordo oder den Steuermann am Schiffsbord erblickten. Sie waren offenbar sehr aufgeregt. Schon aus großer Entfernung schrien sie uns allerlei zu; einzelne Worte, wie Feuer, Krieg, Engländer, konnte Johnson unterscheiden; als sie am Schiffe anlegten, hatten sie alle eine solche Eile, zu uns zu gelangen, uns zu begrüßen und zu erzählen, daß einer derselben, der sich an einem losen Taue hinaufschwingen wollte, direkt ins Meer fiel. Triefend vom unfreiwilligen Bade kam er an Bord und erzählte nun seinerseits Piter (Johnson) in großer Hast und Wortfülle die traurige Geschichte, die während der Abwesenheit des Kapitäns Woodin dort vorgefallen war, und die den armen Greis mit einem traurigen Vorgefühl aller der Schläge erfüllte, die ihn noch am Abend seines Lebens treffen sollten. Sie teilten uns mit, daß vor wenigen Wochen ein englisches Kriegsschiff im Hafen von Korror eingelaufen sei, daß der Kapitän desselben die Eingeborenen von dort auf einem Kriegszuge gegen Aibukit begleitet und unterstützt habe, und daß ein großer Teil der dem letztern Orte angehörigen Fahrzeuge, ihr Dorf und ein dem Kapitän Woodin zugehöriges, am Ufer des Meeres dicht bei Aibukit stehendes Haus mit dem darin aufgespeicherten Trepang verbrannt worden seien.
Erst später erfuhren wir den ganzen Zusammenhang des Vorfalls, als wir in Aibukit angekommen waren; aber so viel schien doch aus den verworrenen und offenbar sehr ausgeschmückten Erzählungen der Insulaner hervorzugehen, daß während der Abwesenheit unsres Schiffes, der »Lady Leigh«, das Dorf Aibukit, wie schon früher, einem Angriffe von seiten der Bewohner von Korror ausgesetzt gewesen, daß aber diesmal für unser befreundetes Dorf die Sache sehr schlimm abgelaufen war, da sich die Leute von Korror der tätigen Unterstützung von seiten eines englischen Kriegsschiffs zu erfreuen gehabt hatten.
Trübe gestimmt von dieser Hiobspost, die uns mehr als vielleicht nötig erregte, da wir den Umfang des getanen Schadens nicht ermessen konnten, setzten wir unsere Reise fort, an der Westseite der nun allmählich sich gen Norden mehr von den Inseln entfernenden Riffe entlang. Am 23. März (1862) schon hatten wir den höchsten Berg der Insel Babeltaob passiert, der in seiner abgerundeten Kuppenform in schroffem Gegensätze zu den steilen, schmalen Klippen des Südens sowohl wie zu einigen andern benachbarten Bergen derselben Insel stand. Südliche Strömung hatte uns in der Nacht weit nach Norden bis über den Kanal hinaus getrieben, welcher, in nordwestlicher Richtung gegen Aibukit zu laufend, das hier mehr als eine deutsche Meile weit von der Insel abstehende Riff durchbrach. Zum Glück drehte sich am Tage der Wind mehr nach Norden, so daß wir gegen 3 Uhr nachmittags uns am Eingange des Kanals befanden. Ich stieg in den Mastkorb, um von hier aus unsere Einfahrt besser beobachten zu können. Trotz der ziemlich großen Entfernung des festen Landes war doch die Atmosphäre so durchsichtig, daß ich deutlich die Insel erkennen konnte, wie sie dalag mit ihren hier und da hoch über die Waldung emporragenden Kokospalmen inmitten eines breiten Streifens prächtig meergrünen Wassers, während hart an den schäumenden Rand des Außenriffs die tiefblaue See stieß. Sieht man aus solcher Höhe auf das Meer herab, so sind seine mit der Tiefe wechselnden Farben von einer wunderbaren Pracht und Durchsichtigkeit. Und neben uns tummelten sich auf der Fläche vier der Kanus von Aibukit, die uns entgegengekommen waren, um uns durch die schwierigen Kanäle hindurchzugeleiten. Wie die Möwen mitunter, wenn sie ermüdet sind, halb fliegend auf den Spitzen der Wellen zu ruhen scheinen, dennoch aber das schnelle Schiff rasch hinter sich lassen, so flogen die leichten Kanus über das Meer dahin, oft mehr als zur Hälfte aus dem Wasser, an den Seiten unsers Schoners vorbei, vor uns und hinter uns herum; bald gönnten sie dem Schiffe, das seine 5-6 Knoten lief, den Vorrang, dann aber schossen sie spielend in wenig Minuten wieder an ihm vorüber. Eins derselben schlug um, aber niemand kümmerte sich um die Insassen, und schon nach etwa 10 Minuten war das Boot wieder umgedreht, seines eingenommenen Wassers entledigt, und bald darauf flog es wieder heran, uns auch fernerhin in dem scheinbaren Spiele beizustehen. Die Eingeborenen dienten uns nämlich als Lotsen. Wo eine gefährliche Untiefe, oder ein vorspringendes, verdecktes Riff war, da sprang ein Mann ins Wasser und hielt das Boot an, bis wir glücklich vorüber waren; dann ging es weiter zur nächsten Station. In solcher Beschäftigung muß man die Bewohner der Inseln im Stillen Ozean bewundern lernen; da ist jede Spur von Indolenz und Trägheit aus ihrem Gesicht verschwunden, jede Bewegung ihres aufs äußerste angespannten Körpers ist richtig abgemessen, leicht und schön, und aus dem dunkeln Auge leuchtet die innigste Freude über das aufregende Spiel mit den Gefahren, die ihnen überall in den spitzen Korallenblöcken entgegenstarren. Sie brachten uns glücklich nach etwa einstündiger, aufregender Fahrt zum Ankerplatz im Hafen von Aibukit, etwa einen guten Büchsenschuß vom Lande, und als der Anker fiel, da stiegen von allen Seiten auch schon die Insulaner herauf, und Kapitän Woodin und Johnson drückten ihren alten Freunden die braunen Hände. Leider bestätigten sie uns alle jene Nachrichten, die wir bei Pililu erhalten hatten; aber in die Trauer über das Elend, dem sie sich bis dahin ausgesetzt gesehen hatten, mischte sich nun die kindlichste Freude über die glückliche Ankunft von Piter (Johnson) und Cabel Mul (Kapitän Woodin), die ihnen wie Boten einer glücklichern Zukunft erschienen.
Bis spät in den Abend hinein blieben unsere Freunde bei uns. Es waren fast ausschließlich Männer der untern und mittlern Klassen, die uns zu helfen gekommen waren, und von denen gleich eine Anzahl durch Woodin engagiert wurde, bei dem am nächsten Morgen zu beginnenden Löschen des Schiffs zu helfen, da die hauptsächlich aus Manilesen bestehende Mannschaft sehr erschöpft war. Die Mehrzahl dieser Leute war schlank und gut gewachsen, von dunkelbrauner, selbst schwarzbrauner Körperfarbe, die freilich oft durch das Gelb der aus Kurkuma bereiteten Farbe verdeckt wurde, mit der sie sich in verschiedenster Weise bemalt hatten; auf dem Kopfe hatten sie meist eine mächtige, aus krausen Locken gebildete Haarkrone, die hinten in einen kurzen Zopf zusammengebunden war. In ihrem dichten Haargewirre steckte der so charakteristische dreizackige Kamm mit weitgespreizten Zinken, wie er fast ausschließlich bei allen Melanesiern gefunden wird. Auch in den Gesichtszügen zeigte sich unverkennbar der papuanische Typus ausgeprägt.
Am nächsten Morgen wurden wir früh durch vornehmen Besuch überrascht. Am Abend schon hatte uns der Häuptling Krei seinen Adoptivsohn, den kleinen Cordo, entführt; morgens kehrten sie beide zurück in Begleitung eines breitschulterigen, ausnehmend gutmütig aussehenden Mannes, des vornehmsten Fürsten im Staate Aibukit, Mad. Mit ihm kamen eine Anzahl anderer Fürsten und auch mehrere junge Mädchen, von denen zwei sich immer an der Seite Mads hielten, während die andern in ziemlich freier Weise zwischen den fremden Matrosen mit ihren von der Taille bis zum Knie reichenden und seitlich die Schenkel ganz frei lassenden Blätterkleidern dahinrauschten. Fast alle trugen sie eine duftende Blume im Ohr. Die Männer, teilweise ganz nackt oder nur mit einem Lendengürtel bekleidet, den sie oft genug auch in der Hand hielten, blieben mit Ausnahme weniger Vornehmer ganz im Vordergrunde des Schiffs, weit entfernt von Krei und Mad, so daß ich durch die Achtung, welche beiden gezollt wurde, schon ihre hohe Würde hätte erraten können, selbst wenn ich nicht durch Woodin und Johnson längst gehört hätte, daß ich hier die zwei mächtigsten Fürsten des Dorfs und Staats Aibukit vor mir sähe. Beide Männer wurden immer nur mit dem angegebenen Namen angeredet, welche, obgleich beide, Mad wie Krei, Eigennamen, doch auch zugleich echte Titel für eines jeden Stellung im Staate waren. Beide besitzen noch einen anderen Namen, den ihrer Jugend, den sie aber beim Amtsantritt mit dem unwandelbaren Titel ihres Amts vertauscht hatten. Das gleiche Vorrecht haben nur noch die eigentlichen Fürsten – die »Rupaks« –, deren Zahl und Namen ich leider nicht völlig genau ermitteln konnte und welche die erste Klasse der Bevölkerung bilden. Mad (d. h. Tod) ist der eigentliche König, dem als solchem, neben dem Vorsitz im Fürstenrate, die alleinige Entscheidung und Sorge über ihre religiösen Feste und alles, was sich mit ihrem Ahnenkultus verbindet, zusteht. Ihm ist ein wirklicher Almosenier untergeordnet, der, Inatekló genannt, ebenfalls Sitz und Stimme im Fürstenrate hat. Zweiter im Staat ist Krei, der Krieger und Feldherr sowie Anordner aller öffentlichen und Gemeindearbeiten, ein echter Majordomus, der auch hier im Stillen Ozean öfter eine ähnliche Rolle gespielt hat wie der Taikun in Japan oder die Hausmeier der Merowinger im Frankenreiche. Im Fürstenrate sitzt er Mad gegenüber; und jedem schließt sich auf seiner Seite ein Gefolge kleinerer Fürsten an, bei ihren großen Festen sowohl wie bei ihren feierlichen, über das Wohl und Wehe des Staats beschließenden Sitzungen. Diese Teilung der Gesamtzahl der Fürsten in solche, welche dem Krei oder dem Mad folgen, ist aber nicht bloß auf das öffentliche Leben beschränkt. Ein jeder der beiden Fürstenhäupter ist zugleich auch Vorsteher seines Gefolges, mit welchem er zusammen ein großes Haus – hier »Bai« oder »Baj« genannt – besitzt und worin die Mitglieder dieser Vereinigung, des sogenannten Klöbbergöll, die Nächte und einen großen Teil der Tageszeit zubringen. So bildet also in Aibukit – und ähnlich wie hier ist es in allen übrigen Staaten des Landes – die erste Klasse der eigentlichen Fürsten zwei sogenannte Klöbbergölls.
In der zweiten Klasse der Bevölkerung, der sogenannten kleinen Fürsten (kikeri rupak) oder der Freien, sowohl wie in der dritten, der Hörigen des armeau –, finden sich ähnliche, aber viel zahlreichere Klöbbergölls, die sich am besten wohl noch mit unsern Regimentern vergleichen lassen. Denn in der Tat herrscht hier eine allgemeine Wehrpflicht, wie sie weitgehender und in alle sozialen Verhältnisse tiefer eingreifend wohl kaum gedacht werden kann. Vom fünften oder sechsten Jahre an sind alle Knaben gezwungen, in einen solchen Klöbbergöll einzutreten, sich an den Kriegen und an den von der Regierung angeordneten öffentlichen Arbeiten zu beteiligen. Aber in ihnen sind die Freien und die Hörigen nicht streng voneinander geschieden, wenngleich jene immer den Vorrang haben, einmal als Freie, dann aber auch, weil aus ihrer Zahl die eigentlichen Fürsten teils nach Erbfolgegesetzen, teils durch Wahl genommen werden. Während also von diesen viele nur bis zu einem gewissen Lebensalter einem der zahlreichen niedern Klöbbergölls angehören, dann aber als Rupaks in den Fürstenkongreß eintreten, bleiben jene, die Männer des Armeau, bis an ihr Lebensende in den Regimentern zweiter Ordnung. Eine Trennung findet hier nur insofern statt, als in jedem einzelnen Klöbbergöll, welcher im Durchschnitt etwa 35-40 Mann zählen mag, immer nur gleichalterige Knaben oder Männer zugelassen werden, so daß ein jeder von ihnen während seines Lebens (normaler Dauer) wenigstens drei oder vier verschiedenen Klöbbergölls angehört hat.
Im Grunde genommen bildet nun eigentlich ein jedes Dorf einen in der angegebenen Weise gegliederten Staat für sich. Jeder derselben hat also auch seine besondern Titel für die entsprechenden Ämter, die niemals die gleichen sind. So heißen die beiden Korror regierenden Fürsten Ebadul und Arra Kooker; aber es sind nicht ihre Eigennamen, sondern nur ihre durch alle Generationen hindurch gleichbleibenden Titel. Ihr Sinn blieb mir leider unbekannt. Bald bestehen nun diese einzelnen Dörfer als Staaten für sich und nebeneinander, wie in Pililu und auf Kreiangel, oder es ordnen sich mehrere einem mächtigern unter und treten zu ihm in ein gewisses Vasallenverhältnis.
Schon am Abend unserer Ankunft hatte ich Johnson ungern allein abreisen lassen; denn ich sehnte mich in die neue Umgebung hinein, überdrüssig der langweiligen Unterhaltung mit Woodin und dem Mestizen Gonzalez, den ich als Maler mit mir nach Palau genommen hatte. Ich sah die Riffe in meilenweiter Ausdehnung vor mir, ohne daß ich auch nur eine Koralle von ihnen hätte abbrechen können, und zwischen den Palmen hindurch, die ziemlich bestimmt die Lage von Aibukit und einigen andern Dörfern bezeichneten, stiegen Rauchwolken auf, die mich mahnten, daß dort ein weites Feld für meine Studien offen lag. Endlich – die zwei Tage an Bord schienen mir eine Ewigkeit zu sein – ging ich, von Johnson geleitet, mit meinem Diener Alejandro und Gonzalez ans Land. Es war gerade Flut. Wir fuhren in einem jener schnellsegelnden einheimischen Boote, dort »Amlai« genannt, in welchem man freilich vor dem Umschlagen nie so recht sicher ist, auf eine lange, quer die nicht sehr tiefe Bucht von Aibukit absperrende künstlich aufgeführte Mauer zu, durch welche nur eine schmale, mittels einiger Planken überbrückte Öffnung hindurchführt. Hinter der Mauer wurde das schon sehr seichte Bassin mehr und mehr durch Mangrovendickichte eingeengt, bis wir uns endlich in einem kaum 30 Fuß breiten Kanale befanden, in welchen von allen Seiten die Rhizophoren ihre Luftwurzeln einsenkten. Die Mehrzahl dieser Bäume war offenbar jung; aber mitunter ragten aus dem etwa 40-50 Fuß hohen meerentsteigenden Walde einzelne viel höhere und dickere Bäume hervor. Von einem dieser letztern waren bei dem oben erwähnten Angriff der Engländer durch eine Granate mehrere Äste abgerissen, und auch noch an andern Stellen wurden mir weite Löcher gezeigt, welche offenbar nur vom Kanal selbst aus abgeschossene Kugeln eingerissen haben konnten. Natürlich bildete bei dieser Fahrt jener Angriff den wichtigsten und einzigsten Gegenstand der Unterhaltung, und als wir am innern Hafen des Dorfs landeten, trat mir in dem halbverbrannten Bootshaus der Bewohner ein traurig stimmendes Zeichen des stattgefundenen Kampfes entgegen. Auch als wir dann auf ziemlich steilem, teilweise gepflastertem Wege nach etwa 10 Minuten bei den ersten Häusern des Dorfs ankamen, verfolgten mich überall die Spuren, die jene Krieger hier zurückgelassen hatten. Hier war ein Loch in dem Dache eines Hauses, durch welches eine Rakete hindurchgefahren war, noch nicht wieder ausgebessert; Eingeborene brachten mir gleich bei der ersten Begrüßung ausgebrannte Raketen und zersprungene Granaten herbei, und wo ich hinhörte – soweit ich mit Hilfe Johnsons und Cordos, der mir auch mitunter als Dolmetscher diente, erfahren konnte –, wurde von nichts anderm gesprochen als vom letzten Kriege und von den Hoffnungen, die man nun auf Cabel Mul und auch auf mich setzte. Teilweise hatte ich hieran wohl selbst Schuld. Empörte mich doch in tiefster Seele das herzlose Spiel, das von Weißen mit diesen freundlichen Menschen getrieben worden war; und ich nahm mir vor, die Schuld, die jene Europäer auf sich geladen, dadurch zum Teil zu sühnen, daß ich die nächste Zeit ausschließlich zum Sammeln von Notizen benutzte, um die Geschichte des Angriffs mit allen ihren Einzelheiten der Vergessenheit entreißen und den einzig Schuldigen öffentlich bezeichnen zu können. In dieser Absicht durchstrich ich nun die nächste Umgebung von Aibukit nach allen Richtungen, begleitet von Johnson und Cordo als Dolmetscher und von zahlreichen Eingeborenen, die mein lebhaftes Interesse an dem Unglück, das ihnen widerfahren, nicht anders auszulegen vermochten als durch die Annahme, ich sei ein mächtiger »Rupak« meines Landes, gekommen, sie zu beschützen und ihre Widersacher zu bestrafen.
Wenn ich auch den Verkehr mit Wilden, deren Sprache ich nicht verstand, schon aus der Erfahrung kannte, so lernte ich doch hier zum erstenmal in Johnson einen Dolmetscher kennen, der mir wenig nützte, von dem ich aber doch abhängig blieb. Selten nur ließ er sich sehen, so daß ich mich meistens von Cordo begleiten ließ. Während er in Manila und an Bord noch einigermaßen als Europäer gelten konnte, hatte er hier in Aibukit gleich wieder das eingeborene Wesen angenommen, er schwatzte unendlich viel, tat wenig und zeigte eine wahrhaft erstaunenswerte Geduld in allen Dingen. Er war von meinen Plänen unterrichtet und wußte, daß ich, um arbeiten zu können, notwendig mein eigenes Haus, gebaut nach meiner Anordnung und in der Nähe des Meeres, haben mußte. Dennoch aber zögerte er von Tag zu Tage, die Leute zu engagieren, die mir dasselbe bauen, und mir einheimische Diener zu verschaffen, die mich auf meinen Fahrten auf die Riffe und bei den Exkursionen im Lande begleiten sollten. Erst ein Zufall mußte mir wirklich dazu verhelfen.
Nach Landessitte hatte ich, als ich das Schiff verließ, mein Quartier in jenem großen Hause (Baj) aufgeschlagen, das meinem mich unter seinen speziellen Schutz nehmenden Freunde Krei und seinen fürstlichen Genossen gehörte. Hier wurde ich, solange ich im Dorfe blieb, von ihm und seinem Klöbbergöll in liebenswürdigster Weise bewirtet. Freilich war es da nicht sehr unterhaltend; die Rupaks schliefen fast immer und brachten den größten Teil des Tags mit Nichtstun zu, und ihr Haus durfte nach Landessitte nur von ihnen selbst, aber von keinem den beiden andern Klassen angehörenden Manne betreten werden. So waren die einzigen Wesen, mit denen ich einige schüchterne Unterhaltungsversuche machen konnte, einige junge Mädchen – Phrynen –, die dort mit den Fürsten ein fröhliches und freies Leben führten. Über ihre sonderbare, gesellschaftlich in ganz strenge Formen gezwängte Lebensweise sollte ich erst später genaue Auskunft erhalten. Sie bekamen häufig von ihren gleichalterigen Freundinnen aus den Bais anderer Klöbbergölls Besuche, und da sie gesprächiger waren als die ältern Rupaks und sich offenbar eine Freude daraus machten, mich in ihrer Sprache zu unterrichten, so hatte ich schon nach einigen Tagen die wenigen Worte gesammelt, die bei dem einfachen Bau der dortigen Sprache genügten, um Fragen an die Leute richten zu können. Dann ging ich oft auf meinen Spaziergängen in die verschiedenen Häuser, die alle voneinander durch niederes Gestrüpp, Betelpalmen, Kokospalmen und Bananen getrennt, am Abhange des Bergzugs zerstreut lagen, und deren Eigentümer sehr erfreut waren, wenn ich ihnen einen Besuch abstattete. Sie setzten mir ausnahmslos ein süßes Getränk (Eilaut) vor, das sie durch rasches Eindampfen aus dem Safte der Palmenblüte gewannen, der gegoren den bei allen rein malaiischen Völkern so beliebten Palmenwein liefert. Auf diesen Inseln jedoch wird das Gären absichtlich vermieden; ebensowenig bereiten sie hier die Kawa, die auf den polynesischen Inseln des Stillen Ozeans eine so große Rolle spielt. Mitunter besuchte ich auch Mad in seinem Hause. Hier fiel mir eines Tags ein junger Mann namens Arakalulk gleich seines offenen Wesens und seines intelligenten Auges wegen auf. Wir mußten beide gegenseitig aneinander Gefallen gefunden haben; denn am nächsten Tage kam er, mich in der Abwesenheit der Rupaks zu besuchen und mir – wie ich glaubte – seine Dienste anzubieten. Cordo, der zufällig vorüberging, machte den Dolmetscher, und so wurden wir, ohne daß Johnson ein Wort davon erfahren hatte, handelseinig. Arakalulk versprach mir, Leute zu suchen, um mir das Haus bauen zu helfen und nachher als Diener, wie ich wähnte, gegen eine angemessene Bezahlung bei mir bleiben zu wollen. Als ich dann später dies Johnson mitteilte, wurde er böse und meinte, ich hätte ihm mehr Vertrauen zeigen sollen; er sei gerade gekommen, mir anzuzeigen, daß auch er einen Diener namens Asmaldra für mich engagiert und auch bereits mit einem Klöbbergöll unterhandelt habe wegen des möglichst billigen Baues meines Hauses. Eine große Schwierigkeit sei freilich dabei zu überwinden, es gelte nämlich den Widerwillen der Leute gegen den Bau eines Wohnhauses, welches nicht im einheimischen Stil aufgeführt werden solle, zu besiegen; es dürfte dies leicht zu einigen Streitigkeiten Anlaß geben und würde jedenfalls den Bau sehr verteuern. Ich erklärte mich mit allen seinen Bemerkungen einverstanden und bat ihn nur, etwas mehr Feuer in die Leute zu bringen, damit ich doch endlich einmal die Arbeiten beginnen könne, um derentwillen ich hergekommen sei. Ich sei gern bereit, neben Arakalulk auch noch Asmaldra in meinen Dienst zu nehmen.
Endlich am siebenten Tage nach unserer Ankunft sollte der Hausbau beginnen, dessen Leitung Johnson und Arakalulk übernommen hatten. Ich hatte mir in der Nähe von Auru, hart am Meere und gegen den östlichen Wind durch eine steil ansteigende Trachytklippe geschützt, einen Platz ausgesucht, welcher Krei gehörte, und den ich ihm mit etwas Reis abkaufte. Der Platz hieß Tabatteldil, und im offiziellen Leben, z. B. bei den fürstlichen Festen, wurde ich nun nicht mehr Doktor – wie sie mich sonst immer anredeten –, sondern »Era Tabatteldil« genannt: »der Herr von und auf Tabatteldil«. Die Leute fingen wirklich, wie sie versprochen hatten, am 1. April – ich dachte nicht an das böse Omen – zu bauen an. Natürlich wurde das Haus nur in leichtester Weise konstruiert. In der Mitte sollte sich die Empfangshalle befinden, an der einen Seite mein Schlafzimmer, an der andern mein Arbeitsraum, der mir zugleich zum vorläufigen Aufbewahren meiner Sammlungen dienen mußte. Nur in den Ecken der Zimmer standen, fest im Boden eingegraben, stärkere Pfähle; der schwankende, 3 Fuß über der Erde befindliche Fußboden aus Bambusgeflecht wurde durch kleine Stützpfeiler verstärkt, und auch die Wände des Hauses und der Zimmer, die Tische und mein etwas erhöhtes Bett wurden aus gespaltenen Bambusleisten geflochten. Das Dach selbst, mit Pandanusblättern nach einheimischer Sitte gedeckt, erhob sich in Giebelform auf den etwa 7 Fuß hohen Wänden, in welchen mehrere mit einer Klappe verschließbare Fenster angebracht wurden, in der richtigen Höhe für den einzigen Tisch, den ich mir aus Manila zu meinen zoologischen Zergliederungsarbeiten mitgebracht hatte. Eine kleine vom Hause etwas entfernt stehende Hütte war die Küche, in der Alejandro sein Wesen treiben sollte.
Das war nun freilich ein ganz anderes Haus, als je zuvor meine neuen Freunde hatten bauen müssen. Ihre gewöhnlichen Familienwohnungen – in denen sich jedoch nachts immer nur die Weiber und kleinsten Kinder befanden – waren auf niedrigen Steinen angebracht, so daß der aus Bambus geflochtene Fußboden sich kaum einen halben Fuß über der Erde erhob. Viereckig, etwa 25-40 Fuß lang bei 12-14 Fuß Tiefe, ohne irgendeine Abteilung im Innern, worin sich auch die ganz im Fußboden angebrachte Feuerstelle befand; mit höchstens 4 Fuß hohen geflochtenen Wänden, in denen Öffnungen von gleicher Höhe als Türen und Fenster zugleich dienen mußten; mit sehr hohem, spitzem und an den beiden schmalen Seiten des Hauses stark nach oben überhängendem Giebeldach, dessen First der Längsrichtung des Hauses parallel lief – boten mir ihre einheimischen Wohnungen weder genügende Höhe zum Aufstellen eines Tisches, noch hinreichendes Licht zum Mikroskopieren. Auch der Rauch, der von Manneshöhe an das ganze Dach inwendig geschwärzt hatte, würde mir ein großes Hindernis für meine Arbeiten geworden sein. Da ich sicher auf 3-4 Monate Aufenthalt an diesem Orte rechnen konnte, so mußte ich vor allem mir ein Haus nach meiner Bequemlichkeit zu bauen versuchen. Im Anfange waren die Leute – etwa 40 an der Zahl – sehr eifrig, da das Ungewohnte der Arbeit sie ergötzte; aber bald wurden sie lässig. Zwar benahmen sie sich während des Baues insofern liebenswürdig, als sie, ohne große Schwierigkeiten zu machen, meinen Hausplan ausführten; aber sie taten dies in so eilfertiger und oberflächlicher Weise, daß ich gezwungen war, die Leute gleich am Tage meines Einzugs – am 10. April – neu zu verpflichten, um alle die notwendigen Verbesserungen vornehmen zu lassen. Nun waren sie womöglich noch unachtsamer, folgten meinen Anordnungen nicht, behaupteten, sie bauten ihre eigenen Häuser auch so, und die hielten ganz gut. Wenn auch das Dach zunächst ein wenig den Regen durchlassen würde, so müsse sich das bald geben – kurz, sie taten, was sie wollten. Am dritten Tage verlor ich endlich die Geduld, ich riß eigenhändig, unterstützt von Alejandro, einen Teil des Daches ein, das sie nicht nach meinen Angaben hatten reparieren wollen. Dies und die Äußerung, daß ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte, jagte sie alle aus dem Hause, und als ich nun mit den zwei von mir angenommenen Dienern selbst Hand anlegen wollte, verweigerten diese ihre Hilfe. Sie gaben vor, es würde ihnen, wenn sie es zu tun wagten, vom Klöbbergöll all ihr Geld genommen und ihre Häuser in Brand gesteckt werden, da er ein Veto auf die Vollendung des Hauses gelegt habe. Nun war guter Rat teuer; denn das Dach so wenig wie die Wände des Hauses hielten dicht. Johnson, der wohl in Auru schon davon gehört haben mochte, kam dann, schwatzte ganz entsetzlich viel, brachte aber auch am nächsten Tage nichts in Ordnung. Und als ich nun, selbständig auftretend, nach 1½tägigem Unterhandeln den Klöbbergöll durch das Versprechen einer Flinte bewog, die Fortführung des Baues zu übernehmen – da sagte mir Johnson, fast beleidigt scheinend, er hätte dies auch wohl ohne die Aufopferung meiner Flinte zustande bringen können. Zwei Tage später hatte ich dann das Haus wenigstens notdürftig bewohnbar, obgleich die beständig notwendigen Ausbesserungsarbeiten meine Diener und oft auch mich selbst bis zum 25. April in Arbeit erhielten.
Dabei war mein Haus beständig voll von Besuchern, und da dies meistens Rupaks von fremden Ortschaften waren, die in Begleitung von Krei oder Mad kamen, um sich den ein so wunderbares Haus bauenden Era Tabatteldil anzusehen, verlor ich fast meine ganze Zeit. Ich hatte, solange ich im Dorfe lebte, natürlich alle Tage in der Unterhaltung mit ihnen zugebracht, nach einheimischer Sitte essend, plaudernd und schlafend; die guten Leute glaubten ohne Zweifel, daß ich in meinem Hause ein gleiches Leben fortführen würde. Zuerst hatte ich meine Pflichten als Wirt durchaus getreu geübt; aber ich argwöhnte bald, daß gar manche dieser Rupaks so oft kamen, weil ihnen mein Reis, meine Weine und Zigarren gar so gut schmeckten. Namentlich Mad schien den Wein sehr zu lieben, so daß ich besorgte, er möge nicht lange genug aushalten. Ich maß ihm deshalb bald die Rationen etwas kärglicher zu, und da ich zugleich auch gegen die andern Rupaks, namentlich gegen die fremden, etwas förmlicher und weniger freigebig mit Geschenken wurde, nahmen allmählich die vornehmen Besuche etwas ab, so daß ich endlich am 27. April hinreichende Ruhe in meinem Hause hatte, um meine Arbeiten beginnen zu können.
Auch sonst waren die Verhältnisse günstiger geworden für die zoologischen Untersuchungen, die ich nun in Angriff nahm. Alejandro besorgte mit Hilfe einiger junger Männer und Mädchen, die allmählich die Zahl der Hausbewohner vermehrt hatten, den Hausstand, behielt aber Zeit genug übrig, Exkursionen auf die östlichen Riffe zu machen, während ich selbst mit Arakalulk und Asmaldra die Riffe der Westküste nach Tieren absuchte. Ich unternahm größere Exkursionen zu Fuß in die befreundeten Nachbardörfer, aber ich ließ mich zu ihnen weniger durch die Tiere als durch die Menschen bestimmen, die ich in allen ihren Eigenheiten genau kennenlernen wollte. Unter diesem leichtlebigen Volke sollte es an Gelegenheiten dazu nicht fehlen; denn wenn die katholischen Christen der Philippinen in bezug auf die Auffindung von allerlei Vorwänden zu öffentlichen Festen noch hätten lernen können, so wäre sicherlich hier dazu Gelegenheit gewesen. Einige kleinere Festlichkeiten in Aibukit selbst hatte ich versäumt; als ich aber Nachricht erhielt, daß am 24. April ein großes Weiberfest in Aural an der Ostküste abgehalten werden sollte, entschloß ich mich um so leichter, es zu besuchen, als ich sonst den ganzen Tag hätte allein zubringen müssen. Tage vorher schon sprachen meine Hausgenossen von nichts anderm als dem bevorstehenden Feste, und sie kündigten mir an, daß sie dasselbe unbedingt besuchen müßten. So ging ich denn, begleitet von Asmaldra, den ich hauptsächlich dadurch an mich fesselte, daß ich ihm gestattete, mit meiner Doppelflinte auf die Entenjagd zu gehen, zuerst über den Steindamm ans nördliche Ufer der Bucht, dann in nordöstlicher Richtung über die trachytischen Hügel, welche das Becken von Aibukit nördlich begrenzen und auf deren Südabhange das obenerwähnte halbzerstörte Dorf Eijül lag.
Am Nachmittag begann der Tanz, der das nun schon seit drei Tagen anhaltende Volksfest beschließen sollte. Auch in diesem Dorfe lagen die Häuser weit voneinander getrennt, wie in Aibukit, mitten im Walde der Kokospalmen und umgeben von Nutzpflanzen sowohl wie Ziersträuchern, welche die Bewohner mit Vorliebe kultivierten. Der Platz, auf dem das Fest gefeiert wurde, befand sich mitten im Dorfe, aber ebenfalls rings umgeben von Gebüsch, so daß man nur an wenigen Stellen einen Blick auf andere Häuser erhielt, dort nämlich, wo die gepflasterten Wege mitunter gerade auf ein solches zuliefen. Auf der einen Seite des nicht sehr großen, beinahe quadratischen Raumes war eine aus Baumstämmen roh gezimmerte, etwa 3 Fuß hohe Plattform errichtet, während auf den drei andern Seiten eine Menge kleiner, ganz offener Hütten gebaut worden war, in denen die zum Besuch von nah und fern gekommenen Freunde des Dorfes lebten, solange das Fest dauerte. Manche von ihnen waren mit allen ihren Kindern und vollständiger Hauseinrichtung gekommen, und es wurden hier offenbar die Gäste nicht, wie bei andern Festen, vom Dorfe selbst eingeladen oder bewirtet. In jeder Hütte hatten sich meistens zwei bis drei Familien niedergelassen, so daß das Innere ganz von den vielen Weibern und Kindern, ihren Siebensachen und Lebensmitteln angefüllt war. Ihre großen eisernen Kochschalen, die ihnen sonst zur Zubereitung des Trepang dienen mußten – Schalen von etwa 3 Fuß Durchmesser –, waren nun angefüllt mit Fischen oder ihrem Nationalgerichte, dem »Kukau«, und standen auf Feuerstellen, welche vor den Häusern auf dem freien Platze angebracht waren. Die außerordentlich mehlreiche Wurzel des Taro ( Arum esculentum) vertritt hier wie auf allen Inseln des Stillen Ozeans den Reis, und Fische und Muscheln, Kokosnüsse und Früchte der Bananen bilden nur die luxuriöse Zugabe und Würze des für gewöhnlich äußerst einfachen Mittagsmahles der Insulaner. Bei solchen Festen jedoch sucht auch hier jede Hausfrau die andere durch die Mannigfaltigkeit ihrer Gerichte zu übertreffen, die sie ungleich den heidnischen sowohl wie christlichen Malaien der Philippinen in ihren mit einer Art von rotem Lack überzogenen Schüsseln auch gefällig für das Auge und mit Blumen verziert anzurichten lieben. Von morgens früh bis zum Abend stiegen beständig die allerdings nicht immer süß duftenden Rauchwolken nach oben – denn gegen den Geruch faulender Fische schienen jene Leute nicht eben sehr empfindlich zu sein. Hier saßen im Hause ein paar junge Mädchen, beschäftigt, das Fleisch der eben geöffneten Kokosnuß zu schaben oder den Kukau zu stampfen, der zum Anfertigen der verschiedensten Kuchen dienen sollte. Andere schürten das Feuer oder verteilten die fertigen Gerichte in den sauber abgewaschenen Schüsseln. Beständig gingen junge Männer, die wohl der niedrigsten Klasse angehören mochten, hin und her, Körbe mit Kukau oder Kokosnüssen auf dem Kopfe, oder Fische und andere eßbare Seetiere bringend. Mit ihren schönen, hochgelben, oft schwarz geränderten Schürzen liefen junge Mädchen von Hütte zu Hütte, eine Schüssel mit einem feinen Gericht oder eine Trinkschale voll besonders süßen Getränkes (des sogenannten Eilaut) als Freundesgruß ihrer Eltern anbietend. Die vornehmeren Männer freilich – die Rupaks und die ältern Leute – saßen rauchend und schwatzend in Gruppen auf dem Platze zusammen oder sie lagen schlafend in ihren Hütten.
Diesem Treiben, das ich mit wahrer Freude betrachtete, machte endlich das rasch sich fortpflanzende Gerücht ein Ende, daß nun der Glanzpunkt des ganzen Festes gekommen sei. Gleich legte jede der Frauen ihre Arbeit nieder, die schlafenden Männer erwachten, und alle gruppierten sich so, wie es die einheimische Sitte vorschrieb – die Frauen und Mädchen zusammen in vorderster Reihe, dahinter die Männer –, um mit Ungeduld den Zug zu erwarten, über dessen pompöse Ausstaffierung schon vorher allerlei Gerüchte verbreitet waren, und der sich nun aus der Ferne mit einigen Flintenschüssen und einem wüsten Geschrei ankündigte. Von der einen Seite her kam, die nackten Oberkörper und die Beine über und über mit Rot bemalt, ein Haufe Weiber, die mit wütenden Gebärden, Lanzen in den Händen schwingend, sich einem kleinern Haufen näherten, der in gleichem Schmuck und auch bewaffnet, von der entgegengesetzten Seite heranschritt. Bis auf drei oder vier Schritte Entfernung traten sie sich entgegen, als wollten sie einen Kampf beginnen; dann aber hielten beide Parteien an, gruppierten sich zu mehreren Reihen und begannen nun unisono einen sehr einförmigen, aber doch nicht unmelodischen Gesang. Seit langen Jahren hörte ich hier wieder zum ersten Male einen aus voller Brust kommenden Ton. Dabei bewegten sie sich nicht von der Stelle, aber indem sie alle in genau abgemessenem Rhythmus die Hüften in eine eigentümlich wiegende Bewegung versetzten, brachten sie durch das Aneinanderschlagen ihrer Blätterkleider ein lautes Rauschen hervor, das ihren Gesang streng abgemessen begleitete. Mit einem lauten Aufschrei endigte die Pantomime, die, wie man mir sagte, eine Szene aus dem jüngsten Kriege darstellen sollte.
Dann gingen sie alle in ihrem feuerroten Schmuck auf die Plattform und stellten sich hier in einer langen Reihe auf. Es mochten nahe an 30 Weiber sein. Sie begannen jetzt eine Art pantomimischen Tanzes, wobei sie bald die Arme in den mannigfaltigsten Touren langsam bewegten, bald nur den Oberkörper hin und her wiegten, indem sie ihre Arme unbeweglich hielten. Oder sie bogen ihre Knie etwas ein, hielten den Oberkörper fest und schwenkten nun den Unterkörper rhythmisch nach rechts und links, so daß die ganze Reihe gelbroter, steifer und weit abstehender Schürzen in eine gleichmäßige, ununterbrochene Wellenbewegung geriet. Auch hier begleitete Gesang den Tanz. Eine Vorsängerin schien die Worte desselben zu improvisieren, die mir leider gänzlich unverständlich waren. Der Chor wiederholte dann – wie bei der Messe – unisono die vorgesungene Zeile. Mit einbrechender Dunkelheit beendigte ein lauter Schrei den Tanz und damit auch das Fest. Da der Weg nicht weit war, ging ich von Gonzalez, Arakalulk und meinen übrigen Leuten begleitet, unter Fackelschein zurück nach Tabatteldil, während sich Asmaldra, Unwohlsein vorschützend, nach Rallap in sein eigenes Haus begab.
In den letzten Tagen hatte ich, wie schon erwähnt, etwas mehr Ruhe in meinem Hause gefunden und auch begonnen, mich mehr an die Eigenheiten meiner Diener zu gewöhnen. Zwar spielten dabei Asmaldra wie Arakalulk eine nicht ganz verständliche Rolle. Sie hatten sich mir – wie ich glaubte – persönlich zum Dienste angeboten und sollten nach unserer Verabredung in meinem Hause schlafen. Statt dies zu tun, gaben sie mir einige Leute als Stellvertreter. Sie selbst kamen zwar meistens des Tages, mich zu besuchen; aber die Befehle, die ich ihnen gab, übertrugen sie immer jenen, sie selbst legten wenig Hand mit an. Nur mich persönlich bedienten sie gern; einer von ihnen war regelmäßig bei mir auf meinen Exkursionen. Nun genoß ich auf diese Weise zwar nicht den Nutzen, den ich von ihnen erhofft hatte; aber wenig verwöhnt in bezug auf die zu erwartenden Erfolge dieser Reise – die ich schon wie einen Mißerfolg zu betrachten begann – war ich dankbar dafür, daß ich doch endlich mit ihrer Hilfe wenigstens etwas sammeln und arbeiten konnte. Natürlich richtete ich dabei mein Hauptaugenmerk auf die Tiere des Meeres, während ich den mit guten Augen begabten Alejandro dazu anhielt, im Dorfe Schmetterlinge, Insekten und allerlei andere Landtiere zu fangen.
Leider sollte meine Ruhe bald wieder gestört werden. Am 27. April mittags sah ich von Süden her eine Anzahl langer Boote, wie ich sie bisher noch nie im Wasser gesehen hatte, heraufziehen und bei der »Lady Leigh« anlegen. Ich erfuhr bald, daß es Ebadul von Korror sei, der dem Kapitän Woodin einen Besuch abstattete. Als dann das Wasser am Nachmittag hoch genug gestiegen war, um die Einfahrt in den eigentlichen Hafen von Aibukit unternehmen zu können, zogen sie alle mit entsetzlichem Hallo und Geschrei, die Ruder hoch über ihren Köpfen schwingend, an unserm Hause vorüber. Natürlich erregte das Kommen ihrer Feinde meine Leute sehr. Zuerst liefen sie alle fort, ins Dorf hinauf, da sie meinten, es würde Krieg geben; aber Arakalulk kam bald wieder und brachte mir folgende Erklärung des unliebsamen Besuchs. Bei jenem oben erwähnten Angriff der englischen Boote stahlen die Leute von Armlimui, Korror und andern Orten denen von Aibukit eine Menge Boote und setzten verschiedene Häuser in Brand. Trotz der Hilfe der Engländer aber schien den Eingeborenen der Erfolg der Südländer kein ganz vollständiger gewesen zu sein; denn das Ansehen Aibukits hatte trotz dieses Schlags nicht sehr gelitten, und als nun erst Cabel Mul mit seinem Schiffe, Piter mit seinem bekannten und gefürchteten Mut wiedergekommen waren, und sich das Gerücht verbreitet hatte, daß mit ihnen ein vornehmer fremder Rupak – nämlich ich – gekommen sei, der sicherlich bald ein Kriegsschiff nach Aibukit hinrufen werde –, da erfaßte sie alle die Furcht, es möchte nun der nördliche Staat einen Kriegszug nach dem Süden unternehmen, um sich für den erlittenen Schaden zu rächen.
Zum Teil mochte ich wohl durch meine eifrigen Nachforschungen nach den Umständen des Angriffs wovon sicherlich die Kunde auch nach Korror gedrungen war – mit dazu beigetragen haben, bei der einen Partei Furcht, bei der andern Hoffnungen zu erregen. Aber auch ohne das Interesse, das ich den Bewohnern von Aibukit gezeigt, hätte ich doch mit dem besten Willen dieser mir sehr unlieben und später sogar unbequem werdenden Standeserhöhung nicht aus dem Wege gehen können; denn allein das weiße Gesicht wäre schon hinreichend gewesen, mir Fürstenrang bei ihnen zu verschaffen. Und da ich, weder um Handel zu treiben, noch zu andern verständlichen Zwecken dahin gekommen war, und all mein Tun und Treiben ihnen wie das eines mächtigen, reichen Rupak erscheinen mußte, war es wohl erklärlich, daß die Bewohner von Aibukit von mir tätige Unterstützung erwarteten. Denn vom Gegenteil ließen sie sich niemals überzeugen, trotzdem Woodin wie Barber und ich ihnen beständig das Abgeschmackte einer solchen Hoffnung deutlich zu machen versuchten. Sie wollten es nicht glauben, daß wir in unserm eigenen Lande nicht besser seien als der gemeinste Mann unter ihnen, und daß wir also auch nicht die Macht hätten, ihnen in der gewünschten Weise beizustehen. Die auf meine Unterstützung gebauten Pläne den Bewohnern von Aibukit zu zerstören, kam nun Ebadul in höchsteigener Person und bot den bisherigen Feinden Frieden und Freundschaft an. Zwar wurden die geraubten Boote und Sachen nicht wieder zurückgegeben; aber ein großes Stück einheimischen Goldes der höchsten Sorte ersetzte nach landesüblicher Sitte den Verlust vollständig und entwaffnete Aibukit für den Augenblick gänzlich. Denn die Weigerung, es anzunehmen, wäre nach Landesbrauch eine Kriegserklärung gewesen, und da die Bewohner von Aibukit nicht gerüstet und noch immer sehr niedergeschlagen waren, nahmen sie das Geld und damit den Frieden an.
Am Nachmittag ging ich ins Dorf hinauf, teils mit der Absicht, den am Fieber krank liegenden Mad zu besuchen, dann aber auch mir die Leute von Korror etwas anzusehen. Leider fand ich sie nicht mehr vor, da Ebadul schon früh am Morgen, während ich noch schlief, nach Arakalong abgereist war, in der Absicht – wie er wenigstens vorgab –, Frieden zwischen diesem Staate und Aibukit zu stiften. Nachdem ich dann Mad etwas Chinin gegeben und auch noch den in Rallap krank liegenden Asmaldra besucht hatte, sprach ich bei Krei vor, wo mich seine Frau wie immer mit größter Zuvorkommenheit empfing. Es war eine aufgeweckte, trotz ihrer 35-40 Jahre noch ziemlich stattlich aussehende Matrone, die ihre Last, Gattin des Krei zu sein, mit musterhafter Würde trug. Man braucht nicht gerade sehr scharfsichtig zu sein, um zu bemerken, daß bei ihr so wenig wie bei den andern Frauen, namentlich der Vornehmen und Fürsten, andere Gefühle als Rücksichten der Konvenienz die Ehe gestiftet hatten. Sie selbst sprach sich eines Tags in meinem Beisein sehr rückhaltslos über ihr Verhältnis zu Krei wie über das der Frauen zu ihren Männern überhaupt aus. Johnson nämlich hatte kurz nach seiner Rückkehr wieder eine neue Frau genommen – damals hatte er als reicher und mächtiger Mann drei auf einmal –, ein ganz junges Ding, das, obgleich nur eine Wilde, doch ein gewisses Anrecht auf die Treue und Liebe des Gatten zu haben glaubte. Diesen hatte aber bei der Wahl nur die vornehme und reiche Verwandtschaft geleitet, und er hatte, um die weitgehenden Ansprüche seines großen Herzens zu befriedigen, sowohl unter den Mädchen der Bajs wie unter den im Schoße ihrer Familie lebenden gar manche vertraute Freundin gesucht und gefunden. Dies verdroß seine junge, rechtmäßig angetraute – d. h. angekaufte – Gattin, die eines Tags, als ich gerade in Kreis Hause war, weinend hereintrat und Kreis Frau ihr Herzeleid klagte. Diese ließ sie erst ausweinen, und dann erzählte sie ihr die eigene Lebensgeschichte, wie auch sie in ihrer Jugend dem Krei seine Untreue oft bitter übelgenommen habe; aber das sei nun einmal in ihrem Lande nicht anders möglich. Alle Männer wären gleich schlecht in dieser Beziehung – oder eigentlich täten sie ganz recht; denn die Frauen selbst wären ja oft genug die erste Ursache der Untreue der Männer. Solange sie nicht das Verhältnis der rechtmäßig angetrauten Frauen zu den im Baj lebenden, unverheirateten Mädchen – den sogenannten »Armungul« – gänzlich lösten, würde es immer so bleiben. Sie solle doch nur bedenken, daß sie selbst einige Monate in Rallap Armungul gewesen sei, und daß ihr doch das freie ungebundene Leben, das sie als solche geführt, sehr wohl gefallen habe, ganz besonders aber auch die Bedienung von seiten der verheirateten Frauen. Solange diese noch den Armunguls im Baj täglich die Nahrung bringen müßten, würden sich immer Mädchen bereit finden, einige Monate im Baj zuzubringen, um so eher, als sie bei ihrer Rückkehr ins Dorf den Eltern ein großes Stück Geld mitbrächten und auch nicht lange auf einen Mann zu warten brauchten. Manchen von den Frauen gefiele ja doch dies Leben im Baj so gut, daß sie ihren Männern davonliefen, um wieder in ein solches einzutreten. An allem diesen zu rühren, verböte aber die alte ehrwürdige Sitte, und wenn sie jetzt den Armunguls nicht mehr die Nahrung ins Baj bringen wollten, würden die Männer auch keine Bedienung mehr haben. Denn die rechtmäßige Gattin dürfe vor der Welt niemals zeigen, daß sie mit ihrem Manne in so vertrautem Verhältnis lebe; das sei » mugul« (schlechte Sitte), und wenn einmal dieses Wort keine Macht mehr habe unter ihnen, so würde auch sicherlich ganz Palau untergehen.
Zwar hatte ich schon durch Johnson früher gar manches über solche Verhältnisse erfahren, nie aber recht daran geglaubt, bis mich endlich dieses Gespräch zwischen den beiden Frauen, das ich wenigstens der Hauptsache nach schon ohne Dolmetscher verstehen konnte, von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugte. Auch in manche andere Geheimnisse des dortigen Lebens wurde ich durch Krei und seine Frau eingeweiht. Krei hatte, wie es schien, ein für allemal sich das Protektorat über alle Europäer angeeignet – oder vielleicht war dies eine Beschäftigung im Staate, die ihm als Krei zukam –, und seine Frau hatte vom ersten Tage an in liebenswürdigster Weise für mich gesorgt. Solange ich im Dorfe lebte, war ich bei allen Mahlzeiten ihr erwarteter und gern gesehener Gast. Als ich nachher mein Haus bezog, verging fast kein Tag ohne eine freundliche Botschaft nebst Geschenk. Von jeder für mich interessanten Neuigkeit setzte sie mich ungesäumt in Kenntnis, und sie kam selbst häufig nach Tabatteldil, einen großen Korb mit Kukau auf dem Kopfe oder eine Flasche Eilaut in der Hand, um nachzusehen, wie es ihrem »Sohne« gehe. So pflegte sie mich scherzweise, wenn sie bei guter Laune war, zu nennen. Kurz, das Verhältnis zu Krei und seiner Frau, meiner »Mutter«, war bald ein so inniges geworden, wie dies überhaupt für mich möglich war. Ich denke noch jetzt oft mit Freuden an die Herzensgüte und freundliche Gesinnung zurück, die wenigstens von seiten der Frau eine reine und von keinem Eigennutz eingegebene war.
Hier im Hause von Krei traf ich auch gewöhnlich mit Gonzalez zusammen, der sich ebenfalls unter Kreis Fittiche begeben hatte. Wie meistens gingen wir auch diesmal bei einbrechender Dunkelheit den Landweg über das von den Engländern zerstörte Dorf Atraro nach Hause. Das ganze Land rings um die Bucht von Aibukit ist von trachytischen Hügeln gebildet, die sich an manchen Stellen schroff in die am Fuße der Berge liegenden sumpfigen Kukaufelder absenken. Sie werden von zahlreichen Erosionsschluchten durchschnitten, in denen allen ein Bach rauscht, der sich häufig zu einem etwas abseits gelegenen Bassin erweitert. Es war das erstemal, daß ich gegen Abend gerade diesen Weg machte, und überall traf ich auf badende Männer, die hier, nachdem sie den Staub des Tages abgewaschen, sich den Körper frisch mit Kokosnußöl salbten und mit ihrem dreizinkigen Kamme die sonst hinten in einen Schopf zusammengebundenen Haare, nun aufgelöst, in eine rings das Gesicht einfassende buschige Haarkrone auskämmten, wie sie sich der Struwwelpeter nicht schöner hätte wünschen können. Dicht hinter Atraró ging der Weg an dem größten der Wasserbecken vorbei; ehe wir aber dieses erreicht hatten, wurde ich nicht wenig in Erstaunen gesetzt durch ein fürchterliches, von meinen Begleitern unisono ausgestoßenes und langgedehntes » Eiwa – Owa«. Eine Mädchenstimme antwortete uns sogleich aus dem Gebüsch, und meine Leute hielten mich zurück, da dort im Bassin badende Frauen seien, die nicht gestatten wollten, daß wir vorübergingen. Als ich bemerkte, daß das ja nur Weiber wären, vor denen sie sich doch nicht fürchten würden, meinten sie: das nun wohl nicht; aber Frauen im Bade hätten ein unbegrenztes Recht, den gegen ihren Willen bei ihnen vorbeigehenden Mann zu prügeln, mit Geldstrafe zu belegen, ja, sogar zu töten, wenn sie es an Ort und Stelle zu tun vermöchten. Es sei deshalb auch der Badeplatz der Frauen der sicherste und beliebteste Ort für heimliche Zusammenkünfte. Zum Glück dauert auf diesen Inseln die Toilette der Damen nicht lange; nach wenig Minuten schon rief uns ein zweiter Schrei herbei, und als wir den jungen Mädchen, die sich dort gebadet hatten, nun begegneten, hatten einige von ihnen noch nicht einmal den Gürtel wieder festgeknöpft, durch welchen sie die beiden Blätterschürzen festhalten. Ohne weitern Aufenthalt gelangte ich auf dem zuletzt sehr schroff absteigenden Wege nach Tabatteldil, wo mich Arakalulk, der aus der Stadt mit einem Kanu weggefahren war, mit der Nachricht empfing, daß eben Ebadul wieder angekommen und seine Mission in Arakalong gänzlich gescheitert sei. Er meinte, nun werde es wohl bald wieder Krieg geben; denn die ganze Reise wäre sicherlich nichts weiter gewesen als eine kühn ausgeführte Kundschafterei. Sie habe Ebadul zwar ein großes Stück Geld gekostet, aber wenn es den Leuten von Korror gelänge, Aibukit zu besiegen, würden sie beim Friedensschlusse weit mehr zurückerhalten. Arakalulk kam absichtlich herunter, mir dies sogleich mitzuteilen; denn es sei wahrscheinlich, daß Ebadul früh am nächsten Morgen bei mir zu einem Besuch vorsprechen würde. Da die Leute von Korror große Diebe seien, habe er mich noch am Abend benachrichtigen wollen, um mir Zeit zum Einschließen meiner Habseligkeiten zu geben. Schon am Tage vorher hatte mir Woodin ebenfalls ein paar eilige Worte zukommen lassen, mich mahnend, vor Ebadul und seinen Genossen auf der Hut zu sein. Hier in Aibukit hatte ich bis jetzt über keine bemerkenswerten Diebereien zu klagen gehabt; etwas Küchenraub meinen Dienern zu verzeihen, hatte ich längst auf den Philippinen gelernt. Woodin sowohl als Barber und Johnson wußten die Ehrlichkeit der Leute unsers Staats nicht genug zu rühmen; ja, letzterer erzählte mir, daß eigentlich auf Diebstahl Todesstrafe stehe. Allerdings könne man sein Leben unter allen Umständen durch ein Stück Geld erkaufen, aber der Wert des zu bezahlenden Geldes wechsele je nach der Person des Verbrechers und nach Art und Schwere des Verbrechens.
Am Morgen des 29. April kam nun Ebadul wirklich. Er fand mich gerade an der Arbeit, und da ich mich weder durch Krei noch Mad oder irgendeinen andern Fürsten in meinen Untersuchungen stören ließ, hatte ich auch diesmal meinen Dienern Befehl gegeben, Ebadul so wenig wie andere Leute in mein Arbeitszimmer einzulassen. Dies hatte seinen Fürstenstolz beleidigt. Als ich nach einer halben Stunde zu ihm in die Empfangshalle trat, empfing er mich gleich mit scharfem Tadel über meine Unhöflichkeit; aber bald glätteten sich seine Züge wieder, und nun machte er mir den Eindruck eines recht gemütlichen alten Mannes. Übrigens hinderte ihn sein fürstlicher Stolz doch nicht, mir gleich nach wenigen Worten der Begrüßung, die sich hauptsächlich um das hübsche von mir gebaute Haus drehten, ohne alle Umschweife ein Messer und einen Feuerstein abzuverlangen. Namentlich der letztere, mit gutem Stahl und einem langen Stück künstlichen Zunders versehen, gefiel ihm und seiner Begleitung sehr. Ich hätte wahrscheinlich während des Besuchs noch mehr Stücke abgeben müssen, wenn nicht die rasch fallende Ebbe drohte, seine Boote aufs Trockene zu legen. So nahm denn Ebadul bald seinen Abschied, indem er schließlich noch die Bitte aussprach, ich solle ihn doch in Korror besuchen.