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21. Kapitel

»Stellt Euch vor, Herr,« sagte einige Tage später Wolodyjowski zu Longinus, »daß dieser Mensch sich in einer Stunde so verändert hat, als ob er zwanzig Jahre älter geworden wäre. Er war so lustig, gesprächig und anschlägig, daß Ulysses selbst ihm kaum gleich kam; heute tut er den Mund nicht auf, brütet tagelang vor sich hin, klagt über sein Alter und spricht wie im Traume. Ich wußte ja, daß er sie liebte, aber daß seine Liebe so groß ist, dachte ich nicht.«

»Das ist nicht zu verwundern,« entgegnete seufzend der Litauer. »Er hat sie um so lieber, da er sie den Händen Bohuns entrissen, und auf der Flucht so viele Gefahren und Abenteuer mit ihr bestanden hat. Solange also noch Hoffnung vorhanden war, so lange hielt er sich aufrecht und strengte seine Denkkraft zu ihrer Rettung an; jetzt gibt es tatsächlich nichts mehr für ihn auf der Welt zu tun, er fühlt sich einsam, das Herz hat keinen Gegenstand mehr, an den es sich klammern kann.«

»Ich habe schon versucht, mit ihm zu trinken, in der Hoffnung, daß ihm der Trunk den früheren Lebensmut zurückgeben würde, – auch das hilft nicht! Er trinkt ja, aber simuliert nicht wie früher, spricht nicht mehr von seinen Taten, sondern wird weinerlich gestimmt, läßt dann den Kopf auf die Brust fallen und schläft. Ich weiß nicht, ob Skrzetuski mehr verzweifelt ist als er.«

»Es ist doch unaussprechlich schade um ihn, denn er war ein großer Ritter. Gehen wir zu ihm, Herr Michael, er hatte die Gewohnheit, mich zu necken und stets Hiebe auszuteilen. Vielleicht kommt ihm auch jetzt die Lust dazu an. Mein Gott, was aus dem Menschen werden kann! Was war das für ein lustiger Mensch!«

»Gehen wir!« sagte Wolodyjowski. »Es ist zwar schon spät, aber am schlimmsten ist es abends mit ihm; er kann die Nacht nicht schlafen, nachdem er den ganzen Tag geschlummert hat.«

Während sie sich so unterhielten, begaben sich beide in das Quartier Saglobas, welchen sie am offenen Fenster, den Kopf auf die Hand gestützt, sitzend fanden. Es war schon spät, im Schlosse hatte alles Leben aufgehört, nur die Wachen riefen in langgezogenen Tönen einander zu, und in dem Gesträuch, welches die Stadt vom Schlosse trennte, trieben die Nachtigallen ihren selbstvergessenen Zeitvertreib, pfeifend, schluchzend und schnalzend in so dichter Aufeinanderfolge, wie ein Platzregen im Frühjahr. Durch das offene Fenster drang die warme Mailuft, und das helle Mondlicht beleuchtete das kummervolle Gesicht und die auf die Brust sich neigende Glatze Saglobas.

»Guten Abend, mein Herr!« sagten die beiden Ritter.

»Guten Abend!« antwortete Sagloba.

»Worüber denkt Ihr am Fenster so nach, anstatt schlafen zu gehen?« fragte Wolodyjowski.

Sagloba seufzte.

»Ich bin nicht schläfrig,« sagte er schleppenden Tones. »Ein Jahr ist es nun her, da floh ich mit ihr über den Kahamlik vor Bohun, und diese Vögelchen trillerten damals ebenso wie jetzt. Und nun? Wo ist sie jetzt?«

»Gott hat es so gefügt!« sagte Wolodyjowski.

»Zu Trauer und Tränen, Herr Michael! Für mich gibt es keinen Trost mehr!«

Sie verstummten, – nur die Triller der Nachtigallen, welche die halbe Nacht durch erklangen, drangen noch lauter durch das Fenster.

Die drei Ritter tranken den Met mit Tränen vermengt, worauf Sagloba weiter sprach:

»Nirgends Trost, nirgends Trost, außer im Grabe ...«

Noch ehe Sagloba die letzten Worte vollenden konnte, entstand Lärm im Flur; es wollte jemand herein, und der Diener hielt ihn zurück. Ein lauter Streit entspann sich, bei dem es Wolodyjowski vorkam, als höre er eine bekannte Stimme; er rief also dem Diener zu, den Eintritt nicht zu wehren.

Darauf wurde die Tür geöffnet, und in ihrem Rahmen erschien das pausbäckige, rote Gesicht Rzendzians, welcher den Blick über die Anwesenden schweifen ließ, sich verneigte und sagte: »Gelobt sei Jesus Christus!«

»In Ewigkeit!« antwortete Wolodyjowski. »Das ist ja Rzendzian.«

»Ich bin es!« sagte der Bursche, »und lege mich euch zu Füßen, meine Herren. Wo ist mein Herr?«

»Dein Herr liegt in Korz krank.«

»O, um Gottes willen, was sprecht Ihr, gnädiger Herr? Und ist er schwer krank, was Gott verhüte?«

»Er war schwer krank, jetzt geht es besser. Der Medikus sagt, er wird gesund werden.«

»Denn ich komme mit Nachrichten über das Fräulein zu meinem Herrn.«

Der kleine Ritter schüttelte melancholisch den Kopf.

»Du bist ganz unnötig hierher geeilt, denn Skrzetuski weiß von ihrem Tode schon, und wir beweinen sie mit heißen Tränen.«

Rzendzians Augen traten vollständig aus ihren Höhlen.

»Hilfe! Rettung! Was höre ich? Das Fräulein ist gestorben?«

»Sie ist nicht gestorben, sondern in Kijew ermordet worden.«

»In welchem Kijew, was sprecht Ihr, gnädiger Herr?«

»In welchem Kijew? Als ob du Kijew nicht kenntest.«

»Um Gottes willen, gnädiger Herr, Ihr treibt Scherz! Was hatte sie in Kijew zu schaffen, da sie doch in der Schlucht an der Waladynka, unweit von Raschkow, verborgen war? Die Hexe hatte doch den Befehl, daß sie bis zu Bohuns Rückkehr die Schlucht keinen Schritt weit verlassen solle. So wahr ich Gott liebe, es ist zum Verrücktwerden, oder was?«

»Was für eine Hexe? Wovon sprichst du?«

»Nun, von Horpyna, ich kenne die Dirne gut.«

Sagloba sprang plötzlich auf und focht mit den Händen um sich, wie einer, der sich vom Ertrinken retten will.

»Beim lebendigen Gotte! Schweigt, Herr!« sagte er zu Wolodyjowski, »bei den Wunden Jesu, laßt mich fragen!«

Die Anwesenden erschraken, so bleich war Sagloba. Schweiß bedeckte seine Glatze, er sprang mit beiden Füßen zugleich über die Bank zu Rzendzian, und indem er den Burschen bei den Schultern faßte, fragte er mit heiserer Stimme:

»Wer hat dir gesagt, daß sie ... bei Raschkow versteckt ist?«

»Kein anderer als Bohun selbst!«

»Kerl, bist du wahnsinnig?« brüllte Sagloba, den Burschen wie einen Birnbaum schüttelnd, »welcher Bohun? «

»Um Gottes willen! Was schüttelt ihr mich so, gnädiger Herr?« rief Rzendzian. »Gebt mir Ruhe, lasset mich zu mir kommen, sonst werde ich vollends konfus. Was für ein Bohun? Kennt der gnädige Herr ihn denn nicht?«

»Rede, oder ich steche dich nieder!« schrie Sagloba wieder. »Wo hast du Bohun gesehen?«

»In Wlodawa. Was wollt ihr Herren von mir?« rief der erschreckte Bursche. »Bin ich denn ein Mörder? ...«

Sagloba verlor fast den Verstand, der Atem verging ihm, er sank keuchend auf den Schemel; Herr Michael kam ihm zu Hilfe.

»Wann sahst du den Bohun?« fragte er den Burschen.

»Es sind etwa drei Wochen her.«

»So lebt er?«

»Wie sollte er nicht leben; er hat mir selbst erzählt, wie der gnädige Herr ihn zerfetzt hat, aber er hat sich herausgemausert.«

»Und er sagte dir, daß das Fräulein bei Raschkow ist?«

»Wer sonst als er?«

»Höre, Rzendzian, es handelt sich hier um das Leben deines Herrn und des Fräuleins. Hat Bohun selbst dir gesagt, daß sie nicht in Kijew war?«

»Mein gnädiger Herr, wie sollte sie nach Kijew kommen, wenn er sie bei Raschkow versteckt hält und der Horpyna bei Todesstrafe verboten hat, sie nicht fortzulassen, und mir jetzt seinen Ring und den Geleitsschein gegeben hat, damit ich zu ihr reiten kann, denn ihm sind die Wunden wieder aufgebrochen; er muß liegen, wer weiß wie lange.

Die weitere Rede Rzendzians unterbrach Sagloba, welcher wieder aufsprang und mit beiden Händen sich an den übriggebliebenen paar Haaren fassend, wie ein Rasender zu schreien anfing:

»Mein Töchterchen lebt, bei den Wunden Gottes, sie lebt! Nicht sie also wurde in Kijew getötet! Sie lebt, sie lebt, meine Allerliebste!«

Und der Alte stampfte mit den Füßen, lachte, schluchzte, endlich faßte er Rzendzian am Kopf, drückte ihn an seine Brust und küßte ihn dermaßen, daß der Bursche vollends von Sinnen kam.

»Laßt doch sein, gnädiger Herr ... ich ersticke sonst! Freilich lebt sie. So Gott will, holen wir sie zusammen ... gnädiger Herr, o weh, gnädiger Herr!«

»Laßt ihn doch los, Herr, mag er erzählen, wir verstehen ja sonst nichts!« sagte Wolodyjowski.

»Sprich, sprich!« rief Sagloba.

»Die Herren erinnern sich wohl, wie die Nachricht von der Einnahme Bars kam, wo wir glaubten, es sei schon um das Fräulein geschehen? Damals kehrte ich nach Rzendzian (sein Geburtsort) zurück zu den Eltern und dem Ältervater, der schon – gut gesagt – neunzig, nein! einundneunzig Jahre zählt!«

»Meinetwegen auch neunhundert ...« knurrte Sagloba.

»Gott gebe ihm so viele als möglich! Ich danke dem gnädigen Herrn für das gute Wort!« erwiderte Rzendzian. »Ich ging also nach Hause, um den Eltern das zu bringen, was ich mit Gottes Hilfe bei den Räubern gesammelt hatte, denn die Herren wissen doch, daß mich im vorigen Jahre die Kosaken in Tschechryn festgehalten haben, daß sie mich für ihresgleichen hielten, daß ich den verwundeten Bohun dort gepflegt und mit ihm sehr vertraut geworden bin. Bohun denkt nun, mein Herr, daß er keinen treueren Freund und Diener hat als mich, obgleich er mich in Tschechryn fast mitten auseinander hieb. Aber ich habe ihn auch wirklich bewacht und gepflegt, als ihn damals die Fürsten Kurzewitsch so zerfetzten. Ich log ihm damals vor, daß ich den Herrendienst satt habe und es lieber mit den Kosaken halten wolle, weil bei ihnen mehr zu gewinnen sei, und er glaubte mir. Wie sollte er es auch nicht glauben, da ich ihn gesund machte? Er hatte mich sehr lieb, und, die Wahrheit zu sagen, belohnte er mich auch freigebig, ohne natürlich zu wissen, daß ich mir geschworen hatte, das in Tschechryn erlittene Unrecht an ihm zu rächen. Daß ich ihn nicht gleich totstach, geschah nur deshalb, weil es sich nicht für einen Edelmann ziemt, einen auf dem Bette liegenden Feind mit dem Messer zu stechen wie ein Schwein.«

»Gut, gut!« sagte Wolodyjowski. »Das wissen wir alles, aber auf welche Weise hast du ihn jetzt gefunden?«

»Ja, seht, gnädiger Herr, das war so: Als wir schon den Jaworskis den Daumen aufgedrückt hatten (sie müssen betteln gehen, anders kommt es nicht), da dachte ich mir: na! jetzt wird es Zeit für mich, den Bohun zu suchen und ihm für mein Unrecht heimzuzahlen. Ich offenbarte den Eltern und dem Ältervater mein Geheimnis, und der, von ritterlicher Sinnesart, sagte zu mir: Wenn du es geschworen hast, so gehe, sonst bist du ein Narr. Ich ging also, weil ich mir doch dachte, daß ich, wenn ich Bohun finde, vielleicht auch etwas über das Fräulein, wenn sie noch lebt, erfahren kann, und dann dachte ich, wenn ich ihn totschieße und meinem Herrn die Neuigkeit bringe, geht es ohne Belohnung auch nicht ab.«

»Gewiß nicht, wir wollen dich auch belohnen.«

»Und bei mir, Brüderchen, hast du ein aufgezäumtes Pferd!« setzte Longinus hinzu.

»Ich danke den gnädigen Herren demütig,« sagte der Bursche erfreut, es ist wahr, für eine gute Nachricht gibt es ein Trinkgeld, und ich vertrinke nicht, was mir jemand gibt ...«

»Zum Teufel auch!« knurrte Sagloba.

»Du rittest also von Hause fort ... half Wolodyjowski ein.

»Ich ritt also von Hause fort,« sprach Rzendzian weiter, »und denke wieder: wohin jetzt? Doch wohl nach Sbarasch, denn dort ist Bohun nicht weit, und ich erfrage auch eher meinen Herrn. Ich reite also, mein gnädiger Herr, ich reite also über Biala und Wlodawa; in Wlodawa waren die Pferde schon grausig müde, ich halte zur Fütterung. Und dort war Jahrmarkt; in allen Ausspannungen wimmelte es von Adel, – ich gehe zu den Bürgern, auch dort alles voll Adel! Ein Jude sagte mir, ich hatte eine Stube, aber ein verwundeter Edelmann hat sie eingenommen.«

»Das trifft sich gut,« sage ich, »denn ich verstehe das Verbinden, und Euer Chirurg weiß sich wohl jetzt zur Jahrmarktszeit keinen Rat vor Arbeit.« Der Jude sprach noch davon, daß der Edelmann sich selbst versteht und niemanden zu sich lassen will, dann geht er fragen. Es mußte dem da drinnen wohl schlechter gehen, denn er ließ mich ein. Ich trete in die Stube, und siehe, wer liegt dort im Bett – Bohun! Ich bekreuzige mich: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! so sehr war ich erschrocken, und er erkannte mich gleich und freute sich fürchterlich (weil er mich für seinen Freund hielt) und sagt: »Gott hat dich mir geschickt, jetzt werde ich nicht sterben.« Und ich sage: »Was treibt Ihr hier, gnädiger Herr?« Er aber legt den Finger auf den Mund, und erst später erzählte er mir seine Abenteuer, wie Chmielnizke ihn zu Sr. Majestät dem Könige geschickt, und wie der Herr Wolodyjowski ihn in Lipkowo zugerichtet hat.«

»Hat er meiner liebreich gedacht?« fragte der kleine Ritter.

»Ich kann nicht anders sagen, mein gnädiger Herr, als sehr freundlich. »Ich dachte,« sagte er, »das wäre so ein Milchbart, so ein Windbeutel, aber das ist ja ein Kriegsmann erster Klasse, der mich fast mitten durchgehauen hätte.« Nur von Herrn Sagloba spricht er noch schlimmer als früher; er knirscht mit den Zähnen vor Wut, daß der Herr ihn zum Kampfe gereizt hat!«

»Mag ihm der Henker heimleuchten! Ich fürchte ihn nicht mehr!« sagte Sagloba.

»Wir kamen bald wieder zur früheren Vertraulichkeit,« sprach Rzendzian weiter, »bah, zu einer noch größeren. Er hat mir alles erzählt, wie nahe er dem Tode war, wie sie ihn für einen Edelmann hielten und ihn deshalb auf den Herrenhof in Lipkowo nahmen, und wie er sich für einen Herrn Hulewitsch aus Podolien ausgegeben hat, wie sie ihn geheilt und später mit großer Menschenfreundlichkeit behandelt haben, und wie er ihnen dafür Dankbarkeit bis zum letzten Atemzuge gelobt hat.«

»Und was hatte er in Wlodawa zu tun?«

»Er wollte hinüber nach Wolhynien, aber in Partschewo öffneten sich seine Wunden wieder, denn der Wagen war mit ihm umgestürzt; er mußte also in großer Angst zurückbleiben, da man ihn leicht finden und töten könnte. Er selbst sagte es mir. »Ich war mit Briefen ausgeschickt,« sagte er, »aber jetzt habe ich gar keinen Ausweis, nur den Geleitsschein, und wenn sie dahinter kämen, wer ich bin, so würde mich nicht nur der Adel in Stücke hauen, sondern jeder beliebige Kommandant ließe mich aufhängen, ohne um Erlaubnis zu fragen.« Ich erinnere mich, daß, als er mir das sagte, ich ihm antwortete: »Es ist gut, zu wissen, daß jeder beliebige Kommandant Euch aufhängen kann.« Und er fragte: »Wieso?« »Ja,« sagte ich, »damit man vorsichtig ist und niemandem etwas sagt, – womit ich dem Herrn auch dienen will.« Erst jetzt fing er an, mir zu danken und Dankbarkeit zu versichern, zu sagen, daß es an einer Belohnung nicht fehlen solle. »Geld habe ich jetzt nicht,« sagte er, »aber was ich an Kleinodien habe, das sollst du haben, und später überschütte ich dich mit Gold, tue mir nur noch einen Gefallen.««

»Ach! Jetzt kommt es zur Prinzessin!« sagte Wolodyjowski.

»So ist es, gnädiger Herr! Ich muß schon alles ordentlich erzählen. Wie er mir also sagte, daß er jetzt kein Geld habe, da verlor ich den Rest Mitleid mit ihm und dachte mir: warte, ich werde dir dienen! Und er sagte: »Ich bin krank, habe keine Kräfte zum Reisen. Ein weiter und gefährlicher Weg wartet meiner. Wenn ich,« sagte er, »bis Wolhynien komme – und das ist nicht weit, – dann bin ich bei den Meinigen, – aber dorthin, an den Dniestr, kann ich nicht reisen, denn die Kräfte fehlen mir dazu, und man muß,« sagt er, »durch Feindesland, bei Schlössern und Truppen vorbei, – reite du also für mich.« Ich frage ihn: »Und wohin soll ich reisen?« – Darauf antwortete er: »Bis nach Raschkow, denn dort ist sie bei der Schwester des Doniez, bei Horpyna, der Hexe, versteckt.« Ich fragte: »Wer, die Prinzessin?« »Jawohl!« sagt er. »Sie ist versteckt, wo kein menschliches Auge sie entdeckt, aber es geht ihr gut, und sie schläft wie die Fürstin Wischniowiezka auf Goldbrokat.««

»Sprich nur schneller, um Gottes willen!« rief Sagloba.

»Gut Ding will Weile haben!« antwortete Rzendzian. »Wie ich das, gnädiger Herr, hörte, freute ich mich sehr, aber ich ließ nichts merken und sagte nur: »Und ist sie wirklich dort? Es muß schon lange her sein, daß Ihr sie hinbrachtet.« Er fing an zu beteuern, daß die Horpyna seine treue Hündin sei, und sie, die Prinzessin, auch zehn Jahre dort behalten würde bis zu seiner Rückkehr, und daß sie wirklich dort sei, so wahr Gott im Himmel, und daß zu ihr weder Lechen, noch Tataren, noch Kosaken dringen können, und Horpyna seinem Befehle unbedingt gehorcht.«

Während Rzendzian das erzählte, wurde Herr Sagloba wie vom Fieberfroste geschüttelt, der kleine Ritter nickte freudig mit dem Haupte, und Longinus sah zum Himmel auf.

»Daß sie dort ist, ist sicher,« sprach der Bursche weiter, »denn der beste Beweis ist, daß er mich zu ihr schickt. Aber ich sperrte mich anfangs, um mir nichts merken zu lassen, – und sagte: »Und warum soll ich hin?« Er darauf: »Weil ich nicht hin kann.« »Wenn,« sagte er, »ich lebendig aus Wlodawa nach Wolhynien entkomme, dann lasse ich mich nach Kijew tragen, denn dort sind überall die Unsrigen, die Kosaken obenauf, und du,« sagte er, »reite und befiehl der Horpyna, daß sie die Prinzessin in das Kloster der heiligen Mutter Gottes fahre.««

»Was! Also nicht zum guten Nikolaus!« platzte Sagloba heraus. »Ich habe es gleich gesagt, der Jerlitsch ist ein Hypochonder, oder er hat gelogen.«

»Zur heiligen Mutter Gottes!« sprach Rzendzian weiter. »Diesen Ring,« sagte er, »gebe ich dir, und den Geleitsschein und das Messer, damit sie dich kennt und weiß, daß du mein bester Freund bist, – die Horpyna wird schon wissen, was das bedeutet, denn wir haben uns besprochen, und du bist,« sagte er, »mir wie von Gott geschickt. Reitet zusammen, die Kosaken fürchtet nicht, aber habt acht auf die Tataren; wo welche sind, vermeidet sie, denn die respektieren den Geleitsschein nicht. An einer Stelle in der Schlucht ist Geld vergraben, es sind lauter Dukaten, nimm sie für alle Fälle mit dir. Unterwegs sagt nur, sie sei Bohuns Frau! – und nichts wird euch mangeln. Übrigens,« sagt er, »wird die Hexe sich Rat wissen, sobald du von mir kommst, denn wen soll ich Unglücklicher schicken, wem im fremden Lande unter den Feinden vertrauen?« – So hat er mich, meine Herren, unter Tränenströmen gebeten, und zuletzt ließ die Bestie mich schwören, daß ich hinreiten würde. Ich schwur es auch und setzt nur im Geiste hinzu: mit meinem Herrn! Er hat sich dann gefreut und gab mir gleich den Geleitsschein, den Ring und das Messer, und was er von Kleinodien bei sich trug. Ich nahm es, denn ich dachte: es ist besser bei mir verwahrt wie bei dem Totschläger. Zum Abschiede sagte er mir noch, welche Schlucht an der Waladynka es ist, wie man reiten, und wohin man sich wenden muß, so genau, daß ich mich mit verbundenen Augen dorthin fände, was die Herren ja auch sehen werden, wenn wir, ich denke, gleich aufbrechen.«

»Gleich morgen!« sagte Wolodyjowski.

»Was, morgen! Heute mit dem Morgengrauen werden die Pferde gesattelt.«

Freude kehrte in die Herzen aller ein. Sie äußerte sich in zum Himmel gerichteten Dankesrufen, in freudigen Händereiben und in immer neuen an Rzendzian gerichteten Fragen, die der Bursche mit seiner gewöhnlichen Ruhe beantwortete.

»Da schlag doch eine Kugel drein!« rief Sagloba aus. »Was für einen Diener hat Skrzetuski an dir?«

»Ist das so etwas Großes?« fragte Rzendzian.

»Er wird dich wohl in Gold fassen.«

»Ich denke auch, daß ich belohnt werde, obgleich ich meinem Herrn auch ohnedies treu diene.«

»Und was hast du mit Bohun gemacht?« fragte Wolodyjowski.

»Gnädiger Herr, es war eben mein Kummer, daß er wieder krank lag und ich ihn nicht niederstechen konnte, denn das hätte auch mein Herr getadelt. Das ist Schicksalstücke! Was sollte ich tun? Seht, als er mir schon alles gesagt hatte, was zu sagen war, und gegeben hatte, was er geben mußte, da sann ich nach. Wozu, sagte ich mir, soll so ein Spitzbube in der Welt herumlaufen, der das Fräulein gefangen hält und mich in Tschechryn niedergehauen hat. Mag ihm der Henker heimleuchten, besser, er ist nicht in der Welt! Denn auch daran habe ich gedacht, daß er gesund werden und mit den Kosaken nachreiten könnte. Ich ging also, ohne mich länger zu besinnen, zum Herrn Kommandanten Rogowski, welcher mit einer Fahne in Wlodawa steht, und berichtete ihm, daß Bohun, der schlimmste aller Rebellen, in dem Hause eines Juden krank daniederliegt. Sie werden ihn wohl schon aufgehängt haben.«

Indem er das sagte, lachte Rzendzian sehr dumm und blickte auf die Anwesenden, als erwarte er ein Lob von ihnen, aber wie erstaunte er, als nur Stillschweigen ihm antwortete. Erst nach längerer Zeit brummte Sagloba: »Das ist Nebensache!« Wolodyjowski aber saß ganz still, und Longinus schnalzte mit der Zunge, schüttelte den Kopf und sagte endlich:

»Das war nicht schön gehandelt, Brüderchen, wie man sagt, nicht schön!«

»Wieso, gnädiger Herr?« fragte Rzendzian erstaunt. »Sollte ich ihn lieber erstechen?«

»Auch das wäre nicht schön gewesen, nicht schön, aber ich weiß nicht, ob es besser wäre, ein Mörder oder ein Judas zu sein.«

»Was der gnädige Herr spricht. Hat denn Judas einen Rebellen verraten? Dieser hier ist doch des Königs und der ganzen Republik Feind!«

»Das ist wahr, aber es bleibt deshalb doch nicht schön. Und wie hieß jener Kommandant, sprich – wie?«

»Rogowski. Sie sagten, sein Vorname sei Jakob.«

»Es ist derselbe,« murmelte der Litauer. »Der Verwandte des Herrn Laschtsch, Skrzetuskis Feind.«

Aber niemand hörte diese Bemerkung, denn Sagloba ergriff das Wort:

»Meine Herren!« sagte er. »Hier gilt kein Aufschub. Gott hat durch diesen Burschen gewaltet und alles so gelenkt, daß wir die Prinzessin jetzt unter besseren Verhältnissen als jemals suchen können. Gott sei gelobt! Morgen müssen wir fort. Der Fürst ist zwar nicht hier, aber wir werden auch ohne Urlaub die Reise antreten, denn wir haben keine Zeit zu verlieren! Herr Wolodyjowski geht, ich und Rzendzian mit ihm, und Ihr, Herr Longinus, bleibt lieber hier, denn Euer Wuchs und Eure Einfalt könnten uns verraten.«

»Nein, Bruder, ich gehe auch mit!« sagte der Litauer.

»Um ihrer Sicherheit willen müßt Ihr hier bleiben. Wer Euch einmal gesehen, vergißt Euch im Leben nicht wieder. Wir haben den Geleitsschein, das ist wahr, aber Euch würde man auch mit dem Geleitsschein nicht trauen. Ihr habt den Pulian vor den Augen des ganzen Rebellengesindels erwürgt, – und wenn eine solche Bohnenstange unter sie käme, sie würden sie wiedererkennen. Es darf nicht sein, Ihr dürft nicht mit. Dort findet Ihr Eure drei Köpfe nicht, und Euer eigener nützt nicht viel. Wollt Ihr das Unternehmen nicht gefährden, so sitzt lieber hier.«

»Es tut mir aber leid!« sagte der Litauer.

»Leid oder nicht leid, Ihr müßt hier bleiben. Wenn wir einmal reiten, Vogelnester auszunehmen, dann nehmen wir Euch mit, jetzt nicht.«

»Das hört sich schlecht an!«

»Gebt mir einen Schmatz, Herr, denn mein Herz ist fröhlich, aber bleibt hier. Nur noch eines, meine Herren; eine Sache von höchster Wichtigkeit. Bewahrt mir das Geheimnis, damit es nicht unter den Soldaten laut werde und von dort unter das Volk getragen wird. Sagt niemandem ein Wort.«

»Bah, und dem Fürsten?«

»Der Fürst ist nicht hier.«

»Und Herrn Skrzetuski, wenn er wiederkommt?«

»Gerade ihm keine Silbe; er würde uns gleich nachkommen. Ihm bleibt noch viel Zeit zur Freude, und Gott bewahre ihn vor einer neuen Täuschung, er verlöre den Verstand. Auf Ritterwort, meine Herren, keine Silbe davon.«

»Auf Ritterwort!« sagte Longinus.

»Auf Wort! Auf Wort!«

»Und jetzt danken wir Gott!«

Indem er das sagte, kniete Sagloba zuerst nieder, die anderen folgten ihm und beteten lange und inbrünstig.


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