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58. Kapitel / Chapter 58

Unser Freund der Major / Our Friend the Major

Unser Major hatte sich an Bord der »Ramchunder« sehr beliebt gemacht. Als er nämlich mit Mr. Sedley in das ersehnte Landungsboot stieg, ließ die gesamte Schiffsbesatzung, Mannschaften und Offiziere, allen voran der Kapitän, drei Hurras für Major Dobbin erschallen, der tief errötete und zum Zeichen des Dankes den Kopf einzog. Joseph, der höchstwahrscheinlich die Hochrufe auf sich bezog, nahm seine goldbebänderte Mütze ab und schwenkte sie majestätisch gegen seine Freunde. So wurden sie ans Ufer gerudert und landeten würdevoll am Kai; von dort begaben sie sich ins »Royal George Hotel«.

 

Our Major had rendered himself so popular on board the Ramchunder that when he and Mr. Sedley descended into the welcome shore-boat which was to take them from the ship, the whole crew, men and officers, the great Captain Bragg himself leading off, gave three cheers for Major Dobbin, who blushed very much and ducked his head in token of thanks. Jos, who very likely thought the cheers were for himself, took off his gold-laced cap and waved it majestically to his friends, and they were pulled to shore and landed with great dignity at the pier, whence they proceeded to the Royal George Hotel.

In der Kaffeestube des Hotels erwartete sie eine herrliche Rinderkeule und eine silberne Kanne, die echtes britisches Bier vermuten ließ. Dieser Anblick erfreut und stärkt das Auge des aus dem Ausland zurückkehrenden Reisenden so, daß jeder, der ein so bequemes, hübsches, anheimelndes englisches Gasthaus betritt, gern einige Tage darin verweilen möchte. Aber Dobbin fing augenblicklich an, von einer Postkutsche zu sprechen, und kaum war er in Southampton angekommen, als er schon wünschte, sich auf den Weg nach London zu machen. Joe dagegen wollte nichts von der Weiterreise noch an diesem Abend hören. Warum sollte er die Nacht in einer Postkutsche zubringen, statt in dem breiten, wogenden Daunenbett, das es hier anstelle des entsetzlichen schmalen Käfigs gab, in dem der stattliche Herr aus Bengalen während der Reise eingesperrt gewesen war. Er konnte erst fort, wenn sein Gepäck an Land war, und es war ihm erst möglich, zu reisen, wenn er seinen indischen Tabak hatte; der Major mußte also bis zum nächsten Morgen warten. Er schickte einen Brief mit der Nachricht von seiner Ankunft an seine Familie und nahm Joseph das Versprechen ab, seinen Verwandten ebenfalls zu schreiben. Joseph hielt aber sein Versprechen nicht. Der Kapitän, der Schiffsarzt und ein paar Passagiere kamen und dinierten mit den beiden Herren im Gasthaus, und Joseph bestellte das Beste, was zu haben war, und versprach dem Major, am nächsten Tag mit ihm nach London zu reisen. Der Wirt erklärte, es habe seinen Augen gutgetan, zu sehen, wie Mr. Sedley sein erstes Glas Porter trank. Wenn ich Zeit hätte und es wagte abzuschweifen, so würde ich ein Kapitel über dieses erste auf englischem Boden getrunkene Glas Porter schreiben. Oh, wie köstlich es doch ist! Es lohnt, die Heimat auf ein Jahr zu verlassen, nur um diesen einen Zug zu genießen.

 

Although the sight of that magnificent round of beef, and the silver tankard suggestive of real British home-brewed ale and porter, which perennially greet the eyes of the traveller returning from foreign parts who enters the coffee-room of the George, are so invigorating and delightful that a man entering such a comfortable snug homely English inn might well like to stop some days there, yet Dobbin began to talk about a post-chaise instantly, and was no sooner at Southampton than he wished to be on the road to London. Jos, however, would not hear of moving that evening. Why was he to pass a night in a post-chaise instead of a great large undulating downy feather-bed which was there ready to replace the horrid little narrow crib in which the portly Bengal gentleman had been confined during the voyage? He could not think of moving till his baggage was cleared, or of travelling until he could do so with his chillum. So the Major was forced to wait over that night, and dispatched a letter to his family announcing his arrival, entreating from Jos a promise to write to his own friends. Jos promised, but didn’t keep his promise. The Captain, the surgeon, and one or two passengers came and dined with our two gentlemen at the inn, Jos exerting himself in a sumptuous way in ordering the dinner and promising to go to town the next day with the Major. The landlord said it did his eyes good to see Mr. Sedley take off his first pint of porter. If I had time and dared to enter into digressions, I would write a chapter about that first pint of porter drunk upon English ground. Ah, how good it is! It is worth-while to leave home for a year, just to enjoy that one draught.

Major Dobbin erschien am nächsten Morgen wie immer nett rasiert und gekleidet. Es war noch so früh, daß niemand im Hause wach war, mit Ausnahme eines dieser wunderbaren Hausknechte, die anscheinend nie Schlaf brauchen. Als sich der Major auf knarrenden Dielen durch die dunklen Korridore stahl, konnte er hören, wie das Schnarchen der verschiedenen Gäste durch die Gänge hallte. Dann schlich der schlaflose Hausknecht von Tür zu Tür und sammelte die Stiefelpaare ein, die davorstanden. Kurz darauf erhob sich Josephs Eingeborenendiener und begann, die umständliche Toilette seines Herrn vorzubereiten und ihm die Wasserpfeife zu stopfen. Nun standen die weiblichen Dienstboten auf, und als sie den dunkelhäutigen Mann erblickten, kreischten sie und hielten ihn für den Teufel. Er und Dobbin stolperten in den Gängen über die Wassereimer, mit denen die Mädchen die Dielen scheuerten. Als der erste unrasierte Kellner erschien und die Tür des Gasthauses öffnete, hielt der Major die Zeit zur Abreise für gekommen und ließ sofort eine Extrapostkutsche bestellen, damit sie abfahren könnten.

 

Major Dobbin made his appearance the next morning very neatly shaved and dressed, according to his wont. Indeed, it was so early in the morning that nobody was up in the house except that wonderful Boots of an inn who never seems to want sleep; and the Major could hear the snores of the various inmates of the house roaring through the corridors as he creaked about in those dim passages. Then the sleepless Boots went shirking round from door to door, gathering up at each the Bluchers, Wellingtons, Oxonians, which stood outside. Then Jos’s native servant arose and began to get ready his master’s ponderous dressing apparatus and prepare his hookah; then the maidservants got up, and meeting the dark man in the passages, shrieked, and mistook him for the devil. He and Dobbin stumbled over their pails in the passages as they were scouring the decks of the Royal George. When the first unshorn waiter appeared and unbarred the door of the inn, the Major thought that the time for departure was arrived, and ordered a post-chaise to be fetched instantly, that they might set off.

Hierauf richtete er seine Schritte zu Mr. Sedleys Zimmer und zog die Vorhänge des großen Familienbettes zurück, in dem Mr. Joseph schnarchte. »Stehen Sie auf, Sedley«, rief der Major, »es ist Zeit aufzubrechen. Die Postkutsche wird in einer halben Stunde vor der Tür stehen.«

 

He then directed his steps to Mr. Sedley’s room and opened the curtains of the great large family bed wherein Mr. Jos was snoring. “Come, up! Sedley,” the Major said, “it’s time to be off; the chaise will be at the door in half an hour.”

Unter dem Deckbett hervor fragte ihn Joseph knurrend, wie spät es denn sei. Als er aber schließlich von dem errötenden Major die Zeit erfuhr – Dobbin konnte nie eine Unwahrheit aussprechen, mochte sie auch noch so sehr zu seinem Vorteil gereichen –, brach er in eine Schimpfkanonade aus, die wir hier nicht wiederholen wollen. Jedenfalls gab er Dobbin zu verstehen, daß er seine Seele in Gefahr brächte, würde er in diesem Augenblick aufstehen, daß der Major zum Henker gehen sollte, daß er nicht mit Dobbin reisen wolle und daß es sehr unfreundlich und unhöflich sei, einen Menschen so im Schlaf zu stören. Darauf mußte sich der besiegte Major zurückziehen und Joseph seinen unterbrochenen Schlummer fortsetzen lassen.

 

Jos growled from under the counterpane to know what the time was; but when he at last extorted from the blushing Major (who never told fibs, however they might be to his advantage) what was the real hour of the morning, he broke out into a volley of bad language, which we will not repeat here, but by which he gave Dobbin to understand that he would jeopardy his soul if he got up at that moment, that the Major might go and be hanged, that he would not travel with Dobbin, and that it was most unkind and ungentlemanlike to disturb a man out of his sleep in that way; on which the discomfited Major was obliged to retreat, leaving Jos to resume his interrupted slumbers.

Die Postkutsche kam bald darauf, und der Major wollte nicht länger warten.

 

The chaise came up presently, and the Major would wait no longer.

Wäre er ein englischer adliger Vergnügungsreisender gewesen oder ein Zeitungskurier mit Depeschen (die Regierungsbotschaften werden gewöhnlich viel langsamer befördert), so hätte er nicht schneller reisen können. Die Postillione wunderten sich über die Trinkgelder, die er unter ihnen verteilte. Wie glücklich und frisch das Land aussah, als die Postkutsche von einem Meilenstein zum anderen dahineilte, durch nette Landstädte, wo die Wirte auf die Straße herausgetreten waren und lächelnd und mit Verbeugungen grüßten, vorbei an hübschen Gasthäusern am Wege, wo die Schilder an den Ulmen hingen und Pferde und Fuhrleute im gesprenkelten Schatten der Bäume tranken, vorbei an alten Schlössern und Parks, ländlichen Weilern, die sich um alte graue Kirchen scharten, durch die bezaubernde freundliche Landschaft Englands. Gibt es etwas auf der Welt, was dem gleichkommt? Für den aus der Fremde Heimkehrenden ein schönes Bild – ihm scheint im Vorbeifahren, alles wolle ihm die Hand schütteln. Nun ja, Major Dobbin reiste von Southampton nach London daran vorüber und bemerkte außer den Meilensteinen am Wege kaum etwas. Er hatte es ja so eilig, seine Eltern in Camberwell wiederzusehen.

 

If he had been an English nobleman travelling on a pleasure tour, or a newspaper courier bearing dispatches (government messages are generally carried much more quietly), he could not have travelled more quickly. The post-boys wondered at the fees he flung amongst them. How happy and green the country looked as the chaise whirled rapidly from mile-stone to mile-stone, through neat country towns where landlords came out to welcome him with smiles and bows; by pretty roadside inns, where the signs hung on the elms, and horses and waggoners were drinking under the chequered shadow of the trees; by old halls and parks; rustic hamlets clustered round ancient grey churches — and through the charming friendly English landscape. Is there any in the world like it? To a traveller returning home it looks so kind — it seems to shake hands with you as you pass through it. Well, Major Dobbin passed through all this from Southampton to London, and without noting much beyond the milestones along the road. You see he was so eager to see his parents at Camberwell.

Die Zeit, die er verlor, als er von Piccadilly getreulich wieder zu seiner alten Herberge in Slaughters Kaffeehaus fuhr, tat ihm schon leid. Zehn Jahre waren vergangen, seit er zum letztenmal hiergewesen war, seit er und George als junge Männer hier manches Festmahl und manches Trinkgelage gehalten hatten. Er gehörte jetzt zu den Alten. Sein Haar war ergraut und mit ihm viele Leidenschaften und Gefühle seiner Jugend. An der Tür jedoch stand der alte Kellner in demselben fettigen schwarzen Anzug, mit demselben Doppelkinn und schlaffen Gesicht, mit demselben riesigen Bündel von Petschaften an der Uhrkette. Er klimperte wie früher mit dem Geld in der Tasche und empfing den Major, als ob er erst vor einer Woche weggegangen wäre. »Bring die Sachen des Majors auf Nummer dreiundzwanzig, das ist sein Zimmer«, sagte John ohne das geringste Zeichen von Überraschung. »Gebratenes Huhn zum Diner, nehme ich an. Sie sind nicht verheiratet? Es hieß, Sie hätten geheiratet – der schottische Arzt von Ihrem Regiment war hier. Nein, es war Hauptmann Humby vom Dreiunddreißigsten, das in Indien mit dem ...ten im Quartier lag. Wollen Sie warmes Wasser? Warum kommen Sie mit der Extrapost? Genügt die Postkutsche nicht?« Mit diesen Worten ging der treue Kellner, der sich an jeden Offizier, der das Haus besuchte, erinnerte und dem zehn Jahre wie ein Tag waren, Dobbin voran in dessen altes Zimmer, wo noch das breite Moreenbett war und der abgenutzte Teppich noch eine Spur schmutziger und die alten schwarzen, mit verschossenem Kattun bezogenen Möbel, gerade wie sie der Major noch von der Jugend her in Erinnerung hatte.

 

He grudged the time lost between Piccadilly and his old haunt at the Slaughters’, whither he drove faithfully. Long years had passed since he saw it last, since he and George, as young men, had enjoyed many a feast, and held many a revel there. He had now passed into the stage of old-fellow-hood. His hair was grizzled, and many a passion and feeling of his youth had grown grey in that interval. There, however, stood the old waiter at the door, in the same greasy black suit, with the same double chin and flaccid face, with the same huge bunch of seals at his fob, rattling his money in his pockets as before, and receiving the Major as if he had gone away only a week ago. “Put the Major’s things in twenty-three, that’s his room,” John said, exhibiting not the least surprise. “Roast fowl for your dinner, I suppose. You ain’t got married? They said you was married — the Scotch surgeon of yours was here. No, it was Captain Humby of the thirty-third, as was quartered with the — th in Injee. Like any warm water? What do you come in a chay for — ain’t the coach good enough?” And with this, the faithful waiter, who knew and remembered every officer who used the house, and with whom ten years were but as yesterday, led the way up to Dobbin’s old room, where stood the great moreen bed, and the shabby carpet, a thought more dingy, and all the old black furniture covered with faded chintz, just as the Major recollected them in his youth.

Er dachte an George, wie er am Tage vor seiner Hochzeit nägelkauend im Zimmer auf und ab gegangen war und geschworen hatte, daß der Alte weich werden müsse, wenn er es aber nicht tue, dann schere er sich keinen Pfifferling darum. Er hörte ihn noch Dobbins Tür und seine eigene nebenan zuknallen.

 

He remembered George pacing up and down the room, and biting his nails, and swearing that the Governor must come round, and that if he didn’t, he didn’t care a straw, on the day before he was married. He could fancy him walking in, banging the door of Dobbin’s room, and his own hard by —

»Sie sind nicht jünger geworden«, sagte John und betrachtete den Freund aus früheren Zeiten ruhig.

 

“You ain’t got young,” John said, calmly surveying his friend of former days.

Dobbin lachte. »Zehn Jahre und das Fieber machen den Menschen nicht jünger, John«, sagte er; »Sie bleiben immer jung – nein, Sie bleiben immer alt.«

 

Dobbin laughed. “Ten years and a fever don’t make a man young, John,” he said. “It is you that are always young — no, you are always old.”

»Was ist aus Hauptmann Osbornes Witwe geworden?« fragte John. »Feiner junger Kerl war es. Gott, wie er das Geld zum Fenster hinauswarf. Seit dem Tage, an dem er von hier aus zur Trauung ging, ist er nicht wieder hiergewesen. Er schuldet mir noch drei Pfund. Sehen Sie hier, ich habe es in meinem Buch:›10. April 1815, Hauptmann Osborn – drei Pfund.‹ Ich möchte wissen, ob sein Vater mir das mal bezahlen würde.« Mit diesen Worten zog John das alte Saffiannotizbuch hervor, in das er auf ein noch vorhandenes, fettiges, verblichenes Blatt die Schulden des Hauptmanns neben vielen anderen Geldforderungen an ehemalige Besucher des Hauses gekritzelt hatte.

 

“What became of Captain Osborne’s widow?” John said. “Fine young fellow that. Lord, how he used to spend his money. He never came back after that day he was marched from here. He owes me three pound at this minute. Look here, I have it in my book. ’April 10, 1815, Captain Osborne: ‘3 pounds.’ I wonder whether his father would pay me,” and so saying, John of the Slaughters’ pulled out the very morocco pocket-book in which he had noted his loan to the Captain, upon a greasy faded page still extant, with many other scrawled memoranda regarding the bygone frequenters of the house.

Nachdem John seinen Gast auf sein Zimmer gebracht hatte, zog er sich mit der größten Ruhe zurück. Major Dobbin kramte aus seinem Gepäck, nicht ohne über sein unvernünftiges Handeln zu erröten und zu lächeln, den schönsten und kleidsamsten Zivilanzug hervor, den er besaß. Er mußte über sein gebräuntes Gesicht und sein graues Haar lachen, als er sich in dem trüben kleinen Spiegel über dem Toilettentisch betrachtete.

 

Having inducted his customer into the room, John retired with perfect calmness; and Major Dobbin, not without a blush and a grin at his own absurdity, chose out of his kit the very smartest and most becoming civil costume he possessed, and laughed at his own tanned face and grey hair, as he surveyed them in the dreary little toilet-glass on the dressing-table.

Ich freute mich, daß mich der alte John nicht vergessen hat, dachte er. Hoffentlich erkennt sie mich auch, und er trat aus dem Gasthaus und lenkte seine Schritte wieder in Richtung Brompton.

 

“I’m glad old John didn’t forget me,” he thought. “She’ll know me, too, I hope.” And he sallied out of the inn, bending his steps once more in the direction of Brompton.

Jeder kleinste Umstand seines letzten Zusammenseins mit Amelia stand dem treuen Menschen wieder vor Augen, als er ihrem Hause zuging. Der Triumphbogen und die Achillesstatue waren errichtet worden, seit er Piccadilly zum letztenmal gesehen hatte. Hunderterlei hatte sich verändert, aber er nahm es mit Auge und Geist kaum auf. Er zitterte, als er die Bromptoner Gasse durchschritt, die wohlbekannte Gasse, die zu der Straße führte, wo sie wohnte. Ob sie denn nun heiraten wollte oder nicht? Wenn er ihr und dem kleinen Knaben begegnete – guter Gott! Was sollte er dann tun? Er sah eine Frau mit einem fünfjährigen Kind auf sich zukommen. War sie es? Schon bei dem bloßen Gedanken daran bebte er. Als er endlich die Häuserreihe, in der sie wohnte, und ihre Tür erreichte, griff er zur Klinke und blieb stehen. Er hätte hören können, wie sein Herz klopfte. Möge sie der Allmächtige segnen, was auch immer geschehen ist, dachte er bei sich. »Pah, sie wohnt vielleicht gar nicht mehr hier«, sagte er und schritt durch das Tor.

 

Every minute incident of his last meeting with Amelia was present to the constant man’s mind as he walked towards her house. The arch and the Achilles statue were up since he had last been in Piccadilly; a hundred changes had occurred which his eye and mind vaguely noted. He began to tremble as he walked up the lane from Brompton, that well-remembered lane leading to the street where she lived. Was she going to be married or not? If he were to meet her with the little boy — Good God, what should he do? He saw a woman coming to him with a child of five years old — was that she? He began to shake at the mere possibility. When he came up to the row of houses, at last, where she lived, and to the gate, he caught hold of it and paused. He might have heard the thumping of his own heart. “May God Almighty bless her, whatever has happened,” he thought to himself. “Psha! she may be gone from here,” he said and went in through the gate.

Das Fenster des Zimmers, das sie sonst bewohnt hatte, stand offen, und es war niemand darin zu sehen. Der Major glaubte das Klavier mit dem Porträt darüber zu erkennen wie in früheren Zeiten, und seine Unruhe kam wieder. Mr. Clapps Messingschild war noch an der Tür. Dobbin klopfte.

 

The window of the parlour which she used to occupy was open, and there were no inmates in the room. The Major thought he recognized the piano, though, with the picture over it, as it used to be in former days, and his perturbations were renewed. Mr. Clapp’s brass plate was still on the door, at the knocker of which Dobbin performed a summons.

Ein dralles Mädchen von sechzehn mit klaren Augen und roten Wangen kam auf das Klopfen herbei und betrachtete den Major, der sich an die Wand des Häuschens lehnte, aufmerksam.

 

A buxom-looking lass of sixteen, with bright eyes and purple cheeks, came to answer the knock and looked hard at the Major as he leant back against the little porch.

Er war bleich wie ein Gespenst und vermochte kaum hervorzustammeln: »Wohnt Mrs. Osborne hier?«

 

He was as pale as a ghost and could hardly falter out the words — “Does Mrs. Osborne live here?”

Sie blickte ihn einen Augenblick scharf an, wurde ebenfalls blaß und antwortete: »Gott behüte mich – das ist ja Major Dobbin.« Sie hielt ihm zitternd beide Hände hin. »Kennen Sie mich nicht mehr?« fragte sie. »Ich habe Sie immer Major Zuckererbse genannt.« Hierauf (und ich glaube, es war das erstemal in seinem Leben, daß er sich so benahm) schloß der Major das Mädchen in die Arme und küßte es. Sie weinte und lachte vor Aufregung durcheinander. Mit dem lauten Ruf »Mama! Papa!« brachte sie die braven Leute herbei, die den Major bereits vom Küchenfenster aus beobachtet hatten und erstaunt waren, ihre Tochter in dem kleinen Gang in den Armen eines großen schlanken Mannes mit blauem Rock und weißen Leinenhosen zu erblicken.

 

She looked him hard in the face for a moment — and then turning white too — said, “Lord bless me — it’s Major Dobbin.” She held out both her hands shaking — "Don’t you remember me?” she said. “I used to call you Major Sugarplums.” On which, and I believe it was for the first time that he ever so conducted himself in his life, the Major took the girl in his arms and kissed her. She began to laugh and cry hysterically, and calling out “Ma, Pa!” with all her voice, brought up those worthy people, who had already been surveying the Major from the casement of the ornamental kitchen, and were astonished to find their daughter in the little passage in the embrace of a great tall man in a blue frock-coat and white duck trousers.

»Ich bin ein alter Freund«, sagte er, nicht ohne zu erröten. »Erinnern Sie sich nicht mehr an mich, Mrs. Clapp, und an den guten Kuchen, den Sie immer zum Tee gemacht haben? Kennen Sie mich nicht wieder, Clapp? Ich bin Georges Patenonkel und komme gerade aus Indien.« Nun gab es ein allgemeines Händeschütteln. Mrs. Clapp war sehr gerührt und entzückt und rief den Himmel wohl hundertmal an einzugreifen.

 

“I’m an old friend,” he said — not without blushing though. “Don’t you remember me, Mrs. Clapp, and those good cakes you used to make for tea? Don’t you recollect me, Clapp? I’m George’s godfather, and just come back from India.” A great shaking of hands ensued — Mrs. Clapp was greatly affected and delighted; she called upon heaven to interpose a vast many times in that passage.

Die Wirtsleute führten den würdigen Major in Sedleys Zimmer, und er erkannte jedes Möbelstück, angefangen von dem alten Klavier mit den Messingornamenten, einst ein hübsches kleines Instrument, gebaut von Stothard, bis zu dem Ofenschirm und dem Miniaturgrabstein aus Alabaster, in dessen Mitte Mr. Sedleys goldene Uhr tickte. Als er sich dort in dem leeren Armsessel des Mieters niedergelassen hatte, berichteten ihm Vater, Mutter und Tochter, unterbrochen von tausend Ausrufen, das, was wir bereits wissen, was ihm von Amelias Geschichte aber noch unbekannt war, nämlich Mrs. Sedleys Tod und Georges Aussöhnung mit seinem Großvater Osborne. Sie erzählten, wie die Witwe den Abschied von ihm ertrug und vieles mehr aus ihrem Leben. Ein paarmal hatte er schon die Frage nach der Heirat auf den Lippen, aber es gebrach ihm an Mut. Er wollte diesen Leuten sein Herz nicht auftun. Schließlich erfuhr er, daß Mrs. Osborne mit ihrem Vater in die Kensington Gardens gegangen sei, wohin sie an schönen Nachmittagen nach dem Essen den alten Herrn stets führte. Er sei schon sehr schwach und verdrießlich geworden und mache ihr das Leben schwer, obwohl sie zu ihm ganz sicher wie ein Engel sei.

 

The landlord and landlady of the house led the worthy Major into the Sedleys’ room (whereof he remembered every single article of furniture, from the old brass ornamented piano, once a natty little instrument, Stothard maker, to the screens and the alabaster miniature tombstone, in the midst of which ticked Mr. Sedley’s gold watch), and there, as he sat down in the lodger’s vacant arm-chair, the father, the mother, and the daughter, with a thousand ejaculatory breaks in the narrative, informed Major Dobbin of what we know already, but of particulars in Amelia’s history of which he was not aware — namely of Mrs. Sedley’s death, of George’s reconcilement with his grandfather Osborne, of the way in which the widow took on at leaving him, and of other particulars of her life. Twice or thrice he was going to ask about the marriage question, but his heart failed him. He did not care to lay it bare to these people. Finally, he was informed that Mrs. O. was gone to walk with her pa in Kensington Gardens, whither she always went with the old gentleman (who was very weak and peevish now, and led her a sad life, though she behaved to him like an angel, to be sure), of a fine afternoon, after dinner.

»Meine Zeit ist sehr knapp, und heute abend habe ich wichtige Geschäfte«, sagte der Major. »Ich möchte Mrs. Osborne jedoch gern sprechen. Ob Miss Polly wohl mitkommen und mir den Weg zeigen könnte?«

 

“I’m very much pressed for time,” the Major said, “and have business to-night of importance. I should like to see Mrs. Osborne tho’. Suppose Miss Polly would come with me and show me the way?”

Miss Polly war von diesem Vorschlag bezaubert und überrascht. Sie kannte den Weg. Sie würde ihn dem Major zeigen. Sie war oft mit Mr. Sedley dorthin gegangen, wenn Mrs. Osborne zum Russell Square geeilt war. Sie kannte auch die Bank, auf der er am liebsten saß. Sie stürzte in ihr Zimmer und kehrte bald zurück, geschmückt mit ihrem besten Hut, dem gelben Schal ihrer Mama und deren großer Achatbrosche. Sie hatte sich die Sachen geliehen, um eine würdige Begleiterin des Majors zu sein.

 

Miss Polly was charmed and astonished at this proposal. She knew the way. She would show Major Dobbin. She had often been with Mr. Sedley when Mrs. O. was gone — was gone Russell Square way — and knew the bench where he liked to sit. She bounced away to her apartment and appeared presently in her best bonnet and her mamma’s yellow shawl and large pebble brooch, of which she assumed the loan in order to make herself a worthy companion for the Major.

Dobbin, im blauen Rock mit Lederhandschuhen, reichte der jungen Dame den Arm, und sie marschierten munter davon. Er war froh, daß bei der Begrüßungsszene, vor der er doch irgendwie Angst hatte, eine gute Bekannte anwesend sein würde. Er stellte seiner Begleiterin tausend Fragen über Amelia, und sein gütiges Herz schmerzte, wenn er daran dachte, daß sie sich von ihrem Sohn hatte trennen müssen. Wie ertrug sie es? Sah sie ihn oft? Ging es Mr. Sedley in bezug auf weltliche Güter besser? Polly beantwortete alle Fragen des Majors Zuckererbse, so gut sie konnte.

 

That officer, then, in his blue frock-coat and buckskin gloves, gave the young lady his arm, and they walked away very gaily. He was glad to have a friend at hand for the scene which he dreaded somehow. He asked a thousand more questions from his companion about Amelia: his kind heart grieved to think that she should have had to part with her son. How did she bear it? Did she see him often? Was Mr. Sedley pretty comfortable now in a worldly point of view? Polly answered all these questions of Major Sugarplums to the very best of her power.

Etwas geschah während des Spazierganges, was, von Natur aus unbedeutend, bei dem Major doch große Freude auslöste. Ein bleicher junger Mann mit spärlichem Bartwuchs und steifer weißer Krawatte kam wie ein belegtes Brot, das heißt zwischen zwei Damen, die Straße herab. Die eine war eine große, gebieterisch aussehende Dame von mittlerem Alter, und ihre Züge und Gesichtsfarbe ähnelten denen des Geistlichen der Kirche Englands an ihrer Seite. Die andere dagegen war eine verkümmerte kleine Frau mit braunem Gesicht, geschmückt mit einem schönen neigen weißbebänderten Hut, einem eleganten Umhang und einer kostbaren goldenen Uhr. Wie sehr die Damen den Herrn auch behinderten, so trug er außerdem doch noch einen Sonnenschirm, einen Schal und einen Korb, so daß er nicht den Hut berühren konnte, um Miss Mary Clapps Knicks zu erwidern.

 

And in the midst of their walk an incident occurred which, though very simple in its nature, was productive of the greatest delight to Major Dobbin. A pale young man with feeble whiskers and a stiff white neckcloth came walking down the lane, en sandwich — having a lady, that is, on each arm. One was a tall and commanding middle-aged female, with features and a complexion similar to those of the clergyman of the Church of England by whose side she marched, and the other a stunted little woman with a dark face, ornamented by a fine new bonnet and white ribbons, and in a smart pelisse, with a rich gold watch in the midst of her person. The gentleman, pinioned as he was by these two ladies, carried further a parasol, shawl, and basket, so that his arms were entirely engaged, and of course he was unable to touch his hat in acknowledgement of the curtsey with which Miss Mary Clapp greeted him.

Er antwortete also mit einem milden Kopfnicken, während die beiden Damen mit Gönnermiene zurückgrüßten und gleichzeitig dem Menschen im blauen Rock mit dem Bambusstock, der Miss Polly begleitete, gestrenge Blicke zuwarfen.

 

He merely bowed his head in reply to her salutation, which the two ladies returned with a patronizing air, and at the same time looking severely at the individual in the blue coat and bamboo cane who accompanied Miss Polly.

»Wer ist das?« fragte der Major belustigt, nachdem er beiseite getreten war, um die drei an sich vorübergehen zu lassen. Mary blickte ihn spitzbübisch an.

 

“Who’s that?” asked the Major, amused by the group, and after he had made way for the three to pass up the lane. Mary looked at him rather roguishly.

»Das ist unser Pfarrer, Ehrwürden Mr. Binny« (Major Dobbin zuckte zusammen), »und seine Schwester Miss B. Gott behüte, wie hat sie uns doch in der Sonntagsschule geplagt. Und die andere Dame, die kleine Schielende mit der schönen Uhr, ist Mrs. Binny, eine geborene Miss Grits. Ihr Papa war Kaufmann und hatte das ›Goldene Teekännchen‹ in der Kensingtoner Sandgrube. Sie haben vor einem Monat geheiratet und sind eben von Margate zurückgekehrt. Sie hat fünftausend Pfund Mitgift; aber sie und Miss Binny, die die Heirat vermittelt hat, haben sich schon gezankt.«

 

“That is our curate, the Reverend Mr. Binny (a twitch from Major Dobbin), and his sister Miss B. Lord bless us, how she did use to worret us at Sunday-school; and the other lady, the little one with a cast in her eye and the handsome watch, is Mrs. Binny — Miss Grits that was; her pa was a grocer, and kept the Little Original Gold Tea Pot in Kensington Gravel Pits. They were married last month, and are just come back from Margate. She’s five thousand pound to her fortune; but her and Miss B., who made the match, have quarrelled already.”

Wenn der Major schon früher zusammengezuckt war, so fuhr er jetzt derart zusammen und stieß den Bambusstock so kräftig auf den Boden, daß Miss Clapp lachend »Großer Gott!« schrie. Er blieb stehen und blickte einen Augenblick mit offenem Mund dem sich entfernenden jungen Paar nach, während Miss Mary ihre Geschichte erzählte. Außer der Nachricht von der Heirat des ehrwürdigen Herrn vernahm er jedoch nichts, denn es schwindelte ihm vor Glückseligkeit. Nach dieser Begegnung lief er im Eiltempo auf sein Ziel zu, und doch ging es ihm wieder zu schnell, denn er hatte Angst vor der Begegnung, die er seit zehn Jahren ersehnt hatte. Sehr bald hatten sie die Bromptoner Straßen hinter sich gelassen und traten durch das kleine alte Portal in der Mauer, die die Kensington Gardens umgab.

 

If the Major had twitched before, he started now, and slapped the bamboo on the ground with an emphasis which made Miss Clapp cry, “Law,” and laugh too. He stood for a moment, silent, with open mouth, looking after the retreating young couple, while Miss Mary told their history; but he did not hear beyond the announcement of the reverend gentleman’s marriage; his head was swimming with felicity. After this rencontre he began to walk double quick towards the place of his destination — and yet they were too soon (for he was in a great tremor at the idea of a meeting for which he had been longing any time these ten years) — through the Brompton lanes, and entering at the little old portal in Kensington Garden wall.

»Dort sind sie«, sagte Miss Polly und fühlte erneut, wie er an ihrem Arm zusammenfuhr. Sie war sofort über die ganze Angelegenheit im Bilde und kannte die Geschichte so gut, als hätte sie sie in einem ihrer Lieblingsromane gelesen – in »Fanny die Waise« oder in »Schottische Häuptlinge«.

 

“There they are,” said Miss Polly, and she felt him again start back on her arm. She was a confidante at once of the whole business. She knew the story as well as if she had read it in one of her favourite novel-books — Fatherless Fanny, or the Scottish Chiefs.

»Ob Sie nicht hingehen und es ihr sagen?« fragte der Major. Polly stürzte los, daß ihr gelber Schal im Wind flatterte.

 

“Suppose you were to run on and tell her,” the Major said. Polly ran forward, her yellow shawl streaming in the breeze.

Der alte Sedley saß auf einer Bank, hatte sein Taschentuch über die Knie gebreitet und brabbelte wie üblich irgendeine alte Geschichte aus alter Zeit, der Amelia schon manches Mal geduldig lächelnd gelauscht hatte. Seit einiger Zeit konnte sie an ihre eigenen Angelegenheiten denken und dabei lächeln oder anderswie ihre Aufmerksamkeit für die Geschichten ihres Vaters bekunden, ohne ein Wort davon aufzunehmen. Beim Anblick der herbeispringenden Mary fuhr Amelia von der Bank hoch. Ihr erster Gedanke war, daß Georgy etwas zugestoßen sei, aber das eifrige und glückliche Gesicht der Botin verbannte die Furcht aus dem Herzen der ängstlichen Mutter.

 

Old Sedley was seated on a bench, his handkerchief placed over his knees, prattling away, according to his wont, with some old story about old times to which Amelia had listened and awarded a patient smile many a time before. She could of late think of her own affairs, and smile or make other marks of recognition of her father’s stories, scarcely hearing a word of the old man’s tales. As Mary came bouncing along, and Amelia caught sight of her, she started up from her bench. Her first thought was that something had happened to Georgy, but the sight of the messenger’s eager and happy face dissipated that fear in the timorous mother’s bosom.

»Neuigkeiten! Gute Nachrichten!« rief die Abgesandte. »Er ist da, er ist da!«

 

“News! News!” cried the emissary of Major Dobbin. “He’s come! He’s come!”

»Wer ist da?« fragte Emmy, die immer noch an ihren Sohn dachte.

 

“Who is come?” said Emmy, still thinking of her son.

»Sehen Sie dorthin«, erwiderte Miss Clapp, drehte sich um und deutete in eine bestimmte Richtung, aus der Amelia Dobbins magere Gestalt und seinen langen Schatten über das Gras heranstolzieren sah. Nun fuhr Amelia zusammen, errötete und begann natürlich zu weinen. Bei allen Festen dieses einfältigen Geschöpfchens spielten stets die Wasserkünste. Er sah sie an – o wie zärtlich! –, als sie ihm mit ausgestreckten Händen entgegenlief. Sie hatte sich nicht verändert. Sie war nur etwas blasser geworden, und ihre Gestalt war voller. Ihre Augen waren dieselben, die gütigen treuen Augen. In ihrem weichen, braunen Haar zeigten sich ein paar silberne Fäden. Sie gab ihm beide Hände und blickte errötend und unter Tränen lächelnd in sein ehrliches, schlichtes Gesicht. Er nahm die beiden kleinen Hände zwischen die seinigen und hielt sie fest. Einen Augenblick lang konnte er nicht sprechen. Warum schloß er sie nicht in die Arme und schwor, sie nicht verlassen zu wollen? Sie hätte nachgeben, ihm gehorchen müssen.

 

“Look there,” answered Miss Clapp, turning round and pointing; in which direction Amelia looking, saw Dobbin’s lean figure and long shadow stalking across the grass. Amelia started in her turn, blushed up, and, of course, began to cry. At all this simple little creature’s fetes, the grandes eaux were accustomed to play. He looked at her — oh, how fondly — as she came running towards him, her hands before her, ready to give them to him. She wasn’t changed. She was a little pale, a little stouter in figure. Her eyes were the same, the kind trustful eyes. There were scarce three lines of silver in her soft brown hair. She gave him both her hands as she looked up flushing and smiling through her tears into his honest homely face. He took the two little hands between his two and held them there. He was speechless for a moment. Why did he not take her in his arms and swear that he would never leave her? She must have yielded: she could not but have obeyed him.

»Ich – ich habe noch jemanden anzukündigen«, sagte er nach einer Pause.

 

“I — I’ve another arrival to announce,” he said after a pause.

»Mrs. Dobbin?« fragte Amelia und wich zurück. Warum sprach er nicht?

 

“Mrs. Dobbin?” Amelia said, making a movement back — why didn’t he speak?

»Nein«, sagte er und ließ ihre Hand los. »Wer hat Ihnen denn den Bären aufgebunden? Ich meine Ihren Bruder Joseph, der im selben Schiff ankam wie ich und Sie alle glücklich machen will.«

 

“No,” he said, letting her hands go: “Who has told you those lies? I mean, your brother Jos came in the same ship with me, and is come home to make you all happy.”

»Papa, Papa!« rief Emmy. »Es gibt gute Nachrichten! Mein Bruder ist in England, er ist gekommen, um für dich zu sorgen. Hier ist Major Dobbin.«

 

“Papa, Papa!” Emmy cried out, “here are news! My brother is in England. He is come to take care of you. Here is Major Dobbin.”

Mr. Sedley fuhr heftig zitternd hoch und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Dann trat er vor und machte dem Major eine altmodische Verbeugung, nannte ihn Mr. Dobbin und sprach die Hoffnung aus, seinem würdigen Vater, Sir William, gehe es gut. Er beabsichtigte, Sir William seine Aufwartung zu machen, denn dieser habe ihm vor kurzer Zeit die Ehre eines Besuches erwiesen. Sir William war zum letztenmal vor acht Jahren bei dem alten Herrn gewesen – das war der Besuch, den er erwidern wollte.

 

Mr. Sedley started up, shaking a great deal and gathering up his thoughts. Then he stepped forward and made an old-fashioned bow to the Major, whom he called Mr. Dobbin, and hoped his worthy father, Sir William, was quite well. He proposed to call upon Sir William, who had done him the honour of a visit a short time ago. Sir William had not called upon the old gentleman for eight years — it was that visit he was thinking of returning.

»Seine Gesundheit ist sehr erschüttert«, flüsterte Amelia, als Dobbin herantrat und dem alten Herrn herzlich die Hand schüttelte.

 

“He is very much shaken,” Emmy whispered as Dobbin went up and cordially shook hands with the old man.

Obwohl der Major am Abend so dringende Geschäfte in London zu erledigen hatte, war er doch bereit, sie zu verschieben, als ihn Mr. Sedley nach Hause zu einer Tasse Tee einlud. Amelia nahm den Arm ihrer jungen Freundin mit dem gelben Schal und ging auf dem Heimweg voran, so daß Dobbin Mr. Sedley zufiel. Der alte Mann ging sehr langsam und erzählte eine Menge alter Geschichten über sich und seine arme Bessy, über seinen früheren Reichtum und seinen Bankrott. Seine Gedanken waren, wie stets bei Greisen, in die Vergangenheit gerichtet; von der Gegenwart wußte er mit Ausnahme des eigenen Unglücks wenig. Der Major ließ ihn gern schwatzen. Seine Augen waren auf die Gestalt vor ihm gerichtet – die liebe kleine Gestalt, die in seiner Phantasie und in seinen Gebeten stets zugegen war und seine Träume im Wachen und im Schlafen besucht hatte.

 

Although he had such particular business in London that evening, the Major consented to forego it upon Mr. Sedley’s invitation to him to come home and partake of tea. Amelia put her arm under that of her young friend with the yellow shawl and headed the party on their return homewards, so that Mr. Sedley fell to Dobbin’s share. The old man walked very slowly and told a number of ancient histories about himself and his poor Bessy, his former prosperity, and his bankruptcy. His thoughts, as is usual with failing old men, were quite in former times. The present, with the exception of the one catastrophe which he felt, he knew little about. The Major was glad to let him talk on. His eyes were fixed upon the figure in front of him — the dear little figure always present to his imagination and in his prayers, and visiting his dreams wakeful or slumbering.

Amelia war den ganzen Abend über sehr lebhaft und strahlte vor Glück. Mit Anmut und Würde, wie es Dobbin schien, übte sie ihre Pflichten als Gastgeberin aus. Seine Augen folgten ihr überallhin, während sie in der Dämmerung saßen. Wie oft hatte er sich nach diesem Augenblick gesehnt und in der Ferne unter heißen Winden und auf beschwerlichen Märschen an sie gedacht – sie so vor sich gesehen wie jetzt: sanft und glücklich, gütig für die Bedürfnisse des Alters sorgend und die Armut mit süßer Ergebenheit schmückend. Ich will nicht etwa sagen, daß sein Geschmack erlesen war oder daß es die Pflicht eines großen Geistes wäre, sich mit einem Butterbrotparadies zu begnügen, wie es unser einfacher alter Freund tat. Ob gut oder schlecht – seine Wünsche gingen nun einmal in diese Richtung, und wenn ihm Amelia einschenkte, dann war er bereit, ebensoviel Tassen Tee zu trinken wie Doktor Johnson.

 

Amelia was very happy, smiling, and active all that evening, performing her duties as hostess of the little entertainment with the utmost grace and propriety, as Dobbin thought. His eyes followed her about as they sat in the twilight. How many a time had he longed for that moment and thought of her far away under hot winds and in weary marches, gentle and happy, kindly ministering to the wants of old age, and decorating poverty with sweet submission — as he saw her now. I do not say that his taste was the highest, or that it is the duty of great intellects to be content with a bread-and-butter paradise, such as sufficed our simple old friend; but his desires were of this sort, whether for good or bad, and, with Amelia to help him, he was as ready to drink as many cups of tea as Doctor Johnson.

Amelia bemerkte diesen Hang und unterstützte ihn lachend. Sie sah ungemein spitzbübisch aus, als sie ihm eine Tasse nach der anderen reichte. Allerdings wußte sie nicht, daß der Major noch nichts gegessen hatte und daß bei Slaughters schon der Tisch für ihn gedeckt war und ein Teller andeutete, daß er besetzt sei – in derselben Nische, in der der Major und George so manches Mal gezecht hatten, als Amelia noch ein Kind war und soeben erst von Miss Pinkertons Schule zurückgekehrt war.

 

Amelia seeing this propensity, laughingly encouraged it and looked exceedingly roguish as she administered to him cup after cup. It is true she did not know that the Major had had no dinner and that the cloth was laid for him at the Slaughters’, and a plate laid thereon to mark that the table was retained, in that very box in which the Major and George had sat many a time carousing, when she was a child just come home from Miss Pinkerton’s school.

Das erste, was Mrs. Osborne dem Major zeigte, war Georgys Miniaturbild, das sie sofort nach ihrer Heimkehr herunterholte. Es war natürlich nicht halb so hübsch, wie der Junge in Wirklichkeit aussah; war es aber nicht schön von ihm, daß er daran gedacht hatte, es seiner Mutter zu bringen? Solange ihr Vater wach war, sprach sie nicht viel von Georgy; der alte Mann hörte es nicht gern, wenn man von Mr. Osborne und dem Russell Square sprach; höchstwahrscheinlich wußte er nicht, daß er in den letzten Monaten hauptsächlich von der Gnade seines reichen Rivalen gelebt hatte, und geriet in Wut, wenn der andere nur erwähnt wurde.

 

The first thing Mrs. Osborne showed the Major was Georgy’s miniature, for which she ran upstairs on her arrival at home. It was not half handsome enough of course for the boy, but wasn’t it noble of him to think of bringing it to his mother? Whilst her papa was awake she did not talk much about Georgy. To hear about Mr. Osborne and Russell Square was not agreeable to the old man, who very likely was unconscious that he had been living for some months past mainly on the bounty of his richer rival, and lost his temper if allusion was made to the other.

Dobbin erzählte ihm alles, was sich an Bord der »Ramchunder« zugetragen hatte, und vielleicht noch etwas mehr. Er übertrieb Josephs Wohlwollen gegen seinen Vater und seine Entschlossenheit, ihm seine alten Tage zu verschönen. In Wirklichkeit hatte der Major während der Reise seinem Mitpassagier diese Pflicht aufs strengste eingeschärft und ihm das Versprechen abgenommen, daß er sich um seine Schwester und das Kind kümmern wolle. Er beruhigte Josephs Zorn wegen der Wechsel, die der alte Herr auf ihn gezogen hatte, und berichtete ihm lachend, was er selbst in dieser Hinsicht erdulden mußte und wie ihn der Alte mit dieser berühmten Weinsendung beglückt hatte. Er brachte Mr. Joseph, der ein ganz gutmütiger Mensch war, wenn man ihn zufriedenstellte und ihm ein wenig schmeichelte, dazu, daß er gegen seine Verwandten in Europa freundliche Gefühle hegte.

 

Dobbin told him all, and a little more perhaps than all, that had happened on board the Ramchunder, and exaggerated Jos’s benevolent dispositions towards his father and resolution to make him comfortable in his old days. The truth is that during the voyage the Major had impressed this duty most strongly upon his fellow-passenger and extorted promises from him that he would take charge of his sister and her child. He soothed Jos’s irritation with regard to the bills which the old gentleman had drawn upon him, gave a laughing account of his own sufferings on the same score and of the famous consignment of wine with which the old man had favoured him, and brought Mr. Jos, who was by no means an ill-natured person when well-pleased and moderately flattered, to a very good state of feeling regarding his relatives in Europe.

Aber schließlich muß ich leider gestehen, daß der Major die Wahrheit so weit entstellte, dem alten Mr. Sedley zu erzählen, nur der Wunsch, seinen Vater wiederzusehen, habe Joseph nach Europa getrieben.

 

And in fine I am ashamed to say that the Major stretched the truth so far as to tell old Mr. Sedley that it was mainly a desire to see his parent which brought Jos once more to Europe.

Zur gewohnten Stunde nickte Mr. Sedley auf seinem Stuhl ein, und jetzt hatte Amelia Gelegenheit, die Unterhaltung zu führen. Sie sprach eifrig, aber ausschließlich über Georgy. Ihren eigenen Trennungsschmerz erwähnte sie mit keinem Wort, denn obwohl der Abschied sie beinahe ins Grab gebracht hatte, so glaubte die gute Frau doch, es sei sehr schlecht von ihr, sich über den Verlust so zu grämen. Aber alles, was ihn betraf, seine Tugenden, Talente und Aussichten, schüttete sie vor ihrem Zuhörer aus. Sie beschrieb seine engelhafte Schönheit und gab hundert Beispiele von seiner Großmut und Tüchtigkeit aus der Zeit, als er noch bei ihr gewohnt hatte. Sie erzählte, daß eine Herzogin in den Kensington Gardens angehalten und ihn bewundert habe, daß jetzt ganz ausgezeichnet für ihn gesorgt werde, daß er einen Reitknecht und ein Pony habe, wie schnell er alles auffasse und wie klug er sei und was für ein außerordentlich belesener und reizender Mensch Ehrwürden Lawrence Veal, Georges Lehrer, sei. »Er weiß aber auch alles«, sagte Amelia. »Er gibt die schönsten Gesellschaften. Sie, der Sie selbst so gelehrt sind und so viel gelesen haben und so klug sind und so vieles können – schütteln Sie nicht den Kopf und leugnen es! Er meinte das immer, wenn er von Ihnen sprach –, Sie werden von Mr. Veals Gesellschaften bezaubert sein. Jeden letzten Dienstag im Monat. Er sagte, es gebe keine Stelle im Gericht oder im Senat, die Georgy nicht einst einnehmen könnte. Sehen Sie mal«, damit zog sie den Schubkasten im Klavier auf und holte einen Aufsatz von Georgy hervor. Dieses großartige Produkt geistiger Anstrengung, das immer noch im Besitz von Georges Mutter ist, lautete wie folgt:

 

At his accustomed hour Mr. Sedley began to doze in his chair, and then it was Amelia’s opportunity to commence her conversation, which she did with great eagerness — it related exclusively to Georgy. She did not talk at all about her own sufferings at breaking from him, for indeed, this worthy woman, though she was half-killed by the separation from the child, yet thought it was very wicked in her to repine at losing him; but everything concerning him, his virtues, talents, and prospects, she poured out. She described his angelic beauty; narrated a hundred instances of his generosity and greatness of mind whilst living with her; how a Royal Duchess had stopped and admired him in Kensington Gardens; how splendidly he was cared for now, and how he had a groom and a pony; what quickness and cleverness he had, and what a prodigiously well-read and delightful person the Reverend Lawrence Veal was, George’s master. “He knows everything,” Amelia said. “He has the most delightful parties. You who are so learned yourself, and have read so much, and are so clever and accomplished — don’t shake your head and say no — he always used to say you were — you will be charmed with Mr. Veal’s parties. The last Tuesday in every month. He says there is no place in the bar or the senate that Georgy may not aspire to. Look here,” and she went to the piano-drawer and drew out a theme of Georgy’s composition. This great effort of genius, which is still in the possession of George’s mother, is as follows:

Über die Selbstsucht

Von allen Lastern, die den menschlichen Charakter erniedrigen, ist die Selbstsucht am abscheulichsten und unwürdigsten. Übermäßige Liebe zu sich selbst führt zu den gräßlichsten Verbrechen und bewirkt das größte Unglück, sowohl im Staat als auch in der Familie. Wie ein selbstsüchtiger Mann seine Familie in Armut und oftmals ins Verderben stürzt, so bringt ein selbstsüchtiger König auch das Verderben für sein Volk und stürzt es oft in den Krieg.

 

On Selfishness — Of all the vices which degrade the human character, Selfishness is the most odious and contemptible. An undue love of Self leads to the most monstrous crimes and occasions the greatest misfortunes both in States and Families. As a selfish man will impoverish his family and often bring them to ruin, so a selfish king brings ruin on his people and often plunges them into war.

Beispiel: Die Selbstsucht des Achilles, wie sie der Dichter Homer beschreibt, brachte tausendfaches Leid über die Griechen μυςι Αχαιοις αλγε εϑηχεν(Homer, Ilias I, 2). Die Selbstsucht Napoleon Bonapartes verursachte unzählige Kriege in Europa und brachte ihn selbst zum schmählichen Untergang auf einer elenden Insel – der Insel Sankt Helena im Atlantischen Ozean.

 

Example: The selfishness of Achilles, as remarked by the poet Homer, occasioned a thousand woes to the Greeks — muri Achaiois alge etheke — (Hom. Il. A. 2). The selfishness of the late Napoleon Bonaparte occasioned innumerable wars in Europe and caused him to perish, himself, in a miserable island — that of Saint Helena in the Atlantic Ocean.

Wir sehen aus diesen Beispielen, daß wir nicht nur unsere eigenen Interessen und unseren Ehrgeiz berücksichtigen dürfen, sondern daß wir auch die Interessen anderer berücksichtigen müssen.

 

We see by these examples that we are not to consult our own interest and ambition, but that we are to consider the interests of others as well as our own.

George S. Osborne
Athene-Haus, den 24. April 1827

 

George S. Osborne Athene House, 24 April, 1827

»Stellen Sie sich vor, er hat in dem Alter schon eine so gute Handschrift und zitiert sogar schon Griechisch«, sagte die entzückte Mutter. »Oh, William«, fügte sie hinzu und streckte dem Major die Hand hin, »was der Himmel mir doch für einen Schatz in diesem Knaben gegeben hat! Er ist der Trost meines Lebens – und er ist das Bild des –des Toten!«

 

“Think of him writing such a hand, and quoting Greek too, at his age,” the delighted mother said. “Oh, William,” she added, holding out her hand to the Major, “what a treasure Heaven has given me in that boy! He is the comfort of my life — and he is the image of — of him that’s gone!”

Sollte ich ihr zürnen, weil sie ihm treu ist? dachte William. Sollte ich auf meinen Freund im Grabe eifersüchtig sein? Oder sollte ich verletzt sein, weil ein Herz wie das Amelias in Ewigkeit nur einmal lieben kann? Oh, George, George, wie wenig kanntest du doch den Schatz, den du besessen hast. Diese Gedanken schossen William durch den Sinn, als er Amelias Hand hielt, während sie die Augen mit dem Taschentuch bedeckte.

 

“Ought I to be angry with her for being faithful to him?” William thought. “Ought I to be jealous of my friend in the grave, or hurt that such a heart as Amelia’s can love only once and for ever? Oh, George, George, how little you knew the prize you had, though.” This sentiment passed rapidly through William’s mind as he was holding Amelia’s hand, whilst the handkerchief was veiling her eyes.

»Lieber Freund«, sagte sie und drückte die Hand, in der ihre lag. »Wie gut, wie freundlich sind Sie immer gegen mich gewesen! Sehen Sie, Papa regt sich. Sie besuchen Georgy morgen, nicht wahr?«

 

“Dear friend,” she said, pressing the hand which held hers, “how good, how kind you always have been to me! See! Papa is stirring. You will go and see Georgy tomorrow, won’t you?”

»Morgen nicht«, sagte der arme alte Dobbin. »Ich habe Geschäfte zu erledigen.« Er wollte nicht gern zugeben, daß er noch nicht einmal bei seinen Eltern und seiner teuren Schwester Ann gewesen war – eine Nachlässigkeit, derentwegen wahrscheinlich jeder guterzogene Mensch den Major tadeln wird. Bald darauf nahm er Abschied und hinterließ für Joseph seine Adresse für den Fall, daß dieser bald ankommen würde. So war der erste Tag vorüber, und er hatte sie gesehen.

 

“Not to-morrow,” said poor old Dobbin. “I have business.” He did not like to own that he had not as yet been to his parents’ and his dear sister Anne — a remissness for which I am sure every well-regulated person will blame the Major. And presently he took his leave, leaving his address behind him for Jos, against the latter’s arrival. And so the first day was over, and he had seen her.

Als er zu Slaughters zurückkam, war das Brathuhn natürlich kalt geworden, aber er aß es auch so zum Abendbrot. Da er wußte, wie zeitig seine Familie zu Bett ging und daß es unnütz wäre, sie zu so später Stunde aus dem Schlaf zu holen, so erzählt man, daß Major Dobbin an jenem Abend den letzten Teil der Vorstellung im Haymarket Theater zum halben Preis besuchte, wo er sich hoffentlich gut unterhalten hat.

 

When he got back to the Slaughters’, the roast fowl was of course cold, in which condition he ate it for supper. And knowing what early hours his family kept, and that it would be needless to disturb their slumbers at so late an hour, it is on record, that Major Dobbin treated himself to half-price at the Haymarket Theatre that evening, where let us hope he enjoyed himself.


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