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Siebentes Kapitel

Als der schwüle Julitag zu Ende ging, wandelte Basil Haworth den Gartenpfad herauf, um dem Weib seiner Liebe den letzten Besuch abzustatten.

Die Tage des Brautstandes waren zu Ende, diese kurzen, lieblichen, flüchtigen Tage, die kommen und gehen wie ein Traum und leider auch wie ein solcher nicht wiederkehren.

Langsam schlenderte Basil in der Hitze des Juliabends den Weg entlang, er hatte nichts zu eilen. Sein langes Werben war zu Ende, die Zeit des Harrens war vorüber. Die Belohnung für seine Arbeit, seine Leiden und seine Selbstverleugnung sollte nicht ausbleiben. Nein, er hatte nichts zu eilen in der schwülen, brütenden Hitze! Müde ließen die Blumen in den Beeten ihre Köpfchen hängen; die schlanken weißen Lilien waren gelb und welk geworden, versengt von den brennenden Strahlen der liebeglühenden Julisonne; armselige, leblose Dinger, waren sie es zufrieden, in ihrem Lichte zu verwelken und zu vergehen!

Ueber die wilde Rosenhecke hinweg, hatte er hinter der von Passionsblumen und Myrten bedeckten Veranda ein weißes Gewand wahrgenommen; allein seine Pulse hatten darum nicht rascher geschlagen, und sein Schritt hatte sich nicht beschleunigt. Ohne Zweifel stopfte dort Penelope ihre Strümpfe, wie sie später auch die seinen stopfen würde; vermutlich saß sie am offenen Fenster, und die weiße Schürze, die sie des Nachmittags trug, hatte sich in dem leichten Abendwind bewegt.

Langsam schob er den lebenden Vorhang aus Passionsblumen, der die Thür bedeckte, beiseite und trat langsam und leise, ohne eigentlich recht zu wissen, was er hier suche, in das verdunkelte Verandazimmer.

Penelope war nicht hier; sie spendete ihren armen Freunden in Little Silver, die sie nun verlassen mußte, nachdem sie so lange bei ihnen auf Ulysses gewartet hatte, die letzten Worte des Rates und Trostes.

Gleichwohl fand Ulysses das Zimmer nicht leer, Cynthia war hier ganz allein.

Sie hatte weder seine Schritte draußen gehört, noch den Sonnenschein bemerkt, der in das dämmerige Zimmer fiel, als er die Schlingpflanzen beiseite schob und eintrat.

In Gedanken verloren saß sie da in dem milden Zwielicht, und aus ihren stumpf und blind vor sich hinstarrenden blauen Augen sprach die bitterste Verzweiflung; für alle äußeren Eindrücke schien sie die Empfindung verloren zu haben.

Das schlafende Dornröschen war sich der Nähe des Prinzen nicht weniger unbewußt, als Cynthia der ihres Schwagers; ihre Hände lagen über ihrer Arbeit gefaltet müßig in ihrem Schoß, ihr Gesicht war totenblaß, und ihre schönen Augen blickten mit entsetzlichem Ernst starr vor sich hin, während ihr herrliches Haar sich wieder einmal befreit hatte und wie eine goldene Woge auf ihre Schultern herniederfiel und sich in dem leichten Luftzug leise bewegte.

Unter den losen Falten des leichten, weißen Sommerkleides wogte ihr Busen wie in tiefster Aufregung; ihre Lippen waren leicht geöffnet, als ob sie sprechen wollte; aber kein Laut wurde hörbar.

Basil Haworth beachtete keine dieser Einzelheiten, die auf einen Maler oder Dichter tiefen Eindruck gemacht hätten; denn er war weder das eine noch das andre, sondern nur ein etwas wortkarger, nicht leicht gerührter Pfarrer in mittleren Jahren, aber er sah – und sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen – die herbe, hilflose Verzweiflung in des Mädchens Zügen und den wilden, verstörten Blick in den schönen Augen.

Warum war er nicht für immer fortgeblieben und hatte sie nicht ihr friedliches Leben weiterleben lassen? Dies fragte er sich, als er, bis in die tiefste Tiefe seiner Seele erschüttert, vor ihr stand, voll verzweifelter, bitterer Selbstvorwürfe.

Warum hatte er diese schlafende leidenschaftliche Seele erweckt, warum hatte er sie nicht in Ruhe gelassen, sie in ihrem jungfräulichen Seelenfrieden, ruhig und liebefrei, weiterträumen lassen, statt sie zum wahren Leben zu erwecken und ihr die Erbschaft des Weibes, die Liebe und ihre Sorgen, aufzubürden? Im nächsten Augenblick stand er an ihrer Seite und hielt ihre regungslosen, gefalteten Hände in den seinen.

»O Cynthia, was soll das heißen?« rief er aus.

Sie fühlte die Berührung seiner Hand und seinen heißen Atem an ihrer Wange, noch ehe der Ton seiner Stimme zu ihrem Ohr gedrungen war. Erschrocken fuhr sie auf und begegnete der stummen Frage seiner Augen mit dem verzweifelnden Blick eines gehetzten Wildes.

Was lag in diesem stummen Blick, das sein Herz erbeben und seine Pulse fliegen machte?

Welch plötzliche Erkenntnis leuchtete aus seinen Augen, welch plötzliche Versuchung stürmte auf ihn herein, als sein Blick dem ihrigen begegnete? Nichts als die nämliche Versuchung, die Adam in den Augen Evas las nach der Unterredung mit der Schlange.

Ueber die fahle Blässe ihres Antlitzes breitete sich eine fliegende Röte, ihre weichen Lippen zitterten und ihre Augen füllten sich mit Thränen.

»O Cynthia,« sagte er bekümmert, und sein Körper erbebte in schwerem, thränenlosem Schluchzen, »o Cynthia, ist es so weit gekommen?«

»Wie weit?«

Dabei brach sie in heftiges, leidenschaftliches Weinen aus, und mit der ihm eigenen, männlichen Weichheit, die kein Tierchen leiden sehen konnte, zog er das weinende Mädchen an seine Brust.

Sanft löste sie sich aus seinen Armen, und mit ernster Freundlichkeit, die sie lieblicher als je erscheinen ließ, schob sie ihn sacht zurück.

»Ich – ich wußte nicht, daß du hier warst,« stammelte sie und brach aufs neue in klägliches Weinen aus.

Nun war es aber auch um seine Fassung und Selbstbeherrschung geschehen; beim Anblick ihrer Thränen vergaß er in wilder Leidenschaft alles, alles außer der Liebe, die ihn erfüllte.

In dem einen unbewachten Augenblick hatte er in Cynthias Blick das Geständnis ihrer Liebe gelesen, ohne daß sie eine Ahnung davon hatte.

»Cynthia, was hast du? Sag es mir!« flüsterte er heiser, und dem übermächtigen Drange seines Herzens folgend, legte er liebevoll seine Hand auf die Schulter des Mädchens und richtete ihr thränenfeuchtes, gesenktes Gesicht in die Höhe.

Dies weinende, leidenschaftliche Weib war von rührender Lieblichkeit; aber nicht ihre Schönheit wirkte so mächtig auf ihn ein, sondern das Geheimnis, das er in ihren thränenüberströmten Zügen gelesen hatte.

»Ist es denn wirklich wahr – du liebst mich auch, Geliebte?« Wie rauh und heiser und unsicher seine Stimme klang, und wie er erbebte!

Sie schlug ihre Augen nieder vor seinem Blick. Sie seufzte, und ihr Busen hob und senkte sich bei ihrem Bestreben, die leidenschaftliche Erregung zu verbergen, in der sie sich befand.

Wilde, stürmische Freude erfüllte ihn, seine Pulse flogen; es schwindelte ihm; er vergaß seine geduldige Penelope, er vergaß den kleinen goldenen Reif, den er in diesem Augenblick, in Seidenpapier gewickelt, in seinem Westentäschchen trug – er vergaß alles, außer der wilden, rasenden Leidenschaft, die sich seiner bemächtigt hatte. Er riß sie in seine Arme und preßte glühende, brennende Küsse auf ihre roten Lippen.

»Mein Lieb, mein Lieb!« stammelte er mit heiserer Stimme.

»O Basil!« lispelte sie sanft; ihr Stolz und ihre Zurückhaltung waren geschmolzen wie Schnee; sie hielt ihn mit ihren Armen umschlungen, und einen Augenblick erbebte ihre schöne, schmiegsame Gestalt in Liebe und Zärtlichkeit.

Die rote Glut des Sonnenuntergangs lag über ihnen, der liebliche Duft des Geißblattes über dem Eingang wurde von der milden Abendluft zu ihnen hereingetragen, und die rankenden Zweige der Passionsblumen verbargen sie zartfühlend vor unberufenen Blicken.

»O Basil!« rief sie, und leidenschaftliche Zärtlichkeit bebte in jedem Ton, »ja, ich liebe dich, ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt, aber ich werde niemals Schande über dich bringen!« Sie versuchte, sich aus seinen Armen loszumachen aber er drückte sie nur noch fester an seine Brust.

»Noch ist es nicht zu spät, Cynthia!« flüsterte er hastig, und unterdrücktes Schluchzen klang aus seiner heiseren Stimme. »Gott sei Lob und Dank, noch ist es nicht zu spät!«

Lächelnd sah sie zu ihm auf, und eine glühende Purpurröte überzog ihre Wangen, als sie dem stummen Flehen seiner Blicke begegnete.

»Es ist viel zu spät,« sagte sie traurig aber fest, »du wirst dein Wort halten, das Versprechen einlösen, das du gegeben hast, schon ehe ich geboren war – du wirst Lettice heiraten.«

»Ich werde niemand anders heiraten, als dich, Cynthia!« rief er heftig.

Dicke Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, und seine Lippen zuckten; aber seine Stimme klang fest und entschlossen. »Ich schwöre es,« wiederholte er feierlich, »ich werde keine andre heiraten, als dich!«

»Still, still,« sagte sie sanft und legte ihm ihre Hand auf den Mund, die rosige Hand mit den hübschen weißen Fingern und den niedlichen Grübchen; und er küßte diese warme, zitternde Hand, die sein übereiltes Gelübde unterbrach; sie zog sie zurück, denn wenn sie auch aufs tiefste erschüttert war, so vermochte er doch nicht ihren Entschluß zum Wanken zu bringen.

Alle Farbe wich aus ihrem Antlitz, aber doch lächelte sie ihn an: »Das hast du vor langer, langer Zeit schon zu Lettice gesagt, und nun mußt du dein Wort halten. Du gehörst nicht dir selbst an, Basil, du gehörst Lettice. Gott sei Dank, daß wir noch zeitig genug entdeckt haben, wie unmöglich es ist, daß ich täglich und stündlich Zeuge eures Glückes bin.«

Bei diesen Worten wand sich der starke Mann vor innerer Pein, und alles Licht erlosch in seinem Blick.

»Unmöglich! Das kann nie geschehen,« stöhnte er, »und wird nie geschehen. Ich kann kein andres Weib lieben, als dich, Cynthia.«

»Es kann geschehen,« wiederholte sie seine Worte, »und es wird auch geschehen; aber ich kann es weder mit ansehen, noch jemals leiden. Ich würde nur einen Schatten auf euer Liebesglück werfen, Basil, und deshalb mußt du mich meinen eigenen Weg gehen lassen, und den deinen in Ehren verfolgen, an Lätitias Seite.«

»Für mich ist nicht von Liebesglück die Rede,« entgegnete er bitter, »ich bin durch eine vor langen Jahren geschmiedete Kette an ein Weib gefesselt, das ich nicht lieben kann. Willst du mir nicht helfen, meine Kette zu brechen, Cynthia? Laß uns zu ihr gehen und ihr alles sagen! Sie hat ein edles Herz und wird mich freigeben.«

»Ja, sie würde dich freigeben, denn sie ist zu edel und selbstlos, um an ihr eigenes Glück zu denken, wenn es sich um das deine oder das meine handelt; hat sie mir ja doch schon bisher alles geopfert, aber sie würde es nicht überleben.« Thränen der Reue standen in Cynthias Augen, als sie sich mit schüchterner, ernster Würde aus seinen Armen löste, als sei eine so nahe Berührung mit ihm ein Unrecht gegen Lätitia.

»Aber du,« stöhnte er mit vor verhaltener Zärtlichkeit bebender Stimme, »aber du, dein junges Leben wird vernichtet sein, und das um meinetwillen!«

Bei diesen Worten wandte er sich von ihr ab, damit sie die Todespein in seinen Augen nicht bemerken sollte, eine Todespein, wie sie kein körperlicher Schmerz je hätte erzeugen können.

»Du mußt tapfer und wahr sein, Basil, und ihr Treue halten um der alten Liebe willen,« sagte sie ernst, ihre Hand auf seinem Arm und ihre träumenden Augen zu ihm aufgeschlagen. »Nach und nach wirst du dein Glück darin finden, sie glücklich zu machen. Sie ist mit so Wenigem zufrieden, unsre liebe, einfache, weichherzige Lätitia.« »Und du?« fragte er bitter.

»Ich werde zufrieden und glücklich sein, wenn sie glücklich ist. Bedenke, was alles sie für mich gethan hat, und was ich ihr schulde. Nun kann ich es ihr mit Zinsen wiedervergelten, indem ich ihr den Geliebten zurückgebe.«

»Womit habe ich denn die Liebe von zwei solchen Frauen verdient?« flüsterte er, plötzlich von Selbstvorwürfen überwältigt. »Nach all diesen langen Jahren geduldigen Harrens vermag ich Lettice aufzugeben, die mir dadurch nur noch teurer hätte werden sollen; aber ich vermag es nicht, dich aufzugeben, Cynthia!«

Der Ton wahrer Leidenschaft, die in seiner Stimme bebte, rührte sie, und wieder hielten sie seine Arme umschlungen, und seine Augen suchten voll Verlangen die ihren.

»Ach, mein Geliebter, mein Geliebter!« flüsterte sie in leisen, angstvollen Tönen, »wenn wir nur miteinander sterben könnten!«

»Nein, nicht sterben, aber leben, Cynthia!« rief er, und sein Haupt neigte sich so tief über das liebliche Antlitz an seiner Brust, daß seine Lippen die ihren fanden. Ein Schauer überlief sie, alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und sie erbebte in seinen Armen.

»Es gibt nur einen Weg,« sagte sie traurig; »Schande ist schlimmer als der Tod. Spare deine Küsse für Lätitia auf; sie bedarf ihrer und deiner Liebe und ist jeden Opfers wert von dir und von mir. Du wirst das mir zuliebe thun, du lieber, heißgeliebter Mann!«

Eine auffallende Veränderung war mit ihr vorgegangen; bleich und kalt lag sie in seinen Armen, und ihre blauen Augen leuchteten in so düsterem Feuer, daß eine namenlose Angst in ihm aufstieg. Zu welch mißverstandenem Heroismus mochte dies leidenschaftliche Geschöpf unter dem Einfluß einer solchen Aufregung nicht fähig sein?

»Was hast du vor, Cynthia?« stieß er atemlos hervor. Sie antwortete ihm beruhigend und versuchte zu lächeln; aber es war ein bleiches, geisterhaftes Lächeln, das über ihr bleiches, aschfahles Gesicht flog.

»Ich?« sagte sie langsam, und die bebenden Lippen brachten kaum die Worte hervor. »O, mein Leben wird von dem deinen so weit getrennt sein, daß mein Thun und Lassen weder dich noch sie berühren kann. Nur vergiß nie, daß du mich beglückst, indem du Lettice glücklich machst. Sei stets dessen eingedenk, Basil, daß du alle Liebe und Sorgfalt und Zärtlichkeit, die du ihr erweisest, auch mir erzeigst. Und später, wenn sie im Lauf der Jahre älter wird und mehr Anspruch auf deine Geduld und Nachsicht macht, so daß du dich versucht fühlen könntest, ihre Treue und Ergebenheit zu vergessen und kalt und gleichgültig gegen sie zu werden – dann denke daran, daß du mich in ihr vernachlässigen, daß du mich in ihr verletzen würdest.« In stummer Verzweiflung, die sie doch nicht ganz zu verbergen vermochte, preßte sie ihre Hand aufs Herz.

Mit ernsten, forschenden Augen sah er auf sie nieder, und das bleiche, rührende Gesicht zuckte und errötete unter seinen Blicken.

»Betrüge mich nicht um meine Belohnung, Basil,« rief sie schluchzend mit überströmenden Augen. »Laß mir das Bewußtsein, meiner treuen, geduldigen, geliebten Schwester in vollem Maße vergolten zu haben, was sie für mich gethan hat. Gib mir diesen Trost, Basil! Versprich es mir.«

»Nichts verspreche ich dir!« erwiderte er leidenschaftlich. »Ich lasse dich nicht, Cynthia, und Lettice wird dies Opfer nie annehmen!«

»Still, still,« sagte sie sanft; »du vergißt, daß Lettice nie ahnen wird, daß es ein Opfer ist, wenn du es ihr nicht sagst. Bleibe dir selbst getreu, Basil, und ihr, und mich laß meiner Wege gehen.« Die Stimme versagte ihr, und wie ein Hauch fielen diese tapferen Worte von ihren Lippen. »Es kann nicht sein, Cynthia,« sagte er bitter, »es kann wahrhaftig nicht sein.«

»Mir zuliebe, Basil, mein Geliebter, mir zuliebe,« flüsterte sie mit unsäglicher Liebe und Trauer in ihrer gebrochenen Stimme.

Ihr bleiches Gesichtchen zuckte wie in heftigster Pein oder in vergeblichem Sehnen, und plötzlich zog sie sein Haupt an ihre Brust und küßte ihn auf den Mund, mit einer Raserei, in der die stumme Qual eines Abschieds auf ewig sich Luft machte. Dann schob sie ihn von sich, und ehe er sie zurückhalten konnte, hatte sie sich aus seinen Armen befreit und war verschwunden.

Verschwunden!

Noch brannten ihre Küsse auf seinen Lippen, noch fühlte er den Druck ihrer Arme, aber sie selbst war verschwunden! – Sie war verschwunden wie der Glanz der Lilien, wie die Glut und die Wärme der untergehenden Sonne, die plötzlich hinter den Bergen im Westen versunken war, und das Zimmer war düster und leer ohne sie, und die blühenden Ranken der Passionsblumen bewegten sich leise im Abendwind und warfen düstere, drohende Schatten über die Veranda.

Obgleich sie gegangen war und sein Herz ihm sagte, daß sie nicht wiederkommen würde, zögerte er noch auf der Schwelle. Starr und betäubt, und doch in jedem Nerv erbebend im Gluthauch der Leidenschaft, das Herz voll bitterer, nagender Selbstverachtung, stand er in dem düsteren Zimmer.

Der dämmerige, traute Raum und der wohlbekannte Duft von Lätitias Blumen machten ihn beinahe rasend, und er eilte hinaus in den kleinen, grünen Garten, wo schon der Tau zu fallen begann.

Die Reihen rotblühender Bohnen, die duftenden Sträucher der Einfassungen, der graue Lavendel, der über der Gartenmauer blühte, die Bienen, die um ihre Stöcke herumsummten, dies alles erregte ihn nur noch mehr und erfüllte ihn mit sinnlosem Widerwillen gegen all diese wohlbekannten Dinge, die ihn an Lätitia gemahnten.

Sein Gesicht war verstört, seine sonst so offenen Augen hatten einen harten Ausdruck angenommen, und ein bitterer, herber Zug grub sich um seinen Mund, als er sich während dieses einsamen Spaziergangs die Zukunft ausmalte, die vor ihm lag. Diese herbe, trostlose, freudlose Zukunft! Wie verhaßt war ihm der Anblick dieses Gartens und der Duft, der ihn erfüllte!

Die Nacht war schwül und finster, kein Lüftchen rührte sich mehr, und müde und schwer ließen die Blumen ihre Köpfchen hängen. Ein Rosenstrauch faßte ihn mit seinen dornigen Zweigen; ungeduldig befreite sich Basil und bestreute den Weg mit seinen roten Blüten, die er unter den Füßen zermalmte.

Lätitias Liebling, die alte, graue Katze, schnurrte um ihn herum – mit einem Fußtritt jagte er sie fort, und dann hieb er mit seinem Stock auf die harmlosen, roten Bohnenblüten und die an der Gartenmauer reifenden unschmackhaften weißen Johannisbeeren ein.

Eine bedenkliche Stimmung für den heimgekehrten Ulysses!


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