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Lossj schraubte die Luke von innen zu, setzte sich Gussjew gegenüber und blickte ihm in die Augen, in seine wie bei einem gefangenen Vogel stechenden Pupillen.
»Alexej Iwanowitsch, also wir fliegen?«
»Los!«
Nun ergriff Lossj den Hebel des Rheostats und drehte ihn um. Es ertönte ein dumpfer Krach – derselbe, vor dem die Menge draußen zusammenfuhr. Dann schaltete er den zweiten Rheostat ein. Das dumpfe Krachen unter den Füßen und die Erschütterung des Apparats wurden so stark, daß Gussjew nach dem Sitz griff und die Augen weit aufriß. Der Apparat machte einen Ruck. Die Stöße wurden leichter, die Erschütterung nahm ab. Lossj schrie:
»Wir sind schon aufgestiegen!«
Gussjew wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es wurde heiß. Der Geschwindigkeitsmesser zeigte auf fünfzig Meter in der Sekunde, und der Zeiger rückte noch immer vor.
Der Apparat flog längs der Tangente, gegen die Richtung der Erdrotation. Die Zentrifugalkraft trieb ihn nach Osten. Nach den Berechnungen mußte er in einer Höhe von hundert Kilometern sich aufrichten und senkrecht zur Erdoberfläche weiterfliegen.
Der Motor arbeitete gleichmäßig, ohne Störungen. Lossj und Gussjew knöpften ihre Pelzröcke auf und rückten die Helme in den Nacken. Kalter Schweiß lief über ihre Gesichter. Das elektrische Licht war ausgeschaltet, und durch die Gläser der Gucklöcher drang ein bleiches Licht ein.
Lossj überwand die Schwäche und den beginnenden Schwindel, kniete nieder und blickte durch das Guckloch der sich entfernenden Erde nach. Sie lag da als eine konkave blaugraue Schale ohne Rand. Hier und da lagen auf ihr wie Inseln Reihen von Wolken – es war der Atlantische Ozean.
Die Schale wurde allmählich enger und sank nach unten. Ihr rechter Rand begann wie Silber zu leuchten, der andere lag im Schatten. Und plötzlich verwandelte sich die Schale in eine in den Abgrund stürzende Kugel.
Gussjew, der am andern Guckloch kniete, sagte:
»Leb' wohl, Mütterchen, genug habe ich auf dir gelebt, genug Blut vergossen.«
Er stand von den Knien auf, wankte aber plötzlich und fiel auf das Kissen. Er riß sich den Kragen auf und rief:
»Mstislaw Ssergejewitsch, ich kann nicht mehr, ich sterbe.«
Lossj fühlte: sein Herz schlägt immer schneller und schneller, es schlägt nicht mehr, sondern zittert nur schmerzvoll. Das Blut hämmert in den Schläfen. Es wird ihm immer dunkler vor den Augen.
Er kroch auf allen vieren zum Geschwindigkeitsmesser. Der Zeiger rückte wie rasend vor und registrierte eine ungeheuerliche Geschwindigkeit. Die Luftschicht war zu Ende. Die Anziehungskraft nahm ab. Der Kompaß zeigte, daß die Erde sich senkrecht unter ihnen befand. Der Apparat raste mit immer zunehmender wahnsinniger Geschwindigkeit in den eisigen Weltraum.
Lossj konnte sich nur mit Mühe, die Fingernägel entzwei brechend, den Kragen aufknöpfen – sein Herz stand still.
In der Voraussicht, daß die Geschwindigkeit des Apparats und der sich in ihm befindenden Körper einen solchen Grad erreichen werde, bei dem eine merkliche Veränderung der Schnelligkeit des Herzschlages, der Blutzirkulation und des ganzen Lebensrhythmus eintreten müßte, verband Lossj den Geschwindigkeitsmesser eines der Gyroskope (es gab ihrer zwei) durch eine elektrische Leitung mit den Hähnen der Behälter, die in einem bestimmten Augenblick eine größere Menge von Sauerstoff und Ammoniaksalzen abgeben sollten.
Lossj kam als erster zur Besinnung. Seine Brust schmerzte, der Kopf schwindelte, das Herz surrte wie ein Kreisel. Die Gedanken kamen und verschwanden – ungewöhnliche, schnelle, klare Gedanken. Die Bewegungen waren leicht und präzis.
Lossj drehte die Hähne an den Gasbehältern etwas zu und blickte auf den Geschwindigkeitsmesser. Der Apparat legte gegen tausend Werst in der Sekunde zurück. Es war hell. Durch eines der Gucklöcher drang ein blendender Sonnenstrahl herein. Unter dem Strahle lag auf dem Rücken Gussjew – seine Zähne waren gefletscht, die gläsernen Augen aus den Höhlen hervorgetreten.
Lossj hielt ihm ein scharfes Riechsalz unter die Nase. Gussjew atmete tief auf, seine Lider zitterten. Lossj umfaßte ihn unter den Armen und hob ihn mit Mühe auf, aber der Körper Gussjews blieb wie ein Luftballon hängen. Lossj ließ ihn los – Gussjew sank langsam zu Boden, streckte die Beine in die Luft, hob die Ellbogen und saß wie im Wasser. Er sah sich um und sagte:
»Ist das ein Spaß: gleich werde ich fliegen!«
Lossj sagte ihm, er solle zu dem oberen Guckloch hinaufsteigen und beobachten. Gussjew stand wankend auf und kletterte wie eine Fliege, nach der gesteppten Polsterung greifend, die senkrechte Wand hinauf. Er drückte das Auge an das Guckloch und sagte:
»Es ist finster, Mstislaw Ssergejewitsch, nichts zu sehen.«
Lossj setzte auf das der Sonne zugewandte Okular ein Rauchglas auf. Die Sonne hing scharf umrissen als ein riesenhafter zottiger Knäuel in der schwarzen Leere. Zu ihren beiden Seiten spannten sich wie Flügel zwei Lichtnebel. Vom festen Kern löste sich eine feurige Fontäne und zerfloß zu einem Pilz: es war gerade die Zeit des Zerfalles der Sonnenflecke. In einiger Entfernung vom leuchtenden Kern leuchteten noch blasser als die Zodiakalflügel – Lichtspiralen: Flammenozeane, die von der Sonne fortgeschleudert waren und um sie wie Trabanten kreisten.
Lossj riß sich nur mit Mühe von diesem Anblick des lebenspendenden Weltenfeuers los. Er verschloß das Okular mit seiner Kappe. Es wurde dunkel. Nun ging er zum gegenüberliegenden Guckloch. Hier war Finsternis. Er drehte das Okular um, und der grünliche Strahl eines Sterns stach ihn ins Auge. Dann trat ins Gesichtsfeld ein anderer, blauer, klarer Strahl – es war die Wega, der Diamant des Himmels, der erste Stern des nördlichen Himmels.
Lossj kroch zum dritten Guckloch. Er drehte das Okular um, blickte hinein, putzte die Linse mit dem Taschentuch. Blickte noch einmal hinaus. Sein Herz krampfte sich zusammen, er fühlte plötzlich alle Haare auf seinem Kopf.
Ganz in der Nähe schwebten verschwommene, neblige Flecke. Gussjew sagte unruhig:
»Da fliegt irgendein Ding neben uns!«
Die Nebelflecke schwebten langsam nach unten, wurden deutlicher und heller. Silbrige Zickzacklinien leuchteten auf. Nun wurde der leuchtende Umriß des zerrissenen Randes eines Felsgrates sichtbar. Der Apparat näherte sich offenbar irgendeinem Himmelskörper, geriet in seine Anziehungssphäre und begann wie ein Trabant um ihn zu kreisen.
Lossj tastete mit zitternder Hand nach den Hebeln der Rheostate und drehte sie um, so weit es ging, auf die Gefahr hin, den Apparat zu sprengen. Unter ihren Füßen begann es zu donnern und zu dröhnen. Die Flecken und die zerrissenen leuchtenden Ränder zogen sich schnell nach unten zurück. Die beleuchtete Fläche wurde immer größer und kam näher. Schon konnte man deutlich die scharfen, langen Schatten der Felsen unterscheiden, sie zogen sich über eine eisige, nackte Ebene hin.
Der Apparat flog auf die Felsen zu – sie waren ganz nahe, seitwärts von Sonnenlicht übergossen. Lossj dachte sich (seine Gedanken waren klar und ruhig): in einer Sekunde – der Apparat wird nicht Zeit haben, sich der anziehenden Masse mit dem Halse zuzuwenden – in einer Sekunde ist der Tod.
In diesem Bruchteil einer Sekunde bemerkte Lossj auf der eisigen Ebene, in der Nähe der Felsen, etwas wie die Ruinen einer Stadt. Der Apparat glitt dicht über den spitzen Eisgipfeln vorbei ... aber jenseits der Gipfel war ein Abgrund und Finsternis. Auf dem senkrechten, zerrissenen Felsabhang funkelten Adern von Granit und Metall. Und der Splitter des geborstenen unbekannten Planeten blieb weit zurück, seinen toten Weg durch die Ewigkeit fortsetzend. Der Apparat raste wieder durch die Wüsteneien des schwarzen Himmels.
Gussjew rief plötzlich:
»Vor uns ist etwas wie der Mond!«
Er wandte sich um, löste sich von der Wand, blieb in der Luft mit gespreizten Gliedmaßen wie ein Frosch hängen und bemühte sich, im Flüsterton unflätig fluchend, an die Wand heranzuschwimmen. Lossj löste sich vom Boden, blieb gleichfalls hängen und blickte durch das Sehrohr auf die silberglänzende, blendende Scheibe des Mars.