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Die meisten Menschen außerhalb des Machtbereichs der Sowjets sind der Ansicht, daß die antibolschewistische Bewegung von ehemaligen russischen Fürsten, Grafen, Aristokraten und Gutsbesitzern, von Fabrikanten und Burschuis organisiert und geleitet wird. Jedes Buch gegen den Bolschewismus, das im Ausland erscheint, fällt sofort unter den Verdacht, daß sein Verfasser zu der Klasse der ehemaligen Ausbeuter der russischen werktätigen Massen gehört … Ich gehöre nicht zu dieser Klasse. Mein Vater war der Sohn eines armen Bauern in Weißrußland und ging durch eine äußerst harte Lebensschule. In seiner Jugend war er Schweinehirt. Er erzählte mir später, wie er oft vor Müdigkeit im Stehen einschlief. Mit Zähigkeit und Fleiß gelang es ihm trotz größter Entbehrungen, ein Lehrerseminar zu absolvieren. Er wurde Volksschullehrer und schrieb aus der Abgeschiedenheit seines Dorflebens Aufsätze in Petersburger und Moskauer Zeitungen. Es litt ihn nicht in der Einsamkeit, und er machte aus der gelegentlichen Beschäftigung mit der Feder seinen Hauptberuf. Er wurde Schriftleiter eines kleinen nationalen Blattes, das in den Städten Wilna, Grodno und Minsk verbreitet war. Zu Wohlstand ist er nie gekommen. – Meine Mutter war die Tochter eines armen Popen in Weißrußland.
Ich wurde am 14. November 1891 geboren. Meine Kindheit verbrachte ich auf dem Dorfe. Mit zehn Jahren kam ich aufs Gymnasium. Die Geschwisterzahl, die im umgekehrten Verhältnis zu dem Einkommen meines Vaters wuchs, gestattete mir nicht, länger als bis zur Untertertia hierzubleiben. Vom vierzehnten Lebensjahr an mußte ich mithelfen, das Brot zu verdienen. Als Erbe meines Vaters, ein altes Bauernerbe, habe ich seine Energie und Zähigkeit mitbekommen. In meiner Freizeit arbeitete ich weiter und eignete mir das nötige Wissen an, um im Jahre 1912 am Gymnasium in Wilna als Externe die Reifeprüfung zu bestehen. Wieder kamen harte Jahre. Mit nur geringen Mitteln ging ich an die Universität Petersburg und studierte Rechtswissenschaft. Mein Studium konnte ich 1917 mit Mühe unter Dach und Fach bringen. In dieser Zeit schrieb ich – auch hierin meinem Vater ähnlich – Artikel in Zeitungen und war ständiger Mitarbeiter der »Nowoje Wremja« Zweitgrößte Zeitung des zaristischen Rußland und offizielles Organ der Regierung.. Mit meinen Erlebnissen aus der Zeit des Krieges und der Revolution könnte ich ganze Bände von Detektivromanen füllen.
In den Jahren meines Studentenlebens betrieb ich die Journalistik zunächst als reinen Broterwerb, nachher wurde sie Beruf und endlich Berufung. Ich bin, selbst noch im Auftrage der Bolschewisten, als Berichterstatter durch ganz Rußland gekommen. Hierbei gelangte ich zu der Überzeugung, daß ein anständiger Mensch, der die körperlichen Kräfte dazu hat, um Rußland zu verlassen, niemals in diesem Sowjetstaat bleiben soll. Unsere körperlichen Kräfte reichten aus. Als Erbgut unserer Eltern waren wir, besonders mein Bruder Boris, mit einer samsonhaften Stärke ausgestattet. Im Jahre 1916 belegte ich im allrussischen Wettkampf für Schwerathleten an den Hochschulen den zweiten Platz. Einer meiner Brüder, der später im Bürgerkrieg in den Reihen der Weißen Armee fiel, belegte in der gleichen Sportart im Jahre 1915 den ersten Platz. Mein jüngster Bruder Boris, mit dem ich zusammen die Zeit im Zwangsarbeitslager verbrachte, trainiert augenblicklich auf den Weltmeistertitel im Ringen für Schwergewichtler.
Somit gehöre ich weder zu der Klasse der Aristokratie noch zu den Burschuis. Das, worüber ich in meinem Buche spreche, sage ich im Grunde genommen im Namen des russischen Bauern und des russischen Arbeiters. Weder Aristokraten noch Burschuis interessieren mich. Mich interessiert das Volk in seiner Gesamtheit, und gegenwärtig interessiert mich das Schicksal aller Nationen und Völker, nach deren Hals der kommunistische Polyp seine Arme ausstreckt.
Mit meinem heiligen Zorn gegen den Bolschewismus verfolge ich nicht das Ziel, meine ständischen Privilegien ideeller oder materieller Art zu behaupten oder wiederzuerobern; denn auch vor der Revolution besaß ich nicht eine dieser Privilegien.
Ich würde es begrüßen, wenn mein Buch nicht als »antisowjetistische Agitation« aufgenommen wird, sondern als ein Rechenschaftsbericht über das, was aus Rußland seit der kommunistischen Machtübernahme geworden ist, und als Ermahnung dafür, was aus den Völkern Europas und der ganzen Welt werden kann, wenn die kommunistische Internationale den Sieg davonträgt.