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Kapitel XVIII.
Küste von Espirito Santo.

Hafen von S. Cruz. Freitag, den 7. September.

Auf unserer gestrigen Seefahrt bugsirten wir ein Schiff, welches aus den Urwäldern des Rio Doce stammendes Jacarandá an Bord führte. Gelegentlich dieser Ladung wurde uns, entgegen anderen Angaben Siehe weiter oben S. 366. versichert, dass nebst dem Kaffee das Jacarandáholz der Hauptausfuhrartikel des Rio Doce sei.

Die Seefahrt bot, vor Allem anfangs, landschaftlich wenig. Wir steuerten einer ganz flachen, dichtbewaldeten Küste, der sumpf- und seendurchzogenen, menschenleeren Niederung entlang, welche sich zwischen der Mündung des Rio Doce und des Rio Santa Cruz erstreckt. Diese Küste ist von grossen Meerschildkröten besucht, welche wohl aus den verschiedenen, am Ostgestade Brasiliens vorkommenden Arten stammen dürften. Die häufigste unter diesen scheint in der hiesigen Gegend die Kauana (Thalassochelys caretta L.) zu sein Hartt: Geology and Physical Geography etc. 107 and f., eine Schildkröte, welche bis zu 1,25 m lang wird und von der sowohl Fleisch, wie Eier als Nahrung dienen.

Nachdem wir einige Stunden gefahren, zeigten sich hinter der waldigen Küstenlinie etliche Berggipfel. Gegen Abend näherten wir uns Santa Cruz, einer aus einem Missionsdorf entstandenen Villa, deren Einwohnerschaft noch heute vielfach aus Indianern besteht. Dieser kleine Flecken, welcher ziemlich flach am Strande liegt, setzt sich nur aus wenigen, gemauerten und getünchten Häusern zusammen. Unmittelbar hinter diesen steigt eine unbedeutende, waldbedeckte Höhe an, durch welche sich der Rio Santa Cruz in ziemlich tiefer Waldschlucht herauswindet. Fernes Gebirge sieht man im Hintergrunde der Flussufer aufragen.

Unser kleiner Küstendampfer passirte die Barre, welche nur Schiffen von geringem Tiefgang das Einfahren gestattet, und ging innerhalb derselben vor Anker. Hier ist ein geschützter Ankerplatz von 9-10 m Tiefe, auf dem jedoch das Strömen von Ebbe und Fluth noch sehr deutlich fühlbar wird. Der Rio Santa Cruz, in welchem wir nun liegen, ist ein unbedeutender Küstenfluss von ganz kurzem Lauf, der erst knapp vor seiner Mündung durch das Zusammenfliessen des Rio Piraque-assú und Piraque-mirím entsteht.

Der Abend schloss mit andauerndem Regen. Wir blieben an Bord unseres kleinen »Rio São João«, auf welchem wir zwei Damen die einzige Separatkabine inne haben. Sonst giebt es nur noch den bescheidenen Speisesaal, an dessen Wänden sich rings die Kojen für die Herren befinden. Ausser auf einem türkischen Dampfer traf ich noch auf keinem anderem solch urwüchsige Zustände. Auch der Umstand, dass zwei Schweine die steten, geduldeten Besucher des Esssalons sind, spricht von der Gemüthlichkeit, die an Bord herrscht.

Die ganze Nacht lagen wir ruhig vor Santa Cruz, ebenso den ganzen heutigen Tag, und auch die nächste Nacht werden wir noch hier liegen. Wir haben nämlich Kaffee zu laden. Da aber heute ein politischer Feiertag, der Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Brasiliens, zu begehen war, wurde tagsüber nicht gearbeitet. Es ist dies ein von uns bitter empfundener Zeitverlust, eine entschiedene Geduldsprobe.

Unseren aufgezwungenen Aufenthalt in Santa Cruz wenigstens nützlich auszufüllen, gingen wir schon früh Morgens an das Land, am Strand Salzwassermollusken und sonstige Meeresbewohner zu suchen. Der nämlichen Beschäftigung lagen wir auch Nachmittags ob. An Schnecken (Gastropoda) erbeuteten wir den Murex (Haustellum) Senegalensis Lam. var. Brasiliensis Sow.; die zierliche Oliva (Olivella) parvula Mart., die Columbella, (Pygmaca) mercatoria L. und die Natica (Mamma) mammillaris Lam., welch letztere drei auch in Westindien vorkommen; ferner den Conus (Leptoconus) emarginatus Rv., der, ebenso wie hier, auch im Stillen Ocean gefunden wird; den drolligen, ziemlich seltenen Pileopsis (Capulus) intortus Meusch, die in Unmengen und in allen Farben und Zeichnungen vertretene Neritina (Vitta) virginea L., das Pachypoma imbricatum Gm., letztere drei nördlich mindestens bis Westindien reichende Arten; weiter die hübsche Fissurella patagonica Orb. und die Bulla striata Brug., letztere eine Blasenschnecke, welche auch für das Mittelmeer angegeben ist und gleich den übrigen Arten ihrer Gattung Brackwasser und Flussmündungen liebt. An Muschelthieren (Lamellibranchiata) sammelten wir den Tagelus gibbus Spgl., der an den Küsten des Atlantik weit verbreitet und für die Barren amerikanischer Flüsse charakteristisch ist; die purpurrosa Tellina (Peronacoderma) punicca Born., welche auch an der Westküste Südamerikas vorkommt; die mit soeben genannter Plattmuschel in Fundort und so ziemlich in Farbe übereinstimmende Strigilla carnaria L.; das Cardium (Trachycardium) muricatum L., welches sowohl bei Rio, wie bei den Antillen gefunden wird; und endlich die gewöhnlich an Mangrovewurzeln anzutreffende Ostrea rhizophora Gld. Zwischen den Mollusken liefen grosse Krabben (Brachyura) und lagen Bruchstücke von jungen Einsiedlerkrebsen (Pagurus), von kalkigen Serpulidenröhren und von Seeigeln aus der Familie der Echinometriden Diese Seeigelbruchstücke, welche ich mitgebracht, gehören möglicherweise der Gattung Strongilocentrotus, wahrscheinlicher aber der, erstgenannter nahestehenden Gattung Echinometra an, und zwar der Species Echinometra subangolaris Desml. – Dies würde auch stimmen mit dem, was ich später gleichen Ortes, an lebenden Seeigeln zu beobachten glaubte.. Auch Sternkorallen (Astraeacea) fehlten nicht, und zwar waren sie vertreten durch die interessante, zwischen Cabo Frio und Pernambuco häufige Favia conferta Verill, welche zu einer Gattung gehört, die, im Verein mit vier anderen Madreporariengattungen und mit Milleporen, die Korallenriffe der brasilianischen Küste hauptsächlich aufbaut Vergleiche Verril: Notes on the Radiata etc. (Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences I p. 355 and f.).. Uebrigens nicht nur unsere zoologische Sammlung, auch unser Herbarium fand hier seine Bereicherung. Im feuchten Ufersande waren drei Arten von Florideen angeschwemmt, der in allen Meeren verbreitete hornartige Gallerttang (Gelidium corneum Huds.), die purpurfarbige, auch im Mittelmeer häufige Gracilaria confervoides L. und das Nitophyllum laceratum Gm., ein reizendes, weinrothes Prachtblatt. Landwärts, an trockenen Stellen des Strandes, wuchs das Stenotaphrum glabrum Trinius, ein längs der ganzen brasilianischen Küste verbreitetes Süssgras, und eine der Vellosia graminea Pohl nahestehende, wahrscheinlich neue Species von Vellosia.

Dem morgendlichen Strandspaziergang folgte ein Besuch der Kirche Nossa Senhora da Penha, eine heilige Messe zu hören. Wir trafen im vollsten Sinne des Wortes eine Nothkirche, denn das Gotteshaus bestand nur aus einem elenden Zimmer mit einem ärmlichen, hässlichen Altar. Der celebrirende Priester, den wir später aufsuchten, war ein Italiener, wie es deren unter der Geistlichkeit Brasiliens so manche giebt. Wir sprachen lange mit ihm in seiner Muttersprache, ohne dass er dessen gewahr wurde. Er, der dieselbe wohl nie mehr zu hören Gelegenheit hat, beantwortete unsere Fragen eine geraume Zeit hindurch auf portugiesisch, was uns ein neuer Beweis war, wie rasch sich die eingewanderten nichtportugiesischen Romanen in die Landessprache einleben Vergleiche das weiter oben S. 322 Gesagte.. Durch ihn und andere freundliche Bewohner von S. Cruz erhielten wir eine Anzahl Conchylien geschenkt, die von uns angelegte Sammlung zu ergänzen.

Um zehn ein halb Uhr unternahmen wir einen vierstündigen Ritt, welcher zuerst dem Strand entlang nach Süden und dann landeinwärts nach Westen führte. Am Meeresufer waren Indianerweiber mit dem Fange Langgehörnter Langusten beschäftigt, deren Brasilien zwei Arten besitzt, Panulirus echinatus Smith und Panulirus argus White. Auch grosse dunkle Seeigel, wohl Echinometra subangularis Desml, welche an der brasilianischen Küste gemein sind, waren der Sammelgegenstand dieser Weiber. Durch die Ebbe blossgelegte, merkwürdig verwitterte Felsen erhoben sich aus dem Ufersande. Der Pflanzenwuchs war hier ein mittelmässiger. Die Restinga, d. h. die auf sandiger Fläche wachsende Flora, welche sich zwischen Sandstrandvegetation und Urwald ausbreitet, charakterisirte sich durch Säulencacteen (Cereus), Fackeldisteln (Opuntia) von über Mannshöhe und grosse terrestrische, von den Einheimischen Gravatá genannte Bromelien, Mehr landeinwärts entragten ein paar höhere Bäume und einzelne Fiederpalmen dem struppigen Strandwald; sie bewiesen uns, dass hier schon ein Uebergang zu einer anderen Flora stattfand. Von den Bäumen waren einige über und über mit Greisenbart (Tillandsia usneoides L.) behangen, auf anderen sassen grosse rosettenförmige Bromeliaceen und sonstige, rothblühende Epiphyten. Sträucher mit lila Blüthen, aller Wahrscheinlichkeit nach Bignoniaceen, erfreuten das Auge. Den Boden bedeckten kleine lila Blümchen, vermuthlich Melastomaceen, und hübsche, röthlichgelbe, wie mir schien, dem Sedum ähnliche Blumen. Letztere waren wohl Blüthen von Crassulaceen, und zwar möglicherweise der Gattung Tillaea (?) Bisher sind Tillaea nur in Südbrasilien gefunden worden, deshalb ist es fraglich, ob dies Tillaea waren.. Hier im Strandwald gab es nur einzelne Roças und Capoeiras, gegen das Innere des Landes nahmen sie an Häufigkeit bedeutend zu. Ein paar Sitios, Lehmhütten mit Zuckermühlen, welche gerade nicht arbeiteten, unterbrachen das Waldland. Nun folgte eine Strecke höheren Waldes mit Palmen und Schlinggewächsen, welch letztere im Strandwald mehr zurücktraten oder ganz fehlten. Zwischen hier und dem unfernen Urwald breitete sich ein von Wasserpflanzen überwuchertes, sumpfiges Terrain, über welches Piossocas (Parra jaçana L.) dahinzogen. Seit dem Amazonas hatten wir diese hübschen Spornflügler nicht mehr gesehen. Scharlachrothe Tanagriden (Rhamphocoelus brasilius L.) flogen im Gebüsch umher und Anu coroya (Crotophaga mayor Gm.) liessen ihr schönes, dunkelblaues Gefieder im Sonnenlichte schimmern. Viel Schmetterlinge freuten sich des schönen Tages. Da gab es Heliconius Phyllis Fabr., welche durch ihre schmalen Flügel auffielen, ganz rothe mit breiten Flügeln, vielleicht Megalura Peleus Sulz, und grosse breite schwarze, weiss und blauroth gezeichnete, wohl Papilio Ascanius Gram.

Endlich erreichten wir das Ziel unseres Ausfluges, einen Sitio, in hübscher, erhöhter Lage. Der uns erschlossene Rundblick war sehr anziehend durch das Gepräge von Einsamkeit, welches auf der Landschaft ruhte. Die unmittelbare Umgebung des bescheidenen Landgutes hatte fast das Ansehen einer Gebirgswiese. Kleine rosablühende Papilionaceen, das Desmodium adscendeas DC., und weit verbreitete Malvaceen, die Rautenblättrige Sammetpappel (Sida rhombifolia L.), schmückten die Grasflur. Beide in mein Herbarium gesammelt; ersteres sicher auf dieser Wiese, die Sida hingegen möglicherweise nicht gerade an dieser Stelle, jedoch in dieser Gegend. Theils mit höherem Wald, theils mit Gestrüpp bekleidete Strecken, welch letztere der Gegend einen öden Charakter verliehen, dehnten sich nach allen Seiten. Im Westen begrenzten Berge, unter denen der 630 m hohe Monte Camello gewesen sein dürfte, den fernen Horizont.

Den Rückweg nahmen wir zunächst über einen, den Sumpf durchquerenden Damm, neben welchem sich eine baumförmige Bignoniacee mit schönen, grossen, weissen Blüthen zu ungefähr 3-4 m Höhe erhob. Dann führte unser Ritt durch Gestrüppland, welches in Folge seiner menschenleeren Ursprünglichkeit des Reizes nicht entbehrte. Es waren lorbeer- und weidenartige Gesträuche, die den wenig fruchtbaren Boden überdeckten. Zum Schluss, ganz nahe der Küste, gelangten wir an einer höheren Waldpartie vorbei, die wir jedoch erst nach Tisch und zu Fuss aufsuchen wollten. Wir fanden in ihr unvermuthet einen träumerischen Tropenwald mit ganz entzückenden Einzelheiten. Ein durchfliessender Bach erweiterte sich an mehreren Stellen zu kleinen Wassertümpeln, welche wie tiefgrüne Smaragde in der umgebenden Vegetationsfülle eingebettet lagen. Ueberall schlossen sich emporrankende Lianen oberhalb des Gewässers zu malerischen Lauben zusammen, hohe Farrenkräuter, z. B. mehrere Fuss lange Polypodium fraxinifolium Jacq. und Polypodium phyllitides L. Beide in mein Herbarium gesammelt. nickten über den Wasserrand herein, und weitgebreitete, dichte Baumkronen hüllten das ganze Waldinnere in geheimnissvolles Dunkel. Eine Unzahl kleiner Bromeliaceen, die zierlichen Catopsis nutans Bak. In mein Herbarium gesammelt., sassen gleich Ampeln hoch oben auf den Aesten. Grosse Gravatás (Bromelia) mit wundervoll rothen Deckblättern wuchsen am Waldboden. Und wie dichte Schleier wallten Schlinggewächse von den Baumwipfeln bis zur Erde herab. Allerhand Schmetterlinge schwebten zwischen den durcheinander gewobenen Pflanzen, doch nur ein Heliconius Phyllis Fabr. wurde die Beute unseres Netzes.

Mehr gegen den Strand zu wuchsen hier, wie in Barra do Rio Doce, das rosablühende Sinngrün (Vinca rosea L.) und die Jussiaea octonervia Lam. Diese beiden Pflanzen in mein Herbarium gesammelt. Auch die uns schon von Linhares her bekannte Vernonia scorpioides var. subrepanda Pers. In mein Herbarium gesammelt. Bezüglich der var. subrepanda siehe weiter oben S. 368 Anmerk. 2. fehlte nicht in der hiesigen Küstenvegetation. Zum ersten Male hingegen fanden wir das Blechnum serrulatum Rich., einen in den Tropen weitverbreiteten Farn, das therapeutisch zur Verwendung kommende Wahre Brechveilchen (Jonidium Ipecacuanha Vent.) und die Kalanchoe Brasiliensis Camb., ein gelbblühendes, wie es scheint, auf Mittelbrasilien beschränktes Kraut Diese drei Pflanzen in mein Herbarium gesammelt.. Als weiterer Erfolg unseres heutigen Botanisirens endlich ist Miconia hirtella var. ovata Cogn. In mein Herbarium gesammelt. zu verzeichnen, eine Melastomacee, welche bisher nur für die Provinz Goyaz erwähnt gewesen war Siehe Martius: Flora brasiliensis XIV 4 p. 424..

Die Witterung muss heute eine wechselnde genannt werden. Regen und Sonnenschein lösten einander mehrmals ab. Die Luft, wenn bewegt, war kühl, sonst theilweise drückend heiss.

Abends spielte Musik und wurde zu Ehren des grossen politischen Feiertages ein Feuerwerk abgebrannt. In einem Orte, der Rasenflächen und Grasstreifen an Stelle von Plätzen und Strassen besitzt, und dessen Häuser und Hütten nur Palmstrohdächer und anstatt Fensterscheiben meist nur Holzläden haben, muthete diese Feier, des Constrastes halber, sonderbar an. –

Unser Kapitän, ein Brasilianer, der sich durch Strenge und Tüchtigkeit im Dienst auszeichnet, ist für uns von erdrückender Liebenswürdigkeit. Und die wenigen gebildeteren Einwohner von S. Cruz, welche uns wohl kaum dem Namen nach kennen, wetteifern mit ihm in Zuvorkommenheit. So hatten wir z. B. für die Benutzung des einen der zu unserem heutigen Ritt benöthigten Pferde gar nichts zu bezahlen. Uebrigens scheint solches in entlegeneren Theilen Brasiliens öfters der Brauch zu sein; auch die Reitthiere, welche uns von Porto do Cachoeiro nach Santa Thereza trugen, kosteten uns keinen Heller.

*

Verzeichniss der in S. Cruz geschenkt erhaltenen Siehe weiter oben S. 377. Gastropoda, Lamellibranchiata und Anthozoa:

Fusus multicarinatus Orb., eine an der Küste Brasiliens häufige Spindelschnecke.

Oliva (Olivella) mutica Say, eine nordwärts bis Nordcarolina verbreitete Olivenschnecke.

Cerithium atratum Born., ein, nach Orbigny, in der Bucht von Rio de Janeiro sehr häufiger Cerithiide.

Astralium latispinum Phl., eine von Reeve für Westindien angegebene Kreiselschnecke.

Omphalius viridulus Gm, eine weiss und roth gezeichnete Trochine.

Patelloidea subrugosa Orb.(?), eine im Hafen von Rio de Janeiro ziemlich häufige Napfschnecke.

Mactra Portoricensis Sh., eine sowohl bei den Antillen, wie an der brasilianischen Küste vorkommende Trogmuschel.

Tellina (Tellinella) lincata Turt., ein von Brasilien bis Florida verbreiteter, mitunter rosenrother Tellinide.

Tellina (Acropagia) fausta Pultn., eine für Westindien verzeichnete Sonnenmuschel.

Iphigenia Brasiliensis Lam., eine an der Küste Brasiliens, wie im Antillenmeer vorkommende Donacine.

Amphidesma obliquum Wood, eine in ziemlich tiefem Wasser lebende, brasilianische Scrobicularilne.

Amphidesma recticulatum Sow., eines der bekanntesten Amphidesmen, welches von Brasilien bis Westindien verbreitet ist.

Cryptogramma Brasiliana Gm., eine Venusmuschel der brasilianischen Küste.

Chione (Omphalociathrum) crenulata Gh., eine in Brasilien, wie in Westindien vorkommende Venusmuschel.

Pectunculus (Axinaea) tellinaeformis Rv., eine Kammmuschel der brasilianischen Küste.

Area umbonata Lam., eine Archenmuschel, welche an der brasilianischen Küste südlich bis Santos geht.

Barbatia Helblingii Ch., ein cosmopolitischer Arcide.

Anomalocardia trapezia Ds., eine Archenmuschel, als deren Heimath Westindien verzeichnet ist.

Plicatnia depressa Lam., eine von den Antillen bis nach Patagonien verbreitete Faltenmuschel.

Gorgonide (Rindenkoralle), gelbbraun, zu zerstört und zu fragmentarisch, um die Art und sogar um die Gattung zu bestimmen.

   

Victoria. Samstag, den 8. September.

Um fünf ein halb Uhr früh, vor Tagesanbruch, lichtete unser »Rio São João« die Anker zur Fahrt nach Victoria. Wir legten dieselbe bei vollständig glatter See in 4 Stunden zurück. Wunderbar spiegelten sich bei Sonnenaufgang die Wolken im Wasser, wunderbar war das hellgrüne Aufleuchten der in nebeligen Schimmer getauchten, waldigen Küste. Aus der Tertiärebene, welche sich von Santa Cruz längs des Meeres südwärts zieht, stiegen verschiedene, einzelnstehende Hügel auf. Endlich kam die charakteristische Pyramide des Mestre Alvaro in Sicht und winkte uns Nossa Senhora da Penha entgegen, welches durch seine Lage an die Schlösser Pena bei Cintra und Neuschwanstein erinnert. Kurz darauf hatten wir den Kanal von Victoria passirt und konnten unseren kleinen Dampfer verlassen, auf welchem der einzige Passagier ausser uns Senhor Milagre aus Guandú gewesen war. –

Nach fast vierzehntägiger Abwesenheit sind wir nun wieder in Victoria im gastlichen Hause des Herrn Pecher eingezogen. Wir müssen hier, zur Weiterfahrt nach Rio, auf einen von Norden kommenden Küstendampfer warten. Da derselbe schon fällig ist, dachten wir, ihn hier vorzufinden. Jetzt, da er noch nicht eingetroffen, gilt es, sich die Zeit bis zur Abreise auf nützliche oder angenehme Weise zu vertreiben.

Den heutigen Nachmittag füllte ein vierstündiger Ritt nach Carapina aus, nach den Ruinen eines Jesuitenklosters. Anfangs führte unser Weg der Bucht entlang, hoch über dem Meere, dann nördlich der Stadt in das Hügelland hinein. Einzelne Fazendas lagen am Wege. Ausser dem Herrenhaus hatten sie eine Anzahl Negerwohnstätten. Es waren dies Hütten aus Lehm und Stroh, welche alle in einer Reihe standen und sich von aussen wie Ställe ausnahmen. Eine besondere Fürsorge der Fazendeiros für ihre bisherigen Sklaven sprach nicht aus diesen elenden Gebäuden. Den Kanal Maria-assú Auf der grossen Karte in Silva Coutinho (Breve Noticia descriptiva sobre a Provincia do Espirito Santo) heisst diese Wasserstrasse Canal de Maria-assú, in Carvalho Daemon (Provincia do Espirito Santo 479) Rio da Passagem, in Reclus (Nouvelle Géographie Universelle XIX p. 295 und Karte p. 296) Kanal von Maruypé., welcher die Insel Espirito Santo nach Norden vom Festland abtrennt und in westöstlicher Richtung das Nordende der Lagune Lameirão mit der Bahia do Espirito Santo verbindet, passirten wir auf einer Holzbrücke. Eine wenig fruchtbare, nur mit Gestrüppvegetation bekleidete Ebene dehnte sich vor unseren Blicken. Riesige Piteiras (Fourcroya) reckten ihre mächtigen Blüthenschäfte empor. Das magere Gesträuch trug als einzigen Schmuck viele der kleinen niedlichen Catopsis nutans Bak. Piossocas (Parra jaçana L.) strichen über die menschenleere Gegend hin, riesengrosse, gelb und schwarze Edelfalter (Papilio) Es dürften der Gestalt, Grösse und Farbe nach vielleicht Papilio Phaeton Luc. oder Papilio Scamander Boisd. gewesen sein. gaukelten in der Sonne, Heuschrecken lärmten, und Cikaden zirpten so laut, dass man den fernen Pfiff einer Lokomotive deutlich zu hören meinte. Heiss brütete der Tropennachmittag auf der ziemlich schattenlosen Landschaft. Mehrmals ritten wir längere Strecken auf wasserbedecktem Terrain, denn auch hier ist die Gegend theilweise eine sumpfige Niederung. Endlich hatten wir mittelst eines Anstieges von etwa 16 m den auf der Tertiärebene gelegenen erhöhten Punkt erreicht, auf welchem sich die Klosterruinen erheben. Eine prachtvolle Aussicht erschloss sich unseren Blicken. Im Nordwesten lagerte majestätisch der allbeherrschende Monte Mestre Alvaro, von unten bis oben urwaldbedeckt. Etwas ferner und mehr gegen Westen zeichneten sich die Höhenzüge des Morro da Serra in hübschen Formen dunkel gegen den leuchtenden Tropenhimmel ab. Uns zu Füssen, zwischen den Ruinen und dem fernen Morro, war weithin eine reizende, grösstentheils waldige Ebene hingestreckt. Die malerischen Linien der lichtübergossenen Baumwipfel zogen sich leichtgewellt, eine hinter der anderen, über den weiten Plan; inmitten des satten Grüns der herrlich schattirten Bäume ruhte eine goldgelb schimmernde Wiese. Nach Süden zu lag das Hügelland, welches wir soeben durchritten, und im Südosten winkten die Höhen der Bucht von Victoria mit dem felsenentwachsenen Kloster Nossa Senhora da Penha. Im Osten endlich blaute das Meer, die Rundsicht zu einem harmonischen Ganzen abschliessend.

Der Morro da Serra von Carapina aus. Nach Natur skizzirt von der Verfasserin, ausgeführt von B. Wiegandt.

In raschem Tempo, wie wir gekommen, kehrten wir auch wieder nach Hause zurück. Mein Pferd, ein Passgänger, hielt in seiner Weise Schritt mit den anderen trabenden und galoppirenden Reitthieren, was eine höchst unangenehme, stossende Bewegung ergab, Erst bei vollständiger Dunkelheit zogen wir neuerdings in Victoria ein.

Victoria. Sonntag, den 9. September.

Victoria, eine Stadt, welche an 20 000 Einwohner zählen soll und zwölf Kirchen und Kapellen besitzt, hat augenblicklich nur einen einzigen Priester. Folglich wurde heute in der ganzen Stadt nur eine einzige heilige Messe gelesen, und sogar diese war nur sehr schwach besucht. Solche Zustände sprechen deutlich von dem Priestermangel Brasiliens und dem Darniederliegen des religiösen Geistes im grossen Kaiserreiche. Die Kirche, in welcher der Gottesdienst stattfand, hatte weder Bänke noch Stühle und war sehr unschön.

Nachmittags wurde uns die Gelegenheit, mit einer brasilianischen, durchschnittlich nur portugiesisch sprechenden Familie einen Ausflug nach Nossa Senhora da Penha zu unternehmen. Unter den Ausflüglern befand sich auch eine Braut von sechzehn Jahren und ein junges Mädchen von neunzehn, welches nach hiesigen Begriffen schon fast ein altes Mädchen war. Die Heirathen werden hier ungemein früh geschlossen, wenn die Mädchen kaum den Kinderschuhen entwachsen sind. Die jungen Damen zeichnen sich durch übermässige Befangenheit aus, und ein näheres Sichkennenlernen der Brautleute ist bei den hier herrschenden Sitten nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, Die in unserer Gesellschaft befindliche Braut durfte ihren Verlobten nur alle Sonntage sehen und doch sollte sie ihm schon in wenig Monaten für das ganze Leben angehören.

Ein Boot brachte uns 12 km weit durch den Kanal von Victoria meerwärts nach Villa Velha, welches auch Espirito Santo genannt wird. Es ist dies eine Ansiedlung, die aus dem Jahre 1535 stammt, später geraume Zeit Hauptstadt von Espirito Santo war und nun zu einem unbedeutenden Fischerdorf zurückgegangen ist. Wind, Wellen und Fluth, welch letztere bei Victoria 2,05 m Höhe erreicht, liessen sich so stark an, dass unsere Fahrt zwischen den zahlreichen Klippen hindurch etwas schwierig und ungemüthlich wurde. Schliesslich konnten die Bootsleute nicht mehr gegen die Kraft der Elemente ankämpfen; wir mussten hinter einer vorspringenden Halbinsel Schutz suchen und in einer anderen Bucht, als beabsichtigt, an das Land gehen. Bei diesem improvisirten Ausschiffen zeigte sich wieder der ganz ungestählte, zwischen Apathie und Aengstlichkeit hin und herschwankende Charakter der brasilianischen Frauen.

In Villa Velha fielen uns in einem Garten niedere Bäume auf, welche mennigrothe Blätter trugen. Wenn, wie dies der Fall zu sein scheint, sich die Poinsettia pulcherrima Willd. in günstiger Lage zu 3 m Höhe und darüber zu entwickeln und einen mehr baumförmigen Charakter anzunehmen vermag, so könnten diese merkwürdigen Bäumchen erstgenannte Euphorbiacee mit ihren prächtig gefärbten Hochblättern gewesen sein.

Von Villa Velha aus erklommen wir auf landschaftlich schönem, von üppiger Vegetation beschattetem Wege den 130 m hohen Hügel, welcher Nossa Senhora da Penha, das nun verlassene Felsenkloster, trägt. Dieses Kloster verdankt indirekt seine Entstehung dem spanischen Mönche Pedro Palacios, welcher 1558 in das Land kam, den Indianern das Christenthum zu predigen. Die von ihm auf der Spitze des Felsens errichtete Einsiedelei wurde nämlich fünfzehn Jahre nach seinem 1575 erfolgten Tode den Franziskanern übergeben. Diese wandelten die Einsiedelei in eine grössere Kapelle und 1637 in eine Kirche um und bauten nebenan das ebenerwähnte Kloster, welches im Laufe der Zeiten verschiedene Erweiterungen erfuhr Carvalho Daemon: Provincia do Espirito Santo p. 72. 89. 93 e s. 113. 119..

Wir betraten das Gotteshaus, welches klein und in Folge seines zopfigen Styles unschön ist. Der Charakter einer berühmten Wallfahrtskirche, zu welcher sie schon seit lange geworden, prägte sich in der Unzahl der an den Wänden hängenden Ex votos aus. Schöner als das Werk aus Menschenhänden, dünkte uns hier oben die Natur. Die Aussicht war über alle Beschreibung prachtvoll, sie erinnerte an die gestrige, war jedoch umfassender. Der Vordergrund löste sich in Dutzende und aber Dutzende von Bergen und Hügeln auf. Im Norden stieg in seiner ganzen, imponirenden Grösse der Mestre Alvaro empor, im Nordwesten der Morro da Serra, daran schlossen sich westlich mit einigen hohen, steilen Gipfeln die Serra do Mangarahý und die Serra da Malha bei Porto do Cachoeiro, hinter diesen lagerten noch fernere Bergketten. Im Süden breitete sich die Serra de Guaraparý, im Osten das brandende Meer, und über das Ganze fluthete die Sonne ihr verklärendes Licht. Der Blick in das Land hinein war in Folge der unzähligen Berggipfel und gewellten Bergrücken wie der Blick in eine in wilder Bewegung plötzlich erstarrte See.

Auf dem Rückweg von Nossa Senhora da Penha besuchten wir einen Landsitz jenseits von Villa Velha, welcher uns eine malerische Aussicht auf das hügelkrönende Felsenkloster bot. Da der Wind, der schon unsere Herfahrt von Victoria gestört hatte, noch stets in Zunahme begriffen war, wurde zur Heimfahrt an Stelle des Ruderbootes eine Lancha benutzt. Doch auch diese unterlag der ziemlich heftigen Wellenbewegung. Die Nacht war inzwischen angebrochen, und als wir endlich Victoria erreichten ruhte Mondscheinzauber auf seinen malerischen Häusergruppen.

Victoria. Dienstag, den 11. September.

Der gestrige und halbe heutige Tag verging mit fernerem Warten auf den noch immer nicht eingetroffenen Dampfer. Zugleich waren wir auch anderweitig an die Scholle gefesselt. Wir befanden uns zu Gast und konnten somit nicht nach Belieben Pferde und Boote verlangen. Da es aber zu weiteren Fusstouren zu heiss war, hiess es, meist ruhig zu Hause bleiben und zu suchen, der Sehnsucht nach dem erlösenden Schiff möglichst Herr zu werden. Nur früh Morgens oder am Spätnachmittag durften wir einen kleinen Spaziergang wagen. Obwohl uns die stark mit indianischen Elementen durchsetzten Einwohner dieser verkehrsentrückten Stadt gewöhnlich wie ein Weltwunder anstaunten, liessen wir uns nicht irre machen, die Strassen nach allen Richtungen zu durchstreifen. Die Stadt, welche an der Südwestecke der Ilha do Espirito Santo, einer Gneiss-Insel von 25-30 km Umfang, gelegen ist, baut sich anmuthig das hügelige Terrain hinan. Die Häuser sind zum Theil verfallen, die auf- und absteigenden Strassen sind eng und verwahrlost, das Pflaster ist schlecht. Um so reizender aber sind die Ausblicke aus den Strassen auf die Bucht und den Lameirão und auf die in der Ferne blauenden Gebirgszüge. Auch die unmittelbare Umgebung der Stadt ist durch ihren alpinen Charakter anziehend. Steile, glatte Hänge, von kurzem, felsenunterbrochenem Gras bedeckt, senken sich zum Wasser hinunter und steigen hinter den Häusern bis zu etwa 300 m empor. Bald da, bald dort hat man ein natürlich eingerahmtes Bild der sich in mehreren Ketten hintereinander lagernden Berge mit ihrem seegleichen Vordergrund.

Auf dem Rückweg von einer unserer Streifereien wurden wir, wie das in Brasilien Sitte ist, von einer uns ganz fremden Frau eingeladen, in ihr Haus zu treten. Die Einrichtung des Empfangszimmers bestand aus steif längs der Wand aufgestellten Rohrstühlen, wie solches fast überall hier zu Lande der Brauch ist. Wir wurden jedoch nicht, wie dies sonst hier der Fall zu sein pflegt, mit dem landesüblichen Kaffee gelabt, sondern mit Bier. Auch versprach man uns eine nach Rio zu adressirende Sendung einheimischer Vögel. Ob diese je eintreffen wird? Thatsächlich erhielten wir dieselbe nicht, sei es, dass wir schon nach Europa abgereist waren, sei es, dass die Sendung überhaupt unterblieb. Die Brasilianer sind rasch im Versprechen, unverlässlich im Halten. Es mag sein, dass es sich bei ihnen in solchen Fällen meistens nur um Höflichkeitsphrasen handelt und wir Deutsche, die Anderes gewohnt sind, ihre Worte zu buchstäblich nehmen.

Uebrigens gingen wir, was unser Sammeln zoologischer Gegenstände betrifft, hier doch nicht ganz leer aus. Wir erhielten geschenkt: einen Xenodon neuwiedii Günth., eine auf Südbrasilien beschränkte Natter; eine Rhadinaea merremii Wied Siehe weiter oben S. 255., eine brasilianische Glattnatter, welche Cobra d'agua genannt wird; einen Thamnodynastes nattereri Mik., eine jener kleinen, gewandten und zierlichen Schlangen aus der Familie der Nachtbaumschlangen (Dipsadidae), welche zwar ungiftig, aber bissig sind und, worauf ihr Name hindeutet, auf Bäumen leben und Nachts der Jagd obliegen; endlich einen Pentaceros reticulatus Linck, einen schönen Seestern, welcher im atlantischen Ocean weit verbreitet ist.

Die Hitze, welche wir die letzten Tage zu ertragen hatten, schien uns arg. Gestern maass das Thermometer zu Mittag 27,5° C. im Zimmer und ebensoviel im Freien, heute bei bedecktem Himmel und drückender Luft 26,5° C. im Zimmer und 28° C. im Freien.

Als wir heute Morgen, also an einem Werktag, den Gottesdienst besuchten, war ausser uns und einem kleinen Mädchen schlechterdings Niemand in der Kirche. Diese geringe Anzahl Kirchenbesucher stand in grellem Gegensatz zu derjenigen Anzahl, welche man, auch an Wochentagen, im katholischen Deutschland stets beobachten kann.

Ausser dieser einen Kirche, die uns architektonisch nichts weniger als begeisterte, sahen wir keine andere, überhaupt keines der öffentlichen Gebäude Victorias an. Denn so wunderbar in Brasilien durchschnittlich die Landschaft ist, so selten fesseln die Werke aus Menschenhand durch irgendwelche Schönheit. Auch die im Regierungspalast, dem ehemaligen Jesuitenkollegium befindliche Capella de S. Thiago, jetzt Capella Nacional genannt, unterliegt wohl dieser allgemeinen Regel. Interessant ist letzterwähnte Kapelle sicher nur dadurch, dass sie Jahrhunderte lang die sterblichen Reste des berühmten Padre José de Anchieta innerhalb ihrer Mauern barg. Diesem Jesuitenpater, welchen man mit Recht als Apostel Brasiliens bezeichnet, verdankt das Land grossentheils seine Christianisirung. Namentlich die Provinz Espirito Santo wurde zum Schauplatz der Missionsthätigkeit dieses hervorragenden Mannes, Und so hat derselbe auch in dieser Provinz, in der damaligen Aldeia Yryrityba Von den verschiedenen für diese Aldeia angeführten Namen, wie Yryrityba, Iritiba, Rerityba, Reritigba und Retigha, dürfte Yryrityba der richtige Name sein, nach Yryri = Auster und tyba = Ort, wo es etwas in grosser Menge giebt. Siehe Gonçalvez Dias: Diccionario da Lingua Tupy p. 177. 191. –, dem späteren Benevente und jetzigen Anchieta, 1597 seinen segensreichen Lebenslauf vollendet. Uebrigens ist Padre Anchieta nicht nur als Missionär bekannt geworden, er war auch der Erste, welcher ein Wörterbuch und eine Grammatik des Tupí zusammenstellte, einer Sprache, die hauptsächlich zur Katechese der Indianer verwendet wurde.

Um Belehrendes in Victoria zu sehen, brauchen wir übrigens gar nicht einmal ausser Hauses zu gehen. Das Haus, welches wir bewohnen und welches eine günstige Lage unmittelbar am Hafen hat, ist eine der grössten Kaffeefirmen hier zu Lande. Den ganzen Parterreraum des Hauses nimmt das Magazin ein, in welchem der Kaffee aufgestapelt ist. Daselbst werden die verschiedenen Sorten gemischt, wobei aber eine Mischung von alten und neuen Bohnen ausgeschlossen ist, da dies dem Kaffee einen schlechten Geschmack verleiht. Was das Mischen der verschiedenen Sorten betrifft, richtet man sich nach der Nachfrage der einzelnen Importländer, von denen jedes eine andere Mischung verlangt. Gerade jetzt, zur Zeit unserer Anwesenheit, sind Neger emsig beschäftigt die schon gemischten Bohnen in Säcke zu füllen, die Säcke hierauf zu wiegen und, wenn im Gewicht richtig befunden, zu schliessen und auf dem Kopf nach dem Schiff zu tragen, welches vor dem Hause vor Anker liegt, Die Arbeit geht den Schwarzen so rasch und wohlgemuth von der Hand, dass es eine Freude ist, ihnen zuzusehen. In ununterbrochener Reihe bewegen sich die kaffeesackschleppenden Leute vom Haus zum Schiff. Innerhalb zweier Tage, gestern und heute, haben sie 2000 Säcke verladen, welche einen Werth von etwa 100 000 Mark repräsentiren. Hier an der Küste stellt sich somit der Werth des einzelnen Sackes bedeutend höher, als z. B. auf der Fazenda des Barão de Cantagallo Siehe weiter oben S. 292., wo die Kosten des theueren Landtransportes noch nicht dazu geschlagen und die Säcke sicher auch geringeren Umfanges sind Siehe Tschudi: Reisen durch Südamerika III 120.. Im vergangenen Jahre, welches eine schlechte Kaffeeernte zu verzeichnen hatte, erzielte der Kaffee nach Aussage des hiesigen Geschäftsführers der Firma Pecher, einen weit höheren Preis als im laufenden, dessen Kaffeeernte eine gute genannt werden muss. Die bedeutenden Preisschwankungen im Kaffeehandel sind fast ausschliesslich den Börsenspekulationen zuzuschreiben. Auf der Waarenbörse selbst entscheidet die Farbe des Kaffees am meisten über die Höhe des Preises. Der brasilianische Kaffee, dessen Hauptabsatzgebiet die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind, ist, dank der wenig sorgfältigen Behandlung, die man ihm zum Theil noch angedeihen lässt, in seinen geringen Sorten der schlechteste, deshalb aber auch der billigste sämmtlicher Kaffees. Der Kaffeeexport aus der Provinz Espirito Santo hat sich in der ersten Hälfte dieses Jahres auf 5,8 Millionen kg im Werth von 2,3 Millionen Milreis 2,3 Millionen Milreis = ca. 5,258 Millionen Mark. belaufen.

An Bord des »Mayrink«. Donnerstag, den 13. September.

Vorgestern Nachmittag war mit dreitägiger Verspätung endlich der erwartete Dampfer »Mayrink« eingetroffen und konnten wir um 4 Uhr Nachmittag auf ihm die Rückreise nach Rio de Janeiro antreten. Er stellte sich als mittelgrosser brasilianischer Küstenfahrer heraus, welcher wohl mehr Bequemlichkeiten bietet, als der winzige »Rio São João«, aber lang nicht so viele als die prächtige »Maranhão«.

Ehe wir den Hafen von Victoria verliessen, hatten wir vom Deck aus noch Gelegenheit zu einigen zoologischen Beobachtungen. Um das Schiff herum schwamm ein höchst eigenthümlicher, ganz langer und dünner, lanzett- oder nadelförmiger Fisch mit langem, schmalem Kopf, welch letzterer noch spitzer oder, besser gesagt, schmaler war als der übrige Körper. Es schien mir dieses Thier kein Hemirhamphus zu sein, sondern ein Individuum aus der, der Gattung Hemirhamphus nahestehenden Arten aus beiden Gattungen tragen den gemeinsamen Vulgärnamen »Nadel« (aguja, aiguille etc.). Siehe Cuvier et Valenciennes: Histoire naturelle des Poissons XVIII 430. 435. XIX 19. Gattung Nadel- oder Hornhecht (Belone), welche durch mindestens drei Arten (Belone truncata Les., B. hians C. et V. und B. raphidoma Ranz.) an der brasilianischen Küste vertreten ist Brasilien besitzt auch eine im Süsswasser lebende Beloneart, die Belone taeniata Günth. (siehe Günther: Catalogue of the Fishes in the British Museum VI 256).. Nicht so absonderlich als dieser Fisch es war, aber ebenfalls sehr interessant, waren eine Menge Medusen (Hydromedusae), welche das Hafenwasser bevölkerten. Sie hatten fast die Grösse der Cyanea capillata Esch., und besassen einen ganz milchweissen, nahezu kugelförmigen Schirm, unter welchem ein noch milchweisseres Kreuz sich durchzeichnete. Den Schirmrand schmückte ein Kranz brauner, kurzer Fransen, unter welchem ein zweiter Kranz langer, zausiger, weisser Fransen zum Vorschein kam; erstere werden vielleicht Randlappen, letztere wohl die Mundarme gewesen sein. Wahrscheinlich hatten wir eine Species Crambessa vor uns, und es liess sich eine Aehnlichkeit speciell mit Crambessa Tagi Haeck. nicht läugnen, doch ist letztgenannte Scheibenqualle bisher nur im Brackwasser der Tejomündung beobachtet worden. –

Die Küste unmittelbar südlich von Victoria entwickelte sich hübsch und gebirgig. Dann verflachte sie sich zu einer sumpfigen Niederung, wie deren auch nördlich der Stadt vorhanden sind; diese Niederungen stempeln die Gegend zu einer feuchtheissen, von bösartiger Malaria heimgesuchten. Die bald einfallende Dunkelheit entzog das weitere Land unseren Blicken. Nachts lief unser Dampfer Anchieta an, eine aus einer Indianeransiedlung des Padre Anchieta entstandene Stadt, welche im Besitz eines guten Hafens ist. Noch bis zum vorigen Jahre war sie Villa und trug als solche den Namen Benevente. Nicht lange nachdem wir diese Stadt von 8000 Einwohnern angelaufen hatten, Nachts 3 Uhr, hielten wir weit draussen im Meere vor dem Dorfe Piuma, das ursprünglich eine Aldeia von Puriindianern war. Durch laute Signale mit der Dampfpfeife, welche gerade nicht zur Nachtruhe der Passagiere beitrugen, wurde dieser Küstenort von unserer Anwesenheit verständigt. Kurz nach Piuma erreichten wir die uns schon bekannte Mündung des Itapémirim, woselbst wir bis 10 Uhr Vormittags liegen blieben. Es wurden schier endlos Kaffeesäcke geladen, so dass wir schliesslich Alles in Allem deren 3-4000 an Bord haben. Unsere Ladung besteht ausserdem aus 1-2000 Säcken Mandiocamehl, aus Cucurbitaceenfrüchten und einer Anzahl theilweise schon keimender Cocosnüsse. Während die Waaren aus den angelegten Booten in den Schiffsraum herübergehoben wurden, bot man uns einen vom Lande her gebrachten, fast ganz grünen, kurzschwänzigen Papagei, der am Kopf etwas blau befiedert war, zum Kaufe an. Gestalt und Farbe nach hielt ich diesen Papagei für einen noch nicht ganz ausgefärbten Grossen Maitaca (Pionias maximiliani Kuhl), welcher aber das Roth der Stirne schon verloren hat. Wir besitzen bereits an Bord zwei der in den hiesigen Küstenwäldern gemeinen Periquitos verdadeiros (Brotogerys tirica Gm.), reizende Schmalschnabelsittiche mit theilweise schön dunkelblauen Deckfedern und Schwingen. Ausserdem besteht die Menagerie aus einem sehr hübsch singenden Sabiá, also einem derjenigen Vögel, welche in Brasilien unsere Nachtigall vertreten, und zwar scheint mir dieser Sabiá, seinem gelblich- und röthlichbraun gemischten Gefieder nach, eine Spottdrossel des Campo geral (Mimus saturninus Licht.) zu sein. Ferner befindet sich in einem der Käfige eine Araponga (Chasmorynchus nudicollis Vieill.), die uns lebhaft die Stunden unseres Rittes durch den Urwald in das Gedächtniss zurückruft, in welchen die Glockentöne ihrer Genossen ununterbrochen an unser Ohr schlugen. Als letzten Vogel der Schiffsmenagerie endlich bemerkten wir einen, welcher der Araponga gleicht wie ein Ei dem anderen, schneeweiss und von derselben Gestalt und Grösse ist wie jene, nur statt der spangrünen Kehle eine entschieden graue besitzt. Da diese Art Chasmorynchus jedoch von keinem Ornithologen erwähnt wird, muss es wohl, will man nicht eine neue Species annehmen, ein Chasmorynchus nudicollis Vieill. sein, der noch nicht vollständig das frühe Jugendkleid abgelegt hat. –

Südlich von Itapémirim konnte man die Gegend anfangs noch schön nennen; einzelne Serras stiegen hinter der waldigen Küste auf. Später war der westliche Horizont nur mehr von einem schmalen Waldstreifen begrenzt; wir steuerten dem flachen, seen- und sumpferfüllten Landstrich entlang, welcher sich nördlich und südlich der Parahybamündung ausbreitet und einer sehr recenten Formation angehört. Es ist dies eine Gegend, die sich ausgezeichnet zur Reiskultur eignet und deren Boden zu letzterer auch in ausgiebiger Weise benutzt wird.

Zu Mittag hatten wir bei frischer Brise 25,5° C gehabt. Abends, nachdem die Sonne als feuriger Ball hinter einem Nebelschleier zur Rüste gegangen war, schien die Temperatur eher zu steigen. Man hatte tagsüber nicht gemeint, auf dem gewaltigen atlantischen Ocean zu schwimmen; das Meer war von der Farbe und dem Aussehen des Bodensees gewesen. Als es dunkel geworden, flocht das Mondlicht einen wie von Diamanten funkelnden breiten Streifen in die sanft bewegte Fluth. Nachts um 2 Uhr passirte unser Dampfer das Cabo Frio. Als wir heute früh, kurz nach 6 Uhr, auf Deck kamen, lag die felsige und fast unbewohnte Südküste von Rio de Janeiro nahe vor uns und um 10 Uhr liefen wir nach dreiwöchentlicher Abwesenheit wieder in den Hafen der Landeshauptstadt ein.


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