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Etwas nach sieben Uhr befand sich Claus auf dem Wege zum Herrenhaus. Der Wagen des Sanitätsrates hielt auf der Rampe, der alte Herr war gerade im Begriff, einzusteigen.
»Sie ist gerettet!« rief er ihm mit einem frohen Klang der Stimme entgegen, schüttelte ihm warm die Hand, stieg eilig ein und fuhr davon.
Wie betäubt betrat Claus die Zimmer seiner Tante. Im Vorgemach kam ihm Edith entgegen, bleich, übernächtig und erschöpft. Sie brach in krampfhaftes Schluchzen aus, schwankte und fiel zu Boden. In demselben Augenblick schlich Ernst auf den Zehen aus dem Krankenzimmer. Claus wollte seine Braut aufheben, um sie auf ihr Zimmer zu tragen, doch er war nicht stark genug, sondern knickte unter der Last zusammen. Ohne ein Wort nahm sie ihm Ernst ab und trug sie mit Leichtigkeit in seinen starken Armen die Treppe hinauf; er hörte nicht auf Claus, der ihm nachlief mit den Rufen: »Aber bitte – lassen Sie doch – bitte – der Diener kann mir ja helfen – wozu bemühen Sie sich – –«
Als Ernst sie oben auf ihr Bett legte, mit einem Abschiedsblick auf das sich wiederbelebende Gesicht mit dem süßen, blassen Mund, den er einst im Waldesschweigen geküßt in sündig seliger Stunde – stieß ihn Claus beiseite.
»Bitte, das Weitere ist meine Sache!«
In demselben Augenblick stand Nettchen Echtermann wie aus dem Boden gewachsen zwischen den beiden Männern.
»Sie erlauben wohl, Herr von Dahlwitz, daß ich Ihre Fräulein Braut versorge, sie ist nur übermüdet,« sagte sie bescheiden, doch in einem bestimmten Ton, der Claus veranlaßte, mit Ernst das Zimmer zu verlassen. Sie hatte sich schon mit dem grauenden Morgen im Hause eingefunden, um zur Stelle zu sein und Edith hilfreich beizustehen, falls eine Katastrophe eintreten sollte. Auch sie hing mit dem Herzen an der Herrin von Schönermark, und in diesen Tagen der Herzensangst und Sorge um das teure Leben waren sie und Edith sich nähergetreten als es sonst der Fall gewesen. Nettchen hatte jede freie Stunde mit Edith in der Nähe der Kranken zugebracht und war auch von Fräulein von Brenner zu Hilfereichungen bei der Pflege zugelassen worden. Die Krankenschwester besaß einen scharfen Blick für die Leistungsfähigkeit anderer, und die kleine Lehrerstochter hatte bald bei ihr einen Stein im Brett.
Der Ohnmachtsanfall Ediths artete in eine schwere Migräne mit Gallenerbrechen aus; die Folgen seelischer Erregungen, überspannter Nervenkräfte und durchwachter Nächte kamen jetzt zum Ausbruch. Nettchen half ihr, sich entkleiden, brachte sie sorglich in ihr Bett und leistete ihr jeden nötigen Dienst. Nach Angabe der Schwester machte sie ihr Umschläge und blieb in dem verdunkelten Zimmer bei ihr.
Tante Claudine lag in einem tiefen, ruhigen Schlaf. Im Vorzimmer verhandelten die beiden jungen Männer, Claus und Ernst, mit der Schwester. Ernst bestand darauf, sie solle sich für einige Stunden in ihr Bett legen, er würde sich frei machen und die Wache übernehmen, da Nettchen nicht abkömmlich sei. Er sah, daß sie am Ende ihrer Kräfte stand, denn sie hatte zwei Nächte so gut wie gar nicht geschlafen. Claus sprach dagegen, er selbst wollte die Schwester ablösen. In gereiztem, heftigem Ton fuhr er dazwischen, er habe doch wohl auch noch etwas im Hause zu sagen und stehe seiner Tante näher als der Herr Inspektor, aber es schiene, daß man übereingekommen, ihn zu verdrängen und auszuschalten, was er sich durchaus nicht länger gefallen ließe.
Fräulein von Brenner war jedoch nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen und durch ihren Umgang mit Kranken an schwierige Fälle gewöhnt. Sie legte beruhigend die Hand auf seinen Arm und entgegnete mit sanfter Bestimmtheit: »Niemand macht Ihnen Ihre Rechte streitig, mein lieber Herr von Dahlwitz, doch am Krankenbett herrschen nur zwei Personen, das sind der Arzt und die Pflegerin. Wo es um Leben und Sterben geht, muß sich ihnen jeder ohne Ausnahme fügen. Und sie wären schlechte Wärter, wenn sie nicht genau wüßten, was und wer am zweckdienlichsten ist. Sie sind viel zu nervös und unruhig, das hat einen unheilvollen Einfluß und überträgt sich auf den Kranken, darum habe ich Sie möglichst ferngehalten. Der Sanitätsrat legt großen Wert darauf, daß Ihr Fräulein Tante gleich beim Erwachen die bestimmten Tropfen bekommt, Herr Starkeband weiß damit Bescheid und hat das nötige Geschick, sie ihr beizubringen. Ich könnte nicht mit Ruhe schlafen, wenn er mich nicht vertritt.«
Claus besänftigte sich, es gab noch einiges Hin- und Herreden, bis sich die Schwester in ihr Zimmer zurückzog, nachdem sie sich noch einmal überzeugt, daß die Kranke ruhig schlafe. Doch ehe Ernst endgültig die Wache im Krankenzimmer übernahm, wandte er sich an Claus mit der Bitte, ihn für die erste Viertelstunde zu vertreten.
»Ich habe eine notwendige Anordnung zu treffen und werde in ganz kurzer Zeit zurück sein. Ihr Fräulein Tante wird voraussichtlich noch längere Zeit schlafen – man kann es fast mit Bestimmtheit annehmen. Für den Fall jedoch, das Unerwartete würde eintreten und sie vor meiner Rückkehr erwachen, werde ich jetzt schon den Trank für sie mischen, und Sie haben nichts zu tun, als ihn ihr zu reichen. Ich mochte Fräulein von Brenner nichts davon sagen, sonst wäre sie nicht schlafen gegangen, und sie hat es doch so furchtbar nötig.«
»Es ist ein lächerliches Vorurteil von der Person, mir so etwas nicht anvertrauen zu wollen! Gehen Sie nur, es ist nicht wünschenswert, daß Sie sich der Wirtschaft entziehen,« brummte Claus noch immer in ungnädigem Ton. Daraufhin bereitete Ernst den Trank und entfernte sich eilig.
Als Claus allein im Krankenzimmer war, ging es ihm wie ein eiskalter Schreck durch alle Glieder, daß er jetzt handeln müsse. Ja, er mußte. Das Schicksal wollte es, es kam ihm zu Hilfe. Günstiger und raffinierter hätte es keine Überlegung ausklügeln können. Ernst hatte den Trank gemischt, Ernst hatte die Verantwortung.
Zunächst saß er in dem tiefen bequemen Sessel, in dem die Schwester ihre Nachtwachen zu halten pflegte. Er sah von seiner Tante nur den Scheitel und ein wenig von der Profillinie des Kopfes. Das große Pfostenbett stand im Schatten, und seine Vorhänge waren halb zugezogen. Scharfe medizinische Gerüche füllten die Atmosphäre, die ihm äußerst unangenehm waren und seine Nervenerregung steigerten. Sein Herz klopfte, als arbeite es schwer, er schnappte zuweilen förmlich nach Luft.
Von der Kranken flog sein Blick über das Zimmer, das ein Bild altüberlieferten Wohlstandes gab. Kein üppiger Luxus, nichts von Verweichlichung und Sinnenreiz, im Gegenteil, etwas ernst und schwer im Stil, doch voll tiefem Behagen und fast jeder Gegenstand eine Kostbarkeit durch Alter und Geschmack.
Und dies alles wäre nun sein Eigentum, hier würde er einziehen, in diesem prachtvollen Urväterbett schlafen und als Herr und Gebieter über das Haus mit seinen Schätzen und den ganzen herrlichen Besitz verfügen, wenn – ja, wenn das Schicksal in dieser Nacht anders entschieden hätte, wenn das Zünglein an der Wage von Leben und Tod vielleicht nur noch um Haaresbreite gesunken wäre!
Was nun? – –
Das da im Pfostenbett ist der Schlaf der Genesung und nicht des Todes – sie wird weiterleben, er kann dem Unheil alsdann nicht mehr Einhalt tun – sie wird alles erfahren und ihn enterben! Wie sagte sie doch bei der letzten Auseinandersetzung?
»Ich gebe dir mein Ehrenwort, und mein Wort ist ebenso heilig, wie das meines seligen Vaters gewesen – einem Spieler und Liederjahn vertraue ich unser altes Familiengut nicht an. Noch eine Entgleisung von deiner Seite und wir sind geschiedene Leute! Dann soll Schönermark lieber mit Ehren in anderen Händen sein, als mit Unehre durch einen Dahlwitz unter den Hammer kommen.«
Sie würde ihr Wort halten – die »Enthüllungen« dieses verfluchten Gelbsterns schlügen dem Faß den Boden aus. Und die Schleicher und Heuchler, der Pastor und der Bankert, würden dafür sorgen, das Feuer ihres Zornes zu schüren und nicht verlöschen zu lassen! Spielte sich dieser Mensch, der sogar Edith umgarnte, nicht schon hier auf den unabhängigen Herrn? Schob er ihn nicht einfach beiseite und buhlte um die Gunst aller, auch des Letzten und Niedrigsten, wie dieses Jochen Kuphal?
Ein wilder Haß gegen die kranke Frau dort im Bett sprang wie eine Stichflamme in ihm auf und verbrannte sein Hirn.
Hatte sie nicht immer zwischen ihm und der Sonne gestanden? Seiner Mutter Verleumdungen hoben die Gorgonenhäupter aus der Tiefe und zischelten in sein Ohr: Intrigantin, Erbschleicherin! Sie brachte dich um Erbe und Glück, sie wird dich jetzt in den Abgrund stoßen, wo du verrecken kannst! Und an deine Stelle tritt der verhaßte Günstling, ihm wird dein Erbe in den Schoß fallen, und wer weiß – dem Besitzer von Schönermark wird sich Edith nicht versagen – deine Edith mit dem goldenen Haar und der weißen Nixenhaut – mit dem süßen Lachen – –
Ein kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren – er hörte die Haustür gehen und einen gedämpften Schritt auf der Diele unten – wankend erhob er sich, zog eine kleine Blechschachtel aus der Tasche, schlich zum Krankenlager und schüttete ihren Inhalt, ein weißliches Pulver, in den von Ernst bereiteten Trank, den er mit einem danebenliegenden Hornlöffelchen umrührte. Dabei stieß er aus Versehen an den Nachttisch, so daß die Medizinflaschen leicht klirrten. Die Kranke machte eine schwache Bewegung, und er ging eilig auf den Fußspitzen zum Zimmer hinaus, Ernst entgegen, dem er auf der Treppe begegnete.
»Sie kommen zur rechten Zeit, die Luft im Krankenzimmer ist unerträglich, sie macht mir Kopfweh und Übelkeit – und ich glaube, Tante ist im Begriff aufzuwachen,« sagte er um einen Ton höflicher als vorher.
»Ich wurde länger aufgehalten, als mir lieb war,« entgegnete Ernst, eilig vorübergehend. Claus sah ihm mit einem unbeschreiblichen Blick nach und begab sich in eins der entlegenen Wohngemächer. Dort klingelte er nach Wienert und ließ sich Sodawasser und Kognak bringen. Der alte Diener stellte kopfschüttelnd der Wirtschafterin gegenüber fest, das sei nun die dritte Flasche Kognak in einer Woche. Auch Frau Kluge machte ein sorgenvolles Gesicht und bemerkte seufzend: »Möchte nur der liebe Herrgott unsere Gnädige noch recht lange am Leben lassen, denn was nachher kommt – mir ahnt nischt Jutes.«
Die beiden Alten steckten noch eine Weile die Köpfe zusammen und tuschelten. Sie hatten, wie alles alteingesessene Hauspersonal, einen scharfen Blick und helle Ohren für ihre Herrschaft.
Tiefe Stille lag über dem großen Hause. Alle schlichen auf den Zehen, um den Schlaf der Herrin nicht zu stören, und vor der Front nach der Hofseite hatte Ernst während der ganzen Krankheit Stroh schütten lassen, das jedes Wagenrollen dämpfte. Es war etwas Beklemmendes in diesem toten Schweigen am hellen Tage, dem sich niemand entziehen konnte und unter dem alle litten.
»Wenn's man wahr is, dat se über'n Berch is! Mich hat die Nacht schlecht jeträumt, aber's kann och von dem uffjewärmten Kohl jewesen sind,« sagte eben Wienert beklommen, als ein lautes Geräusch beide wie ein Donnerschlag auffahren ließ. Eine Tür knallte, gleich darauf ein Angstruf, und Schritte stürmten die Treppe hinunter. In zwei Sekunden war das Haus in Alarm.
»Da is was passiert!« rief Wienert, und er stürzte hinaus, gefolgt von Frau Kluge.
Auch Claus in dem entlegenen, mit Portieren verhangenen Zimmer, hörte das erste Anzeichen des ausbrechenden Sturmes, der Unheil kündete. Er hatte regungslos, aschbleich, mit mühsam verhaltenem Zähneklappern darauf gewartet. Im ersten Augenblick machte er eine fast irrsinnige Bewegung, als wolle er sich verkriechen und die Ohren zuhalten, doch er faßte sich und lauschte gespannt mit Anstrengung aller Sinne. Der Lärm nahm zu, die Haustür krachte, gleich darauf ein Ruf von Ernst nach dem Kutscher, nach dem Stallknecht, schnell, um Gottes willen schnell, – – nach einem Wagen oder einem Boten zu Pferd – den Arzt holen – was die Pferde laufen wollen –
Es waren Hilfeschreie in höchster Angst, die sich auf den Hof fortpflanzten, bis das ganze Gesinde zusammengelaufen war, und nun konnte sich Claus nicht länger zurückhalten und taub stellen, er mußte hinaus. Auf der Treppe kam ihm Nettchen entgegengestürzt, außer sich vor Entsetzen. Sie klammerte sich an seinen Arm und schrie: »Sie stirbt! Helfen Sie doch – schnell, ein Brechmittel, um Gottes willen, schnell – sie hat etwas Unrechtes bekommen, die Schwester sagt, ein Brechmittel – wissen Sie nicht? Sie müssen doch wissen« – Nettchen wollte sagen, »wo die kleine Hausapotheke ist,« aber Claus schüttelte sie gewaltsam ab, als ginge sie ihm ans Leben.
»Was wollen Sie von mir?« brüllte er sie an, »nichts weiß ich, ich habe es nicht getan, der Inspektor tat es – ich schlage jeden nieder, der mich beschuldigt, ich – ich – –« Er klammerte sich an das Treppengeländer, ein Schwindel machte ihn wanken. Nettchen ließ ihn stehen und lief weiter, nach Frau Kluge rufend. Doch es blieb alles vergeblich, jede Hilfe und Rettung ausgeschlossen. Eine lange qualvolle Stunde mußte man auf den Arzt warten, und als er kam, konnte er nur noch den Tod der Herrin von Schönermark feststellen. Nach fürchterlichen Krämpfen war sofort die Leichenstarre eingetreten.
»Gewaltsamer Tod durch Vergiftung,« lautete das ärztliche Urteil. Im ganzen Hause herrschte Entsetzen, und auf dem Hofe drängten sich das Gesinde und die zusammengelaufenen Dorfbewohner.
Claus hatte seine Haltung und Fassung durch eine Morphiumeinspritzung wiedergewonnen, ein Hilfsmittel, zu dem er häufiger Zuflucht nahm, als gut war. Vollkommen beherrscht, trat er jetzt als Herr des Hauses auf, nachdem er sich bis zur Ankunft des Sanitätsrats zurückgezogen. Er verständigte sich in aller Ruhe mit ihm über die Obduktion der Leiche, doch vorläufig mußte das Gericht benachrichtigt werden und im Sterbezimmer alles unangerührt bleiben. Und bis zur gerichtlichen Untersuchung dürfe niemand das Haus verlassen, ordnete er an.
Als er Ernst im Vorzimmer traf, der tief erschüttert mit dem Arzt verhandelte und ihm die Katastrophe genau schilderte, sagte er in kaltem, strengen Ton: »Ich ersuche Sie, auf Ihrem Zimmer zu bleiben, bis die Gerichtspersonen eintreffen. Sie werden jedenfalls zuerst verhört werden über diesen ungeheuerlichen Vorgang, der einem Mord gleichkommt.«
Ernst sah ihn erstaunt an, er maß ihn mit einem stolzen Blick und entgegnete kühl: »Es ist selbstverständlich, daß ich zur Stelle sein werde, wenn es so weit ist. Bis dahin habe ich Nötigeres zu tun, als auf meinem Zimmer zu sitzen.«
Die Augen der beiden jungen Männer trafen sich feindselig.
»Herr Inspektor, ich habe angeordnet, daß niemand bis zur Ankunft der Gerichtskommission das Haus und den Hof verlassen soll. Ich hoffe, daß meinem Befehl Folge geleistet wird! Alles andere hat jetzt zurückzustehen,« sagte Claus mit großer Schärfe.
Ernst machte eine stumme Verneigung, wandte sich kurz ab und ging. Pastor Wegerich, der bis jetzt bei der Leiche gewesen, war eingetreten und hatte den Wortwechsel gehört. Er legte begütigend seine Hand auf den Arm des neuen Besitzers von Schönermark. Seine Miene drückte tiefe Trauer aus, er hatte seine beste Freundin verloren.
»Wir wollen den Frieden der abgeschiedenen Seele nicht stören; lassen Sie uns alle gemeinsam die Knie beugen vor der Majestät des Todes und Gottes unerforschlichem Ratschluß,« bemerkte er sanft.
»Herr Pastor, ich dächte, meine Erregung wäre begreiflich, angesichts der furchtbaren Tatsachen! Aber statt Rücksichten auf mich zu nehmen, fühlt sich der Herr Inspektor berechtigt, mich mit Nichtachtung zu behandeln und hier weiter den Herrn zu spielen, wie er es schon zu Lebzeiten meiner unglücklichen Tante getan, die sich leider ganz von ihm bevormunden ließ. Wohin das geführt hat, wird ja jetzt offenbar werden!« Nach diesen heftigen Worten ging Claus ebenfalls hastig hinaus; der Arzt und der Geistliche aber sahen sich bestürzt an.
»Sie und Ihr Sohn haben viel mit unserer guten Freundin verloren, nach dem, das ich eben gehört, fürchte ich, Ernsts Bleiben wird hier nicht möglich sein,« sagte Doktor Ganzow, der Ernst von Kindheit an kannte.
»Was kann er meinen?« fragte Pastor Wegerich mit erschrockenen Augen. »Sein Benehmen ist höchst sonderbar! Er kann doch unmöglich Ernst die Schuld geben an diesem Unglück?«
»Beruhigen Sie sich, die Sache muß sich aufklären lassen, wenn sie auch jetzt noch dunkel und unverständlich ist. Die Obduktion wird die Todesursache ergeben. Den Symptomen nach liegt eine Strychninvergiftung vor, und es wird sich hoffentlich feststellen lassen, auf welche Weise das furchtbare Gift in die von mir verordneten Tropfen gekommen. Das Rezept ist zum Glück noch vorhanden und ist fehlerfrei, das Glas aber, aus dem die Unglückliche sich den Tod getrunken, bestätigt dem Geruch nach meine Diagnose,« erwiderte Doktor Ganzow.
Die beiden alten Freunde sprachen noch hin und her und begaben sich schließlich hinüber in Ernsts Behausung, um dort die Ankunft der Gerichtskommission abzuwarten.