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Friedrich hatte, seiner sanftmüthigen Gemüthsart nach, den letzten Krieg nur ungern entstehn sehn. Er zog sich früh zurück und beklagte aus der Ferne seinen jungen Freund, zu dem er sich tröstend gesellte, als der Friede wieder hergestellt war. Sie gingen in den beschränkten Blumengarten. Da Sie nun, Theuerster, im Grunde ein freier Mann sind, so fing der Kleine an, so will ich Ihnen heute in der Nacht etwas mittheilen, was für uns beide von dem größten Nutzen seyn kann. Wolfsberg war überzeugt, daß es nichts Geringeres, als die Mittel, sich frei zu machen, betreffen könne. Er ging zur Gesellschaft zurück und erwartete mit bangem Gefühl die Dunkelheit.
Gegen Mitternacht ward sein Zimmer eröffnet, der Kleine trat mit einer Laterne herein, und winkte seinem 202 Freunde mit stummer Geberde. Wolfsberg folgte schnell, und schweigend stiegen sie die große Treppe hinunter. Das Hausthor war verschlossen, und als Wolfsberg die Klinke ergriff, schüttelte der Kleine sehr unwillig mit dem Kopfe und zeigte heftig nach einem Winkel hin. Der junge Mann folgte seinem Führer; sie stiegen eine andre Treppe hinab, und befanden sich jetzt in einem weitläufigen Gewölbe. Nun fand der ängstliche Freund endlich seine Sprache wieder. Hier sind wir sicher, nicht behorcht zu werden, sagte er flüsternd; dies sind die Kellergewölbe des großen Hauses. – Ich dachte, Sie wollten mir den Weg zur Freiheit zeigen, sagte der Baron. – Nicht daran zu denken, bester einziger Freund; das Thor ist doppelt verschlossen, dann müßten wir noch über den Hof und die äußere große Thür aufmachen, die der fatale Portier bewacht, mein größter Feind in der Welt, der niemals Vernunft annimmt, und sich von allen Menschen für den Klügsten hält. – Was machen wir aber hier? – Wenn es uns gelingt, liegt hier mehr, als Ihre Freiheit. – Wie meinen Sie das? – Nur still, unten sollen Sie Alles erfahren!
Sie stiegen noch tiefer hinab. Im fernsten Winkel setzte sich nun Friedrich nieder, stellte die Laterne neben sich, und Wolfsberg sah zu seinem Erstaunen Hacke und Spaten auf dem Boden liegen. Die Erde war dort schon aufgewühlt, und als der Baron seinen Führer fragend und erstaunt betrachtete, lächelte dieser mit dem Ausdrucke der größten Verschmitztheit, zog den Andern neben sich nieder, und nachdem er ihn feurig umarmt hatte, sagte er endlich: liebster Baron, Ihnen vor allen Menschen gönne ich das Glück, dessen Sie hier theilhaftig werden können; hieher folgt uns kein Neid und keine Beobachtung, diese Gegend der Gewölbe wird niemals besucht; hier können wir mit geringer Anstrengung und in 203 kurzer Zeit einen Schatz entdecken, der uns über alle Sorgen der Zukunft hebt, ja uns zu den angesehensten Männern der ganzen Provinz macht. Ich habe niemand da oben etwas von dieser Entdeckung sagen mögen; denn alle jene Menschen sind mehr oder minder gemeine Naturen, wozu noch kommt, daß sie alle einen Stich von Narrheit haben, der sie mir höchst widerwärtig macht. Dem Director mag ich von meinem Funde gar nichts mittheilen; er würde in seiner hochfahrenden Superklugheit thun, als wenn er mir nicht glaubte, und hernach stillschweigend für sich arbeiten lassen; denn er ist ein sehr mißgünstiger Mann und beim Lichte besehn ohne Verstand; er stellt sich viel klüger an, als er wirklich ist, und da er das Regiment im Hause hat, so darf ihm Keiner viel widersprechen. Nun, lieber, hochgeehrter Freund, hier nehmen Sie den Spaten und arbeiten Sie!
Aber, sagte Wolfsberg, wie kommen Sie nur zu dem Glauben, oder der Einbildung – –
Still! still! rief der Kleine im größten Eifer, nur ums Himmels willen keine Zweifel in dieser feierlichen Stunde ausgesprochen, sonst ist Alles verloren. Kennen Sie die Wünschelruthe und ihre Wirkungen?
Nein, sagte Wolfsberg verwirrt und schüchtern.
Haben Sie wohl Wirkungen des Magnetismus gesehen, und glauben Sie an die Wunder dieser Wissenschaft?
Ich habe mich nur wenig um dergleichen Gegenstände bekümmert, antwortete jener, und kann also auch nicht einmal sagen, ob ich an die Seltsamkeiten, die man davon erzählt, glaube oder nicht.
O Sie unverständiger Mann, rief der Kleine im größten Eifer aus, so muß ich ja also dem Blinden von der Farbe predigen! Indessen, was thuts? Glaube und Ueberzeugung werden Ihnen schon, wie zahme Hündchen, in die 204 Hände laufen. Sehn Sie, ich bin schon eine Anzahl von Jahren Unteraufseher in diesem Hause. Ich sage nicht etwa deßwegen Unteraufseher, weil wir jetzt hier im untern Theile des Hauses eine gewisse Aufsicht führen; sondern Sie verstehn mich schon: ich meine, ich bin so fast nach dem Director der wichtigste Mann hier, wie Sie auch wohl werden bemerkt haben; nur der verdammte Thürhüter will keinen Respect vor mir haben. Nach einer Nervenkrankheit, wie es die trivialen Aerzte nennen, fand ich mich schon vor vielen Jahren als einen verwandelten Menschen wieder. Freund, da war mir ganz so zu Muthe, als wenn einer meinem inwendigen Geiste Hosen und Weste aus-, ja noch die Haut dazu abgezogen hätte, so daß er nun niemals mehr zerstreut, oder dumm, oder langweilig war. Sie werden mich nicht ganz verstehn, thut aber auch nichts zur Sache. Es ist nämlich so: ich konnte von dem Augenblicke an überirdische Dinge begreifen und fassen, nicht mit meiner alltäglichen Vernunft; sondern in meinem inwendigsten Geiste hatte sich noch ein eignes kleines und feines Verständchen angesetzt, das dergleichen begriff, und da der Geist nun nicht mehr bekleidet war, und auch keine dumme Haut mehr über sich hatte, so konnte Ich, der Lebendige, der hier draußen steht und mit Ihnen spricht, so frischweg in jene meine unsichtbare Creatur hinein sehn und Alles capiren. Capiren Sie mich?
So halb und halb, sagte Wolfsberg, Sie drücken sich etwas figürlich aus!
Außerdem aber, fuhr Friedrich fort, wurde ich gewahr, daß ich in fremde Leute hinein sehn konnte. Schaut's! jetzt laufen Ihnen die Gedanken wie Ameisen durch Ihren Kopf, und einige schleppen sich dummerweise mit kleinen Steinen, Holz, albernen Zweifeln. Da rennt eben eine großmäulige Ideenassociation in der inwendigen Gegend des Ohres, und 205 schreit, daß Alles, was ich Ihnen vortrage, aberwitziges Zeug sei; und nun fliegt eine kluge Gedankentaube mit dem Oelzweig hintennach und meint, man könne es denn doch noch nicht wissen. Husch! rennen die übrigen Gedanken in den Winkel und sitzen gluckend wie die brütenden Hühner da. Ja, ja, Herr Baron, ich weiß wohl, wer Sie sind.
So? fragte Wolfsberg in der größten Spannung.
Ja wohl, sagte der Kleine ganz ruhig, kein Graf, wie unser mürrischer Director meint, – he he he! Sie sind auch kein Baron, Sie Vocativus, Sie!
Ich dächte doch, sagte Wolfsberg verwirrt.
Mir können Sie nichts weißmachen, fuhr der Wahrsagende fort, denn ich weiß ja Alles: ja, ja, alle Ihre Streiche und Kniffe könnte ich Ihnen an den Fingern hersagen; aber still! wir sind ja alle Menschen, und Sie bleiben bei allem dem immer ein großer Mann. Ein sehr großer Mann, und ein berühmter Mann sind Sie, einer von denen, die die Nachwelt noch nennen wird! Haben Sie erst, was Sie brauchen, so werden Sie auch weiser werden, und das kann ich Ihnen schaffen, und vertraue dabei Ihrer Großmuth, daß Sie nicht allzu ungleich mit mir theilen werden.
Also zur Sache, rief Wolfsberg entschlossen, worauf kommt es an?
Wie ich in Menschen und Seelen hinein sehn kann, fuhr der Kleine fort, so kann ich es auch zu Zeiten in leblose Gegenstände. Lange schon habe ich gesehn, daß gerade hier, etwa vier Klaftern tief, ein ungeheurer Schatz liegt, fast ganz in Golde, nur wenige Edelsteine darunter. Es sind zwei große eiserne Kasten, auf dem einen ist eine Inschrift, aber so verrostet, daß ich die Buchstaben nicht recht zusammenbringen kann. Aber im zweiten Kasten befindet sich ein geschriebenes Blatt, welches Alles erklärt.
206 Wie sind aber diese Schätze hieher gekommen? fragte Wolfsberg; und weßwegen hier verscharrt?
Schwer zu sagen ist es, sagte Friedrich, denn Sie begreifen doch so viel, daß ich in die Vergangenheit, in ein Nichts, das weder Körper noch Geist hat, nicht so hinein sehn kann, wie in einen Menschen, oder in ein Kellergewölbe. Doch, Spaß apart, wollen Sie mir helfen, oder nicht? Glauben Sie mir, oder nicht? Wenn Sie nicht daran wollen, suche ich einen andern Gehülfen, oder verschweige die Sache noch Jahre lang, wie ich denn bisher ein Geheimniß daraus gemacht habe.
Und was soll ich also thun, wenn ich Ihnen glaube?
O Fragen und kein Ende, rief Friedrich in der größten Ungeduld, ich habe Ihnen ja schon neulich meine Schultern gezeigt, wie schwach, meine Arme, wie dünn sie sind. Ich habe es schon oft versucht; aber ich kann nicht graben, ich bekomme auch gleich den Husten, wenn ich stark arbeite. Hier, ungläubiger Thomas, ist das Grabscheit! Machen Sie sich dran und grübeln Sie nicht weiter; in acht Tagen sind wir die reichsten Männer im Lande, und dann können wir den Director und alle Narren da oben auslachen.
Wolfsberg bequemte sich und arbeitete mit der größten Anstrengung einige Stunden. Als er es kaum mehr vermochte, rief Friedrich: für heute genug! Schlafen Sie nun gesund, denn man muß uns nicht vermissen. In der nächsten Nacht werde ich Sie wieder zur Arbeit abrufen.
Müde und ermattet, wie am ganzen Leibe zerschlagen ging der junge Mann, der an dergleichen Anstrengungen nicht gewöhnt war, auf sein Zimmer, und legte sich nieder. 207