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Karlmann soll zum Könige gekrönt werden.
Haimon führte nun seine Braut in die Kirche, wo sie eingesegnet wurden. Roland begleitete sie dorthin. Das hochzeitliche Mahl sollte eingenommen werden, und Haimon bat König Karl, bei ihm zu bleiben; dieser aber brach schnell wieder auf, und zog nach Paris zurück. Haimon ward ergrimmt, und zog nach seinem Schlosse, wo er mit seinen Freunden die Hochzeit in vierzig Tagen und vierzig Nächten aufs prächtigste feierte. Haimon hatte immer noch die abschlägliche Antwort des Königs im Sinne, und als er mit seiner Gemahlin das Bette besteigen wollte, zog er sein Schwert und schwur darauf, den Tod Hugos an allen Nachkommen Karls zu rächen. Seine Hausfrau Aja erschrak, denn sie sah die ernsten und zornigen Gebärden, und fürchtete sehr das Gemüt des Ritters.
Sie ward schwanger, und als sich die Zeit ihrer Entbindung nahte, gedachte sie an Haimons Schwur. Er war grade auswärts in einen Krieg verwickelt. Sie begab sich daher in ein Kloster und gebar einen Sohn, den sie Ritsart nannte, Bischof Turpin und Graf Roland waren die Paten: darnach ließ sie ihn heimlich erziehn.
Haimon kam zurück und seine Gemahlin ward zum zweiten Male schwanger, sie gebar einen zweiten Sohn, Writsart, als Graf Haimon wieder auswärts war. Ebenso geschah es noch einmal, und der Sohn ward Adelhart genannt. Alle diese Kinder wurden heimlich Säugammen übergeben, und nachher wurden sie in einem verborgenen Zimmer des Schlosses erzogen.
Graf Haimon zog von neuem in den Krieg gegen die Ungläubigen, und dieser Krieg dauerte ganzer sieben Jahre. Nach dieser Zeit kam er wieder in sein Vaterland zurück, und hatte sieben tiefe Wunden an seinem tapfern Leibe und dennoch saß er geharnischt mit Helm und Schild zu Pferde, so, als wenn ihm nichts zugestoßen wäre, aber sein Sinn war groß, denn er hatte gesiegt, und brachte eine kostbare Reliquie, die Dornenkrone unsers Heilandes, mit sich. Seine Hausfrau empfing ihn mit großer Freude, beide gingen in das Schlafzimmer und sie gebar nach neun Monaten wieder heimlich einen jungen Sohn, der Reinold getauft wurde. Nun hatte Graf Haimon vier Söhne, von denen er allen nichts wußte, denn seine Gemahlin fürchtete immer noch, daß er sie diesem Eide gemäß umbringen würde, wenn sie ihm die Sache entdeckte. König Karl hatte auch einen Sohn, namens Karlmann, dieser war mit Reinold von einem Alter und von einer Größe, aber in seinem funfzehnten Jahre wuchs Reinold dergestalt in die Höhe, daß er einen Fuß länger war, als Karlmann. Schon damals war Reinold der größte und stärkste von seinen Brüdern.
König Karl war jetzt ein Greis geworden und gedachte seinem Sohne Karlmann die Krone aufzusetzen. Er berief daher die Vornehmsten des Reichs, samt den zwölf Genossen von Frankreich und dem berühmten Bischofe Turpin. Als alle versammelt waren und eine Stille ausgerufen war, erhob sich König Karl und hielt eine Rede, wie er nun schon alt sei, und das wahre Einsehn in das Reich nicht mehr besitze, er habe daher alle gegenwärtige Herren versammelt, um seinen Sohn, der jung und stark sei, zum König krönen zu lassen. Die Fürsten waren sich dieses Antrags nicht vermutet und wußten daher lange nicht, was sie antworten sollten, bis endlich Turpin, der weise Bischof, aufstand und sagte: »Mein König, es fehlt in dieser Versammlung noch ein Mann, der zu dieser Krönung unentbehrlich ist, denn er ist fast der tapferste Ritter im ganzen Lande.« – »Gewiß meint Ihr«, antwortete Karl, »den Grafen Haimon von Dordone, der mir so großes Leidwesen zugefügt hat, mit Rauben, Brennen und Plündern, aber ich muß es bekennen, er ist ein tapfrer Mann, so daß er fast seinesgleichen nicht hat. Nun, ich will nach ihm schicken, wenn Ihr meint, daß es so besser sei.«
Die Krönung wurde hierauf noch vierzig Tage verschoben, und man beschloß, den Grafen Roland mit einigen andern Herren abzusenden, mit denen der Graf Haimon immer in Frieden und Freundschaft gelebt hatte; denn König Karl traute seinem versöhnten Feinde immer noch nicht, auch wußte er es wohl, wie übel es der Graf empfunden, daß er bei der Heirat mit seiner Schwester sein Mahl verschmäht hatte. Er gab daher den Abgesandten allerlei köstliche Geschenke mit, und einem jeden einen Olivenzweig in seine Hand.
So näherten sie sich dem Schlosse Haimons, und Frau Aja gewahrte ihrer, denn sie saß am Fenster; sie erkannte alle sogleich und war für das Leben der Abgesandten besorgt, weil sie der Gemütsart ihres Herrn wohl wissend war. Als die Ritter daher in den Saal getreten waren, verfügte sie sich auch dorthin, um zu sehen, wie es würde, sie hieß sie dort willkommen, und brachte ihnen einen Becher mit Wein; dann sprach sie bei ihrem Gemahl für die Herren, die in der größten Ungewißheit dastanden, denn sie hatten schon einige Male ihr Begehren angebracht, aber Haimon hatte auch nicht mit einem einzigen Laute geantwortet.
Da ihm nun jetzt seine eigene Gemahlin zuredete, so ging er ergrimmt im Saale auf und ab, so, daß alle zitterten, dann schlug er sich mit der Faust vor die Stirn, lehnte sich an einen Pfeiler des Gemachs und weinte bitterlich. Da das die anwesenden Ritter an einem solchen Helden gewahr wurden, so hätten sie beinahe mitgeweint, ohne zu wissen, was ihm sei, so erschütternd war der Anblick; aber die Hausfrau, die eines solchen Anblicks ungewohnt war, zerfloß in Tränen und warf sich zu seinen Füßen nieder, und beschwur ihn, daß er doch Rede und Antwort geben möchte.
»Steh auf, unglückselige Frau«, sagte er so leutselig, wie sie ihn noch nie hatte sprechen hören; »wohl mag ich dich, so wie mich selber unglückselig nennen, denn ich habe graues Haar davongetragen, ohne einen Sohn von mir zu sehn, dem ich meine Habe hinterlassen könnte. Keines Siegs, keines Ruhmes mag ich mich freuen, denn alles stirbt mit mir weg, keiner aus meinem Geschlechte erwähnt dankbar meiner, und Fremde teilen sich in meine Güter, in die Fahnen und Waffenrüstungen, die ich so mühselig erbeutet habe, und nun soll ich hingehn und Karlmann, den Erben Karls, krönen helfen, ich selbst ohne Erbe, ohne Sohn. Ich weiß, er meint's noch schlimmer mit mir, als der Vater; dürften sie mit mir handeln, wie sie wollten, sie ließen mich nimmermehr am Leben.«
Haimon konnte vor Grimm und vor Tränen nicht weitersprechen, aber seiner Gemahlin ging das Herz vor Freude auf, sie wußte erst nicht, was sie sprechen sollte, aber sie erinnerte ihn an den schrecklichen Eid, den er in der Nacht nach der Hochzeit geschworen hatte; doch Haimon sagte: »O Frau, solche Eide zu halten, ist nichtswürdig, hätt ich nur einen Sohn, und es könnte ein Held aus ihm werden, so wollt ich ihn so lieben, wie Karl seinen Karlmann nimmer lieben kann.« Nun entdeckte ihm Aja ihren verborgenen Handel, darüber wurde Haimon froh und drückte den angekommenen Rittern die Hand von Herzen; dann verließ er sie, um seine Kinder zu besehen.
Er kam mit seiner Hausfrau vor das verschlossene Gemach, in dem sie lebten, da stand er still, um ihr Gespräch mit anzuhören. Reinold tobte drinnen, und schrie über den Speisemeister, daß er ihnen nicht genug zu essen, und keinen guten Trunk bringe; Adelhart verwies seinem Bruder diese Heftigkeit, und sagte ihm, daß er sich vor Haimon hüten müsse, der ihn gewiß umbringen ließe, wenn er dem Speisemeister etwas zuleide täte.
»Was kümmert mich Haimon, der graue Hund!« rief Reinold erbost, »wenn ich ihn hier hätte, ich wollte ihn so mit Fäusten zusammenschlagen, daß er liegenbleiben sollte!«
»Dieser ist gewiß und wahrhaftig mein Sohn«, sagte Haimon, »aber jetzt will ich's probieren, ob es auch die andern sind.« – Ohne weiteres stieß er also mit seinem Fuß an die verschlossene Tür, so daß sie zersprang. Kaum aber stand er im Zimmer, so lief Reinold auf ihn zu und schrie: »Was hast du, alter Graubart, hier zu schaffen?« und mit diesen Worten warf er ihn zu Boden. Die andern Brüder kamen auch herzugelaufen, und Haimon, der sich nichts Gutes versahen rief: »O ihr jungen Helden, schlaget mich nicht, denn ich bin euer Vater, haltet Ruhe, und ich will euch alle zu Rittern machen.« Als Reinold hörte, daß das sein Vater sei, hob er ihn vom Boden auf und tröstete ihn über seinen harten Fall, darauf umarmte der Vater seine Kinder nach der Reihe, mit besondrer Inbrunst aber schloß er Reinold, den Jüngsten, in seine Arme, so daß diesem die Nase zu bluten anfing. – »Wärt Ihr nicht mein Vater«, rief Reinold, »seht, so wollt ich Euch dafür schlagen, daß Ihr solltet liegenbleiben.« – Aber Haimon ward über dergleichen Reden noch mehr erfreut, und Frau Aja stand draußen, und wußte nicht, ob sie lächeln oder weinen sollte.