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Kapitel XII.
Bahia.

An Bord der »Maranhão«. – Mittwoch, den 8. August.

In unserer Menagerie an Bord, lassen sich im Lauf der Tage immer wieder neue Thiere entdecken. Da ist vor Allem eine Paroaria gularis L., ein reizender, Gallo campina genannter, schwarz und weisser guyanisch-brasilianischer Fink mit ganz carminrothem Kopfe; ferner einer der wohlbekannten Japims (Cassicus persicus L.), welchen die Leute am Schiff mit dem in Pernambuco für diese Vögel gebräuchlichen Namen Checheó bezeichnen; endlich ein Conurus aeruginosus L., ein Keilschwanzsittich mit gelbbrauner Kehle, der am Amazonenstrom die Südgrenze seiner Verbreitung findet.

Auch durch eine neue Schildkröte hat sich unsere Thiersammlung vermehrt. Es ist dies eine Seeschildkröte, deren Wirbelplatten einen scharfkantigen Längskiel aufweisen, deren Oberpanzerrandschilde rückwärts eckig herausragen, deren Kopf schwarz und gelb gefleckt ist, und welche überhaupt einen ganz anderen Typus zeigt, als die von uns am Amazonas gesehenen Chelonier. Ich halte sie nach all diesen Merkmalen für eine junge Suppenschildkröte (Chelone mydas L.) somit für eine Chelonine, welche im Indischen, Stillen, wie Atlantischen Ocean vorkommt, an der brasilianischen Küste häufig ist und ihres schmackhaften Fleisches wegen gefangen wird. –

Die Witterung lässt viel zu wünschen übrig. Es regnete fast die ganze letzte Nacht hindurch, und auch den ganzen heutigen Tag, bei fast durchgängig bedecktem Himmel, setzt der Regen immer und immer wieder ein. So können wir nicht im Zweifel darüber sein, dass wir uns noch in jener Region befinden, in welcher die Niederschläge sich vorzugsweise auf Herbst und Winter vertheilen. Um zehn ein halb Uhr Vormittag zeigte das Thermometer 25,5° C.

Zu Mittag und auch Nachmittag liessen sich etliche Wale beobachten, welche entweder halb aus den Salzfluthen tauchten und Wassermassen hoch in die Höhe warfen, oder nur durch einen breiten Schaumfleck auf der Meeresoberfläche ihre unterseeische Anwesenheit verriethen. Ihrem Benehmen nach könnten es Pottfische (Catodon macrocephalus Lacép.) gewesen sein, riesige Zahnwale, welche hauptsächlich an den südamerikanischen Küsten und hier wieder vor Allem bei Bahia gejagt werden. Dass diese Walthiere Wassermassen hoch emporwerfen, scheint dagegen zu sprechen, dass es Pottfische gewesen, da letztere nur einen niederen Strahl zu werfen pflegen. Doch schleudern die Pottfische hin und wieder oft einen Wasserschwall hoch in die Lüfte, dadurch dass sie sich in das Wasser fallen lassen. Sie erscheinen nebst einigen Arten von Bartenwalen (Mysticete) in den Gewässern Brasiliens speziell im Winter, also in der jetzigen Jahreszeit. Tausende von Menschen sind mit ihrem Fang und demjenigen ihrer Brüder beschäftigt, und die Zahl der jährlich erbeuteten Walthiere soll von den durchschnittlichen 50 manchmal bis auf 90 steigen.

Nachts waren wir an der Mündung des Rio São Francisco vorbeigefahren, eines Stromes von nahezu 3000 km Länge, der in letzterer Beziehung die Donau hinter sich lässt und in Europa nur von der Wolga übertroffen wird. An seiner weit hinausgeschobenen Barre soll das Meer in riesigbreiten Brechern anstürmen und eine grosse Strecke weit hellgrün und bräunlichgrün gefärbt sein. Nach unserem Passiren der São Franciscomündung fing die Küste der Provinz Sergipe an, sich zu unserer Rechten auszubreiten.

*

Sergipe ist eine Provinz, mit welcher ein für uns neues Florengebiet begann, das dritte und letzte, in weiches Brasilien zerfällt, ich meine den Küstenurwald. Zwar sahen wir schon in den letztbesuchten Provinzen, dass die dürre Campos-Vegetation von der Küste mehr und mehr zurückgedrängt wird und ein Streifen schönen Waldes den Ostrand des Landes begleitet. Doch erst südlich vom São Francisco rechnet man den Anfang jener prachtvollen Küstenurwaldzone, welche durch zwanzig Breitengrade hindurch ziemlich ununterbrochen fast bis zur Südgrenze Brasiliens reicht. In Sergipe verhältnissmässig schmal beginnend und noch stellenweise von Campos durchsetzt, weitet sich diese Zone bis auf die Höhe von Rio de Janeiro bedeutend, um von da ab nach Süden zu wieder schmaler zu werden. Es ist die parallel der Küste verlaufende Randgebirgskette, die Serra do Mar, welche sowohl Ueppigkeit wie Breite des zusammenhängenden Küstenurwaldes bestimmt. Ihre dem Südostpassat entgegengestellten Hänge fangen den atlantischen Wasserdampf auf und so können sich vor und an denselben ununterbrochene, hohe, üppige, nahezu undurchdringliche Waldungen entwickeln. In dem nördlichen Theile des Küstenurwaldes erhebt sich die Serra do Mar entfernter dem Meere, lässt also einen breiteren Raum zur Waldentwicklung übrig; von Rio de Janeiro an südlich tritt sie nahe an die Küste heran und muss sich der geschlossene Wald, ausser mit den Berghängen, mit einem schmalen Küstensaume begnügen. Während im Süden der Hauptstadt die Serra do Mar den unbestrittenen Ostrand des brasilianischen Binnenplateaus und ihr Kamm die Westgrenze des Küstenurwaldes bildet, giebt es von da nordwärts neben dem äussersten Ostrand des inneren Hochlandes noch einen westlicher gelegenen, der hier erst als der eigentliche anzusehen ist. Dieser Bodengestaltung ist es wohl zu danken, dass sich in diesem Theile Brasiliens zwar schon vielfach camposuntermischte, aber dennoch hohe Urwälder auch noch westlich der Serra do Mar, halten können.

Der Küstenurwald, den die Brasilianer kat' exochen Mato virgem Mato virgem = Urwald. – Natürlich kann die Catinga und jeder andere Wald, wenn noch unberührt, ebensogut Urwald heissen. Doch wendet der Sprachgebrauch in Brasilien den Ausdruck Mato virgem speziell für den Küstenurwald an. nennen, entspricht im Grossen und Ganzen dem Caá-Eté der Hylaea. So sind zum Beispiel seine wesentlichen Pflanzenformen die gleichen und wird, wenigstens bis zum Wendekreis, seine vegetative Entwickelung das ganze Jahr hindurch nicht unterbrochen. Doch ist der Mato virgem noch formenreicher als der Caá-Eté; er besitzt auch mehr schöne, farbenprächtige Blüthen, und namentlich viel Farrenbäume, welch letztere im Landschaftsbild der Hylaea so viel wie gar nicht mitsprechen. Palmen wechseln unter Anderem mit Papilionaceen, Caesalpiniaceen und Myrtaceen; Lianen, manche von riesiger Grösse, schlingen sich durch das Dickicht; Epiphyten in einer Fülle, welche vielleicht einzig dasteht, bekleiden und überwuchern die Baumstämme in märchenhafter Pracht. Je nachdem der Mato virgem an Flussufern oder auf Berghängen wächst, nimmt er einen anderen Charakter an. Längs der Flüsse ist es namentlich die Grossartigkeit seines Wachsthums, welche in die Augen fällt, daneben entwickelt sich aber auch ein Reichthum der Vegetation, welcher sich nur mit dem auf der Inselwelt bei Pará vergleichen lässt. An den Hängen hingegen zeichnet sich der Küstenurwald durch die zierlichen Farnbäume, die hohen Bambusen, die Cecropien und die Menge der Epiphyten aus, welch letztere unter dem dichten, sonnenabhaltenden Laubdach der Flussthäler nicht so gut gedeihen können wie hier oben. Da wo der Urwald gelichtet wird, entsteht wie am Amazonas die Capoeira, eine von der vorhergehenden durchaus verschiedene, unschöne Waldvegetation, in welcher unter den Sträuchern die Lantanen sich hervorthun. Nach geraumer Zeit jedoch wird die zausige Capoeira wieder verdrängt und erhebt sich von Neuem auf dem alten Grunde der unvergleichlich prächtige, hohe Tropenwald.

Gleich der Hylaea und der Camposregionen, hat auch die Küstenurwaldzone eine Fauna, welche sowohl ihr eigenthümliche Arten besitzt, als auch solche, die noch in dem einen oder dem anderen der zwei übrigen Floragebiete Brasiliens, oder auch in den beiden gefunden werden. Die Affen treten hier wieder zahlreicher auf als in den Campos. Das schauerliche Gebrüll der Mycetes tönt unheimlich durch die Waldeinsamkeit, Cebiden turnen von Baum zu Baum, Springaffen (Callithrix) begrüssen den Wanderer durch gellendes Schreien, und winzige Hapalinen zwitschern in den Zweigen. Die Woll- und Klammeraffen (Lagothrix et Ateles), Schweif- und Kurzschwanzaffen (Pithecia et Brachyurus) der Amazonasgegenden fehlen hier gänzlich, auch vermisst man die Nachtaffen (Nyctipithecus) mit ihren grossen Eulenaugen und die im Norden so beliebten Chrysothrixarten. Dafür ziehen Banden der am Amazonas nicht vorkommenden Eriodes hypoxanthus Wied durch die feuchten Urwälder.

An Raubthieren begegnen wir in diesen brasilianischen Zonen Silberlöwen und Jaguare (Felis concolor et F. onca L.), Schakalfüchse (Pseudalopex Azarae Wied), Wasch- und Rüsselbären (Procyon cancrivorus Cuv. et Nasua socialis Wied). Nagethiere beleben gleichfalls diese Urwälder; zahlreiche Eichhörnchen (Sciurus aestuans L) knuspern auf den Aesten, Greifstachler (Cercolabes) steigen auf die Bäume, Stachelratten (Loncheres) durchwühlen den Boden, und verschiedene der uns vom Amazonas her wohlbekannten Nager, wie Paca und Aguti, durcheilen das Unterholz. Rudeln der zwei Arten von Nabelschweinen (Dicotyles torquatus et D. labiatus Cuv.), welch beide auch am Amazonas zu finden sind, brechen durch das Dickicht Hirsche (Coassus rufus F. Cuv.), Entgegen anderen Quellen nennt Prinz Wied (Beiträge zur Naturgeschichte Brasiliens III 600) auch den Opassus simplicicornis Illig, als in den Küstenurwäldern vorkommend. äsen an entlegenen Plätzen. Tapire, diese grössten Thiere Brasiliens, suchen die Flüsse der Ostküste auf, wie sie die der Hylaea aufsuchen. Ameisenbären (Myrmecophaga) forschen nach Insekten, Gürtelthiere graben sich Höhlen in die Erde und Faulthiere (Bradypus) verstecken sich im dichtesten Laub. Endlich sind auch die Beutelratten in den Küstenwäldern vertreten und zwar durch verschiedene Arten, vom grossen Gambá (Didelphys cancrivora Gm.) an bis herunter zum Mäuseartigen Beutelthier (Didelphys murina L.).

Unter der gefiederten Welt fehlen die stolzen Königsgeier (Cathartes Papa L), verschiedene Adler (Spizactus mauduyti Daud. et S. tyrannus Wied) und allerhand Falkoniden nicht. Tag und Nacht rufen verschiedenartige Eulen durch den Wald. Kleine Mönchsschmuckvögel (Chiromachaeris gutturosa Desm.) jagen kurzen, reissenden Fluges durch die Büsche. Die prachtvoll kobaltblauen Halsbandcotingas (Cotinga cineta Kuhl) streichen am Boden dahin. Die tiefe, eintönige Stimme des Pavão (Pyroderus scutatus Shaw) erschallt aus den dunklen Waldparthien, hell und unermüdlich klingt dazwischen der Glockenton der weissgefiederten Araponga (Chasmorynchus nudicollis Vieill). Verschiedene Baumhacker (Dendrocolaptidae) klettern pochend an den Rinden der Bäume empor. Vielerlei Colibris leuchten wie bunte Edelsteine im einförmigen Waldesgrün, in den Bergwäldern vor Allem die, wie ihr Name besagt, rubinkehligen Clytolaema rubinea Gm. Die schöngefärbten Gallos do mato (Baryphthengus ruficapillus Vieill.) hausen einzeln, höchstens paarweise, in der menschenfernsten Waldeinsamkeit. Grossschnäbelige Pfefferfresser (Rhamphastidae) ziehen in kleinen Gesellschaften, nach Nahrung suchend, umher. Bartkukuke (Bucconidae) sitzen still und träge im engen Gezweig. Kurzflügelpapageien (Chrysotis rhodocorytha Salvad.) fliegen kreischend über die Baumwipfel hinweg, Waldtauben (Columba plumbea Vieill.) klagen in den Kronen der Urwaldriesen. Hokkos (Crax et Penelope) bauen ihre Reisignester auf untere Aeste. Rallen (Aramides saracura Spix), Taucherhühnchen (Heliornis fulica Bodd.), Kahnschnäbel (Cancroma cochlearia L.) und andere Reihervögel, sowie Enten mehrerer Arten und sonstiges Wassergeflügel beleben die Waldflüsse und Waldsümpfe der brasilianischen Ostküste. Auf dem Boden des Waldes endlich laufen Steisshühner, wie der Macucú (Tinamus solitarius Vieill.), herum und lassen ihre verschiedenen Pfiffe im Dickicht weithin hören.

An Reptilien begegnen wir in der Küstenurwaldzone Wald- und Flussschildkröten (Testudo tabulata Walb., Hydraspis radiolata Mik. und Platemys spixii D. et B.). In den Flüssen halten sich ausserdem einige Arten von Alligatoren (Caiman latirostris Daud. und C. sclerops Schneid.) auf. Schnellfüssige Leguane (Anolis punctatus Daud., Enyalius catenatus Wied, Uraniscodon umbra L.) und Schienenechsen (Tupinambis teguixin L., Ameiva surinamensis Laur.) huschen auf den Baumästen oder dem Boden. Aeusserst gefürchtete Grubenottern, wie die Surucucú (Lachesis mutus L.) und die Jararáca (Lachesis lanceolatus Lacép.) rascheln durch das Laub. Eine Unmenge Nattern Helicops carinicauda Wied, Phrynonax sulphureus Wagl., Spilotes pullatus L., Herpetodryas carinatus L. etc. etc., unter denen die Boa constrictor die grösste, kriechen am Waldesgrund umher oder steigen auf die Bäume, indessen in den Gewässern der nördlicheren Gegenden Wasserriesenschlangen (Eunectes murinus L.) ihr Unwesen treiben. Die Froschlurche führen ein tausendstimmiges nächtliches Konzert auf. In den Urwaldsümpfen krächzen die Hornfrösche (Ceratophrys boiei et C. dorsata Wied) und quaken und pfeifen noch andere Glattfrösche, wie der Leptodactylus typhonius Daud. und der Leptodactylus ocellatus L. Hässliche, grosse, schwerfällig hüpfende Kröten (Bufo marinus L. et Bufo crucifer Wied) rufen laut im Wasser und am Land. Und hoch oben aus den Baumkronen, wie tief aus den feuchten Gründen, tönt die metallische Stimme des Fereiro (Hyla faber Wied) und die laut knackende eines anderen Laubfrosches, des Hyla crepitans Wied.

Endlich ist der Urwald der Ostküste durch eine Unzahl Insekten und Spinnenthiere belebt. Allerhand Scarabeiden, einige gehörnte von riesiger Grösse, andere in Smaragdgrün glänzend, reizende kleine Rüsselkäfer, verschiedene Bockkäfer, metallschimmernde und merkwürdig schildartig geformte Chrysomeliden krabbeln zwischen den Pflanzen herum, indessen unter den Schnellkäfern Individuen aus der Gattung Pyrophorus, wie grünlich leuchtende Irrlichter, sich durch den nächtlichen Urwald dahinbewegen. Blaugrüne Wegwespen (Pompilidae) schwirren in Bodennähe; zahllose Ameisen sind emsig an der Arbeit. Herrliche, atlasglänzende Morpho und riesige Caligo gaukeln den Picadas entlang. Wanzen sind an die Baumrinden geklammert, Singzirpen, Feld-, Laub- und Grabheuschrecken lärmen Tag und Nacht. Hässliche Würgspinnen lauern auf Beute und grössere und kleinere Zecken werfen sich schaarenweise auf den in die Waldwildniss eindringenden Wanderer. Hier in der Küstenurwaldzone, wenn auch nicht im gleichen Maasse wie in der Hylaea, sind Thiere und Pflanzen noch auf weite Strecken die unbestrittenen Herren der Natur.

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Bahia. – Donnerstag, den 9. August.

Von gestern Vormittag an war die Küste der Provinz Bahia fast immer in Sicht. Wo die Farbe ihres Terrains in blendendem Weiss aus dem Walde herausblitzte, schlossen wir auf Kreideablagerungen. Thatsächlich zeigen die geologischen Karten in diesen Regionen neben Urgestein und tertiären Gebilden auch solche aus der mesozoischen Formation, welche hier nur durch ihr jüngstes Glied repräsentirt zu sein scheint. Haru, Geology and Physical Geography of Brasil 554-556. Weiter landeinwärts finden wir auch einen Streifen von paläozoischen Bildungen, welchen nach Westen zu ein breites Gneisplateau folgt.

Die Vegetation längs der Küste ist, wie sich aus dem früher Gesagten ergiebt, ein dichter, hoher, üppiger Urwald, der an die Hylaea erinnert und herrliches Bau- und Nutzholz liefert. Sofern ihn nicht schon Culturen verdrängt haben, bedeckt er sowohl die Küstenebene, wie das sich daran schliessende Stufenland. Westlich von ihm, auf dem Plateau breiten sich die Campos, welche vielfach mit alljährlich ihr Laub verlierenden Catingas bedeckt sind, in den feuchten Niederungen auch mit Capõcs, den immergrünen Waldinseln. Ganz im Nordwesten gehen die Campos in einen Sertão über, der hier wirklich die von Martius unter diesem Namen verstandene, vegetationslose Wüste repräsentirt.

Die Landwirtschaft der Provinz Bahia findet in der fruchtbaren Ostregion einen ausgezeichneten Boden, vor Allem für Zuckerrohrplantagen, daneben aber auch für die Cultur von Kaffee, Cacao, Baumwolle, Tabak und Anderem, indessen die Hochebenen des Innern sich hauptsächlich zur Viehzucht eignen. Was die wasserarmen Strecken der Provinz an landwirtschaftlicher Nutzung verweigern, ersetzen sie ihr an einigen Stellen durch Reichthum an mineralischen Produkten, vor Allem an Gold und Diamanten.

Wie sich aus der Vegetation rückschliessen lässt, hat Bahia an der Küste ein von dem des Innern ganz verschiedenes Clima. Die Jahresisotherme der im Küstengebiet liegenden Hauptstadt ist 26,01° C, die höchste der beobachteten Temperaturen 31,5°, die niedrigste 21°, somit stellt sich hier die absolute Wärmeschwankung um vieles geringer heraus als in Recife do Pernambuco. Die heissesten Monate, Dezember bis einschlüssig März, haben eine Isotherme, welche unter 28° zurückbleibt, die kältesten, Juni bis einschlüssig August, ein Monatsmittel von ca. 24°. Die Niederschlagshöhe beträgt 2394 mm. Wie in den nördlicheren Provinzen Sergipe, Alagôas und Pernambuco vertheilen sich die Niederschläge auf das ganze Jahr, doch fällt die Hauptregenzeit nicht wie in Recife auf den Winter, sondern gleichwie in Nordbrasilien, auf den Herbst. Der Winter weist übrigens ebenfalls eine sehr hohe Niederschlagsziffer auf. An der Küstenstrecke, südlich der Hauptstadt, ist die Jahresisotherme niedriger, die absolute Temperatur-Amplitude grösser, die Regenzeit mehr gegen den Sommer, die heisse Zeit gegen das Frühjahr vorgeschoben. Durch die drei erstgenannten klimatischen Verhältnisse bildet diese Küstenstrecke den Uebergang zu den noch südlicher gelegenen Provinzen. Das Innere der Provinz, die Camposregion, hat ein weit extremeres Clima. Im Sommer herrscht eine glühende Hitze, dabei verzeichnet man Temperaturunterschiede von 20° C, nämlich 17,6°-37,6° C. Im Winter ist es kühl und windig. Die Niederschläge beschränken sich so ziemlich auf drei Monate des Jahres; in der übrigen Zeit versiegen die Wasserläufe und erstirbt fast alles Leben. Auf einzelnen Strecken stellen sich regenlose Perioden von dreijähriger Dauer ein.

Dass bei dem für Handel und Wandel so ungünstigen Clima des Innern sich der Hauptreichthum Bahias, welches eine der wichtigsten Provinzen des Landes ist, vorzüglich auf die Küste beschränkt, wird als selbstverständlich erscheinen. Wir sehen denn dort den Handel auch sehr ausgebildet und ist São Salvador da Bahia, die meist kurzweg Bahia genannte Hauptstadt der Provinz, vor Allem Handelsstadt. Noch mehr als Recife do Pernambuco hat sich Bahia zu einem Ziele überseeischer Dampfer aufgeschwungen. Ungefähr 3000 in- und ausländische Schiffe laufen jährlich im Hafen von Bahia aus und ein, In Bezug auf den Werth des Warenumsatzes sind Pernambuco und Bahia Rivalen; ein Jahr ist die eine Stadt der anderen um etwas voraus, das andere Jahr die andere. 1885 belief sich dieser Werth in Bahia auf 45 569 contos; 45 569 contos = ca. 103 897 320 Mark. der Handel mit dem Ausland stellte sich höher, der mit den übrigen Provinzen niedriger als in Pernambuco. Der Werth des Exportes nach dem Auslande betrug 15 150 contos 15 150 contos = ca. 34 542 000 Mark. und stand Bahia in dieser Beziehung unter sämmtlichen Provinzen in dritter Linie. Der Werth des Importes belief sich auf 20 941 contos 20 941 contos = ca. 47 745 480 Mark., und nahm Bahia hier nach Rio de Janeiro die erste Stelle ein. Minder bedeutend war der Waarenumsatz im Inland. Dieser hatte nach den übrigen Provinzen in Bezug auf Ausfuhr den Werth von 5801 contos 5801 contos = ca. 13 226 280 Mark., in Bezug auf Einfuhr den Werth von nur 3677 contos 3677 contos = ca. 8 383 560 Mark. und kam Bahia in dieser Hinsicht unter den brasilianischen Provinzen auf den fünften, resp. siebenten Platz zu stehen. Die Gesammtausfuhr umfasst wie in Pernambuco vor Allem Colonialwaaren und unter diesen vor Allem Zucker; eingeführt werden hier wie dort in erster Linie Baumwollwaaren.

Bahia ist von den zwanzig Provinzen Brasiliens die sechstgrösste. Es hat einen Flächeninhalt von 426 427 Quadratkilometer, ist somit fast so gross wie das Königreich Schweden; da nur 4 Seelen auf den Quadratkilometer treffen, muss es als schwach bevölkert angesehen werden. Die weisse Rasse beträgt kaum ein Viertel der Gesammtbevölkerung, nämlich nur 24 Prozent; auf die civilisirten Indianer entfallen 4, auf die Mischlinge 46 Prozent. Die Neger sind, ausser in Rio de Janeiro und Espirito Santo, nirgends so zahlreich vertreten wie hier; sie belaufen sich auf volle 26 Prozent. Unter den civilisirten Indianern, welche wie die in den meisten der zuletzt besprochenen Provinzen, hauptsächlich von Cayriri und Osttupi abstammen, befinden sich auch Nachkommen von Botokuden oder Aymorés. Letztgenannter Stamm gehört der grossen Gruppe der Gês an, welche sowohl relativ hochentwickelte Stämme, wie solche, die gleich den Botokuden auf der tiefsten Stufe der Bildung stehen, in sich vereinigt. Die wilden Indianer setzen sich, sofern man die von Martius und auch von v. d. Steinen als Goyatacá aufgestellten Stämme nach Ehrenreich zu den Gês rechnet, ausschliesslich aus Gês zusammen. Dieselben werden gleichfalls durch Botokuden, ferner durch Mongoyó, Cotochó und noch einige andere Stämme vertreten. Diese sämmtlichen Wilden sitzen, im Gegensatz zu denen anderer Provinzen, nicht im Innern des Landes, sondern in den Küstenurwäldern. Den Hauptstock derselben repräsentiren die Botokuden, ein durch Wildheit ausgezeichneter Stamm. Zwischen diese hineingestreut leben einige andere, kleinere Stämme und Horden, welche untereinander in Frieden verkehren, den mächtigen Botocudos aber feindlich gegenüberstehen. –

Der gestrige Nachmittag war schon etwas vorgerückt, als die Ponta Itapuazinho, eine flache, mit Cocospalmen bestandene Landzunge, in Sicht kam. Wir passirten sie, ebenso den Ort Rio Vermelho und lenkten, zwischen dem aus Gneiss bestehenden Cap S. Antonio und der Insel Itaparica hindurchsteuernd, auf einer etwa 12 Kilometer breiten Cazal (Corographia brasilica II 101) giebt gar eine Breite von 16,5 km, Wappäus (Das Kaiserreich Brasilien S. 1216) eine solche von nur 6-7 km an. Wasserstrasse in die Bahia de todos os Santos ein. Diese von niederen, spitzigen Bergen eingerahmte, 42 km lange und 52 km breite Diese Maasse sind nach Cazal (1. c. II. 101). In Wappäus (1. c. S. 1216) ist eine Länge von 46 km und eine Breite von 37 km angegeben. In einem dritten Werk ist eine Länge von 52 km und in einem vierten eine Länge von 66 und eine Breite von 33-53 km angeführt. Bai, öffnet sich gegen das Meer direkt nach Süden und wird an der Südostspitze des sie umschliessenden Landes von der Stadt São Salvador da Bahia beherrscht. Es ist dies mit ihren 200 000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt Brasiliens, welche zudem mehr als 200 Jahre die Ehre genoss, die Hauptstadt des ganzen Landes zu sein. Sie zerfällt in zwei Theile, in die langgestreckten Häuserreihen unmittelbar am Ufer und in die endlosen Häuserreihen oberhalb des horizontal abschneidenden Abhanges. Letzterer ist wegen seiner Steilheit nur mit einigen wenigen Gebäuden belegt; trennt hierdurch deutlich die untere Stadt von der oberen. Zunächst an der Einfahrt in die Bai liegt die Vorstadt Victoria mit hübschen Villen, einigen Kirchen und reichlichem Palmenschmuck. Dann folgt die eigentliche Stadt mit ihren unbeschreiblich bunten Gebäuden, ihrem grünen Hang und ihren vielen Cocospalmen. Es ist ein in den Farben sehr unruhiges, unschönes Bild, welches der Farbenharmonie südeuropäischer, heller oder weisser, von rothgelbem Grunde sich abhebender Städte vollständig entbehrt.

Bei unserer Einfahrt in die berühmte Bahia de todos os Santos sassen auf einigen Bojen grosse Vögel von langgestrecktem Wuchse, schwärzlichem Kopf und Rücken, schwärzlichen Flügeln und weisser Unterseite, welche mir Schwarzbraune Tölpel (Sula fusca Vieill.) zu sein schienen, diese an der Ostküste Amerikas, von Westindien bis Südbrasilien, vorkommenden Ruderfüssler. Kurze Zeit darauf rasselten die Anker unserer › Maranhão‹ in die Tiefe und verliessen wir endgiltig das gastliche Schiff, welches uns elf Tage lang zu vollster Befriedigung beherbergt hatte. Uns war es in den schönen Cabinen gut ergangen, minder gut hatten es an Bord die Matrosen, überwiegend Farbige, denen als Schlafstelle einzig das Deck angewiesen war. Der Capitän, ein sehr artiger Herr, hatte sich, wie selbstverständlich, hauptsächlich in brasilianischen Kreisen bewegt. –

Das starke Vorherrschen des schwarzen Elementes in Bahia wurde uns gleich bei Betreten des Landes klar vor Augen geführt, Neger waren es, die sich unseres Gepäckes bemächtigten, Neger auch welche uns in die Vorstadt Victoria hinaufgeleiteten.

Bahienser Negerin.

Daselbst haben wir in einer Art Pension Unterkunft gefunden, indessen wir zu den Mahlzeiten bis in die untere Stadt zurückwandern müssen. Für diese Unbequemlichkeit entschädigt uns die Lage unseres Hauses inmitten reizender Gärten. Unsere Hausfrau ist eine Deutsche, welche manchmal etwas zu tief in das Glas schaut. Als wir bei ihr, so gut es eben wegen Platzmangels ging, einquartirt wurden, gab es bezüglich unserer Persönlichkeiten und den Zweck unserer Reise ein noch drolligeres Missverständniss als in São Luiz, welches erst durch Vorzeigen unserer gräflichen, beziehungsweise freiherrlichen Visitenkarte gehoben wurde.

Bahia. Freitag, den 10. August.

Den Nachmittag des gestrigen Tages und den Vormittag des heutigen verwendeten wir zu einem Ausflug nach Santo Amaro, welcher, in Folge der reichlichen Winterregen hiesiger Gegenden, seinen eigentlichen Zweck verfehlte. Um nach S. Amaro zu gelangen, mussten wir die Riesenbai Bahias von Süd nach Nord ihrer ganzen Länge nach durchqueren. Wir hatten an der Praia einen kleinen Lokaldampfer bestiegen und fuhren nun zunächst hindurch zwischen der langgedehnten Stadt einerseits und der 40 km langen Insel Itaparica mit ihren Gneisshügeln und ausgebreiteten Kreideablagerungen andererseits. Bald trat das östliche, rechte Ufer zurück, die grossartige Bai mit ihrem berühmten Reconcavo, das heisst ihrem durch Fruchtbarkeit ausgezeichneten, breiten Uferlande, weitete sich immer mehr, Nordwärts hob sich die für Bananenkultur besonders geeignete Illia de Maré deutlich vom Festlandshintergrunde ab. Westlich davon entstieg die bergige, etwas kleinere Ilha dos Frades steil den ruhigen Fluthen. Wir steuerten durch ganz enges Fahrwasser zwischen dieser Insel und der Ilha Madre de Deos hindurch, welch letztere der Kreideformation zugehört. Von der Ilha dos Frades kamen einige aus einem Baumstamm gefertigte Canoas an unseren Dampfer herangerudert Sie führten Segel und waren die ersten Segeleinbäume, welche wir zu Gesicht bekamen. Weniger malerisch als die lange und schmale Gestalt dieser Boote erschienen uns die in sie für die Passagiere gestellten Stühle, Die gegeneinander vorspringenden Ufer der beiden Inseln waren sehr buchtig und zerrissen, die Inseln selbst nicht hoch, aber hübsch geformt und vegetationsbedeckt. Wiesen kleideten den Boden, Häuser gruppirten sich auf den Hängen, und Cocospalmen zeichneten sich scharf vom blauen Himmel ab. Diese einzelnen hügelkrönenden Fiederpalmen In der hiesigen Gegend bemerkten wir ausser Cocospalmen auch Palmas reaes (Oreodoxa Willd.) auf Wiesengrund bildeten den Charakter der hiesigen Gegenden, der nicht gerade schön, aber eigentümlich und interessant zu nennen war. Zum ersten Male überhaupt in Brasilien sahen wir Grashügel, dazwischen gab es aber auch waldbestandene Höhen, auf welchen sich Pflanze an Pflanze drängte und von denen einige in Ueppigkeit an das Amazonasgebiet erinnerten. Ein paar weisse, Garças genannte Reiher, aller Wahrscheinlichkeit nach die mit Vorliebe in Meeresnähe sich aufhaltenden Ardea candidissima Gm., standen unfern des Gestades, und schwarze Vögel mit langem, dünnem Schnabel, welche ich der Art des Vorkommens, dem Gefieder und der Schnabelgrösse nach für männliche Fregattvögel (Tachypetes aquilus L.) gehalten, sassen auf Holzstümpfen inmitten des Wassers.

Kaum hatten wir die Enge passirt und war das Fahrwasser wieder weiter geworden, als neuerdings Inseln von allen Seiten sich vorschoben. Endlich lagen auch diese hinter uns und der am äussersten Nordufer der Bai von Bahia an einen Hügel hinaufgebaute altersgraue Flecken Näher (Land und Leute in der brasilianischen Provinz Bahia S. 90) bezeichnet São Francisco, entgegen den etwas älteren brasilianischen Quellen, als Stadt. Aber auch schon Wappäus (Das Kaiserreich Brasilien S. 1703) nennt S. Francisco eine Stadt, und zwar zur nämlichen Zeit, in welcher die brasilianischen geographischen Werke die Bezeichnung Villa gebrauchen. São Francisco erhob sich vor unseren Blicken. An einzelnen bis zum Wasser herabgehenden Häusern vorbei, lenkten wir in den Rio Serigi ein, an dessen rechtem Ufer, ca. 20 km oberhalb der Mündung, das Städtchen Santo Amaro mit seinen 11 000 Einwohnern Moreira Pinto: Apontainentos para o Diccionario Geographico do Brazil I. 324. – Reclus (Nouvelle Géographie Universelle XIX. p. 297) hingegen erwähnt 7000, Näher (Land und Leute etc. S. 93) 16 000 Einwohner. liegt. Den weit flussaufwärts reichenden Gezeiten folgt Die Mangroven entstehen nur im Gebiet der Fluthbewegung. Siehe Schimper: Die indo-malayische Strandflora S. 32. hier, wie an manchen Uferstrecken der Bucht selbst, eine ausgedehnte Mangrovevegetation, in welcher mir an den beiderseitigen Flussufern die Gemeinen Manglebäume (Rhizophora Mangle L.) vertreten zu sein schienen. Unter dem Wurzelgewirr des Fluthwaldes krochen Goniopsis cruentatus De Haan Siehe weiter oben S. 206, Anmerk. 2., scheue rothfüssige Taschenkrebse, wie wir solche schon am Parahyba kennen gelernt hatten. Dazwischen trieben sich auch grünlichblaue Viereckkrabben herum, wie deren auf dem Markte von Bahia verkauft werden; da es, soviel mir bekannt, keine anderen auf gleiche Weise gefärbten Brachyuren in Brasilien giebt, müssen dieselben Uça una v. Mart Vermuthlich identisch mit Uça cordata Linné, Smith und Herbst und nicht mit Uça una Latreille und Milne-Edwards. Siehe Transactions of the Connecticut Academy II. 13 a f. and 36. – gewesen sein.

Nachdem unser Dampfer die starken Windungen des Flusses eine gute Strecke weit verfolgt hatte, stoppte er an der Einmündung des Rio Pitinga und wir setzten unsere Reise per Trambahn fort. Immer noch führte die Fahrt durch ein weites, sumpfiges, krabbenbevölkertes Mangrovengebiet, welches sich hier wohl aus Avicennien zusammensetzte, und zwar vermuthlich aus der, unter anderem auch für Bahias Umgegend genannten Avicennia nitida Jacq. An trockeneren Stellen weidete schönes Vieh. Die ganze Niederung umgab ein hübsches, mit üppiger Vegetation bedecktes Hügelland. Zum Schlusse führte die Bahn wieder längs des Rio Serigí, welcher am Rio Traripe einen östlichen Zufluss hat und auf dessen Fluthen sich Einbaumcanoas und viele grosse, cajütentragende Segelschiffe schaukelten.

Endlich war Santo Amaro erreicht, ein schmutziges Nest, von dem aber die brasilianischen Bücher alles mögliche Lobenswerthe zu erzählen wissen. Wir entdeckten als einzig Merkwürdiges, auf einem Hügel vor Einfahrt in die Stadt, eine alte, schwarzgraue Kirchenruine, welche dermaassen pflanzenüberwuchert war, dass sogar noch auf dem Kirchthurmknopf eine grosse kugelförmige Pflanze sich angesiedelt hatte. Zu weiteren Nachforschungen über die gerühmten Schönheiten der Stadt fehlte uns die Zeit, da wir unverzüglich den geplanten Ritt von da in den Küstenurwald organisiren wollten. Dem zu Folge begaben wir uns um Aufschluss und Hilfe zu einem der wenigen in S. Amaro ansässigen Deutschen. Die dort erhaltene Auskunft war niederschmetternd. Zur jetzigen Jahreszeit sind, dank der bis in diesen Monat dauernden Regenperiode, noch alle Wege grundlos und ist jeder Verkehr in das Land hinein unterbrochen. Man versicherte uns, wir würden keine zwei Stunden weit kommen ohne mit unseren Pferden buchstäblich zu versinken. Und wir mussten es glauben, denn wenn schon in der Stadt Alles in Schmutz und Wasser schwamm, konnte man sich der Einsicht nicht verschliessen, dass auf ungepflasterten, schlechten Landwegen die Verkehrsunmöglichkeit tatsächlich vorhanden war. Es regnete den Nachmittag, es regnete die Nacht und es regnete wieder den folgenden Morgen, und wenn es einen Augenblick aussetzte, verkündete der stets bewölkte Himmel, dass neue Niederschläge zu erwarten seien. So mussten wir die Reittour in den Küstenurwald aufgeben und uns auf bessere Zeiten vertrösten.

Das Gasthaus, in welches man uns gewiesen hatte, war wie dasjenige in Pará gebaut. Es bestand aus einem grossen Raum, welcher durch Wände in deckenlose Zimmer untergetheilt war. Die Luft strich in Folge dessen überall durch, was nicht, wie unter dem Aequator, wohlthätig wirkte, sondern uns Wärmeverwöhnte empfindlich kühl anmuthete. An Stelle der Hängematten, welche in den nahe dem Aequator befindlichen Gegenden gebräuchlich sind, waren hier steinharte Betten getreten, wie wir deren, von hier südwärts, im mittleren und südlichen Brasilien überall finden werden. Da wir durch die Bauart der Zimmer jeden Lärm im ganzen Hause hörten und zudem der Regen durch das Dach auf uns herabträufelte, konnte man die Nachtruhe als keine ungestörte bezeichnen. Früh 5½ Uhr befanden wir uns schon auf dem Rückweg nach Bahia, denn da der Zweck unseres Kommens nach Santo Amaro verfehlt war, blieb nichts Vernünftigeres zu thun übrig, als möglichst bald gegen Süden weiterzureisen.

Auf demselben kleinen Dampfer, welcher uns hergebracht hatte, kehrten wir über den Golf wieder zur Provinzhauptstadt zurück. Die Hügel und niederen Berge aus Gneiss, Kreide und Tertiär, welche den weiten Wasserspiegel umrahmen, tönten sich malerisch in Nebel- und Regenstimmung ab. Wie in S. Amaro, spendete der Himmel auch auf der Heimfahrt reichlich sein unerwünschtes Nass. An Bord hatten wir unter anderen Schwarzen auch Minasnegerinnen Siehe weiter oben S. 14., diese für Bahia typischen Erscheinungen. Es sind in ihrer Art schöne Frauen, gross und kräftig, von chokoladebrauner Hautfarbe und mit je drei Querschnitten auf der Wange tätowirt, zuweilen mit ebensolchen auf den Oberarmen. Sie tragen sie nicht europäisch, wie die Negerinnen Parás, sondern sehr vortheilhaft orientalisch. Ueber einen quergestreiften glatten Kattunrock ist um die Hüfte ein buntes Kattuntuch geschlungen; ein zweites ist anmuthig um die Schultern geworfen, welche ein weisses, ausgeschnittenes Hemde nur halb verhüllt. Das Haupt umwindet turbanartig ein drittes Tuch, das entweder bunt oder weiss gewählt wird. Häufig auch ziert Korallen- oder Goldschmuck an Armen, Hals und in den Ohren die sammetartig schimmernde Haut.

Canoa auf der Bahia de Todos os Santos.

Bei São Francisco schwammen viel Canoas auf der Bucht, und Fischer warfen ihre Netze aus. Allerhand Thiere wurden uns an Bord geliefert, Cucuís (Carcharias limbatus Müll. et Henle), eine kleinere Art von Menschenhai, welche in Bahia ein Hauptnahrungsmittel der unteren Klassen bildet; kleine Rochen Es giebt an der brasilianischen Küste über ein Dutzend Arten von Rochen (Batoidei)., vielleicht jugendliche Individuen aus der Species der gemeinen Stechrochen (Trygon pastinaca L.); viel lange, schmale Stöcker (Caranguidae) mit blauschillerndem Rücken; Exemplare der Uça una v. Mart., jener hellblaugrünen, fast türkisblauen Brachyurenart mit langgestielten Augen, welche wir im Ufermorast des Rio Serigi bemerkt hatten und die den Menschen als Nahrung dienen; grosse Krabben mit grauem Rückenschild und blauen Beinen, welche Callinectes Danae Smith aus der Familie der Bogenkrabben (Cancroidea) gewesen sein müssen In meinen Reisenotizen steht »in Form genau wie die rothen« (= rothfüssigen); da ich jedoch für Brasilien trotz eingehender Studien weder einen rothfüssigen Callinectes mit graubraunem Rückenschild, noch einen blaufüssigen Goniopsis ausfindig machen konnte, muss obige Reisetagebuch-Notiz auf einem Irrthum beruhen.; Garneelen und zwar, wie mir schien, Granaten (Palaemon), deren bis 1877 für Brasilien neun Arten bekannt waren; und endlich eine Menge von Miesmuscheln (Mytilus) und kleinen Austern, von denen beiden Brasilien mehrere Species besitzt. Aber nicht nur aus Wassertiefe geholte Thiere boten während der Ueberfahrt zoologische Studien. Auch einige der schöngefiederten Bisamenten (Cairina moschata L.), welche hier zu Lande häufig als Hausgeflügel gehalten werden, waren eingeschifft, ebenso brasilianische Hausschweine, die meistens schwarz, mitunter aber auch weiss oder grau sind, eine ziemlich dichte Behaarung haben und sich in ihrem Aussehen dem altweltlichen Wildschwein nähern.

Bahia. Samstag, den 11. August.

Die uns bleibende Zeit, von gestern Mittag, nach der Rückkehr von Santo Amaro, bis heute Nachmittag, da wir uns nach Rio de Janeiro einschiffen sollen, benutzten wir, uns etwas in Bahia umzusehen.

Die Cidade baixa oder Praia, die untere Stadt, welche unmittelbar am Wasser liegt, besteht hauptsächlich aus einer 6-7 km dem Ufer entlang laufenden Strasse, welche von etlichen Querstrassen durchschnitten wird. Hier, am Hafen, einem der schönsten Amerikas, ist der Sitz des Handels; hier drängen sich Mauth- und Postgebäude, Arsenale, Märkte und Kreditanstalten zusammen. Die Gassen sind eng und schmutzig, die Häuser viele Stockwerke hoch. Dieser Stadttheil scheint ausschliesslich von Negern bewohnt und kann man da die köstlichsten Strassenscenen beobachten. So sahen wir zwei noch selbst aus Afrika eingewanderte Minasnegerinnen, die natürlich in ihrer heimischen Sprache untereinander verkehrten, eine förmliche Theater-Vorstellung geben. Mit unnachahmlicher, affenähnlicher Mimik, mit Hin- und Hertrippeln und mit Bewegen einer jeden Muskel des Körpers, begleitete die eine dieser zwei Schwarzen ihr lebhaftes Wiedererzählen irgend eines komischen Ereignisses; die andere aber gab ihr Wohlgefallen durch das den Negerweibern eigentümliche, gellende Lachen kund. Wir standen dabei und konnten uns nicht satt sehen an dem possenartigen Treiben dieser kindergleichen, stets wohlgemuthen Naturmenschen, an einem sorgenlos fröhlichen Gebahren, welches man umsonst bei den ernsten und in sich gekehrten Autochthonen der neuen Welt suchen würde. Von diesen letzteren sahen wir in Bahia nur ein einziges Exemplar, ein Umstand, der uns entschieden wehmüthig berührte. Es ist unleugbar ein tragisches Geschick, dass die einstigen Herren des Landes von den Eindringlingen aus Osten so vollständig zurückgedrängt worden sind und namentlich, dass sie auch der niedrigerstehenden schwarzen Race überall haben weichen müssen.

In der Cidade baixa nahmen wir ausser dem Hafen auch den Thiermarkt in Augenschein. Es gab daselbst namentlich viel Vögel, daneben aber auch Boaschlangen, eine junge Paca (Coclogenys Paca L.) und allerhand Affen. Unter letzteren bemerkte ich grosse mit Vollbart versehene Brüllaffen (Mycetes ursinus Wied), einige der seltenen, zarten Silberäffchen (Hapale argentata Kuhl) mit ihrem schneeweissen Fell und dickpelzige, kleine Negersahuý (Midas ursulus, Hoffmgg.), welche gleich dem Silberäffchen aus der Amazonasgegend stammen. Auf einer Strasse der unteren Stadt begegnete uns ein an einer Eisenkette geführtes Bisamschwein (Dicotyles labiatus Cuv.), ein hübsches Thier mit gemischt grauen und schwärzlichen Borsten und einem, den Rücken entlang laufenden Borstenkamm, welcher an denjenigen des Sus scrofa erinnerte. Ueberhaupt war die Aehnlichkeit zwischen diesem brasilianischen wilden Schwein und unserem Wildschwein nicht zu verkennen, nur blieb ersteres gegen letzteres in der Grösse etwas zurück.

São Salvador da Bahia.

Zierlicher und anmuthiger als alle diese Thiere waren die vielen Colibris, welche die Gärten namentlich in der oberen Stadt belebten. Wie Insekten schwirrten sie um die Blüthen und wie Edelsteine funkelten sie in der Sonne. Eines dieser reizenden Geschöpfe verirrte sich, während wir abwesend waren, in unser Zimmer und wurde gefangen. Doch bis wir heimkehrten war es ihm leider geglückt sich wieder die goldene Freiheit zu verschaffen. –

Der Verkehr zwischen der unteren und oberen, auf Gneissboden ruhenden Stadt wurde früher vielfach durch Sänften mit Dach und Seitenvorhängen besorgt. Nun sind diese veralteten Beförderungsmittel auf den Aussterbeétat gesetzt und werden die Personen mittelst eines Elevators hinauf und hinunter gefahren. Oben mündet der Aufzug gerade an der Praça do Palacio, von welcher man einen entzückenden Blick auf die tief unten liegende Bai hat, die etwas an den Golf von Neapel erinnert. Die Praça, ein ungepflegter grosser Platz, wird unter Anderem vom Regierungspalast, einem verwitterten einstöckigen Baue, und dem hübschen, schneeweissen Hause der Assemblea provincial, das einen rechteckigen Thurm inmitten der Facade hat, umschlossen. Wie diese befinden sich auch die übrigen der Verwaltung, der Justiz und dem höheren Unterrichte gewidmeten Gebäude, die Klöster und Wohlthätigkeitsanstalten in der oberen Stadt, zum Theil malerisch auf verschiedene Hügel gelagert. Nördlich von der Praça do Palacio liegt stadtbeherrschend am Rande des Abhanges das grosse, unschöne Theater, davor breitet sich eine Terrasse, welche eine prächtige Aussicht auf das blaue Meer gewährt. Doch am entzückendsten ist der Rundblick von dem südlich der genannten Praça gelegenen Passeio Publico mit seinem tropischen Pflanzenschmuck aus aller Herren Länder, seinen Mauritien und Oreodoxa oleracea Mart, seinen Schrauben- und Indischen Mangobäumen (Pandanus und Mangifera indica L.) und seinen Ravenala Guyanensis Benth. mit ihren grossen zweizeilig gestellten Schaufelblättern. Zwischen diesen auserlesenen Pflanzengruppen hindurch schweift das Auge zunächst über eine üppiggrüne Böschung. An letztere reiht sich ein ebenso steiler, häuserbestreuter Hang, welcher halbkreisförmig vorspringend den Hafen bildet. Dahinter schimmert noch ein Streifen Wasser, über dem sich wieder eine weit vorspringende bergige Landzunge erhebt, und nun folgte nochmals ein Stückchen Bucht über das ein dritter Höhenzug sich hinzieht. Weithinaus glänzt der atlantische Ocean und im Hafen wiegen sich unzählige Schiffe.

Südlicher noch als der Passeio Publico liegt der Campo grande, ein grosser grasbewachsener Platz, welchen die dunkelbelaubten, schirmartig gebreiteten Kronen niedriger Gamelleiras (Urostigma dolarium Mq.) beschatten. Wir sind hier in der Vorstadt Victoria, die auf einem Hügelrücken gelegen, einerseits eine Fernsicht bietet auf das tief unten brausende Meer, anderseits einen Einblick in ein schmales, unter tropischer Vegetation begrabenes Thälchen. In verschiedenen Gärten hier sieht man neben den schon in Ceará vorkommenden Säulencacteen (Cereus), zum ersten Male Fackeldisteln (Opuntia) und zwar eine Art, welche kleinere Stengelglieder hat und höheren Wuchses ist, als die in Europa gedeihende Opuntia vulgaris.

Weg nach dem Leuchtthurm von Santo Antonio.

Von da, von Victoria aus, ist es ein Spaziergang bis hinunter zum Leuchtthurm von Santo Antonio, der sich auf der äussersten Landspitze, an der Einfahrt in die Bucht, erhebt. Durch eine reizende Fülle von Palmen, Bananen und Epiphyten, durch ein Meer von Grün, von auf- und abwogender Vegetation gelangt man hinab zur Küste, wo mit dem Sandboden die Herrschaft der Echten Cocos- und der Afrikanischen Oelpalme (Cocos nucifera L. und Elacis Guineensis L.) beginnt Hier gedeiht wenig Unterholz. Ein paar mit Palmstroh gedeckte Lehmhütten liegen einsam am Strande, fernherüber im Sonnenglanz grüsst die schön geformte Insel Itaparica, und mächtig rollt der blaue Ocean seine weiss aufschäumende Brandung über den schimmrigen Sand.

Ein überaus lohnender Ausflug ist der nach dem Kirchdorf Rio Vermelho, welches, südöstlich von Bahia, ebenfalls an der Südküste gelegen ist. Mühsam windet sich der Tramwagen auf dem durch das Dickicht gebahnten schmalen Weg. An üppig bewachsenen Thälern, an reizenden, grün überwucherten, engen Schluchten geht es vorbei, ganze Wäldchen von Fiederpalmen erheben ihren Wedelreichthum in die Lüfte, hochgewachsene Bambusen wölben sich über die Schienenstränge, Brotbäume (Artocarpus) breiten ihr dunkles Laub, Mamoeiras (Carica papaya L.) mit ihren handförmig getheilten, grossen Blättern streben inmitten des Buschwerks empor, Musaceen drängen sich dicht aneinander, einzelne terrestrische und epiphytische Bromeliaceen bekleiden Boden und Aeste und manche Palmstämme tragen von unten bis oben einen Schmuck frischgrüner Farnkräuter. Aber nirgends sind Lianen zu bemerken, und die Ueppigkeit der Hylaea erreicht die so berühmte Pflanzenwelt Bahias noch lange nicht; es fehlen hier die natürlichen Lauben, die Blättercascaden, die undurchdringlichen Dickichte der Amazonasniederung. Auch die zwischen den Wäldchen liegenden vereinzelten Wiesen tragen nicht dazu bei, den tropischen Charakter der Gegend zu erhöhen. Und doch wird man hier an einer Stelle lebhaft an die Vegetation des unteren Amazonas erinnert. Es geschieht dies, wenn man den Rückweg von Rio Vermelho über den Dique nimmt, einen vielverzweigten Teich, in welchem Montrichardiengruppen wachsen wie an den Inselsäumen bei Pará. Aber sie setzen sich nicht aus der dortigen Montrichardiaart Montrichardia arborescens Schott.zusammen, sondern aus der Montrichardia linifera Schott, die übrigens für das Laienauge der erstgenannten zum Verwechseln ähnlich sieht. Hinter diesen Araceendickichten vereinigen sich um den anmuthigen Teich herum allerhand Bäume und Sträucher zu einem unvergesslich malerischen Bilde.

Der Dique mit Montrichardien im Vordergrund.

An Bord der »Ville de Maceió«. Montag, den 13. August.

Es sind zwei Tage her, dass wir des Nachmittags um 4 Uhr mit einem französischen Dampfer in See gegangen. Dieser Dampfer, der 10-11 Knoten läuft, gehört der Compagnie des Chargeurs réunis und entspricht uns weit mehr als das englische Dampfschiff und die brasilianischen Fahrzeuge, mit welchen wir uns bisher begnügen mussten. Auch sind die Herren, vom Kapitän bis zum Schiffsarzt herunter, von tadelloser Liebenswürdigkeit.

Als wir vom grossen Salzwassersee, Allerheiligenbai genannt, einen letzten Blick auf die Stadt warfen, wurde uns klar, dass sich dieselbe vom Meere aus gesehen am schönsten aufbaut, aber weniger, wenn man von São Salvador baiauswärts fährt, als wenn man vom Innern der Bai, von Santo Amaro kommend, gegen São Salvador zusteuert. Am Ausgang der Bai machte sich eine lebhafte Strömung bemerkbar, welche, genau wie einzelne schwächere Malströmme in Norwegen, sich durch senkrechtes Emporhüpfen kleiner, sich nach allen Richtungen kreuzender Wellenberge äusserte. Auf offenem Meer empfing uns eine todte See, der Beweis vorhergegangenen Sturmes. Die Nacht über rollte unser Dampfer nicht unbedeutend. Früh wurden zwei Walfische sichtbar, welche hohe Wasserstrahlen auswarfen und vermuthlich Finnwale (Physalus Brasiliensis Gray) gewesen sein dürften. Der Physalus Brasiliensis Gray ist eine noch wenig bekannte Species (siehe Gray: Catalogue of Seals and Whales in the British Museum 161, 162). Ueberhaupt scheint über die an der brasilianischen Küste vorkommenden Bartenwale noch wenig Sicheres bekannt zu sein. (Siehe Goeldi: Os mammiferos do Brasil 112 s. – Hartt: Geology and Physical Geography of Brasil 181 a. f.) Um 7 Uhr zeigte sich unter ca. 16° südlicher Breite die hügelige Küste bei Belmonte, dann kam bis Abends kein Land mehr in Sicht. Die Temperatur war tagsüber ganz frisch; Nachmittags halb zwei Uhr hatten wir 25,5° C. Um 3 Uhr durchfuhr die »Ville de Maceió« eine Strecke, welche mit gelbbraunem, schlammartigem Plankton bedeckt war. Dasselbe zog sich weithin durch die blauen Fluthen, gleich einer in das Meer geschütteten und noch nicht mit dem Meerwasser vermischten Flüssigkeit, in welcher einzelne wie Badeschwämme aussehende, compactere Theile mit unterliefen. Farbe und Vorkommen nach könnte es monotones Oscillatorien-Plankton gewesen sein, das heisst eine massenhafte Anhäufung mikroskopischer Algen, welche als wichtiger Bestandteil der Urnahrung gelten. Vergleiche Haeckel: Plankton-Studien (Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften, XXV, S. 265, 266, 292; siehe auch S, 257) Vergleiche ebenfalls Hensen: Plankton-Expedition, I, 277 ff. Später liessen sich neuerdings zwei Wale sehen; diese schienen von einem Schwertfisch (Xiphias) verfolgt zu sein.

Gegen Abend tauchten im Westen die Abrolhos auf, welche als vier steile Hügel den Fluthen entragten. Es sind die Abrolhos eine Gruppe von vier, richtiger sechs, Es sind vier grössere und zwei ganz kleine Inseln (siehe Harrt: Geology and Physical Geography of Bratil 175). – Reclus (Nouvelle Géographie Universelle XIX, 268) giebt ihre Zahl auf nur drei, Moura (Diccionario Geographico do Brazil p. 4) auf vier, Moreiro Pinto (Apontaroentos para o Diccionario Geographico do Brazil I, 30) und Wappäus (Das Kaiserreich Brasilien 1224) geben ihre Zahl auf fünf an. zur Provinz Bahia gehörigen, gegenüber der Mündung des Rio Caravellas gelegenen Inseln. Sie befinden sich in einem Abstand von dreissig Seemeilen von der Küste und sind nur von den drei oder vier Menschen bewohnt, welche den Leuchtthurm zu bedienen haben. Um so zahlreicher hausen auf ihnen aber Ratten, Seevögel, Eidechsen und Würgspinnen. Sie selbst bestehen aus Granit, Kreide und basaltischem Trapp, Hartt 1, c. 176, 555, 556. – Reclus 1. c. XIX, 268. indessen die gefürchteten Riffe, die sie von allen Seiten nah und fern umgeben, sich aus Korallen aufgebaut haben.

Einem Tage, der wie der vorhergehende nicht nur regen-, sondern auch wolkenlos war, folgte eine herrliche Mondnacht mit ruhigerer See. Letzteres wussten wir um so mehr zu schätzen, da in dieser Region zu der jetzigen Jahreszeit das stürmische Wetter vorherrschend ist.

Den heutigen Morgen kam etwas Land der Provinz Espirito Santo in Sicht. Die Küste Bahias, welcher wir durch fast acht Breitengrade hindurch entlang gefahren, war somit jetzt hinter uns geblieben. Nachmittags 2 Uhr zeigte das Thermometer 26° C. im Schatten. Ein Dampfer und später ein Segelschiff traten in unseren Gesichtskreis. Abends glänzte das Licht des Leuchtthurmes vom Cap São Thomé durch die Dunkelheit zu uns herüber. Dies sagte uns, dass wir schon die Küste der Provinz Rio de Janeiro vor uns hatten. Bei prächtigem Mondschein und massigem Seegang suchen wir unsere Kojen auf, in gespannter Erwartung morgen die weltberühmte Bucht von Rio de Janeiro schauen zu dürfen.


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