G. F. Streckfuss
Der Auswanderer nach Amerika
G. F. Streckfuss

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Eine transatlantische Sage.

Als nach beendigtem Revolutions-Kriege an sämmtliche Krieger die ihn mitgefochten hatten, an dem damals noch uncultivirten Ohio große Ländereien, welche inzwischen nicht sehr Viele annahmen, vertheilt wurden, beschlossen 3 junge Leute, sich darauf anzusiedeln, und begaben sich in Gesellschaft, versehen mit ihren Flinten, Ranzen und einigen Lebensmitteln, auf den Weg.

Die Straße über Lancaster nach Pittsberg, die sie einschlagen mußten, war damals noch nicht mit den zahlreichen hübschen Städtchen und schönen Landhäusern, wie heutigen Tages, bedeckt. Nur hier und da lauschte aus einer Waldung ein einzeln stehendes Blockhaus hervor; auch die Wirthshäuser waren noch nicht so häufig, und manche Nacht mußte im Freien und ohne andere Nahrung zugebracht werden, als die etwa ihre Flinten in den Wäldern erbeutet hatte. Dann wurde auf gut soldatisch ein lustiges Feuer angezündet, und von dem erlegten, an den eisernen Ladestöcken gebratenem Wilde, ein köstliches Mahl bereitet.

Pittsburg konnte etwa noch eine Tagereise entfernt seyn, als sie sich einmal auf einem Fußpfade von der Hauptstraße verloren, von dem sie endlich keinen Ausgang finden konnten. Wo sie sich auch hindrehten, der Wald schien immer dichter und dichter zu werden, sie waren also genöthigt, sich dem Zufall in die Arme zu werfen, und konnten höchstens die Sonne zur Führerin wählen. Aber die Sonne dieses Tages ging hinter den hohen Baumgipfeln unter, und eben so die Sonne des zweiten, dritten, vierten bis sechssten Tages, und noch war kein Ausweg zu finden. Gut, daß frische Bäche und Quellen ihnen überall aufstießen, und hier, wo nur ein schmaler Fußpfad andeutete, daß menschliche Wesen einst dagewesen waren, Wild in Ueberfluß lebte.

Am siebenten Tage ihres Herumirrens, als die Sonne kaum ihre Mittagshöhe erreicht hatte, umzog sich der Himmel mit einer Wolkenmasse, die sich immer schwärzer und tiefer auf die Baumgipfel herabsenkte. Bald fielen einzelne große Regentropfen auf die dicken Laubhallen über ihnen, doch ehe sich diese in einen jener großen Regen verwandelten, die hier gewöhnlich sind, befanden sie sich vor einem hohen Felsen, an dessen Fuße ein silberklarer Bach dahinrieselte. Felsen selbst hatte, etwas erhöht über den Bach, leicht zugänglichen Absatz, der durch ein überhängendes Felsenstück geschirmt wurde, und von diesem Abhang aus konnte man zu einer Höhle gelangen, die trocken und deren Fußboden mit weichem Sande bedeckt war. Bei dem furchtbar herannahenden Unwetter freuten sie sich ungemein über die gemachte Entdeckung.

Ein munteres Feuer loderte bald in dem durch das überhangende Felsenstück geschützten Eingange der Höhle, und ein feister fetter Truthahn gereinigt und abgeputzt, ward darauf herumgedreht. Da kam aber auch das Unwetter mit der furchtbarsten Wuth herauf. Unter grausen Blitzen, und Donnern stürzte ein gewaltiger Regen herab, und nicht lange, so war der schöne klare, rieselnde Bach zu ihren Füßen in einen weit aus seinem Bett getretenen Schlammstrom verwandelt, der mit abgerissenen Baumzweigen und ganzen Stämmen bedeckt, schäumend daherbraußte. Die ganze Natur war in der furchtbarsten Empörung.

Dem schrecklichen Unwetter zu entgehen, zogen sich unsere 3 Verirrte mit dem bereits fertigen Braten tief in die schützende Höhle zurück, als plötzlich ein angstvoller Hülferuf vom Bache herauf ertönte und die Jünglinge an den Eingang der Höhle lockte. Da sahen sie ein menschliches Wesen mit bereits ermattender Anstrengung gegen den Strom kämpfen, der unter ihren Füßen in ungestümer Wuth dahintobte. Es war für zwei der Jünglinge, wir wollen sie John und Nicolaus nennen, genug, um sich ohne lange Ueberlegung in das reißende Gewässer zu stürzen. Es gelang ihnen, das schon sinkende Weib nach kurzer gemeinschaftlicher Anstrengung zu retten. Sie nahmen die Gerettete auf, und trugen sie in die schützende Grotte, empfangen von dem lauten Gelächter und Spott ihres dritten Gefährten, David, da die Kleidung und Gestalt derselben andeutete, daß es ein altes Indianerweib sey, das von Wasser triefend besinnungslos und nur noch schwach athmend vor ihnen lag. Dieser Spott und dieses Gelächter hinderte dieselben jedoch nicht, alles mögliche zu thun, die Arme wieder zu beleben. Sie flößten ihr die geringen Ueberreste aus ihrer Branntweinflasche ein, suchten sie durch das Bedecken mit ihren eigenen noch trocknen Kleidungsstücken zu erwärmen, und so gering auch die Hülfreichung war, die sie ihr schaffen konnten, so gelang es doch, sie bald ins Leben zurückzubringen. Sie blickte mit matten Augen um sich, und als ob sie etwas vermißte, stieß sie ein lautes Jammergeschrei in indischer Sprache aus. Bald jedoch, wie ein wenig zur Besinnung gekommen, klagte sie in gebrochenem Englisch über einen erlittenen großen Verlust und erzählte weinend, sie sey ausgegangen, für ihren todtkranken Enkel Kräuter und Blüthen zu suchen; und dieser wäre gewiß verloren, wenn ihr die gefundenen durch das Wasser weggeschwemmt und nicht wieder zu erlangen wären, denn sie müßten, um wirksam zu seyn, gerade in der Mittagsstunde gesammelt und noch vor Mitternacht angewendet werden. Den nächsten Tag jedoch erlebe ihr Enkel nicht mehr ohne diese Hülfe. Sie versuchte sich zu erheben um nachzusehen, ob das Bündel, worin jene Kräuter gepackt wären, noch sichtbar sey, aber ihre Schwäche erlaubte ihr dieß noch nicht und sie sank matt und kraftlos auf ihr Sandlager zurück.

Der menschenfreundliche John eilte jedoch an den Eingang und sah in einiger Entfernung am jenseitigen Rande des angeschwollenen Gewässers, an einem stumpfen Baumast, ein Bündel hangen, mit welchem der Strom spielte und es alle Minuten wegzuführen drohte. Ob nun gleich das Wetter noch mit gleicher Stärke forttobte, John vor Nässe und Frost zitterte, so zögerte er des Zweckes wegen doch keinen Augenblick, sich noch einmal in die Fluthen zu stürzen und jenes Bündel herbeizuschaffen. Die Alte schien erfreut, als sie es aus seinen Händen empfing, ohne jedoch große Dankbarkeit darüber zu äußern. Nicolaus billigte sein Benehmen, David jedoch fluchte über seine Thorheit, daß er sich noch einmal in die brausenden Gewässer gewagt, blos um einer alten elenden Indianerin einen Gefallen zu thun, durch deren Sippschaft vielleicht so mancher ehrliche weiße Krieger den Tod gefunden habe.

Einige Zeit ruhte die Alte noch. Unterdeß hatte das Wetter ausgetobt; der Sturm hatte sich gelegt, und nur ein schwacher Regen fiel noch auf die Bäume herab. Man hatte sich mit der dampfenden Speise erquickt und gesättigt. Auch die Alte hatte von einem ihr durch Nicolaus angebotenen saftigen Stück einige Bissen gegessen und schien so ziemlich erholt. Es war noch nicht sehr spät am Tage. Die Indierin erhob sich von ihrem Lager und lud nun die Krieger ein, ihr in ihren etwa noch eine gute Wegstunde entfernten Wigwam zu folgen, wo sie ein gutes Mooslager, Maisbrod und getrocknetes Fleisch von Wildpret finden sollten; auch versprach sie, daß sie ein guter Führer nächsten Tages auf den rechten Weg bringen solle. Die Einladung wurde freudig angenommen, und selbst David, der bis jetzt nur spottend und brummend den Dienstleistungen zugesehen hatte, verweigerte nicht Gesellschaft zu leisten. Man macht sich also ohne lange Zögerung auf den Weg. Aber kaum war man einige hundert Schritte von dem bequemen Ruheplatz entfernt, als die Alte immer langsamer und langsamer zu gehen anfing und endlich, sich niedersetzend, mit schwacher klagender Stimme erklärte, sie könne nicht weiter. Dieß war nun freilich eine sehr unangenehme Erklärung für alle, und David that den Vorschlag, sie ihrem Schicksal zu überlassen und das schöne Obdach, das ihnen die noch nicht sehr entfernte Höhle darbot, wieder aufzusuchen. Damit stimmten jedoch die beiden andern um so weniger überein, da das alte Weib erklärte, daß dadurch nicht etwa blos ihr eigenes schwaches und elendes Leben, sondern auch das ihres geliebten Enkels verloren gehen müsse. Sie entschlossen sich also kurz und benutzten einige, durch den Sturm herabgerissene Baumzweige, um daraus, trotz aller Mißbilligungen Davids, eine Art Trage zu flechten, worauf sie die Alte legten, ihr und ihre eigenen Bündel neben sie, und so den Weg mit ihr fortsetzten. Aber sie waren nicht weit gekommen, als sie eine ungeheure Schwere an ihr fühlten. Die kleine, magere, ausgetrocknete Alte hatte eine Last, wie der größte Riese. John und Nicolaus, die bisher dieses Geschäft ganz allein verrichtet hatten, sahen sich bald genöthigt ihre Bürde abzusetzen, um ein wenig zu ruhen. Sie schlugen dabei vor, daß David sie theilweise, einen um den andern, ablösen möge. Dieser aber verweigerte dieß ganz, sogar auch nur noch eines der Bündel auf sich zu nehmen, um wenigstens nur etwas die Last zu erleichtern. Er schlug vielmehr abermals vor, lieber die Alte ihrem Schicksal zu überlassen und zu ihrem Ruheplatz zurückzukehren, der ja doch wohl wieder würde aufzufinden seyn. Man wisse ja auch nicht, ob man nicht vielleicht zu Indiern kommen könne, die den Dienst, den man einem ganz unnützen Gliede ihres Stammes erwiesen, vielleicht durch Mord und Qualen vergelten könnten. Demohngeachtet ließen beide menschliche Jünglinge sich von dem einmal angefangenen Werke nicht abschrecken, nahmen alle ihre Kräfte zusammen und kamen endlich, nach wohl anderthalbstündiger Bemühung, nach öfterm Absetzen und Ruhen und nachdem die Dämmerung schon eintrat, auf einem freien Platze an, an dessen Rande ein kleines, aber niedliches und keinesweges einem indianischen Wigwam gleichendes Haus, ihnen in die Augen fiel. Kaum auf diesem Platze angekommen, kam Bewegung in die, fast auf dem ganzen Wege sprachlos gebliebene, scheinbar halbtodte Indierin. Leicht wie ein Reh sprang sie von der Trage herab und eilte mit den Schritten eines jungen flüchtigen Mädchens nach dem Hause zu. Bei den, durch ihre getragene Last fast ganz gelähmten und erschöpften Jünglingen konnte der Zorn kaum Platz vor dem Erstaunen finden. Beschämung vor dem spottend lachenden David, der ihnen ihre Thorheit jetzt vorhielt, und wirklich auch eintretender Verdacht einer vorzüglichen Hinterlist dieses so schändlichen, äffenden Weibes, waren die ersten Gefühle, deren sie fähig wurden. Sie wollten eben eine ernste Berathung beginnen, was hier anzufangen, als sie die Thüre des Hauses knarren hörten und als sie sahen, daß ein anständiger Mann im mittlern Lebensalter und von der Tracht eines wohlhabenden Farmers heraustrat, welcher ihnen in gutem Englisch zurief, näher zu kommen und in sein Haus einzutreten. Das Ansehen des Mannes, der Klang der wohlgesprochenen Muttersprache verscheuchten auf einmal allen Verdacht, und sie folgten ohne Zögerung der Einladung desselben. Auch das Innere des Hauses hatte keinesweges das Ansehen einer indischen Wohnung. Es war bequem, mit einfachen, aber gut gearbeiteten Meubles versehen, einige Schildereien hingen an den wohlgeweißten Wänden und in dem mit grauen Marmor eingefaßten Kamine brannte ein lustig loderndes Feuer. Neben dem ältlichen Manne waren zwei junge allerliebste Mädchen in zierlicher reinlicher Kleidung mit gegenwärtig, die ihnen entgegenkamen und freundlich die Hände boten. Man rückte den ganz durchnäßten sogleich Stühle an das warme Kamin und beeilte sich, durch ein erwärmendes Getränk das erloschene Feuer ihres Blutes wieder anzufachen und ließ bald darauf ein erquickendes kräftiges Abendbrod folgen, wobei die Mädchen die Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit selbst und ihr wahrscheinlicher Vater ungemein traulich war. John und Nicolaus fühlten sich sogleich in dieser kleinen liebenswürdigen Familie wie zu Hause. David behielt jedoch etwas Fremdes und Gezwungenes, ob er sich gleich die dargebotenen Lebensmittel trefflich schmecken ließ. Die Fragen nach der alten Frau jedoch wurden mit einem lächelnden, geheimnißvollen Schweigen beantwortet.

Erst spät suchte man, trotz aller Ermüdung den Schlafplatz, der ihnen sämmtlich in einer Kammer über dem Hause und in reinlichen Betten angewiesen wurde. Während John und Nicolaus durch die Anstrengung des Tages bald sanft entschlummerten und süße Träume von den lieblichen Mädchen sie umgaukelten, durchkreuzten Davids Hirn so manche Gedanken und er fand nur erst spät die gewünschte Ruhe.

Die Sonne hatte bereits schon ihren täglichen Weg am Horizont begonnen, als die Gefährten erst erwachten, welche sich seit vielen Tagen zum erstenmale wieder durch weiche sanfte Ruhe gestärkt fühlten. Sie eilten sich anzukleiden und in das Wohn- und Speisezimmer herabzukommen, in welchem sie bereits zwar ein reichliches Frühstück serviert, aber keine Bewohner fanden. Sie brauchten jedoch nicht lange zu warten. Eine Thür öffnete sich und hereintrat eine Frau, in welcher sie sofort ihren gestrigen Schützling, die alte Indianerin, erkannten, ob sie gleich in ganz veränderter Gestalt erschien. Ihre Kleidung war heute die einer alten wohlanständigen Dame in Haustracht und ihr gestern fast absterbendes Gesicht hatte heute einen Schein von Munterkeit und Gutmüthigkeit, wovon es gestern keine Spur gezeigt hatte. Ihr Auge glänzte von einem Feuer, das man fast überirdisch nennen konnte. – Ihr habt mir gestern, so wendete sie sich an John und Nicolaus, einen großen Dienst erwiesen, oder wenigstens den Willen gezeigt, mir ihn zu erweisen. Ihn zu lohnen ist meine angenehme Pflicht. Hier nehmt Dieses, – indem sie jedem einen schweren Beutel reichte – doch dieß nicht allein sey euer Lohn, ihr werdet weiter noch die Spuren meiner Erkenntlichkeit finden. Dir, so wendete sie sich an David, bin ich nichts schuldig, dir lohne ich nichts und schade dir nichts.

Ihr alle werdet bald das Ziel eurer Wanderung erreicht haben. Folgt sorglos diesem Führer, – indem sie auf ein kleines, lustig um sie herumspringendes Hündchen zeigte – er wird euch sicher leiten. Doch fürs erste erquickt euch noch durch Speise und Trank. Und ehe noch die Jünglinge etwas darauf erwiedern konnten, entfernte sie sich schnell durch dieselbe Thür, durch die sie hereingekommen war.

Das erste was man that, war jetzt, die Schnur der Beutel aufzuziehen, und wer beschreibt den freudigen Schreck der Zweie, als sie ihn mit spanischen Goldstücken angefüllt fanden. David hingegen sah mit neidischem Zorn darauf. Er würgte, als man sich an die wohlbesetzte Tafel setzte, die guten Speisen grollend hinunter und war kaum fähig ein Wort hervorzubringen.

Da sich weder die lieben Mädchen von gestern, noch ihr Vater, noch sonst Jemand im Zimmer, noch im Hause sehen ließ, und da das zum Führer gegebene Hündchen viel Ungeduld zeigte, so zögerte man auch nicht länger mit der Abreise. Der Tag war herrlich, Wald und Flur köstlich erfrischt. Es war gerade in der Zeit des blüthen- und wonneduftenden Frühlings, der in Amerika leider so kurz ist. Die dunkelgrüne Walddecke über ihnen perlte noch überall von Tropfen, die der gestrige Regen und der Morgenthau auf den Blättern zurückgelassen hatte. Aus dem frischen Grün schimmerten die vielfarbigen Blüthen der Fruchtbäume des Waldes hervor, und der Boden war mit dem herrlichsten Teppich schöner, bunter Blumen bedeckt. In den Zweigen der Bäume tummelte sich zahlloses Gefieder und ließ sein unharmonisches Concert erschallen, wobei der Spottvogel mit eingeübter Stimme aller Lied schäkernd nachäffte. Heiterkeit und Frohsinn erfüllte das Herz des John und Nicolaus, Groll, Habsucht und Tücke das des David. Einsilbig und heillose Plane brütend, ging er neben ihnen her und stimmte nicht ein in die lustigen Gesänge, die seine Gefährten durch den Wald erschallen ließen.

So gingen sie rasch fort, bis die Sonne ihre Mittagshöhe erreicht hatte und senkrecht durch die Bäume auf ihre Häupter fiel. Da beugte ihr kleiner Führer vom Pfade ab in den Wald hinein, rufte sie bellend nach, und auf einem kleinen, von Bäumen freien Platze sahen sie auf hohem grünen Rasen ein Zelt von Leinwand aufgeschlagen, in dessen Innern sie einen wohlbesetzten Tisch bereit fanden.

So unerwartet es ihnen auch vorkam, hier in dieser Einöde auf einmal so wohl bedient zu werden, so waren sie doch seit gestern an Sonderbarkeiten gewöhnt und langten, ohne viele Complimente gegen den unsichtbaren Wirth, nach den auf dem Tische in reichem Maaße befindlichen Speisen. Sie ließen es sich trefflich schmecken, nur der fortschmollende David schien jeden Bissen hinabzuwürgen, und der Freudebringer, der Wein, der in zwei gefüllten Flaschen mit auf dem Tische stand, flößte John und Nicolaus frohe Heiterkeit ein, während er bei David einem ganz andern Dämon Eingang verschaffte.

Nach Beendigung des guten Mahles, an dem das lustige Hündchen reichlichen Antheil hatte, beschlossen sie, die liebliche Kühle im Zelte und das weiche, den Boden bedeckende Gras zu benutzen, und ein wenig Mittagsruhe zu halten. Ihr Hündchen selbst ging ihnen mit seinem Beispiele vor und streckte seine niedlichen Glieder auf den von Blumen duftenden Boden. Nicht lange, so waren John und Nicolaus in den sanftesten Schlummer gesunken, den Müdigkeit, Frohgefühl und ein gutes Gewissen nur geben können.

David jedoch saß wachend neben ihnen. Neid, Habsucht und die Gier nach ihren goldgefüllten Beuteln, hatte sich schon seit frühem Morgen in seine unbewachte Seele geschlichen, und der böse Feind, im Bunde mit diesen Aufregungen, flößte ihm den Gedanken an Meuchelmord ein. Kaum war dieser in seinem Innern laut geworden, als er auch seine Flinte ergriff, um ihren Kolben auf Johns Haupt zu schmettern. Im Nu aber fühlte er seine Arme mit einer unwiderstehlichen Gewalt ergriffen, sie wurden ihm auf den Rücken gezogen, und ehe er sich nur umsehen konnte, fest darauf zusammen geschnürt. Als der Schreck ihm erlaubte aufzublicken, sah er einen riesenmäßigen Indianer mit Tomahawk, Bogen und Pfeil furchtbar drohend hinter sich stehen. Auf den Schrei des Entsetzens erwachten die Gefährten und wollten nach ihren von David etwas auf die Seite gelegten Gewehren greifen; allein ein bloßer Schwung mit dem Tomahawk des Indianers hatte die Folge, daß sie steif und wie gelähmt auf dem Rasen liegen blieben; dieser aber trieb David, nachdem er ihm sein Bündel über die Schultern gehangen und sich der Flinte desselben bemächtigt hatte, mit Kolbenstößen zum Zelte hinaus, ohne auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Sogleich sprangen die nun wieder Bewegung gewinnenden Gefährten auf und wollten ihre Gewehre abfeuern, um den Gefangenen zu retten. Aber der Eingang des Zeltes war wie mit einem unsichtbaren Stahlnetz umzogen, und es war ihnen nicht möglich, die Hähne ihrer Gewehre aufzuziehen, sie konnten nur noch sehen, wie sich der Indier und David in das Dunkel des Waldes verloren und endlich spurlos verschwanden.

Erstaunt und erschrocken sahen sie um sich. Ihre eigenen Sachen lagen noch unberührt in einem Winkel des Zeltes. Die übrig gebliebenen Speisen standen noch auf dem Tische, und selbst aus einer halb voll gebliebenen Weinflasche war sichtbar kein Tropfen heraus. Das bisher ruhig gebliebene Hündchen hob sich behend und sprang bald wieder lustig und wedelnd um sie herum. Die Ahndung, die sie gehabt, daß sie unter der Aufsicht und unter der Leitung einer höhern, übermenschlichen Macht seit gestern stünden, wurde ihnen nun gewiß. Auch zweifelten sie nicht, daß David durch sein Benehmen den Zorn jener Macht auf sich gezogen habe und diese durch einen dienstbaren Geist ihn zu Qual und Strafe ziehe. Sie beeilten sich deshalb diesen Ort zu verlassen, wozu auch das vorauseilende Hündchen sie aufzufordern schien.

Die Hoffnung, daß diese Macht jenen Unedlen zur Strafe ziehe, sie selbst aber merklich begünstige, verscheuchte bald ihren Schauder und das unheimliche Gefühl; sie schritten daher muthig und fröhlich durch die Waldesschatten dahin, bis die Sonne sich immer tiefer und tiefer gesenkt hatte. Da stießen sie auf ein am Wege liegendes kleines Breterhäuschen, in dessen offene Thüre ihr kleiner Führer bellend hineinhüpfte und schnell znrückkehrend Zeichen von sich gab, ihm nachzukommen. Sie traten ein und fanden das Innere recht artig für Reisende ausstaffirt. In der Mitte stand ein Tisch mit dampfenden Speisen und weißem, frischen Brode besetzt. Eine hohe Kaffeekanne dampfte in einer Ecke, daneben eine Schaale mit fettem Rahm, auch zwei hohe Tassen hatte man nicht vergessen. Der Schein einer von der Decke herabhängenden Lampe ließ das Gold des Weines, den Inhalt zweier großen crystallenen Flaschen, glänzend hervorschimmern. Zwei Feldstühle waren an den Tisch geschoben und in einem Winkel des Hauses lagen zwei elastische Matratzen, mit schneeweißen Kopfkissen und leichten wollenen Decken. Alles kündigte deutlich die zarte, liebreiche Vorsorge des gütigen, wunderbaren Wesens an, das sie in seinen Schirm genommen hatte. Sie folgten auch, ohne weitere Einladung, dem deutlich sichtbaren Willen desselben, und wenn auch ein Schauder über die Nähe von etwas Uebermenschlichem sie befiel, so schwemmte doch bald der feurige Labetrunk diesen hinweg. Nachdem sie ihr herrlich mundendes Mahl eingenommen hatten, strecken sie die müden Glieder auf die schwellenden Matratzen und entschlummerten sanft und ruhig unter dem Conzert der Nachtvögel und Heimchen des Waldes.

Ein wunderlieblicher Morgen erweckte sie wieder, und schon beim Erwachen bemerkten sie, daß abermals ihr Tischchen so trefflich besetzt war wie immer. Sie nahmen rasch das gute fertige Mahl ein und machten sich wieder auf den Weg, dessen Ende sie, nach den Aeußerungen ihrer Gönnerin, nun nahe glaubten. Auch waren sie an diesem Morgen kaum eine Wegstunde gegangen, als der Wald sich öffnete und der prächtige Ohio-Strom, von den Strahlen der Morgensonne vergoldet, vor ihren Augen lag. An der Stelle, wo ihr Hündchen sie aus dem Walde geführt hatte, lag am Ufer befestigt ein niedliches Schiffchen mit Seegel und Mast, in welches ihr Führer sogleich sprang. Sie folgten ihm ohne Zögerung und augenblicklich löste sich das Schiffchen vom Ufer los, das Seegel spannte sich fest, ein frisches Lüftchen schwellte es und pfeilschnell schoß es, ohne zu wanken, nach dem jenseitigen Ufer, wo es sich an einer freien, mit grünem Rasen und Blumen bedeckten Stelle anlegte und den Reisenden bequeme Gelegenheit zum Aussteigen darbot. Sie folgten auch hier wie überall ihrem lustigen, treuen Führer, der sie auf einem gebahnten Wege noch eine kleine Strecke weiter führte, wo eine ganz neue Verfensung ihnen zeigte, daß sie nun wieder in von Menschen bewohnten Gegenden wandelten. Ein schönes zweistöckiges Ziegelhaus und eine kirchartige Schweitzer-Scheuer überragten und schimmerten roth hinter einer Gruppe von Aepfel-, Pfirsich- und Kirschbäumen hervor, die eben in schönster Blüthe standen. Ihr Hündchen sprang eine Strecke die Verfensung hinab und bald zu einer Lattenthür hinein, die in derselben angebracht war, und von da auf einem schönen, mit Sand chaussirten Wege, der breit genug war, um mit Wagen befahren zu werden, nach dem Hause. Um das Haus selbst herum bemerkten sie einen, mit den schönsten Küchengewächsen vor kurzem erst frisch bepflanzten Garten, dessen schöne, gerade, grasfreie Gänge mit herrlichen, eben knospenden Rosen und blühenden Fruchtsträuchen besetzt waren. Sie folgten nun ihrem kleinen Führer an das Haus und in das offenstehende Wohnzimmer, welches sie glänzend rein und mit einfachem, aber neuen Geräthe besetzt fanden. Auf einem in der Mitte stehendem Tische fanden sie einen Zettel, und wer beschreibt ihre Verwunderung und Freude, als sie in schöner, deutlicher Schrift darauf lasen:

»Dies ist das Land, das der Congreß dem John »B. als Eigenthum übergeben hat, Freundeshände haben es ihm wirthbar gemacht, und alles, was er darauf findet, ist sein Eigenthum.«

»Auch Nicolaus N. wird sein Land gleich vorbereitet finden und ist ebenfalls unbeschränkter Herr »von allem was sich darauf befindet.«

Und was sich auf John's Lande fand, war nicht wenig. Mehrere Acker waren mit Mais, Waitzen, Roggen, Gerste, Hafer, Erbsen und Bohnen besäet und standen im schönsten Flor; auf schönen Wiesenstücken, die durch besondere Verfensungen geschützt waren, weideten 20 Stück Rindvieh, 6 Pferde und eine Schafheerde. Der Hof war mit allen Arten Federvieh bedeckt, und in dem Walde tummelten sich eine Anzahl halb wilder Schweine, kurzbeinig und braun von Farbe. Bei diesen Herrlichkeiten von außen hätten sie bald vergessen nach dem zu sehen, was in dem Hause selbst noch sich befinden könne. Alle Zimmer waren mit einfachen, doch netten Möbels besetzt, aus einem Schranke im Hause schimmerte die herrlichste, feine, weiße Wäsche, in einem andern waren feine Staats- und auch leichte, dem Klima angemessene, Sommerkleider aufgehängt. Aus einer Speisekammer dufteten ihnen eben aus dem Ofen gekommene, schöne, weiße Brode entgegen. In mehrern Fässern war eingepöckeltes Schweine- und Rindfleisch und eine Anzahl schöner Schinken und Speckseiten hing an der Decke. Mehrere lange Kisten waren mit dem feinsten Mehle angefüllt. Von der Speisekammer aus kam man in den Keller, wo einige Fässer des herrlichsten alten Cyders lagen.

In dem oberen Raume waren mehrere schöne, freundliche Schlafgemächer, mit 6 zweimännnischen Betten mit den trefflichsten Matratzen und dem feinsten Leinenzeuge, und auf dem Speicher lagen mehrere hohe ausgedroschene Getraidehaufen. Kurz überall, wo man hinsah, fand man eine höchst wohleingerichete, zwar ganz neue, aber mit Vorräthen so gut wie eine längst bestehende Wirthschaft versehen.

Nachdem sich beide an den vieles Herrlichkeiten sattgesehen, eilten sie nun nach Nicolaus Land, das, wie sie schon wußten, unmittelbar an John's grenzte. Sie fanden hierin nichts weniger als auf John's Lande und beide Besitzungen schienen ganz nach einem Plane angelegt zu seyn.

Sie genossen mehrere Tage die Freude, sich in ihren herrlichen Settlements umzusehen und entdeckten überall neue Reichthümer und alles so wohl vorbereitet, daß ihnen die erste Zeit ihres Aufenthalts, die sonst für jeden neuen Ansiedler eine so schwere ist, fast ohne Arbeit vergehen konnte. Das einzige, was diesem Paradiese zu fehlen schien, waren Menschen, denn nachdem sie mehrere Tage in ihrem Eigenthum und in der Nähe herumgestrichen waren, hatten sie noch keine Spur davon bemerkt. Alle Ländereien umher bestanden aus Military Lands, solchen Ländereien, die vom Congreß zur Belohnung für die Revolutions-Krieger bestimmt und deren Eigenthümer noch nicht angekommen waren. Als sie aber immer neue Streifereien, hinter Nicolaus Gute, längs dem Ohio hinauf, in einer größern Strecke machten, waren sie ungemein erfreut, abermals auf ein Verfensung zu stoßen, hinter welcher sie in nicht sehr großer Entfernung hübsche ländliche Gebäude erblickten. Sie müßten keine geborenen Amerikaner gewesen seyn, wenn sie nicht sogleich über die Befriedigung gesetzt und nach den Häusern, vor welchen einige junge Leute mit ländlichen Arbeiten beschäftigt waren, zugegangen wären. Diese kamen ihnen auch sogleich, über den hier noch so seltenen Besuch erfreut, entgegen, begrüßten sie mit fröhlichem Händedrucke und führten sie ins Wohnhaus. Hier sollten sie noch ein Wunder erleben. Unter den darin befindlichen Personen erkannten sie sogleich wieder den Farmer mit seinen beiden schönen Töchtern, die sie im Waldhause getroffen hatten. So sehr sie nun auch über dieses unerwartete Zusammentreffen verwundert waren, so äußerten sie doch, schon an so manches Unerklärliche gewöhnt, nichts darüber.

So freundlich überhaupt in dem größten Theile von Amerika jeder Fremde, der ein einzeln stehendes Farmhaus besucht, empfangen wird, so übertraf die Aufnahme, die sie hier fanden, doch wirklich alle Erwartung, vorzüglich bei dem Vater und den beiden jungen Töchtern. Sie waren nicht Fremde, sie waren alte gute Bekannte. Denn es traf sich so sonderbar, daß letztere dreie Nachts zuvor einen sehr freundlichen Traum gehabt hatten, in welchem ihnen die Jünglinge erschienen waren, ganz kenntlich in Kleidung und Gestalt, wie dieselben an diesem Tage bei ihnen einkehrten. Eine enge, genaue Bekanntschaft, ein fast tägliches gegenseitiges Zusammentreffen, war die nächste Folge dieses ersten Besuchs. Und 8 Monate darauf, nachdem die Erndte bereits eingescheurt war und der Winter allmählig anfing mit rauhem Hauche das Grün des umherliegenden Urwaldes mit allerlei Farben zu coloriren, rollten über die holprige Straße daher eine Anzahl Wagen mit jungen Reutern begleitet, die nach der 8 englische Meilen entfernten Kirche fuhren, wo John und Nicolaus, jeder mit einer jener lieblichen Landblumen durch den dortigen Prediger verbunden wurden.

Aber ein ganz anderes Loos hatte sich der unmenschliche David bereitet. Die Arme auf den Rücken geschnürt, sein Bündel übergeworfen, mit Stößen von dem Kolben seiner eigenen Flinte, war er durch den furchtbar aussehenden Indier in den Wald getrieben worden. Hier mußte er auf ungebahntem Wege, durch Dornen, Nesseln und Gebüsch den finstern Wald entlang den Weg gehen, den der Wilde ihm andeutete und wenn er ermatten wollte, wurde er durch frische Kolbenstöße angetrieben. Erst am späten Abende dieses Tages, als sie an einer Eiche angekommen waren, an deren Fuße ein Stück Maisbrod und ein Krug Wasser stand, hielt der Wilde, packte ihn bei den gebundenen Händen, schnitt die Bande durch und befestigte, ehe er sich noch rühren konnte, seine Arme über den Ellenbogen so fest an dem Stamme des Baumes, daß an ein Loskommen nicht zu denken war. Dann bückte er sich, gab ihm in die eine Hand den Wasserkrug und in die andere das Stück Brod, pfiff schneidend und siehe zwei große Bluthunde kamen herbei und legten sich zu Davids Füßen, er selbst aber, der Indier, verlor sich in das Dickicht. So stehend mußte nun David die Nacht in Gesellschaft dieser ihn stets mit Flammenaugen anblickenden Wächter zubringen. Die fest geschnürten Bande schnitten schmerzlich in seine Arme. Der Wasserkrug, den er in seiner Hand hielt, war bald geleert und das Brod entfiel ihm, ehe er es noch halb verzehrt hatte und wurde augenblicklich eine Beute der Hunde. Hunger, Durst, furchtbare Ermüdung und quälende Schmerzen der Bande peinigten ihn unendlich diese grausenvolle Nacht hindurch, in welcher erst am Morgen ein matter Schlummer die müden Augenlieder schloß, der jedoch alle Augenblicke durch die furchtbaren Schreckbilder seiner Phantasie, durch entsetzliche Träume gestört wurde. Der helle Morgen kam endlich träg zurück und mit seinem ersten Strahle auch der Wilde, der ihm abermals ein Stück Brod reichte und zugleich den Wasserkrug bot. Vom Heißhunger und von Durst gequält, verschlang David beides, während jener sich bequem im Grase herumwälzte. Kaum hatte er sein ärmliches Mahl beendet, als der Wilde seinen Tomohawk aufnahm, die Fessel zerschnitt, die ihn an den Baum befestigt hatte, sie aber augenblicklich wieder an die Knöchel seiner Arme legte. Dann deutete er ihm an vorwärts zu gehen, immer fort durch den ungebahnten Urwald, auf pfadlosem Wege, wohin überall die zwei Bluthunde folgten. Ohngefähr zwei Stunden mochte dieser Weg sich gestreckt haben, als ebenfalls der Ohio mit seinen Silbersfluthen vor ihnen lag, an dessen Ufer ein Boot sie erwartete. Der Wilde gebot David durch Zeichen hineinzusteigen, verwehrte dem Todmüden nicht, sich darin niederzulegen, sprang selbst mit beiden Hunden nach, und gab mit einem Fußstoß gegen das Felsenufer dem Boote einen solchen Stoß, daß es mit der Schnelligkeit einer Kanonenkugel gegen das jenseitige Ufer schoß. Nur wenige Minuten hier angelangt, und der kaum ein wenig Ruhende wurde wieder aufgetrieben, und der Weg ging ebenfalls in den das Ufer bedeckenden Wald. Bald jedoch gelangten sie an einen kleinen freien Platz, in dessen Mitte ein Blockhäuschen stand. Hier hinein zu treten wurde David von dem Wilden angedeutet, und ihm, darin angelangt, die Bande von den Händen geschnitten und er sogleich von seinen Begleitern verlassen. Obgleich durch Hunger und Müdigkeit ungeheuer erschöpft, bedurfte es doch wenig Zeit, das Innere des Hauses zu erspähen. Es bestand nur aus leeren Wänden, 2 Klötzen, der eine etwas höher, der andere kleiner, sollten wahrscheinlich Tisch und Stuhl vertreten. Auf erstem stand ein Maisbrod und ein Krug Wasser, ein Haufen Stroh lag in einem Winkel. Der nun von seinen Banden befreite David fühlte in diesem Augenblicke nichts als Hunger, Durst und Müdigkeit. Er nahm Brod und Wasser vom Tische, legte es auf den Fußboden und stürzte sich auf das armselige Strohlager. Doch die Müdigkeit war größer als die übrigen Forderungen der Natur. Kaum hatte er einen Schluck Wasser getrunken und wenige Bissen Brod gegessen, als er in einen tiefen Schlaf versank, von dem er erst erwachte, als sich schon eine tiefe Dämmerung auf den Wald gesenkt hatte. Auch jetzt trieb ihn der Hunger, der jetzt heftig geworden war, wieder nach der Nahrung, wovon er die Ueberreste gierig verschlang und bald darauf, noch an allen Gliedern gelähmt, wieder fest einschlief; gegen Morgen erwachte er, fand seinen Wasserkrug wieder gefüllt und das gestern aufgezehrte Brod durch frisches ersetzt. Zwar schmerzte ihn noch heftig die Stelle, wo die Bande tief in das Fleisch eingeschnitten hatten, aber doch fühlte er, daß die gewaltige Müdigkeit aus seinen Gliedern verschwunden war. Er nahm sein Brod zur Hand und trat aus dem Hause, um zu sehen, wo er sich eigentlich befinde und ob nicht irgendwo ein Weg zur Flucht vorhanden sey. Aber kaum war er 5 Schritte von diesem Häuschen, das übrigens ganz dicht von Wald umringt war, weg, als er auf einmal die Hunde, seine gestrigen Wächter und Begleiter, wie wüthend auf sich losspringen sah, die sogleich an ihm hinaufsetzten, ihr scharfes Gebiß in seine Waden senkten, und ihn sofort nöthigten, eilig zur Hütte zurückzukehren. Er fühlte dabei eine solche Kraft und Gewalt dieser Thiere, daß ihm seine Unfähigkeit zu widerstehen, nur allzuklar wurde. Er sah sich also genöthigt, in dem Hause zu bleiben, in dessen Innern sich kein lebendes Wesen sehen ließ. Einsam und mit erwachenden Gewissensbissen über das, was er früher im Leben auf seinen Kriegszügen gethan und an seinen guten, treuen Gefährten zu thun beschlossen hatte, brachte er nun ganze lange Tage auf seinem ärmlichen harten Lager zu, aller Arbeit, Bewegung und Zerstreuung ermangelnd, wo der Schlaf ihn floh und Kummer und Sorgen gleich giftigen Schlangen in seiner Nähe haußten.

Zwar ward alle Tage sein Brod erneuert und sein Wasserkrug frisch angefüllt, aber dies war auch das einzige, was ihm zukam, und zwar das Brod von ungemein knappen Portionen, so daß er seinen Hunger kaum zu stillen vermochte.

Wochen und Monate vergingen in dieser traurigen Einsamkeit, in welcher er nichts Lebendes sah, als die furchtbaren Wächter, die Hunde, die ihm höchstens erlaubten sich 3 oder 4 Schritte von der Wohnung zu entfernen und ihn stets mit schlimmen Bissen bezahlten, wenn er wagen wollte nur einen weiter zu gehen. Er versuchte endlich die Qual der verzweiflungsvollen Langenweile durch Selbstmord zu endigen, aber auch hierzu fehlte jedes Mittel. Ach hätte er nur wenigstens das Gezwitscher der Vögel hier gehört, aber alle schienen seine Nähe zu fliehen, selbst kein Frosch, kein Heimchen ließ sich nächtlich hören und nur etwa hie und da streckte eine Kupfer- oder Klapperschlange ihren Kopf zu seiner Thüre herein. Gern hätte er in diesen willkommene Werkzeuge seines Todes gesucht, sie ließen sich aber nicht von ihm erreichen, sie flohen, sobald er sich ihnen näherte. So furchtbar ihm nun der wilde Indianer geworden war, der ihn in diese traurige Einöde gebracht hatte, so war er doch fast freudig überrascht, als derselbe eines Morgens in seine Hütte trat. Er trug eine große Axt in seiner Hand und winkte ihm, herauszukommen. Und indem er selbst sogleich zwei Hiebe auf einen der großen in der Nähe der Hütte stehenden Bäume mit solcher Kraft trieb, daß derselbe prasselnd in das Gezweig hineinstürzte, gebot er David ein gleiches zu thun; dieser gehorchte auch augenblicklich. Freilich wurde es seinen durch langes Nichtsthun gelähmten Gliedern schwer die Axt zu schwingen, freilich gehörten anfänglich hunderte von Schlägen dazu, ehe er das vollendete, was der Indier mit zweien, vollbracht hatte. Letzterer stand einige Zeit dabei, ohne über seine schwerfällige Arbeit Ungeduld zu verrathen und verließ ihn endlich, durch Zeichen andeutend, daß er mit mehreren Bäumen in der Nähe so fortfahren möge. Er fühlte, trotz der erforderlichen Anstrengung, eine wahre Herzenserleichterung über dieser Arbeit und ehe der Mittag herankam, lehnten bereits 3 bis 4 der in der Nähe stehenden größten und stärksten an den nahestehenden Bäumen. Obgleich die Hunde immer drohend dabei in seiner Nähe geblieben waren und fast aussahen, als wenn sie ihn zur Arbeit antrieben, so ging er doch, als seine Ermüdung zu groß geworden war, in seine Wohnung zurück und fand auf seinem Baumstumpfe zu seiner Freude nicht allein ein warmes, frisch duftendes Stück Maisbrod, sondern auch zugleich, zum erstenmale seit er hier wohnte, eine kleine Ecke schöner, süßer Butter daneben. Beides mundete ihm nach gethaner Arbeit vortrefflich und das eiskalte Wasser, was neben jenem in dem Kruge stand, schmeckte wie der beste Nektar. Er legte sich ein wenig auf sein Strohlager und nachdem er hier auf die ungewohnte Ermüdung geruht, griff er wieder rasch und muthig nach der Axt, die Nachmittags schon geschickter und schnelles gehandhabt wurde. Die Hunde sahen ihn dabei zwar immer mit ihren blutglühenden Augen an, legten sich jedoch schon in einer größern Entfernung wachend nieder. Er arbeitete nur mit kurzen Unterbrechungen, so lange der Tag es ihm gestattete, und kehrte erst am Abende in die nahe Hütte zurück. Eine hübsche Zahl Bäume, die ihre hohen Nachbarn am förmlichen Umsturz verhindert hatten, waren jedoch bereits schon von ihren Wurzeln getrennt. Auch zum Abendimbiß fand er sein Mahl mit demselben, ihm am Tage gewordenen Leckerbissen, der Butter vermehrt, welches er mit Wohlbehagen genoß und sich dann müde auf sein Lager warf, wo er sanfter als längst vorher entschlief. Am andern Morgen erwachte er erst, als der abermals eintretende Indier ihn aus dem Schlummer störte, dessen Miene jedoch, wie es schien, schon etwas von ihrer Furchtbarkeit verloren hatte. Er deutete auf das daliegende Brod zum Frühstück, wartete ruhig bis dies vollendet war, winkte ihm dann wieder zur Arbeit, auf die Bäume umher zeigend, und machte ihm deutlich, daß er mit der abgebrochenen Arbeit fortfahren möge, welchem Gebot David ohne Zögerung Folge leistete. Er selbst aber machte sich an die abgeschlagenen und noch an ihren Nachbarn lehnenden Bäume, nahm einen nach dem andern weg, und trug ihn mit solcher Leichtigkeit auf eine Stelle, als ob es gewichtlose Spazierstöckchen wären. David konnte sich nicht enthalten, diesem Geschäft einige verwunderungsvolle Aufmerksamkeit zu schenken, welches der Riese auch lächelnd duldete, und ihn, als er in kurzer Zeit sein eignes Werk vollendet hatte, wieder verließ. David arbeitete aber so fleißig fort, als er nur konnte, und ehe der Mittag herkam hatte er schon das Vergnügen, eine ziemliche Zahl Bäume von ihren Wurzelstämmen gelöst zu haben. Erst da verließ er sein Werk und fand mit Freuden in seiner Hütte sein Mittagsmahl, neben der Butter noch mit einem kleinen Kruge schöner, fetter Milch vermehrt, die ihm nicht allein trefflich mundete, sondern ihn auch hoffen ließ, daß bei größerem Fleiße und erlangter größerer Geschicklichkeit sich wahrscheinlich auch sein Schicksal mehrfach verbessern werde. Diese Hoffnung ließ ihn sogar die bisher immer gehaltene Mittagsruhe vergessen, und er eilte, sobald er sich gesättigt, wieder an sein Werk das er, mit immer vermehrter Kraft und Geschicklichkeit begann und durchführte. Am Abend dieses Tages lag schon eine bedeutend große Zahl durchgehauener am Boden, und als er in die Hütte zurückging, fand er auch eine neue Anerkennung seines Fleißes, denn ein warmer Reisbrei duftete ihm entgegen.

Am andern Morgen hatte er eine große, lang entbehrte Freude. Die Strahlen der aufgehenden Sonne, die er bis jetzt nur wie ein Nebelbild durch die hohen Bäume hatte schimmern sehen, vergoldeten zum erstenmale seine Wohnung. Die immerwährende tiefe Dämmerung, in der er bisher gelebt, war gebrochen und ein frisches freies Lüftchen säuselte über die Halmen der den Boden bedeckenden Gräser. Das Erfreuliche dieser Bemerkung, die immer zunehmende Freundlichkeit der ganzen Umgebung, die Hülfe des Indiers, der alltäglich die gefällten Bäume auf einen Haufen zusammenwarf, verbunden mit besserer Kost, denn es gab nun auch täglich Fleischspeisen und sogar Cider, spornten David zu immer größerm Fleiße an. Dabei zerflossen ihm alle bösen Gedanken wie Reif vor der Sonne, und den Vorwürfen seines Gewissens nachzuhängen, hatte er keine Zeit mehr, nur die Hoffnung besserer Tage erfüllte seine Seele.

So kamen bald die Tage heran, wo kalte Nächte die Zeit verkündeten, vor der ihm lange gegraut hatte; der Winter fing an durch den weißen Reif, mit dem er Morgens den nun baumlosen Boden überzog, und durch die Schonungslosigkeit, mit der er die Häupter der Bäume ihres Blätterschmuckes beraubte, sich sein eisiges Quartier vorzubereiten. Die Tage waren zwar immer noch schön und lieblich, und der indische Sommer schien mit Vorliebe auf dem freien Plätzchen, das David dem Walde abgestritten hatte, zu weilen, aber doch konnte er den Gedanken an den herannahenden Feind nicht unterdrücken. In dieser Stimmung trat er eines Tages; nach schwerer, aber gern gethaner Arbeit, in seine Hütte; aber welche Freude, als er seinen Strohhaufen verschwunden und an dessen Stelle eine schöne Matratze mit Kopfkissen fand, über die eine starke wollene Decke gebreitet war. Den Frost, den er vorige Nacht auf seinem Strohlager, bedeckt mit einigen alten Kleidern, überstanden, hatte er nun nicht mehr zu befürchten, der Winter mochte kommen wie er wollte.

Als nicht lange darauf die Kälte immer strenger und ernster wurde, kam eines Morgens sein indischer Aufseher zur gewöhnlichen Zeit mit einem Haufen verschiedenen Arbeitszeugs, zu Drechsler-, Tischler- und Zimmermannsarbeit, das er in einen Winkel der Wohnung warf und worauf er David blos mit dem Finger deutete. Dann ging er nach dem Hintergrund des Häuschens, ergriff sämmtliche Balken der Rückenwand und riß sie aus ihren Fugen wie leichte Rohrstäbe. Wie groß war Davids Freude, als er hinter dieser Wand hervor ein schönes Kamin erscheinen sah. Der Indier nahm die Balken, die er herausgerissen, brach sie mit der Hand entzwei und legte das Holz, schichtweis im Kamine nieder. Er hauchte in die Schicht und siehe, eine Flamme schlug empor und erfüllte bald das Zimmer mit einer erquickenden Wärme. Dies geschehen, trat er zur Thür hinaus in die schon ziemlich kalte Morgenluft, winkte David nach, suchte aus dem schon thurmhoch aufgeschichteten Haufen abgeschlagener Bäume und Strauchwerks einige schöne glatte Stämme zu Nutzholz heraus, deutete sie David an und zeigend auf das mitgebrachte Werkzeug, ließ er David errathen, worauf es eigentlich abgesehen war. Da aber eine empfindliche Kälte diesen Morgen herrschte und der Schnee in dicken Flocken herabzustürzen anfing, beeilte er sich, einen der schönsten ihm ausgelegten Stämme auszusuchen und ihn mit seiner Säge in Stücken zu theilen, um daraus etwas bereiten zu können. Dann trug er das Gefertigte in das erweiterte Haus und fing an ein ihm sehr nöthiges Stück, eine Bettstelle daraus zu zimmern. Diese Arbeit wollte zwar anfangs nicht recht von statten gehen, bald aber fühlte er auch hier eine größere Geschicklichkeit, und nach einiger Zeit stand eine recht nette Bettstelle in der einen Ecke seines Zimmers. Nun konnte er sein schönes Bett von der Erde aufnehmen und hatte auf diese Weise einen bequemern Schlafplatz gewonnen.

Indeß war das Wetter immer strenger und strenger geworden; ein hoher Schnee hatte den Boden bedeckt, der jetzt geklärt und baumlos in ziemlicher Strecke vor ihm lag, so daß David nun ganz auf das Innere seines Hauses beschränkt war. Bereits zur Thätigkeit gewöhnt, fing er jetzt an, Versuche zu machen, sich bessere Tische und Stühle und anderes Wirthschaftsgeräthe zu fertigen. Und es gelang ihm bald; seine bisher so elende Hütte bekam ein angenehmes und comfortables Ansehen. Zugleich schien sein unsichtbarer Versorger sehr zufrieden mit diesen Arbeiten. Alle die Dinge, die zum physischen Wohlseyn des Lebens gehören, gute Nahrung, Kleidung, Wäsche etc. wurden immer auf eine ihm unsichtbare, unbegreifliche Weise herbeigeschafft. In seiner an der Decke herabhängenden Lampe, die immer hell brannte, versiegte das Oel nie.

Einst hatte er eine große Freude, die dem bisher so wilden Krieger kaum zuzutrauen war. Er hatte sich nämlich den Tag über mit so manchen schweren Arbeiten beschäftigt, daß Abends beim Kamine und müde der Körperanstrengung, aber noch nicht zum Schlafen geneigt, sehnte er sich nach irgend einem geistigen Genuß. Da war es, als ob etwas auf dem Tische knisterte, der ihm im Rücken stand. Er sah sich um und siehe, da lag auf einmal ein großes, schön eingebundenes Buch darauf. Er schlug es auf, es war eine Bibel mit herrlichen Bildern verziert. So wenig er nun auch in seinem Kriegsleben irgend eine Sehnsucht nach diesem heiligen Buche gezeigt hatte, so eine große Freude machte ihm dieser unerwartete Fund. Er las darin und schöpfte Trost und Freudigkeit, wenn er Stellen fand, wo geschrieben steht: »Die Güte des Herrn ists, daß wir nicht gar aus sind und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu und seine Treue ist groß.« Oder: »Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes; und ob sie sein vergäße, so will ich doch dein nimmermehr vergessen, spricht der Herr.« Ihre heiligen, so lange Jahre ungehörten und nicht in sein Herz gekommenen Lehren erhoben dasselbe, erfüllten es mit bessern Gedanken und machten es allmählig bereit zur Wiederaufnahme des guten Geistes, den die Greuel des Kriegslebens, in denen er von früher Jugend gelebt, längst daraus vertrieben hatten.

So ging der Winter zwar einsam, aber unter nützlichen Beschäftigungen hin, und als der Schnee wegschmolz, lauere Lüftchen wehten, ein warmer Regen herabströmte und schnell aus den Baumzweigen, die bis jetzt von Schnee und Eis gebogen waren, Blätter und Blüthen hervorschossen, war David schon ein ganz anderer, ein umgewandelter Mensch geworden.

Da trat eines Morgens der Indier, der ihn den Winter über nur sehr selten besucht hatte, zu ihm hinein und brachte abermals eine Menge Werkzeuge, die der Gärtner braucht: Spaten, Schaufel, Hacke, Baumsäge, Rechen, Scharre, Stichel etc. und deutete ihm an, das Land rings um die Hütte herum aufzustechen und aufzuwerfen, um sich einen Garten zu bereiten. Ein angenehmerer Auftrag konnte wohl nicht für David kommen. Schnell machte er sich darüber, grub rasch eine große Strecke, ordnete das Umgeworfene schön in Beete, in der Mitte derselben, mit Hülfe der straffgezogenen Schnur, einen breiten Weg hindurch führend. Nach einigen Tagen war ein schöner großer Raum vor der Hütte vorbereitet. Sein indischer Aufseher kam und brachte ihm große Bündel mit allerhand Pflanzen zu Küchengewächsen: Kraut, Kohl, Blumenkohl, der duftende Sellery fehlte nicht, eine Menge Sämereien, unter andern Kürbis, Melonen, Möhren, Bohnen, Erbsen, und anderer Saame war dabei; David eilte, auf das Innere der abgetheilten Beete alles dieses zierlich anzubringen und bald stand recht schön und freundlich der Platz vor dem Hause. – Dieses vollbracht, kam in früher Morgenstunde des nächsten Tages neue Arbeit und neue Freude. Der Indier brachte ein Bündel junger Bäume und Strauchwerk herbei. Jedes Stämmchen hatte den Namen seiner Fruchtart auf blechernem Täfelchen bezeichnet. Er bemerkte ihm dies und überließ es ihm, sie zu pflanzen und über die Beete zu vertheilen.

Bald stand ein ländlicher Gatten, so schön als er nur irgendwo zu finden war, und mit den besten Gemüsearten, Bäumen, Sträuchen und sogar Blumen verziert, fertig da. Er nahm so ziemlich den ganzen Raum ein, der zu Ende des vorigen Jahres noch von Bäumen hatte befreit werden können. Dann aber gebot der Indier noch mehr Bäume umzuhauen und noch mehr Wald zu lichten, um, wie er sich alles durch Zeichen merken ließ, in andern Jahren Felder anlegen zu können. Gewandt und geschickt handhabte David jetzt die Axt. Ein Baum fiel nach dem andern und immer freier und freier wurde der Platz. Jetzt fing er sogar schon an einzelne schöne, dick belaubte Parthieen als Schattenberger stehen zu lassen. Nur die nöthigen Arbeiten im Garten: das Behacken, Jäten etc. unterbrachen das Holzschlagen. Als der Sommer vorübergegangen war und der Herbst mit aller Pracht, die ihm hier eigen ist, eintrat, war ein großer Platz bereits klar und der Indier erklärte, es sey genug. Er nahm dann wieder mit seiner gewöhnlichen Riesenkraft mehrere Baumstämme aus einem hohen, von ihm aufgeschichteten Haufen und gebot mit seiner bedeutungsvollen, stillschweigenden Art, diese zu behauen, indem er andeutete, daß damit ein Gebäude aufgeführt werden müsse. David ergriff recht gern, schon der Abwechselung wegen, dieses neue Geschäft und ehe der Winter wirklich herankam, war eine hinreichende Zahl Stämme glatt behauen. Der Indier nahm sie darauf, einen nach dem andern, hieb selbst Fugen in ihre Ecken und in einem einzigen Tage hatte er mit seiner übermenschlichen Geschwindigkeit und Stärke eine schöne, große Scheuer aufgebaut, nebst einer Stallung, der nur noch die Schindeldachung fehlte. Die Schindeln dazu im Hause zu machen, als Winterarbeit, das deutete der auf die gewöhnliche Weise an. Jetzt hatte David zu eilen den Segen seines Gartens in einige bereits schirmende Gemächer der neuen Gebäude zu bringen. Er bekam nun keine zubereitete Speise mehr und war also genöthigt sich das, was er bedurfte, selbst zu kochen. Bereits war er schon mit vielen Nahrungsmitteln, als Frucht seiner eigenen Thätigkeit, versehen; alle Arten Gemüße hatte ihm sein Garten geliefert, und in dem neu erbauten Speicher hatte er auf einmal Kochgeschirr, Salz und mehrere Fäßchen getrockneten und gepökelten Fleisches gefunden. Auch ein ziemliches Fäßchen Cyder fehlte nicht, – und eines Morgens stand eine feine, blanke Kuh mit vollem Eiter vor seiner Thüre. Nur frisches Brod fand er in der Regel alltäglich auf seinem Tische, das einzige, womit ihm die Mühe der Bereitung noch erspart wurde. So sehr nun David während seines bereits länger als 1 ½Jahr dauernden Aufenthaltes in dieser jetzt umgeschaffenen Einöde begriffen hatte, daß Arbeit und blos Arbeit das Einzige war, was den traurigen Zustand der Einsamkeit ihm leichter machen konnte, so war ihm auch die jetzt gekommene Nothwendigkeit, immer mehr für sich selbst zu sorgen, jetzt sehr willkommen, um so mehr, da die rauhe Jahreszeit herannahete. Er trat endlich ein, der Winter, und dieser verging, trotz der Einsamkeit, bei nützlicher Arbeit und Gebet, – denn schon längst hatte David herzlich beten lernen, – schnell und nicht traurig. Der Frühling kam wieder, neue Arbeiten, bisher noch nicht geübt, mußten vorgenommen werden. Die große Strecke geklärten Landes wurde umgepflügt, wozu der ihm schon mehr zum Gehülfen als Aufseher gewordene Indier einen Pflug und ein schönes, junges Pferd zuführte, und dann mit Mais, Weitzen, Gerste, Hafer, Bohnen, Erbsen, Buchweitzen besäet. Auch das wohlriechende Unkraut, der Tabak, wurde auf einer großen Fläche gepflanzt. So kam endlich der 3te Herbst heran und alle Arbeiten in diesem Jahre waren David so von statten gegangen, als wenn 3 oder 4 unsichtbare Hände mit den seinigen verbunden gewesen wären. Ehe der 3te Winter herbeikam, wurde an dem starken Bache, bis wohin die Klärung des Waldes sich bereits ausgedehnt hatte, eine schöne Mühle in einem Umfange gebaut, daß sie für tausende von Menschen das nöthige Mehl liefern konnte. Dabei stand ein nettes Wohnhaus mit mehreren Zimmern und allen Meubels und Bequemlichkeiten versehen, welche letztere David, mit einer ihm selbst unbegreiflichen Geschicklichkeit, gefertigt hatte.

David war längst kein Gefangener mehr; seine früheren Wächter, die großen Hunde, waren zwar noch immer bei ihm, verwehrten ihm aber nicht mehr zu gehen, wohin er wollte und waren gegen ihn jetzt so demüthig und treuergeben, wie andere ihres gleichen ihrem Herrn. Aber wenn er eine Strecke in seinen Urwald hineindrang, so stieß er, er mochte auch eine Richtung wählen, welche er wollte, zuletzt immer auf solch dichtes Geheck von Dornen-Geflecht, daß es unmöglich war weiter zu dringen. Ein schönes, wohlangebrachtes, weitläufiges Grundstück stand da, auf dem alles wuchs, was zur Ernährung zahlreicher Menschen nothwendig war. Eine Herde trefflicher Rinder besaß er schon, sein Hof wimmelte von Federvieh, sein Wald von Schweinen, mehrere muntere Pferde weideten auf den weitläufigen Wiesen, aber nur er allein war der Nießbraucher von allen diesen Reichthümern, die in Scheuern und Ställen aufgestapelt werden mußten.

Dieses Gefühl machte es, daß der vierte Winter ihm fast trauriger verging als der erste, den er hier zugebracht. Großer Ueberfluß und Segen überall, aber keine Menschen, die denselben mit ihm theilen konnten. Alles zu schönster Bequemlichkeit, aber keine andern Gefährten, als sein unvernünftiges Vieh, das um ihn herumtrieb. Dem Indier nur ein Wort abzugewinnen, war ihm die ganzen 4 Jahre seines Aufenthalts nicht gelungen, obgleich seine Miene längst alles Furchtbare verloren und stets eine größere Freundlichkeit angenommen hatte. Welche Musik wäre für ihn der Ton einer menschlichen Stimme gewesen!

So kam das 4te Frühjahr seines jetzigen Aufenthaltes herbei und sollte auf ein wahrhaftes kleines Paradies scheinen. Da beschloß er sehnsuchtsvoll an einem schönen Frühlings-Abende einen Spaziergang in den Wald und traf endlich einmal auf eine Stelle, wo ihm zu weiterm Vordringen kein Hinderniß in den Weg trat. Fröhlich ging er immer tiefer hinein, als – wer beschreibt sein Entzücken – eine Fensenlinie sich ihm den Weg stellt. Wer war eiliger als er, diese zu überspringen, in der gewissen Aussicht, mit andern ihm gleichen Wesen zusammen zu treffen. Er hatte auch nicht weit zu gehen, als ein schönes, von Wirthschaftsgebäuden umgebenes Wohnhaus von Ziegelsteinen ihm entgegen schimmerte. Unfern von diesem Hause war unter dem Schatten von Sincamore-Bäumen eine Tafel aufgestellt, um die herum, auf Bänken und Stühlen, mehrere Menschen beiderlei Geschlechts schmausend in muntern Gesprächen saßen. Zwei schöne junge Weiber, die Gesellschaft leisteten, hatten Säuglinge an der Brust, und einige andere 2 und 3jährige Kinder tummelten sich in dem hohen Grase herum. Er selbst war, fast von allen unbemerkt, bis ganz in ihre Nähe gekommen als die jungen Männer ihn zuerst erblickten und mit dem Ausrufe: David! auf ihn zusprangen. Es war John und Nicolas, die hier mit den Ihrigen den schönen Abend genossen und die seit 4 Jahren alles Glückes, das ländliche Ruhe, Ueberfluß und innere Zufriedenheit geben können, theilhaftig waren. Sie wußten das Verbrechen nicht, das er einst an ihnen begehen wollte und empfingen ihn alle mit freudiger Herzlichkeit; obgleich das Gefühl von Beschämung und das Drückende seiner ehemaligen Schlechtigkeit für ihn die Freude dieses Wiedersehens minderte, so erhob doch diese Freude das Dankgefühl für die Macht, die ihn von seinem Verbrechen liebevoll zurückgehalten und ihn selbst durch eine lange aber doch gütevolle und gerechte Strafe, in einen bessern Menschen umgewandelt hatte. Nur einige Minuten des gegenseitigen Erstaunens und alle lagen sich herzlich in den Armen und alle fühlten die Wonne des Wiedersehens und der Hoffnung sich nicht wieder zu trennen. Die Weiber und die Kinder standen um die Gruppe und sahen verwundert zu, als sich die Gesellschaft, von allen unbemerkt, auf einmal noch um eine Person vermehrt hatte. Mitten unter ihnen stand die allen wohlbekannte Gestalt der mächtigen Alten aus dem Waldhäuschen. Aber sie war nicht mehr die bleiche, gelbe Indianerin oder die Dame, die mild ihnen lohnte, sie hatte sich in ein schönes, hohes, ehrfurchtgebietendes Wesen umgewandelt, aus dessen Augen ein überirdisches Feuer glänzte. Ein Ehrfurchts- und Dankgefühl drückte alle auf ihre Kniee nieder, doch sie winkte ihnen ernst und sprach:

»Nur dem Allmächtigen, nicht mir gebührt Anbetung. Die Macht die mir wurde und die ich anwendete zu euer aller Wohl, verdanke auch ich ihm. Mein Werk an euch ist vollendet, ich sehe euch froh, glücklich, und dich, auf David zeigend, gebessert und fähig Glück zu genießen. Ich eile jetzt fort aus diesen Gegenden, mein Werk ist hier vollbracht. Ich bin Dienerin des Höchsten, wie ihr. Mein Beruf ist vorzueilen der Civilisation, Punkte zu gründen, wo ein geeignetes Feld sich bietet und diese mit meinen Schützlingen zu besetzen. Das bisher wüste Land am Ohio wird bald zu einem blühenden Staate sich erheben, erfüllt mit glücklichen, frohen Menschen. Der Rücken seines Stromes wird bald von Schiffen wimmeln, die die Segnungen des einen Endes dieses zu hohem Ruhm und Glück bestimmten Landes, mit dem Platze verbinden wird, wo der Missippi seine Fluthen ins mexikanische Meer ergießt. Ihr selbst werdet, in treuem Vereine, alle die Freuden genießen, die Menschen beglücken können, und auch dir, David, werden sie nun nicht mehr entgehen. Was du dir bautest, was du dir mit Hülfe meiner dienstbaren Geister schafftest, ist dein Eigenthum und zu deinem Glück und Genuß bestimmt.«.

»Doch nun lebt wohl. Mein Geschick treibt mich fort. Ich muß weiter nach Westen, hin an die Ufer des Misouri, Missisippi und Illinois, zur Aufnahme neuer Völker. Lebt wohl, lebt wohl! Ich verlasse euch, doch mein Segen bleibt euch und wird euch beglücken.«

Sie verschwand; alle blieben lange in sprachloser Ehrfurcht stehen.

Und sie hatte richtig vorhergesagt. Die Gegend, in der sie lebten, hatte sich bereits belebt; überall waren schon neue Farmes entstanden und gediehen so schön, als wenn überall die Hülfe dienstbarer Geister sichtbar sey. Als David zu seinen Freunden gelangen konnte, hatten sich schon in der ganzem Umgegend neue und immer neue Anbauer eingefunden; und heute ist der Schauplatz dieser Erzählung einer der belebtesten Orte am Ohio; nicht weit davon liegt jetzt ein niedliches Städtchen.

David fand bald nachher eine schöne junge Gattin in der Tochter eines nachbarlichen Farmers. Freundschaft, Liebe, gegenseitige Gefälligkeiten schwanden nicht wieder aus dem Kreise dieser nachbarlichen Familien, die bald mit die reichsten und geehrtesten dieses so reißend schnell aufblühenden Staates wurden.

Und hiermit schloß der gute alte Held seine Sage in welcher meine Leser gewiß mehr Wahrheit als Dichtung finden werden. Man sagt, daß aus dieser Historie die pensilvanischen Gesetzgeber die Veranlassung genommen haben, ihre Gefängnisse so gut einzurichten und die Sträflinge in ihren Zuchthäusern auf eine Weise zu behandeln, daß diese selten anders als wirklich gebessert in die menschliche Gesellschaft zurückkehren, wogegen sie in andern Ländern, trotz einer schrecklichen, die Menschheit entehrenden Behandlung, in den Zuchthäusern erst zu Meistern unter den Sündern ausgebildet werden.

Trotz dem, daß ich fast in allen Häusern, wo ich einkehrte, nur sehr gastfreundliche, gütige Aufnahme genoß, mußte ich doch auch von der pensilvanischen Derbheit so manches verschlucken. Einmal fragte mich ein Farmer, nachdem er mir abgekauft hatte: »Aber wie kommts, daß du alter Kerl – ich war damals 46 Jahre alt, sah jedoch um 10 Jahre älter aus, – noch dein fernes Vaterland verlassen hast und herüber zu uns gekommen bist? Du magst schöne Streiche dort gemacht haben!«

Ein andermal bemerkte mir einer: »Ihr Deutschen glaubt halt, die Gold-Aigles – Goldstücke von 5 Dollars – wachsen hier auf den Bäumen und man brauche sie nur zu schütteln.«

Noch ein andermal sagte einer: »Es kommt so viel deutsches Gesindel zu uns herüber, daß wie es am Ende gar nicht mehr werden ernähren können. Der Congreß sollte Maßregeln ergreifen, wodurch das haufenweise Eindringen verhindert und erschwert würde.« Hierüber sind auch in der That dem Congreß wiederholte Vorschläge gemacht worden, doch natürlich stets erfolglos, denn Amerika bedarf noch der deutschen Arme, um seine Kanäle und Eisenbahnen aufzubauen, seine Wälder niederzuhauen, seine gifthauchenden Moräste auszutrocknen und seine Einöden zu beleben. Es bedarf aber auch des deutschen Geldes, aller jener Sparpfennige und Erbschaftsgelder, jener Erlöse aus Gütern, Häusern, Geräthen, Betten und Kleinodien, die von Tausenden von Familien hier herübergebracht werden und hier sehr bald wie Wasser durch ein Sieb verlaufen.


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