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Dreizehntes Kapitel.
Pomonas Roman

Gegen Ende August desselben Jahres beabsichtigte das Handelshaus, in dem ich angestellt war, einen seiner Bureaubeamten in wichtigen Geschäften nach St. Louis zu schicken. Ich erschien als die geeignetste Persönlichkeit dazu, da ich mit der Branche, um die es sich handelte, besonders vertraut war. Ich sah wohl die Notwendigkeit der Reise ein, doch war mir der Gedanke daran nicht eben angenehm. Zu Hause überlegten wir die Angelegenheit hin und her bis spät in die Nacht hinein. Die Gründe für die Reise überwogen doch am Ende; außerdem, daß mir dieselbe in meiner Stellung nützte, war es für uns – meine Frau mußte selbstverständlich mit – eine verlockende Gelegenheit, etwas von der Welt zu sehen. Wir waren noch nie über das Alleghany-Gebirge hinausgekommen und freuten uns, ganz neue, uns bisher unbekannte Gegenden kennen zu lernen. Den Rückweg konnten wir dann über die großen Seen und den Niagarafall nehmen, eine entzückende Aussicht! – Was aber sollte aus Ruderheim werden, wenn wir drei Wochen – so lange dauerte die Reise – fort waren?

Die Frage war nicht leicht zu beantworten. Wer sollte für den Garten, den Hühnerhof, das Pferd und die Kuh und deren mannigfaltige Bedürfnisse sorgen? Der Garten war in prächtigem Stand, er lieferte uns eben jetzt die herrlichsten Gemüse, wie sie Leute, die auf dem Markt kaufen, gar nicht kennen. Ich hatte so fleißig dafür gearbeitet und mir so viel davon versprochen. – Und nun erst der Hühnerhof, ohne Euphemia! – Der Gedanke war gar nicht auszudenken!

Dennoch wären wir bereit gewesen, um der so wünschenswerten Reise willen auf unsere häuslichen Freuden zu verzichten, hätten wir nur jemand gewußt, der in unserer Abwesenheit für das Gütchen sorgte. Ruderheim konnte sich unmöglich drei Wochen lang allein bewirtschaften!

Wir dachten an alle möglichen Personen. Zum alten Johann hatten wir nicht das nötige Vertrauen und unter unsern Bekannten war keiner, dem wir unser ganzes Anwesen auf so lange Zeit übergeben mochten.

»Was mich betrifft,« sagte ich, »so wurde ich es am liebsten in Pomonas Obhut lassen!« aber mir sowohl wie Euphemia erschien es doch gewagt, einem so jungen Ding die große Verantwortung auszuladen.

So ging ich am nächsten Morgen ins Bureau, entschlossen die Reise zu unternehmen, sobald sich jemand für Ruderheim fände. Als ich am Abend zurückkam, stand die Sache anders; ich hatte in die Reise nach St. Louis gewilligt, so daß mir keine Wahl mehr blieb. In zwei Tagen mußten wir reisen. Fand sich bis dahin eine Vertrauensperson – gut! wenn nicht, so mußte Pomona die Stelle versehen. Es fand sich niemand und so fiel das Los auf Pomona. Im Grunde war uns damit am besten geholfen; wir fühlten uns förmlich erleichtert, daß es so kam.

Um Pomona war uns nicht bange, da sie zu ihrem Schutze Lord Eduard behielt und für ihr Alter sehr selbständig war. Der alte Johann war auf einen Ruf zur Hand, wenn sie ihn brauchte, und ein Bekannter lieh mir einen Bullenbeißer, den sie nachts im Hause behalten sollte.

Vor unserer Abreise schrieben wir ihr alle in Haus, Hof und Garten erforderlichen Besorgungen genau auf und wiesen sie an, jedes wichtige Vorkommnis sorgfältig zu verzeichnen. Sie war mit allem einverstanden und stolz auf ihre neue Stellung.

Die Reise war weit herrlicher, als wir erwartet, und in jeder Beziehung erfolgreich; aber trotz des großen Genusses befiel uns plötzlich auf dem Heimweg eine solche Sehnsucht nach Hause, daß wir nicht erst am Donnerstag, wie wir geschrieben, sondern schon am Mittwoch eintrafen.

Wir langten mit dem Nachmittagszug an, gingen vom Bahnhof zu Fuß, und ließen uns das Gepäck nachschicken. Je näher wir unserm lieben Hause kamen, desto ungeduldiger wurden wir, es wiederzusehen, wir hätten laufen mögen, um wieder daheim zu sein!

Da lag es vor uns, ganz wie immer! Ich drückte an der Klinke des Thores – es war nicht offen; wir gingen nach der großen Einfahrt – auch diese war verschlossen und am Zaune sah ich einen Zettel angeklebt, auf dem in großen, wie mit einem Pinsel und Farbe gemalten Buchstaben die Worte zu lesen waren:

Zu verkaufen,
wegen rückständiger Steuer
!

Wir standen und sahen einander an, – Euphemia wurde ganz bleich. –

»Was soll das heißen!« rief ich, – »hat vielleicht der Besitzer –«

Ich konnte nicht weiter sprechen, – der entsetzliche Gedanke, das Gütchen zu verlieren (wir hatten noch nicht genug beisammen, um es zu kaufen), stieg in mir auf; aber ich sprach ihn nicht aus! Ich kletterte über des Nachbars Zaun und half Euphemia hinüber; von da aus konnten wir über unsern Hinterzaun steigen. Zur Hausthür eilend, fand ich sie geschlossen, ebenso alle Läden des untern Stocks; am meisten überraschte es uns, Lord Eduard nirgends zu sehen, – er konnte doch nicht verkauft sein!

Auf dem Weg zur Hinterthüre fühlte sich Euphemia plötzlich schwach und wollte sich einen Augenblick hinsetzen; ich führte sie zu einem Gartensitz unter einem nahen Baum – der Stuhl war verschwunden! Meine Frau setzte sich auf den Rasen und ich eilte nach dem Brunnen, um ihr Wasser zu holen, – der blanke Zinnbecher, der stets dort hing, war fort! Während ich nun meinen Reisebecher herauszog, blickte ich um mich. Alles sah so verödet aus, daß mir ganz unheimlich zu Mute wurde und meine Hand zitterte heftig, als ich zu pumpen begann.

Beim ersten Klang des Pumpenschwengels vernahm ich ein dumpfes Gebell von der Scheune her, und alsbald stürzte Lord Eduard wütend um die Ecke, – aber noch ehe mein Becher voll war, sprang er schon freundlich wedelnd um mich herum. Ich glaube, der Willkommen des Hundes that mehr dazu, Euphemia wieder zu beleben, als das Wasser, das ich ihr brachte. Auf Lords Freudengebell kam auch Pomona mit strahlendem Gesicht von der Scheune herbeigelaufen. Das war uns eine große Erleichterung, denn diese zwei befreundeten Wesen sahen doch nicht aus, als ob sie verkauft oder verkommen wären! Pomona bemerkte unsere Unruhe sogleich und erriet, was wir aus dem Herzen hatten. Sie machte ein sehr betrübtes Gesicht und stotterte heraus:

»Sie wollten doch erst morgen kommen, und bis dahin wäre alles wieder in Ordnung gewesen, – und nun haben Sie über den Zaun klettern müssen und – –«

»Sage mir nur das eine,« rief ich, – »was soll das mit den Steuern heißen?« –

»O, das hat nichts auf sich, – machen Sie sich darüber ja keine Sorge, – bald sollen Sie alles wissen! Kommen Sie nur erst ins Haus, ich mache Ihnen gleich ein Frühstück zurecht!«

Pomonas Versicherung, daß der Steuerzettel nichts zu bedeuten habe, beruhigte uns sehr, doch waren wir höchst gespannt, das Nähere zu erfahren. Wir mußten uns aber schon gedulden, denn nachdem Pomona das Frühstück aufgetragen, erbat sie sich als besondere Gunst, wir möchten ihr drei Viertelstunden schenken, dann solle alles so aussehen, als ob es »morgen« wäre.

Aus Rücksicht für das arme Ding, blieben wir im Speisezimmer, bis sie uns meldete, daß alles zu unserm Empfang bereit sei. Nun eilten wir hinaus, Euphemia nach dem Hühnerhof und ich in den Garten und die Scheune. Unter dem Baum stand wieder der Gartenstuhl und der Zinnbecher hing am Brunnen, als ich aber Pomona darum befragte, zögerte sie mit der Antwort.

»Möchten Sie lieber alles im Zusammenhang hören, wenn Sie wieder ins Haus kommen, oder Brocken für Brocken?« fragte sie.

Euphemia hatte Eile zu den Hühnern zu kommen und rief, sie wolle lieber warten und alles zusammen hören. –

Überall fand ich die trefflichste Ordnung, sogar zu meiner Verwunderung im Garten kein Unkraut! Wäre nicht die Unglückswolke am Zaun gewesen, so hätte jetzt nichts meine Zufriedenheit gestört.

Als Euphemia vom Hühnerhof kam, wollte sie keinen Augenblick länger auf Pomonas Bericht warten. So nahmen wir denn auf der Veranda im Schatten Platz, während Pomona sich auf eine Treppenstufe setzte und einige Bogen Konzeptpapier hervorzog.

»Wie Sie verlangten, schrieb ich alles Wichtige auf. Aus Spaß machte ich eine Art Roman daraus. S'ist deswegen doch alles wahr. Ihnen wirds wohl einerlei sein?«

»Ja, ja,« versetzten wir, »fang nur an!«

»Mein Roman hat noch keinen Namen,« fuhr sie fort, »den wollte ich erst heute Abend ausdenken! Ich habe das alles abends geschrieben; die ersten Kapitel brauche ich aber nicht mitzulesen; sie handeln von meiner Geburt und Verwandtschaft und von meinen Jugendabenteuern. Ich fange also gleich bei meinen Erlebnissen während Ihrer Abwesenheit an, das wird Sie wohl am meisten interessieren! Alles, was hier steht, ist die reine Wahrheit, aber im Romanstil erzählt, weil mir der am leichtesten wird.« – Und dann las sie mit etwas veränderter Stimme, wie es für den Romanstil paßte, wie folgt:

»Fünftes Kapitel: Das verlassene Haus und der treue Freund!

»So blieb ich denn allein, und die zwei Hunde waren meine einzigen Gefährten. Ich melkte das brüllende Hornvieh und tränkte und nährte den Hengst; nachdem ich dann mein einfaches Mahl genossen, schloß ich das Herrenhaus, begrub alle Erinnerungen der Vergangenheit und gab den Gedanken an die Zukunft keinen Raum. – Hierauf folgte eine denkwürdige Nacht: ich schlief fest bis zum Anbruch des Tages, wer weiß aber, was mit mir geschehen wäre, hätte ich eine Ahnung gehabt, was für Erlebnisse mir bevorstanden. Die Frühe des nächsten Tages verging wie gewöhnlich, aber bald nach dem Morgenbrot erschien der ehrwürdige Johann, um etwas Pe-tro-le-um und ein halbes Pfund Zucker bei mir zu borgen; ich aber durchschaute den tück-i-schen Feind und bei diesem ersten böslichen Angriff, den er versuchte, schickte ich ihn mit leerer Flasche heim. Zwei Tage lang wandelte ich auf den grünen Pfaden des Gartens und nach der Scheune – dem Ruf der Pflicht folgend, auch versäumte ich den Ge-flü-gel-hof nicht. Kein Wölkchen trübte den heitern Himmel meines Glücks, aber schon stieg das Unwetter am Ho-ri-zont empor, obgleich ich es noch nicht gewahrte.

»Am Morgen eines Donnerstags, um fünf Minuten nach halb elf Uhr, saß ich und bedachte in meinem Sinn, wie ich die Butter und die Gartenprodukte verwenden sollte. Hier hatte ich Korn, Bohnen, Tomaten und Butter – weit mehr, als ich verbrauchen konnte, und dort weidete ein Pferd müßig das Gras der Wiese ab, denn ich ließ es im Freien grasen, wie der Herr des Hauses befohlen hatte; im Schuppen aber stand ein Wagen – von dem brauchte man nur das Verdeck zurückzuschlagen, so sah er wie ein alter Gemüsekarren aus! Konnte ich nun nicht das Grünzeug, die Butter und die übrige Milch in den Wagen laden – –«

»O, Pomona,« unterbrach sie Euphemia, »du wirst doch das nicht gethan haben!« –

»Ich dachte ja nur daran,« meinte Pomona, »natürlich konnte ich nicht fortgehen und das Haus unbeschützt lassen, und Sie werden gleich sehen, daß ich es nicht gethan habe!«

Dann fuhr sie in ihrem Roman fort:

»Während meine Gedanken noch so beschäftigt waren, brach plötzlich Lord Eduard in ein lautes Ge-bel-fer aus.«

Durch das laute Gelächter, in das Euphemia hier ausbrach, ließ sich Pomona keineswegs irre machen, sondern las weiter:

»Ich eilte zum Thor, wo ich einen Mann mit einem Fuhrwerk sah, der mir zurief, ich solle die Pforte öffnen; ich hatte nämlich alle Eingänge verschlossen und jeden stehlbaren Gegenstand entfernt.«

Euphemia und ich sahen einander an: Dies erklärte das Fehlen des Gartensitzes und des Trinkbechers! –

»Daher konnte ich in Ruhe den Hund, meinen treuen Freund (denn das war er), mit mir im Freien umherschweifen lassen, während der wilde Bullenbeißer das Herrenhaus von innen bewachte. So gerüstet, erwiderte ich keck: Nein, ich lasse keinen Mann ein, meine Herrschaft ist verreist, – was wollen Sie? – Darauf versetzte er mit frecher Stirn: »Die Blitzableiter will ich auf dem Dach anbringen, machen Sie das Thor auf!« – Was für Blitzableiter? sage ich. – »Die bestellt sind! machen Sie doch auf!« – Ich stand da, blickte ihn an und durchschaute seine Heuchler-maske: seine Schliche waren mir klar! In Abwesenheit meines Herrn konnte er so viele Blitzableiter anbringen, wie er wollte, vielleicht elendes Zeug, das das Feuer vom Himmel eher anzog, als es vom Hause abzuhalten. Waren sie erst oben, so konnte man sie nicht wieder entfernen, ohne das Dach zu beschädigen und würde sie bezahlen müssen!

»Nein, rief ich, so lange ich hier stehe, kommt kein Blitzableiter da oben hinauf, und damit schritt ich von dan-nen, Lord Eduard als Wächter zurücklassend. Der Mann schäumte vor Wut und sein Auge blitzte; der Hund allein hielt ihn ab, über das Thor zu steigen. Mittag war nicht fern und ich gab den Hühnern ihr Futter, aber als ich zurückkam, bot sich mir ein Anblick, der mir alles Blut in den Adern erstarren machte.« –

»Der Hund hat ihn doch nicht umgebracht!« rief Euphemia erschrocken.

»Bewahre,« sagte Pomona, »es war ganz etwas anderes, Sie werden schon sehen:

»Vorn am Thor stand ein elender Bube, der mit dem Mann gekommen war, und hieb mit einem großen Stecken auf den Zaun, um Lord Eduards Zorn auf sich zu lenken, während der heuchlerische Blitzableitermann an der anderen Seite des Hauses über den Hinterzaun gestiegen war, dann seine lange Leiter übergehoben und angelegt hatte; auf dieser war er in die Höhe geklettert und saß jetzt auf dem Dach! – Ich fühlte mich von Entsetzen gepackt und zitterte am ganzen Leibe! – Hier ist der Roman zu Ende,« sagte Pomona und legte die beschriebenen Blätter auf die Veranda.

Dagegen erhoben aber Euphemia und ich lebhafte Einsprache. Jetzt mußte doch gerade die spannendste Stelle kommen; auch hatten wir ja von den Steuern noch keine Silbe gehört.

»Wenn ich nicht so lange am Anfang geschrieben hätte, über meine Geburt, meine Verwandtschaft und meine Jugendabenteuer,« sagte Pomona, »so wäre ich wohl noch fertig geworden; ich kann Ihnen das übrige aber erzählen, gerade so gut, als wäre es aufgeschrieben.« Sie fuhr nun mündlich in ihrem Bericht fort: »Der Elende saß oben auf dem Hause und hämmerte aus Leibeskräften an den Blitzableitern. Ich stand zuerst starr vor Schrecken da, dann aber raffte ich mich zusammen, lief in das Haus, holte den Bullenbeißer und band ihn an der untersten Leitersprosse fest; aber Lord Eduard durfte ihn nicht sehen, sonst wären die beiden Hunde auf einander losgefahren. Ich legte ihn an die Kette, sprach mit dem Buben am Thor und versetzte dabei seinem Pferd einen Schlag, daß es mit dem Wagen davonrannte, die Straße hinunter. Der Bube schimpfte nicht schlecht und lief dem Tier nach!« –

»Aber Pomona,« rief Euphemia entsetzt, »wenn nun das Pferd den Wagen umgeworfen, alle Stangen zerbrochen und wer weiß wie viele Leute überfahren hätte!«

»Ja, darum kümmerte ich mich nicht,« meinte Pomona, »ich hatte das Haus zu verteidigen, und der Feind, der zur Belagerung kommt, muß auf Schaden gefaßt sein! Der Mann auf dem Dach machte einen schrecklichen Lärm, als er das Pferd fortlaufen sah. »Schaffen Sie den Hund weg,« schrie er mich an und kam die Leiter herunter. »Nein,« ruf' ich zurück, »das thu' ich nicht!« – Wie er nun sah, daß der Strick nur kurz war, that er einen weiten Sprung und kam auf den Boden, wo der Hund nicht hinreichte. Der war in großer Wut und riß und zerrte so lange, bis die Leiter herunterfiel – um ein Haar auf das Geranienbeet! – Dann schloß ich das Vorderthor auf und steckte die Leiter durch, und der Mann zog sie hinaus, und wie er an den Hund kam, machte ich den Strick los und schlug das Thor zu. Nun hatte der Mann die Leiter draußen und gleich darauf kam auch der Junge mit dem Wagen zurück. Der Mann aber schalt und schimpfte auf mich, daß er meinetwegen die bestellte Arbeit nicht habe machen können. »Es ist gar keine Arbeit bestellt,« sage ich. Da geht er zum Wagen und holt ein Buch heraus und schreit: »Da lesen Sie einmal!« – »Ja,« sage ich, »hier wohnt aber niemand, der Boll heißt, das ist da drüben am nächsten Weg, das Haus steht auch so einzeln, wie das unsrige!« Der Mann war fuchswild, wie er das hörte, aber er sagte nichts mehr, warf die Leiter auf den Wagen und fuhr fort.

»Die Folgen seiner Unthaten blieben aber für mich nicht aus! – Der schreckliche Bullenbeißer ließ mich nicht ins Haus hinein, an jeder Thüre versuchte ichs, aber er war wie rasend, und ganz wild auf mich. Wie freundlich ich ihm auch zuredete – alles war umsonst! So mußte ich draußen bleiben, – im Keller, zu dem ich den Schlüssel hatte, fand ich Korn und Kartoffeln, die röstete ich am Feuer, das ich im Freien anmachte, zum Trinken war Milch genug da und ich schlief in der Scheune. So ging es drei Tage und Nächte lang.« – »Aber das war ja ganz schrecklich!« sagte ich, »warum hast du denn niemand zu Hilfe gerufen?« –

»Der alte Johann wäre nicht mit dem Hund fertig geworden und war noch böse von wegen dem Petroleum, und jemand anderes wußte ich nicht,« versetzte Pomona. »Am Sonntag Abend versuchte ich mein Glück noch einmal, ich nahm ein Stück Fleisch aus dem Keller in eine Hand und die Holzaxt in die andere – ich wollte dem Hund die Wahl lassen – und ging durch die Hinterthüre ins Haus: der Bullenbeißer kam gleich herbeigerannt, aber er hatte die ganze Zeit nichts gefressen und war vor Hunger matt geworden – er warf mir noch einen bösen Blick zu und schnappte dann nach dem Fleisch – von da ab war er ganz zahm.«

»O,« rief Euphemia, »wie froh bin ich, daß du noch hinein gekommen bist!« –

»Sprich 'mal, Pomona,« fiel ich ein, »wie war es denn mit den Steuern? Kommen die bald in deiner Geschichte vor?«

»Gleich, gleich,« sagte sie und fuhr fort: »Nun hatte ich große Sorge wegen der Hunde, denn wenn ich sie einmal beide zum Schutz brauchte gegen irgend einen blutdürstigen Bösewicht, so fielen sie vielleicht über einander her, statt mir zu helfen, und ich konnte sehen, wie ich allein fertig wurde! Deshalb dachte ich, es wäre besser, sie ehrlich zusammen kämpfen zu lassen, und wenn sie erst wüßten, wer am stärksten sei, würden sie nachher schon Frieden halten. Ich machte einen Platz vor dem Holzschuppen frei und da sollte der Kampf stattfinden.«

»Solche Grausamkeit hätte ich dir aber doch nicht zugetraut, Pomona,« rief Euphemia erschreckt.

»Das sieht nur so aus,« versetzte sie; »für die Hunde war es eine Wohlthat, daß die Sache zur Entscheidung kam! – Ich ließ den Lord frei, machte die Küchenthüre auf und rief den Bulldogg. Kaum sahen sich die beiden, so fuhren sie auf einander los, bissen und zausten sich und rollten einer über den andern! Ich dachte, Lord, der so viel größer ist, würde den Bulldogg gleich unterkriegen, der aber wehrte sich tapfer, und sie warfen den Sägebock um, daß die Spähne nach allen Himmelsgegenden flogen! Als nun der blutige Streit am wildesten tobte, kommt jemand von hinten herbeigelaufen, und wie ich mich umsehe, ist es der Herr Pastor, der hebt die Hände in die Höhe und ist ganz außer sich über den schrecklichen Kampf. Er will gleich zwischen die Hunde fahren, aber ich hielt ihn zurück, sonst hätt' es ein Unglück gegeben. Der Bullenbeißer war schon schwächer geworden und zog den Schwanz ein, und wie ihn Lord beim Fell zwischen den Zähnen hat und ihn schüttelt, krieg' ich diesen am Kragen und schreie: »laß' los!« Das that auch Lord, denn er war ja Sieger und selbst ganz müde, der Bulldogg aber schlich fort und ließ den Schwanz hängen.

»Nun, sage ich, jetzt bin ich froh, daß ich sie habe kämpfen lassen, nun werden sie immer gut Freund sein! Aber der Pastor meinte, er hätte nicht gedacht, daß mein Herr, auf den er immer große Stücke gehalten, mir so etwas gestatte. Das war mir nun schrecklich, und ich sagte ihm: da irren Sie sich sehr, meine Herrschaft ist verreist; die könnte so etwas nicht mit ansehen, so wenig wie Sie. Tierquälerei ist ihnen zuwider: ich weiß das ganz bestimmt, denn ich habe meinen Herren öfters sagen hören, nun er hier ansässig sei, würde er sich gern zum Kirchenvorsteher wählen lassen.«

»Pomona!« rief ich und sprang in die Höhe, »wie konntest du ihm das sagen!« –

»Aber,« entgegnete sie, »ich wollte ihm doch beweisen, was für ein Mann Sie seien. Der Pastor sagte, er freue sich, das zu hören, er werde mit den andern Herren sprechen, es ließe sich vielleicht machen, da gerade zwei Kirchenälteste ihr Ehrenamt niedergelegt hätten.«

Ich war ganz außer mir, aber Euphemia faßte die Sache weniger tragisch auf: »Beruhige dich, es wäre ja ganz prächtig, wenn du gewählt würdest, und wie komisch, wenn ein Hundekampf dich zum Kirchenvorsteher machte.«

Mehr davon zu sprechen war mir unerträglich. »Erzähle weiter, Pomona, und komm' endlich zu dem Steuerzettel auf dem Zaun!«

»Da bin ich eben daran,« sagte sie. – »Ein paar Tage nach dem Kampfspiel sah ich einmal zum alten Johann hinüber, – da steht der Baum-Reisende von neulich und zeigt der Frau und den Kindern alle die großen Birnen und Pfirsiche in seinem Buch und sie verschlingen sie mit den Blicken, als wären es wirkliche. Halt, denk' ich, der kommt gewiß wieder her, und wie soll ich ihn los werden, die Hunde kann ich doch nicht auf ihn hetzen! – Da dacht' ich, wenn alles recht verödet aussieht, geht er am Ende von selbst wieder fort, und so malte ich den Zettel an, und klebte ihn auf den Zaun, denn wenn man sein Haus verkauft, weil man die Steuern nicht zahlen kann, braucht man keine Bäume. – Wie der Mann nun kam, das Thor zu fand und keine lebende Seele sah – auch die Hunde hatte ich ins Haus genommen –, liest er den Zettel und schüttelt mit dem Kopf, als wollte er sagen: wenn der Herr ordentlich für sein Grundstück gesorgt und meine Bäume gepflanzt hätte, wäre es nicht so weit mit ihm gekommen – und dann ging er weiter. – Da nun der Steuerzettel so nützlich war, um lästige Besucher zu verscheuchen, ließ ich ihn d'ran; aber ehe Sie kamen, hätte ich ihn natürlich fortgenommen.«

Es war schon so spät geworden, daß ich meinte, Pomona möge uns das übrige lieber ein anderes mal erzählen, worauf sie erwiderte, sehr wichtige Dinge gäbe es nicht weiter zu berichten. Ich hatte auch genug und hätte nicht mehr viel anhören können.

Als wir allein waren, sagte ich zu Euphemia: »Wenn wir je wieder verreisen müssen« –

»Ach das kommt nicht so bald wieder vor, lieber Mann; – aber wie freut es mich, daß du Kirchenvorsteher wirst!«


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