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Dieser Fehler, daneben die bedeutende Ungleichheit der Jahre zwischen »Poldl« und seiner stattlichen Bäurin Barbara, ließen eben auch kein besonders segensreiches und erfreuliches Einvernehmen zwischen den beiden Ehehälften gedeihen und aufkommen. Damit aber ist nicht gesagt, daß sie sich beständig in den Haaren gelegen; nein, es gab im Gegenteil oft langhin recht stille, friedliche Zeiten, wo man kein ungeschaffenes Wort vernahm, weder aus Poldls noch aus Barbaras Munde. Freilich glichen diese Zeiten wohl mehr jenen grauen Herbsttagen, wo zwar kein krachendes Donnerwetter ausbricht, aber auch keine Minute lieblichen Sonnenscheines die hinwelkende Erde erfreut.
Zudem hatte Frau Barbara längst schon ihre Zuflucht zur Geistlichkeit genommen und befliß sich in Mienen und Gebärden, in Wort und Wandel größtmöglicher Gerechtigkeit.
Die böse Welt aber wollt’ ihr’s nicht recht glauben und die wenigen, die ihr’s glaubten, meinten: Die Tischlerin möge nur schön fromm sein jetzt und ihren großen Jugendfehler in etwas abbüßen!
Ei, der Jugendfehler war freilich da ... ein munteres Knäblein, das eben jetzt schulgehen anfing, und zu dem der alte Poldl Vaterstelle vertrat.
Der Bube war des Alten herzinnige Freude; nicht nur, daß er demselben seinen Namen, Kozenberger, schenkte und ihn also zu seinem rechtmäßigen Erben machte, so erlaubte er ihm auch allerlei Unarten und Possen, als da waren, den Vater tüchtig am grauen Kopf zu schütteln, am Ohr und an der Nase zu zerren u. dgl. über des Buben Schalkheit, vorzüglich aber über dessen dabei bewiesene Kraft und Stärke konnte dann Poldl in die aufrichtigste, lauteste Fröhlichkeit geraten. Wenn dem Alten gleichwohl dabei nicht selten die Augen ein wenig vor Schmerz brichelten, konnte auch Frau Barbara eines geheimen Schmunzelns sich nicht erwehren. Gleich nachher mußte sie freilich nach ihrer geistlichen Weisung so dem Jungen wie dem Alten eine kurze Strafpredigt nebst einer eindringlichen Sittenlehre angedeihen lassen.
»Du alter Narr, machst aus dem Jungen einen rechten Bösewicht!« schalt sie, sich zum Bösetun zwingend.
»Tut nix, tut nix –«, lachte Poldl – »hat eine fromme Mutter, Mutter, die für ihn beten, beten und mit ihren Predigten den Bösewicht wieder bekehren, bekehren kann!«
So korrespondierten dann die Gatten ein Weilchen fort.
War aber das all dergleichen gänzlich unnötig. Der Bube war nämlich von Natur aus gar nicht bös geartet, nur durch des Alten Gewährung und läppische Nachsicht zuweilen ein wenig mutwillig. Doch auch darüber hat spätere Einsicht und seine gute Natur den Obsieg davongetragen. Es ist ein guter, herrlicher Mensch aus ihm geworden.
Poldl ist mittlerweile gestorben und auch seine schöne Bäuerin, trotz ihrer Jugend, hat ihn nicht sonderlich lang überlebt.
Der Junge hat noch bei Lebzeiten der Mutter das Gut übernommen und geheiratet.
Und siehe da, wer ist bald darauf angekommen?
Ach, sein Vater, sein rechter, wirklicher Vater, der einst verwegene Ausreißer und langjährige Landesflüchtling, der vielbeseufzte Felixen-Hansjörg! – Aber wie ist er gekommen? – Ach, arm, blutarm, ja noch mehr als arm:
höchst elend und bedauerlich ist er gekommen, am halben Leibe gelähmt, halbtot!
Die Mutter mochte sich freilich entsetzt haben über solch schreckliche Veränderung ihres weiland Herzgeliebten. – Ha, sieh dort, die Wiesen hinab stäubt er – hinter ihm die fluchenden Schergen und wütend bissige Hunde. – Blut fließt so da als dort. Aber er entreißt sich, entkommt! – So stand sein Bild nachleuchtend vor ihrer Seele. Ach, und jetzt dieser Elende! diese Jammergestalt! – Es mag dieses Entsetzen auch ihr Herz gebrochen und bald darauf stillestehn gemacht haben! Aber der gute Sohn nahm den unglücklichen Vater auf mit offenen Armen, nährt ihn, atzt und putzt ihn, stopft ihm die Pfeife und läßt ihn als altes, geschwächtes Kind unter seinen eigenen kleinen Kindern schalten und walten, weben und leben, »so lange es Gott gefällt!«