Franz Stelzhamer
Groß-Piesenham
Franz Stelzhamer

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Muse, hilf! Hui hi! –Sieh, wir sind schon zur Stelle.

Auf diesem unbedeutenden, aber fast schmuck aussehenden, weiß Gott warum »Siebengütl« geheißenen und im gerichtlichen Grundbuch als »freieigen« eingetragenen Hause saß dazumal der ehr- und tugendsame Meister Johannes mit seinem vielgeliebten Gegenteil Maria, einem niedlichen, äußerst rührigen, lebensfrohen Weibchen. Drei muntere Buben mit lichten Köpfchen von außen und innen vermehrten die Freude wie auch die Sorge ihrer ehelichen Verbindung.

Das bescheidene »Siebengütl«, das wohl in seiner Eigenschaft »freieigen« kein Mortuar und kein Laudemium bei Kauf und Übergabe zu entrichten hatte, erfreute sich aber zur Zeit eines nur so kleinen Grundbesitzes, daß die Erhaltung der Familie fast einzig der Betriebsamkeit des Familien-Oberhauptes anheim gegeben war. Und da war es denn recht gut und eine weitere löbliche Eigenschaft dieses »freieigenen Siebengütls«, daß darauf zwei verschiedene Handwerksgerechtsame ruhten, die oder doch deren eine immer gewissenhaft und fleißig ausgeübt wurde.

Das mag denn auch der Grund gewesen sein, warum zwischen Meister Johannes und Nachbar Schuster die sonst übliche gutnachbarliche »Stiegel« nicht war angebracht worden.

Meister Johannes mußte es aber verstanden haben, auch außer seinem Gewerbe Profit zu machen.

Es war das bei damaligen »Franzosenzeiten« einem betriebsamen, umsichtigen Manne auch ganz wohl möglich.

Der leichtsinnige, von heut auf morgen lebende französische Soldat lohnte jeden Dienst auf das freigebigste und hätte auch sonst die damals schon tief in Mißkredit liegenden österreichischen Bankozettel ohnehin lieber – weggeworfen.

Was ließ sich da durch Kauf und Tausch und gelegentliche Dienstleistung erwerben und gewinnen!

Und das mußte unser Meister Johannes denn auch verstanden und wohl zu benützen gewußt haben. Denn nicht nur, daß ihm sein Bruder Jakob und mehrere andere Schwerwirtschafter beständig größere und kleinere Geldbeträge schuldeten, so ließ der Mann, als seine Buben heranwuchsen, noch überdies alle drei nacheinander studieren. Das war schon kein kleines Stück mehr, ja bei der Ungewöhnlichkeit im damaligen Zeitpunkt geradezu eine Außerordentlichkeit.

Natürlich glossierten die Dörfler, ja ich darf sagen die ganze Pfarrgemeinde, über Johannes’ »allzu hoch« hinausgehende Pläne; und Mancher nahm es ihm ernstlich übel, da vielleicht gar ein oder der andere seiner Buben, vom geistlichen Stand abspringend, dann ein »Bauernschinder« (so nannten sie damals den Beamten) werden könnte! – Welche Opfer, sowohl des Herzens als des Beutels, es dem Mann kostete, die geliebten Kinder nach der weit entlegenen Stadt Salzburg zu führen und dort unter ganz fremden, herrischen Leuten zu lassen, das wußten die guten Gemeindler freilich nicht und Meister Johannes war so klug, es niemandem zu sagen, viel weniger vorzuklagen. Nur wenn die Sehnsucht recht groß geworden war und wenn eben im Kalender auch ein paar rote Tage standen, steckte er rasch den Beutel in die Tasche, nahm den Stecken in die Faust und pilgerte raschen Ganges, gleichviel durch Schneegestöber oder Staubwolken, zu seinen Kindern nach der fernen Stadt.

Da sah er sie, hörte sie aus, fragte hier und dort nach, beglich dies und das, und wenn es geschehen war, konnte Johannes wieder trostreich scheiden, unverdrossen arbeiten, mutig sparen, kargen und darben, ach, alles den Kindern zulieb.

Allein – der Mensch denkt, Gott lenkt! – es ging dem guten Manne zu seinem innigen Herzeleid sowie zur großen Befriedigung seiner vielen Mißgönner mit seinen Söhnen doch nicht nach Sinn und Wunsch.

Er hätte sich – meinten die nächsten Nachbarsleute -wohl schon gleich anfangs ein wenig mit und wegen seiner Buben versündigt, weil der seltsame, viel hoffend’ und verlangende Mann deren jedesmalige Geburt durch einen donnernden Knall aus seiner Hausbüchse so gleichsam der Welt als ein außerordentliches Ereignis angekündigt – ja, was willst du? – einmal gar einen jubilanten Doppelschuß losgelassen hätte! – Andere Leute – meinten sie ferner hätten auch Kinder, Dirnlein und Buben, wenn auch nicht gerade paarweis auf einmal, hätten dieselben auch lieb, von Herzen lieb wie er, aber –! Dann schwiegen sie, verdrehten fromm die Augen, und darum – meinten sie schließlich und winkten einander beifällig zu – darum wär’ es so ganz unrecht nicht, daß Johannes am Ende an seinen Buben gar zu hoch geht immer ins Leere! – doch keine rechte Freude, kein rechtes Glück hätte erleben können!

So sagten die Gemeindler. Und an mir ist es, nun rund-heraus und kurzweg zu erklären, wie daß einer, der mittlere Bube, Johannessen gleich anfangs wieder ausgesprungen sei, dafür sein mühsames Handwerk erlernt, später Haus und Geschäft übernommen und die Alten ziemlich knapp und unfreundlich gehalten habe; ferner, daß die anderen zwei wohl bei der »Studie« verblieben, aber doch auch keine rechten majestätischen Kanzlei – geschweige denn geistliche Herren aus denselben erblühet wären; und endlich, daß aus dem jüngsten, dem mit dem »damischen Konzept« – trotz langen vierzehn Jahren, auf niederer und hoher Schule zugebracht, schließlich – Gott erbarm’s! doch gar nichts geworden sei.

Gar nichts?

Nein, lieber Begleiter, gar nichts!

Müßte nur sein, daß der Verfertiger einer Unzahl lustiger und trauriger Lieder und Geschichten sowie – der untertänigste Schreiber dieser schlichten Zeilen und der süßwehmütigen Erinnerungsblätter auch etwas wäre? –

Ja, dann –!


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