Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Saal.

Genoveva in einem Sessel, Siegfried, Matthias, Kunz, Ritter.

Matthias. Jezt laßt den Bösewicht herein, wir alle
Woll'n dann das Urtheil sprechen über ihn.

Golo hereingebracht.

Siegfried. Dies ist er! schaut ihn an! o seht die Tücke,
Wie sie sich in den stieren Augen malt!
Seht das verruchte, mißgestalte Antlitz!
Dies ist der Bösewicht, der so viel Elend
Erregt, daß keine Menschenzunge ganz
Es sprechen und erzählen kann; der erst
Das keuscheste Gemal verführen wollte,
Der sie nachher, als ihm dies nicht gelang,
Ohn' Wissen und ohn' Willen meiner, warf
Wie eine Ehebrechrin in den Thurm.
Da hat er sie gespeist mit Brod und Wasser,
Hat der hartherzge Hund ihr jeden Beistand
Versagt in ihren Kindesnöthen: noch
Muß ichs beweinen, wenn ich daran denke;
Die kleinste Hülfe hat er nicht gereicht,
Nicht so viel Mitleid, als man gegen Hunde
Zu haben pflegt; drauf ist durch seine Schuld
Das arme Kindlein nicht getauft, durch Zaubrer
Hat er der Sünd sich böslich lassen zeihen,
Den frommen Drago dann mit Gift gemordet,
Befohlen umzubringen Kind und Liebste,
Worauf sie in ein siebenjährig Elend
Gewandert, ich erwünschter Beiwohnung
Beraubt, dem Hause meiner Väter Erben
Entzogen und geschändet die Verwandtschaft.
Urtheilt, welche eine Strafe ihm gebührt?

Alle. Tod.

Matthias.   Rache und die grausenvollste Marter.
Ich war damals in England in der Fremde,
Sonst hätt' ich nie die That geschehen lassen.

Golo, wirft sich vor Genoveva nieder.
Ich weiß es, ihr, ja ihr erbarmt euch meiner;
O schafft mir Gnade vor den wilden Freunden!
Ich glaubt' euch todt und wäre gern gestorben,
Ich weiß, ihr lebt, nun wünsch' ich auch zu leben,
Und wie ich kann die Sünde zu bereuen.

Genoveva. Erbarmt euch seiner, wie ich mich erbarme,
Vergebt ihm also, wie ich ihm vergebe,
Gott ist sein Richter. Seht, er hat indeß
In sieben langen Jahren schon gelitten.
Seht, wie ihm ist die Jugendkraft entwichen,
Er ist schon längst bestraft, drum seid barmherzig.
Vergieb uns unsre Schuld, wie wir vergeben:
So betet ihr; jezt zeigt, daß ihr nicht spottet.

Siegfried. Gern will ich thun, was du nur fodern magst,
Und ungern dieses Freudenfest verdunkeln,
Also verzeih ich ihm von meiner Seite.
Doch fällt das Urtheil der Verwandtschaft heim.

Alle. Tod.

Matthias.   Rache, Tod, sonst heißt es in der Welt,
Wir haben ihn wohl nimmer strafen dürfen,
Weil er von aller Schuld befreit gewesen.

Siegfried. Du siehst, daß nichts den strengen Sinn erweicht.

Matthias. Wenn du dich deines Rechts, der Pfalz begiebst,
Und mich das Urthel fällen heißest, so
Mag ich auf deiner edlen Gattin Bitten
Ihn aller Marter wohl entledigen;
Doch sterben muß er, und zwar zur Vergeltung
In jenem Thal, wo er sie morden hieß.
Ihr Schergen führt ihn, ich und Kunz wir folgen
Und stechen ihn mit Spießen dorten todt.
        Golo fortgeführt.
Auf, Vetter Kunz, und ein'ge andre Ritter,
Wenn dies vollbracht, so ist die Freude rein. geht.



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