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Rio de Janeiro. Dienstag, den 21. August.
Nun befinden wir uns wieder auf einige Tage in der Hauptstadt, wollen noch mit dem Bezirk Cantagallo einen der bedeutendsten Kaffeedistrikte der Provinz Rio de Janeiro besuchen und dann unsere zweite grosse Tour in die brasilianische Wildniss antreten. Diesmal gilt es, den bei Bahia durch die Regenzeit vereitelten Besuch des Küstenurwaldes in etwas südlicheren Breiten nachzuholen. –
Heute Vormittag mussten das Herbarium und die aus Ouro-Preto mitgebrachten geologischen und mineralogischen Schätze in Ordnung gebracht werden.
Nachmittag fuhren wir per Bond, d. h. Trambahn, nach dem Jardim zoologico, Zoologischer Garten. uns noch genauer in der brasilianischen Thierwelt umzusehen. Der Jardim zoologico ist aber dermaassen weit ausserhalb der Stadt, dass die Fahrt den Character eines Ausfluges trug. Wir passierten zum ersten Male die im Nordwesten von Rio gelegene, mit Gärten und Landhäusern besetzte Ebene und gelangten bis zum Fuss der sie begrenzenden Bergkette, ja bis zwischen die Berge hinein. Wie wir vermuthet, fanden wir im zoologischen Garten fast nur einheimische Thiere. Neben diesen gab es aber auch als Seltenheit, was uns unwillkürlich komisch vorkam, unseren Kolkraben und unsere gemeine Hausgans. Auf die bekannteren oder von uns im Lande selbst schon gesehenen brasilianischen Säugethiere, wie Lagothrix cana Siehe weiter oben S. 114 und 151. und andere Affen, Silberlöwen, Siehe S. 220. verschiedene Varietäten von Jaguaren, Wasserschweine, Siehe S. 171. Pacas, Siehe S. 115. Cutiás, Siehe S. 51. Rothspiesshirsche Siehe S. 182. und Tapire, verwendeten wir unsere Aufmerksamkeit natürlich weniger als auf einige, die man seltener zu Gesicht bekommt. Da war ein Gato do Matto (Felis macroura Wied), eine in Nord- wie in Südbrasilien heimische Pantherkatze, in Gestalt und ungefähr in Grösse unserer Hauskatze, jedoch dem Jaguar ähnlich gefleckt, und ein Cachorro do Matto (Chrysocyon jubatus Desm.), ein an unseren Fuchs erinnernder, camposbewohnender Wolf. In zwei Käfigen nebeneinander befanden sich der wohlbekannte Coati do bando (Nasua socialis Wied) und seine röthlich dunkelbraune Varietät, der Coati ruivo (N. socialis Wied var. rufa Pelzeln), welche jedoch so wenig brüderlich gesinnt waren, dass sie bei jeder Begegnung durch die Eisenstäbe hindurch sich ärgerlich anzischten. Die Preás (Cavia Aperca Erxl,), diese Meerschweinchen, welche von Manchen für die Stammart unserer Gemeinen Meerschweinchen gehalten werden, kamen nicht aus ihrem Versteck heraus. Dafür sahen wir die zwei Arten brasilianischer Schweine, das bräunlichgraue Bisamschwein (Dicotyles labiatus Cuv.) und das dunklere, schwärzliche Pekari (Dicotyles torquatus Cuv.), beides Thiere, welche in Rudeln bis zu 100 Stück die brasilianischen Wälder durchstreifen.
Die Vogelwelt war reichlich vertreten. Neben dem Urubú-rei (Cathartes papa L.) war da der Uracú (Thrasaetus harpya L.), einer der gewaltigsten Raubvögel Südamerikas, mit ausdrucksvollem, fast dem der Eulen ähnlichem Gesicht und einer grossen, grauen Holle, welche er beim Schauen aufrichtete. Unter den Papageien befanden sich ausser den gewöhnlicheren Arten der seltene, ganz kobaltblaue, einen Meter lange, prachtvolle Hyacyntharára (Anodorhynchus hyacinthinus Lath.) und der, gleich diesem, nicht nach Südbrasilien herunterreichende, himmelblau und hochgelbe Araraúna (Ara ararauna L.). Zahlreich gab es Hokkohühner, wie z. B. verschiedene Mutúms (Crax), Jacupébas (Penelope jacucaca Spix), An Ort und Stelle notirte ich nach einer dortigen Aufschrift »Jacupéba = Penelope superciliosae. Nun ist P. superciliosa Cuv. gleich P. jaeucaca Spix und nicht gleich P. jacupeba Spix (Catalogue of Birds in the British Museum XXII, 494, 501). Da Spix aber den Namen Jacupéba wohl nicht gegeben hat, ohne Rücksicht auf den Vulgärnamen, ist anzunehmen, dass, obwohl die zwei Arten in der Färbung sehr verschieden sind, sie doch beide den gleichen Vulgärnamen tragen. Ebenso ist hinwieder anzunehmen, dass P. superciliosa Cuv. die zwei Vulgärnamen Jacucáca und Jacupéba trägt, vermuthlich je nach dem Ort seines Vorkommens. graubraun gesprenkelte Jacús (wohl Ortalis albiventris Wagl.) und ausserdem Jacutíngas (Pipile jacutinga Spix) mit wundervoll blauer Kehle. Ferner waren Inhambús (Tinaminae) und die auf den Norden von Südamerika beschränkten Jacamís oder Trompetervögel (Psophia) vorhanden. Schliesslich fanden wir auch Schildkröten, Boas und einige Teius (Tupinambis teguixin L.), graubräunliche, dreiste und selbstbewusste Eidechsen, welche einen fast dreieckigen, dicken Kopf haben, nahezu einen Meter lang werden und von Westindien an bis nach Uruguay hinunter verbreitet sind.
Rio de Janeiro. Mittwoch, den 22. August.
Um fünf Uhr früh begaben wir uns nach dem Hafen hinunter und zu Boot hinaus in die Bai. Für heute war die Ankunft des Kaiserpaares avisirt, und auch wir wollten uns dieses Ankommen, welches besonders festlich begangen werden sollte, aus der Ferne betrachten. Brasilien feierte die Rückkehr des Monarchen, der, wieder zum Leben genesen, zum ersten Male heimathlichen Boden betrat, seit das Gesetz über die Emanzipation der Sklaven verkündet worden war. Merkwürdigerweise stritten sich die Zeitungen in Bahia noch vor zwölf Tagen, ob der Kaiser gesundheitshalber nach Brasilien zurückkehren würde oder nicht – und dies zu einer Zeit, als derselbe schon zwischen Europa und Amerika auf dem Meere schwamm. Offenbar war eine politische Partei seiner Heimkunft nicht wohlgesinnt, vermuthlich aus republikanischer Tendenz, denn antimonarchische Ideen und Wünsche sind hier leider weit verbreitet. Der Einfluss der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist mächtig, und wo man hinhorcht, kann man die Ansicht aussprechen hören, dass es zu keinem »tercciro reinado« Dritte Regierung. kommen werde. Nach der Regierung Dom Pedro I. und Dom Pedro II. meint man die Monarchie stürzen zu können. Und so wird die dereinstige Thronbesteigung der Princeza Imperial allgemein angezweifelt. Jedoch glaubt Niemand an eine Revolution, so lange der bejahrte und in Folge Ueberarbeitetseins schwer leidende Kaiser die Augen nicht geschlossen.
Bei prächtigem, dann allmählich verbleichendem Mondschein ruderten wir hinaus in die Bahia. Eine auch fast nach unseren Begriffen winterliche Stimmung lag über der halb in Nebel gehüllten Stadt, aus welcher die weisse, vornehm geschwungene Kuppel der Igreja da Candelaria in geheimnissvoller Zwielichtbeleuchtung aufragte. Jenseits der östlichen Berge stieg der dunkelrothe Sonnenball strahlenlos hinter dunstiger Luft empor. Magisch waren die Lichtwirkungen in der herrlichen Bai, an der wir täglich neue Reize entdeckten. Von allen Hügeln stiegen Raketen in die Höhe, denn hier zu Lande werden die frohen Ereignisse auch am hellen Tage durch Verknallen von Feuerwerkskörpern gefeiert. Von den Schiffen und der Festung fielen Freudenschüsse, und auf den Pão d'Assucar hatten die Schüler der Escola militar Militärschule. mit Lebensgefahr eine Riesenfahne hinaufgeschleppt, auf welcher in grossen Buchstaben das Wort: Salve! stand.
Endlich wurde der französische Dampfer, welcher das Kaiserpaar an Bord hatte, in der Hafeneinfahrt sichtbar. Allerhand Boote und Dampfschiffe fuhren entgegen. Es war ein sehr feierlicher Moment, der auch uns Fremde ergriff. Nach 10 Uhr kamen die Majestäten in ihrer Yacht angedampft und stiegen an der Marinearsenaltreppe an das Land. Erneuter Kanonendonner und Jubelrufe durchbrausten die Luft. Alle Schiffe in der Bai hatten Flaggengala gehisst und auf drei englischen Kriegsfahrzeugen waren die Matrosen in den Wanten aufgeentert und standen zum Salut auf den Raaen. Die ganze Wasserfläche war wie übersät mit Booten aller Art. Wir ruderten an das Ufer und drängten uns durch die Menge, von dem Fenster eines Hotels die Vorüberfahrt des Kaiserpaares anzusehen. Das Militär war ausgerückt. Die Strassen hatten alle geschmacklosen Festschmuck angelegt und eine geputzte Menge wogte auf und nieder. Vor und hinter dem kaiserlichen Wagen, der sich durch Einfachheit auszeichnete, ritt eine Escorte. Das Volk drängte dicht an den Wagen heran, welcher wegen der Menschenmenge nur im Schritt vorwärts kommen konnte. Es war rührend, das aufrichtige Interesse der Leute an ihrem Kaiser und überhaupt wohlthuend das prunklos Bürgerliche und Ungekünstelte dieses Einzuges zu sehen. Es war nicht der unnahbare Herrscher, welcher zu seinen Unterthanen, sondern der Landes vater, der zu seinen Kindern heimkehrte. Der Kaiser, abgemagert und gealtert seit ich ihn vor einem Jahr zuletzt gesehen, nickte freundlich nach allen Seiten. Ihm zur Rechten sass die Kaiserin, ihm gegenüber die Kronprinzessin, welche ihren Eltern zu Schiff entgegengefahren war. In einiger Entfernung hinter dem Wagen folgte eine Schaar weissgekleideter Mädchen. Zunächst begab sich die kaiserliche Familie in die Capella Imperial, ihr Dankgebet zu verrichten, dann erst in den Palast. Das Wetter war schön und heiss, der Feststimmung angemessen. –
Rio de Janeiro. Freitag, den 24. August.
Gestern früh 6 Uhr traten wir unsere Fahrt nach Cantagallo an, einem an der Nordgrenze der Provinz Rio de Janeiro gelegenen Städtchen. Wir fuhren zunächst per Dampfer quer über die Bucht nach Nictheróy. Mondschein, Nebelstimmung, welche an Wintermorgen hier häufig, und Sonnenaufgang waren ähnlich wie tags zuvor. Anfangs mussten wir uns zwischen einer Anzahl verankerter Schiffe hindurchwinden. Als wir freieres Fahrwasser gewonnen hatten, umspielten Delphine unseren Dampfer. Es waren dies die für die Bucht von Rio de Janeiro charakteristischen Sotalia brasiliensis Ed. van Beneden, blaugrau und salmfarbige Zahnwale, welche sich durch die Art ihres Auftauchens von allen anderen Denticeten unterscheiden Göldi: Biologische Miscellen aus Brasilien (Spengel: Zoologische Jahrbücher III 134, 135). – Goeldi: Os Mammiferos do Brasil 118, 119.. Später sprangen kleine Fische auf, doch Scheibenquallen, (Discomcdusae), wie wir deren vorgestern gesehen und die vermuthlich Dactylometra lactea Agass. gewesen sind, kamen uns gestern nicht zu Gesicht. Nachdem der Dampfer die Hälfte seines Weges über die Bai zurückgelegt hatte, vertiefte er sich in eine ganze Welt von vegetationsbedeckten Inseln und Halbinseln. In Nictheróy bestiegen wir den Eisenbahnzug, welcher uns in sechs Stunden nach Cantagallo bringen sollte. Die ersten 26 Kilometer etwa führte die Bahn über eine vollständig flache Strecke. Es ging zwischen Orangengärten hindurch, über sandigen, dünenartigen Alluvialboden und über eine grosse Wiese, auf der Pferde weideten und ein zahmer Nhandú oder Pampasstrauss (Rhea americana L.) seine Laufbeine übte. Weiter ging es durch eine Sumpflandschaft, welche nur ca. 36 cm über Springfluthhöhe liegt und auf welcher Papierstauden (Papyrus) wuchsen, die in ihrem Habitus der egyptischen Papyruspflanze sehr ähnlich sahen. Endlich fuhren wir durch Roça und allerhand Gestrüpp, in welchem einige Fourcroya gigantea Vent. ihre Blüthenstengel in die Höhe reckten und ein Baum mit ganz goldgelben Blättern unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Bis oben bewachsene Gneissbergreihen begleiteten uns rechts und links in der Ferne, nach und nach rückten sie näher und strebten höher empor, endlich, nach 74 km, verschwand die ebene Thalsohle ganz und die Bahn begann nach Fell'schem System die Serra da Boa Vista zu ersteigen. Es ist eine prächtige Bergbahn, die schönste der bisher in Brasilien von uns gesehenen. Der Zug windet sich förmlich durch das Gebirge aufwärts. Schwindelnd steigen die Hänge an, schwindelnd verlieren sie sich in die Tiefe; unten rauscht eng eingeschlossen der Bergstrom, tost über Felsen in zahllosen Fällen hinab. Nirgends wird der Boden sichtbar, alles ist in einem Meer von Grün begraben, über und über mit üppigem Tropenwald bekleidet. Aus der welligen Baumkronendecke, auf welche man hinabblickt, lösen sich die graziösen Formen der Farrenbäume Es kommen in diesen Wäldern wahrscheinlich verschiedene Arten von Cyatheen, Hemithelien und Alsophilen vor. heraus, welche weit zierlicher sind als die steifwedeligen, hier ganz vereinzelt im Dickicht stehenden Fiederpalmen. Viele Mamoeiras (Carica papaya L.), mit ihren regelmässig gestellten, handförmig getheilten, grossen Blättern, lassen sich in der Pflanzenfülle unterscheiden. Auch viele Faulthierbäume (Cecropia), welche durch ihre mehr fingerig gelappten Blätter von den meisten der von uns am Amazonas gesehenen vorteilhaft abstechen, fallen im übrigen Grün durch ihre weisse Blattunterseite auf. Hier und da erheben sich am Abhang mit rosenrothen Blüthen übersäte Bäume, vermuthlich irgendwelche Lecythis. Zahlreiche Bambusaceen sind Bürger dieser Pflanzenrepublik. Lianen, wohl Stechwinden (Smilax), deren es mehrere Arten in der Provinz Rio de Janeiro giebt, schlingen sich, stützesuchend, um die anderen Gewächse. Farnkräuter sind an den Baumstämmen bis hoch hinauf angesiedelt, andere am Waldesgrund dicht aneinandergereiht. Auf den Aesten sitzen allerhand Bromeliaceen, unter denen der Greisenbart (Tillandsia usneoides L.) seine fadenförmigen, silberweissen Stengel als meterlanges Geflecht herabhängen lässt. Es fehlen hier auch nicht die Schlingpflanzendraperien, die Laubvorhänge, welche denen der Hylaea an phantastischer Gestaltung und Ueppigkeit kaum nachgeben; der hiesigen Waldlandschaft fehlt nur die Grossartigkeit des Baumwuchses, wie sie die Amazonasniederung aufweist Der ganze Fuss des Gebirges ist bis ziemlich weit nach aufwärts in diesen dichten Tropenwald gehüllt. Wo dieser aufhört, sind die Berge, welche so steil und hoch und nah in die Höhe ragen, dass man aus den Waggonfenstern kaum mehr den Himmel erblicken kann, noch mit Gesträuch bewachsen. Und wo die Kuppen, Kämme und Spitzen sich zu senkrechten Wänden gestalten, klammern sich in die Felsritzen noch rosettenförmige Ananasgewächse ein, welche, nur in vergrössertem Maassstabe, sich da ausnehmen, wie in unseren Alpen der Hauswurz. Herrliche Schluchten öffnen sich in der Bergwand, malerisch mit Vegetation bedeckt, die sich über den herabrieselnden Bächen von beiden Seiten zusammenwölbt. Durch die Kurven, welche die Bahn beschreibt, wechselt die Szenerie fortwährend. Bald hat man einen Blick zwischen zwei nahen Bergwänden hindurch auf ferne Gipfel, bald ragt von allen Seiten das Gebirg in nächster Nähe empor, so dass man nicht begreift, wie und wo der Zug hindurchfahren kann. Diese Bergwelt, welche durch die Vereinigung von Gebirg und Tropenvegetation so besonders berückend wirkt, ist fast gänzlich unbewohnt. Auch Thiere sahen wir nur wenig. Ein paar taubengrosse Vögel mit weissem Körper, Chasmorhynchus nudicollis Vieill., wechselten von einem Baumwipfel zum anderen. Unten im Flusse sonnte sich auf einem Felsen eine grosse Eidechse (Tupinambis teguixin L. [?]). Einzelne Stücke Vieh standen auf dem Bahnkörper, und unser Zug musste mehrmals bremsen und warten, bis die scheugewordenen und vor der Lokomotive dahinrasenden Rinder glücklich die Bahn geräumt.
Endlich war, nach 20 km Steigen bei 1086 m der Höhepunkt der Bahn überschritten. Der Zug enteilte dem engen Gebirgspass, der romantischen grossartigen Bergwelt und rollte bergab nach dem weiten Kesselthale von Nova Friburgo.
Mit dem Flecken Nova Friburgo hatten wir die älteste der vom brasilianischen Staat aus fremden Elementen gegründeten Kolonien erreicht. Bis zum Jahre 1820 waren grösstentheils nur einzelne Einwanderer, namentlich aus dem Mutterlande, aus Portugal, auf brasilianischem Boden erschienen. Nun aber unternahm es die Regierung auf ihre Kosten zum ersten Male nichtportugiesische Kolonisten zu berufen, und zwar ungefähr 2000 französische Schweizer. Diese Kolonisten kamen unter sehr günstigen Bedingungen, ebenso diejenigen deutscher Nationalität, welche etliche Jahre später in Rio Grande do Sul angesiedelt wurden. Diesen vom Staat angeregten Kolonien folgten solche, welche Privatunternehmungen ihren Ursprung verdankten. Dann kam eine Zeit, in der die Einwanderung vollständig stockte, bis sie in den vierziger Jahren sich wieder zu heben begann. Nun entstanden in Mittel- und Südbrasilien von Privatleuten gegründete deutsche Kolonien, welche aber auch von der Regierung unterstützt wurden. Manche dieser Ansiedlungen haben geblüht und blühen noch heute, manche sind wieder von der Bildfläche verschwunden. Sehr schädlich auf die Kolonisation wirkten die in den fünfziger Jahren von einigen Fazendabesitzern in S. Paulo eingeführten Parceria- oder Halbpartverträge, durch welche die eingewanderten Arbeiter bei ungünstigen Verhältnissen ihr ganzes Leben lang in sklavischer Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern blieben. Auch die Wahl ungesunder Gegenden für Anlage von Kolonien, wodurch die Reihen der Einwanderer decimirt wurden, brachte die Ansiedlungsbestrebungen in Misskredit. Doch, sieht man von diesen und einzelnen anderen Missgriffen ab, welche sowohl Privaten, wie der Regierung zur Last zu legen sind, so lässt sich sagen, dass im Grossen und Ganzen die in Brasilien Eingewanderten bei vernünftiger Lebensweise und einigem Fleisse ihr mindestens bescheidenes Fortkommen haben. Die besser Gestellten können sogar jährlich einige tausend Mark zurücklegen und es giebt einzelne Kolonisten, welche bis zu 30 000 und 40 000 Mark Jahreseinkommen aufweisen. Freilich, solch riesige Reichthümer wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika werden wohl kaum erworben werden, hierzu ist vor Allem die Industrie noch zu wenig entwickelt, dafür aber sind die Verhältnisse auch weit solidere. Nachdem bis 1872 die Einwanderung durchschnittlich nur 10 000 Seelen jährlich betrug, hat sich dieselbe in neuester Zeit ungemein emporgeschwungen, und verwendet nun auch wieder der Staat grosse Summen auf die Kolonisation. Im Jahre 1880 zählte man schon fast 30 000 Einwanderer, von Bahia an südwärts gerechnet, und 1887 bis zu 54 990. Jetzt, nach Aufhebung der Sklaverei, ist ein noch grösserer Zuzug an Ausländern zu erwarten, da die Nachfrage nach Arbeitskräften zunehmen wird 1888 ist die Einwanderung auf mehr denn 131 000 Köpfe gestiegen und die letztbekannte Ziffer, die von 1893, führt 84 143 Einwanderer an.. Die Einwanderer bestehen überwiegend aus Italienern, ihnen zunächst an Zahl kommen im Durchschnitt die Portugiesen, an diese reihen sich die Spanier und die Deutschen Ein Jahr wiegen die Spanier vor, ein anderes Jahr die Deutschen.. Letztere erhalten sich nirgends sonst im Ausland mehrere Generationen hindurch so unvermischt wie gerade in Brasilien. Der Hauptstrom der Einwandernden geht, des günstigeren Klimas halber, nach den südlichen Provinzen, und ist die Einwanderung daselbst manchmal so massenhaft, dass die Regierung sie kaum zu bewältigen vermag Siehe auch Globus LX S. 124.. Den Süden suchen hauptsächlich Deutsche und Italiener, die nördlicheren Gegenden namentlich Portugiesen auf.
Was speziell die Kolonie Nova Friburgo betrifft, ist zu berichten, dass sie ihren Charakter als solche, wenigstens in der ursprünglichen Form, nahezu ganz verloren hat. Die Schweizer sind fast alle gestorben oder weggezogen und an ihre Stelle sind Brasilianer und Deutsche getreten. Die Anwesenheit von letzteren verrieth sich uns auf den ersten Blick durch die Bauart der Häuser. Indessen die brasilianischen Wohnungen hier, wie durchgängig, Aufziehefenster haben, haben die deutschen, die in der alten Heimath gebräuchlichen zweiflügeligen Fenster. Solch deutsche Bauart zeigte sich gleichfalls mehr oder minder in all den auf Nova Friburgo folgenden Ortschaften. Dass auch unser Eisenbahnschaffner ein Deutscher war, durfte uns nach diesen Beweisen des Vorhandenseins deutscher Elemente nicht sonderlich Wunder nehmen.
Von Nova Friburgo, welches am Nordfuss der Serra da Boa Vista und östlich der Morros Queimados gelegen ist, zog sich die Bahn bis Cantagallo fortwährend zwischen eng zusammengerückten, mässigen Bergen und zwischen Hügeln hindurch. Unmittelbar hinter Nova Friburgo erhoben sich einige Schuppentannen (Araucaria brasiliana), dann begannen Zuckerrohrfelder und mit Kaffeeplantagen bedeckte Höhen. Letztere verdarben durch ihre steifen, regelmässigen Anpflanzungen das allenfalls Malerische der Gegend. In Cantagallo, einem uninteressanten Städtchen von ca. 3000 Einwohnern, welches Goldwäschereien seine Entstehung verdankt, trafen wir Nachmittag 1½ Uhr ein. Bis 2¼ Uhr hatten wir die nöthigen Maulthiere aufgetrieben, um nach der Fazenda de Santa Anna, einer grossen, dem Barâo de Cantagallo gehörenden Kaffeeplantage zu reiten.
Unser Weg führte zwischen Berglehnen hindurch. Er war grösstenteils schattenlos und die Sonne brannte unbarmherzig auf uns herab. Neben dem Wege wuchsen charakteristische Capoeirasträucher, gut über 3 m hohe Lantana camara L., mit ihren grell gelb und rothen Blüthen. Eine grosse, dickbehaarte Würgspinne zog sich vor den Tritten unserer Reitthiere zurück. Ihrem Vorkommen am Boden und an trockener, waldloser Stelle nach zu schliessen könnte es eine Theraphosa Blondii Latr. gewesen sein, sofern eine solche jemals zu so früher Nachmittagsstunde ihren Bau verlässt. Eine Unmenge graubrauner Eidechsen, etwas grösser und dicker als unsere Lacerta agilis, vermuthlich Halsbandkielschwänze (Tropidurus torquatus Wied), huschten über unseren Pfad oder sonnten sich an der steilen Felswand, unter welcher wir vorbeiritten. Einer dieser Erdleguane fiel hinter mir auf mein Maulthier herab, welches ob dieses unerwarteten Gastes erschreckt zusammenzuckte.
Endlich vertiefte sich unser Weg in eine wundervoll üppige Waldparzelle mit seltsam schlingpflanzenbehangenen Bäumen, rothblühenden epiphytischen Bromeliaceen und einem Baumriesen, dessen Stamm gleichsam ein Halsband von Aroideenblättern trug. Nachdem der Wald hinter uns lag, passirten wir den Sattel des Gebirges. Es that sich da ein überraschender Blick auf, hinab in ein Thal mit kaffeebepflanzten Hügeln, hinter welchen sich in der Ferne Bergreihen übereinander aufbauten. Schwarze Anús (Crotophaga ani L.) und Tijuca nigra Less., grosse, dunkle, nicht allzu häufige Fruchtvögel (Cotingidae) mit gelbgestreiften Flügeln, strichen zwischen den einzelnen Büschen hin und her. Wir lenkten in das Thal hinunter, woselbst es sumpfig war, und erreichten nach anderthalbstündigem Ritt, hinter dem nächsten Hügel, die Fazenda des Barâo de Cantagallo.
Der Gutsbesitzer, ein schlichter alter Herr, dem wir vollständig unangesagt in das Haus kamen, empfing uns trotzdem sehr freundlich, als er hörte, dass wir Ausländer seien und eine Kaffeeplantage kennen zu lernen wünschten. Er war einer jener Fazendeiros, welche der Regierung ob der Sklavenemanzipation grollten. Speziell für die Kaffeeplantagenbesitzer wäre nämlich die Fortdauer der Sklaverei vielleicht von Nutzen gewesen, dieselbe hatte man aber, wie die Verhältnisse lagen, nicht mehr aufrecht zu erhalten vermocht. Schon vor mehr als hundert Jahren war zum ersten Mal die Frage der Emanzipation der schwarzen Sklaven angeregt worden und seither hatte sie nicht geruht. Nachdem ungefähr drei Jahrhunderte hindurch Negersklaven in Brasilien eingeführt worden waren, und zwar in solchen Mengen, dass 1818 über die Hälfte der Bevölkerung aus Sklaven bestand, war 1831 jede weitere Einfuhr verboten worden. Dies hinderte jedoch nicht, dass der Sklavenhandel heimlich bis 1856 fortgesetzt wurde. In den sechziger Jahren fasste man die Frage der Abolicâo, der Abschaffung der Sklaverei, welche der Kaiser auf jegliche vernünftige Art zu fördern suchte, ernstlicher ins Auge. Siehe z. B. Silva Netto: Estudos sobre a Emancipação dos Esclavos no Brazil. p. 5. 28. e. s. 1871 that die Regierung den ersten Schritt in dieser Richtung, indem sie das Gesetz, dass von nun an alle von Sklavinnen geborenen Kinder frei sein sollten, trotz starker Opposition, durchbrachte. Diesem Gesetz folgte 1885 ein zweites, welches allen Negern, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatten, die Freiheit zusicherte. Die zwei nördlichen Provinzen Amazonas und Ceará hatten inzwischen schon 1884 ihre sämmtlichen Sklaven freigegeben, und auch im Süden, in Sâo Paulo, regte sich die abolitionistische Bewegung mächtig. In einigen anderen Provinzen aber, namentlich in Minas Geraes und Rio de Janeiro, machte sich ein heftiger Widerstand gegen jede Beschleunigung der Emanzipation geltend. Uebrigens herrschte im Grossen und Ganzen unter den Sklavenbesitzern selbst doch schon eine solche Stimmung, dass Viele ihren Negern die Freiheit schenkten, Levasseur; L'émancipation des esclaves. (Levasseur: Le Brésil 35 et s.) – Siehe auch Amazonas d'Almeida: O Elemento servil e sua Extincção (Revista Amazonica I. 43). Mossé: Dom Pedro II. 227 e s. 292 e s. wie dies das Staatsoberhaupt mit den seinen schon viele Jahre früher gethan. Als Beispiel nenne ich hier nur den reichsten Fazendeiro der Comarca de Cantagallo, den Conde de Nova Friburgo, welcher 1993 Sklaven besessen hatte. Endlich in diesem Jahre, 1888, war die Strömung zu Gunsten der Abolição so angewachsen, dass sie sich nicht mehr eindämmen liess, und so kam es denn im verflossenen Mai zur fast einstimmigen Annahme des Gesetzes, welches sämmtliche noch vorhandene Sklaven emanzipirte. Es mögen deren zwischen 600 000 und 700 000 gewesen sein, indessen sie im Jahre 1871 noch 1 800 000 betragen hatten.
Dass einzelne brasilianische Staatsbürger durch das neue Gesetz geschädigt wurden, dass für die Gutsbesitzer das Ersetzen der Sklaven durch freie Arbeiter nicht leicht gewesen ist, soll nicht geläugnet werden. Andererseits aber lässt sich auch nicht in Abrede stellen, dass der partiellen Krisis ein voraussichtlich grossartiger finanzieller Aufschwung gegenüberstehen wird. In den letzten siebzehn Jahren hat die Anzahl der Sklaven, wie wir vorhin sahen, um zwei Drittel abgenommen und nichtsdestoweniger ist z. B. die Kaffeeernte auf das Dreifache gestiegen. S. Anna Nery: Le Brésil en 1889. p. 209 et s. 265. 345. 356. So ist jetzt bei zu erwartender grösserer Einwanderung und der, nach schon gemachter Erfahrung in den Nordprovinzen, weit günstigeren freien Arbeit, eine weitere Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion sicher anzunehmen. Es hat sieh dies auch bewahrheitet. Siehe Mossé: Dom Pedro II. 251. 252. Ueberdies sucht die Regierung den allenfalls in Verlegenheit gerathenen Fazendeiros durch Gründung einer Agrarkreditkasse helfend unter die Arme zu greifen. Auch hat das Verlassen der Fazendas durch die freigewordenen Schwarzen nicht die gefürchteten Dimensionen angenommen. Die meisten Emanzipirten sind geblieben, namentlich da wo sie als Sklaven gut behandelt wurden. Und so hat auch der Barão de Cantagallo, der es nicht über sich vermocht hatte, gleich anderen Gutsbesitzern die Sklaven vor der Emanzipation frei zu lassen, trotzdem seine 400-500 Neger sämmtlich als freie Arbeiter behalten, was letzteres immerhin einen günstigen Rückschluss auf den Charakter des alten Herrn gestattet. Diese Neger erhalten keinen Tagelohn, aber eine Besoldung, welche je nach Gattung der Arbeit sich bis auf 20 $ 000 r 20 milreis = ca. 45 Mk. monatlich beläuft.
Die Fazenda de Santa Anna ist ein sehr grosses Landgut, dessen Hauptkultur der Kaffee bildet. Zu den ausgedehnten Kaffeeplantagen gesellen sich noch Zuckerrohr-, Mandioca- und Maisfelder. Daneben wird Viehzucht getrieben. In den riesigen Ställen sind Rinder, Pferde, Maulthiere, Schafe, Ziegen und auch ungefähr 400 Zucht- und Mastschweine untergebracht, welch letztere alle auf der Fazenda selbst aufgebraucht werden. Ausserdem befindet sich hier ein aus Indien eingeführtes Zebuochsenpaar. Die Milchwirthschaft beschäftigt sich mit Herstellung von Butter und Käse, von denen letztgenannter unter dem Namen Minaskäse in den Handel gelangt. An Geflügel sind Hühner und Tauben vorhanden. Die Schweinemast geschieht durch Mais, indessen dem Hornvieh das Maisstroh überlassen wird. Mais ist auch vielfach die Nahrung der Leute. Gemüse- und Obstgärten vervollständigen die Vielseitigkeit der Kulturen. Es giebt Beete mit Monatserdbeeren, ferner Aepfel- und sonstige Obstbäume. Der Schönheitssinn wird durch blumengeschmückte Gartenanlagen befriedigt, in denen eine Iriartea ihre eigenthümlichen Wedel hin und her wiegt. Das in Hufeisenform gebaute, zweistöckige, weitläufige Haus enthält ausser den Wohnräumen auch eine Badestube, eine Apotheke und ein Spital, welches in eine Abtheilung für Männer und eine für Frauen zerfällt. Für Bäder ist nicht nur im Haus gesorgt, im Freien ist ein grosses Schwimmbassin mit Bergwasser angelegt, sammt und sonders wohlthätige Einrichtungen in einem Lande, in welchem so Manches noch in den Kinderschuhen steckt.
Als wir unseren Rundgang durch die Wirthschaftsräume antraten, waren weder die Zuckerwalzenpresse noch die Maschinen zur Cachaçabereitung Siehe weiter oben S. 52. in Thätigkeit, auch die Mandiocapresse und die Maisentkörnungsmaschine arbeiteten nicht. Dagegen war gerade die Kaffeeernte in vollem Gang und befanden sich die dazu gehörigen Maschinen in vollem Betrieb. Da dies zu sehen der Zweck unseres Besuches gewesen, konnten wir uns vollständig zufrieden geben. Die Kaffeefrüchte werden zunächst in Körben von den Sträuchern abgesammelt und in ein grosses, ziemlich tiefes, cementirtes Wasserbecken geworfen, in welchem sich durch das verschiedene Gewicht der Maduro von dem Secco scheidet. Unter Maduro versteht man die noch grünen oder rothen Kaffeekirschen, unter Secco die schon bräunlichen, vertrockneten. Im Wasser schwimmt der Secco oben auf, der Maduro fällt zu Boden und wird nach zwei Cylindern hinausgeschwemmt, welche die Bohnen, deren jede Beere zwei enthält, der fleischigen Hülle entkleiden. Diese Umhüllung, die ungefähr 40 pCt des Gesammtgewichtes der Beere beträgt, fällt direkt herab, die Bohnen hingegen, welche sehr hell sind, werden erst weiter geschoben und gleiten dann zu Boden. Von da bringt man sie auf die offene Steintenne, das heisst den gepflasterten Hofraum, welchen das Haus nach drei Seiten umschliesst. Hier bleiben sie acht Tage hindurch, täglich mehrere Male umgeschaufelt, zum Trocknen ausgebreitet und werden schliesslich in Mühlen von der Pergamenthaut befreit und vollends gereinigt. Anders ist die Behandlung des Secco. Derselbe wird zuerst auf die Tenne, den Terreiro, gelegt und da sechs Tage gelassen, dann von einer Maschine in einen Raum hinaufgehoben, in welchem eine Putzmühle die allenfalls unter ihm befindlichen fremden Bestandtheile, wie Steine und Holztheilchen entfernt. Hierauf wird der Secco in eine Maschine gebracht, welche die Fruchthülle ablöst und ausscheidet, und neuerdings in eine Mühle, durch welche die pergamentartige Haut gebrochen und weggeblasen wird. Endlich fallen die Bohnen, durch Siebe nach ihrer Grösse sortirt, zu Boden und sind nun zum Verpacken fertig. Man füllt sie zum Versenden in Säcke, von denen die mit besserer Qualität, mit Maduro 8 $ 000 r. 8 milreis = ca. 18,4 Mk., die mit Secco 6 $ 000 r. 6 milreis = ca. 13,5 Mk. werth sind.
Wie wir schon früher sahen, ist die Hauptkultur Brasiliens der Kaffee; sie bildet den Reichthum des Landes. Im Jahre 1886-1887 Das Erntejahr wird vom 1. Juli bis zum 30. Juni gerechnet. betrug die Produktion an Kaffee über 400 Millionen kg, somit mehr als die Hälfte der Kaffeeproduktion der ganzen Welt. Exportirt wurden dasselbe Jahr 364 Millionen kg im Werth von ungefähr 360 Millionen Mark. Eine weitere Steigerung der Produktion und des Exportes ist sicher zu erwarten Im Jahre 1895 war eine Ernte im Werth von mindestens 650 Millionen Mark zu erwarten., wenn nicht die seit zwanzig Jahren auftretende, durch einen Fadenwurm verursachte Kaffeestrauchkrankheit Göldi: Biologische Miscellen aus Brasilien VII, der Kaffeenematode Brasiliens (Meloidogyne exigua G.) (Spengel: Zoologische Jahrbücher IV S. 262 u. ff.) – Göldi: Relatorio sobre a molestia do cafeeiro p. 15 e s. (Archivos do Museu Nacional do Rio de Janeiro VIII.) – Dieser wurzelzerstörende Nematode gehört in die Familie der Anguillulidae. (Siehe Göldi: Relatorio etc. 66 e s.) grössere Dimensionen annimmt. Die Hauptregion der Kaffeekultur sind die Provinzen Espirito Santo, Rio de Janeiro und São Paulo, und in Rio de Janeiro wieder namentlich die Municipien von Nova Friburgo und Cantagallo, welch letzterem Distrikt speciell unser Besuch gegolten.
Nachdem wir uns über die Art und Weise, wie die Kaffeebohnen geerntet und behandelt werden, unterrichtet hatten, wurden wir vom Fazendeiro in seinem einfachen Heim zu Tisch gebeten. Das ganze Mahl, vom Fleisch und Gemüse angefangen bis herunter zum Obst, bestand ausschliesslich aus Produkten der Fazenda und wurde durch anregende, auf portugiesisch geführte Gespräche gewürzt. Um sechs ein Viertel Uhr sassen wir wieder im Sattel. Die Nacht war schon hereingebrochen, was unseren Heimritt nicht erleichterte. Namentlich auf der zurückzulegenden Strecke Waldes war es so dunkel, dass wir absolut nichts unterscheiden konnten und uns den Reitthieren, die übrigens sicher ihren Weg fanden, vollständig überlassen mussten. Die Vögel, welche uns am Nachmittag begrüsst hatten, waren schlafen gegangen, statt dessen liess scheues Nachtgeflügel seinen unheimlichen Ruf ertönen. Froschlurche, Cicaden und Saltatorien waren munter geworden und erfüllten die Lüfte mit vieltausendstimmigem Concert. Bläulich phosphorescirende Feuerfliegen (Pyrophora) blitzten wie Irrlichter zwischen den Waldbäumen auf. Nach angenehmem Ritt in der Kühle des Abends, welch letzterer aber nicht wirklich kühl war, sondern nur im Vergleich zur Nachmittagshitze, langten wir wohlbehalten in Cantagallo an, Hier im Gasthaus erwarteten uns andere Thiere minder erwünschter Art. Ueberall nämlich, auf den Treppen, den Gängen und in den Zimmern, liefen grosse Blattiden herum und die fleckigen Böden verriethen, wie viele ihrer schon zertreten waren. Endlich gelang es mir, eines dieser überaus behenden Insekten zu erhaschen. Was ich gefangen, war ein Amerikanischer Kakerlak (Periplaneta americana Fabr.), eine jener Blattiden, welche gut grösser sind als unsere Gemeinen Küchenschaben (Periplaneta orientalis) und sich aus ihrer ursprünglichen Heimath, Amerika, mit der Zeit auch nach den übrigen Welttheilen verbreitet haben.
Heute früh bestiegen wir in Cantagallo wieder den Eisenbahnzug, nach Rio de Janeiro zurückzukehren. Wir fuhren ganz nah an einer Kaffeeplantage vorbei, auf welcher gerade geerntet wurde. Negerinnen sammelten die Beeren in flache, runde Körbe, ähnlich denen, die wir in allen Indianerhütten am Amazonas gesehen. Von diesen wurden die Beeren in grössere, tiefe Körbe zusammengeschüttet. Mit Ochsen bespannte Karren, welche speichenlose Räder hatten, brachten Kaffeesäcke an die Bahn. Die Ochsen waren paarweise mit den gewaltigen, von je einem Ring durchbohrten Hörnern aneinander befestigt. Sie zogen den Wagen auf primitive Weise durch ein Mittelding von Stirn- und Nackenjoch, das unmittelbar hinter dem Gehörn aufruhte und durch das die Zugkraft wenigst möglich ausgenützt wurde. Wie alle Ochsen, die man in Mittelbrasilien sieht, waren es Prachtthiere, gross und von vortrefflichem Schlag.
Bei herrlich duftiger Beleuchtung und einer Temperatur von 25° C. passirten wir heute Mittag die Serra. An den Stationen im Tiefland standen fast überall Maulthiere und gesattelte Pferde, welche auf ihren Reiter warteten; es ist dies ein Zeichen, wie viel hier zu Lande geritten wird. In Nictheróy benützten wir wieder das Dampfschiff und waren gegen 4 Uhr Nachmittag in Rio de Janeiro zurück.
Abends brach ein von Sturm und Regen begleitetes Gewitter los, welches aber, wie solches in den Tropen meist der Fall zu sein pflegt, die Luft nicht sonderlich abkühlte. Unter dem Aequator, am Amazonas, war uns die Temperatur nach überstandenem Gewitter jedesmal sogar noch unerträglicher erschienen als vorher, da dann Alles von heisser Feuchtigkeit förmlich dampfte.