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Ergehst du dich im Abendlicht
(Das ist die Zeit der Dichterwonne),
So wende stets dein Angesicht
Zum Glanze der gesunknen Sonne!
In hoher Feier schwebt dein Geist,
Du schauest in des Tempels Hallen,
Wo alles Heil'ge sich erschleußt
Und himmlische Gebilde wallen.
Wann aber um das Heiligtum
Die dunkeln Wolken niederrollen,
Dann ist's vollbracht, du kehrest um,
Beseligt von dem Wundervollen.
In stiller Rührung wirst du gehn,
Du trägst in dir des Liedes Segen;
Das Lichte, das du dort gesehn,
Umglänzt dich mild auf finstern Wegen.
Der du still im Abendlichte
Wandelst durch der Erde Beet,
Klare Blumen, goldne Früchte
Sammelst, die dir Gott gesät,
Schon', o Tod, was, sanft entzücket,
An des Lebens Brust sich schmiegt,
Sich zum süßen Liede wiegt
Und zum Mutterauge blicket!
Laß der Erde ihre Söhne,
Deren Kraft im Sturme fleugt,
Daß ein freudiges Getöne
Schnell aus toten Wäldern steigt!
Lösche nicht den Geist des Weisen,
Dessen heil'gen Sonnenglanz,
Schön verwebt in sichrem Tanz,
Jugendliche Mond' umkreisen!
Auf der Silberwolke fahre
Still dahin zur Sternezeit,
Wo ein Greis am Hausaltare
Jedem Abend Tränen weiht!
Sprich die Namen seiner Lieben,
Führ' ihn auf in ihren Kranz,
Wo des Auges ew'gen Glanz
Keiner Trennung Zähren trüben!
Und den Jüngling, dem die Liebe
Heißes Sehnen aufgeweckt,
Der in ungestilltem Triebe
Offne Arme ausgestreckt,
Dann zur Blumenflor der Sterne
Aufgeschauet liebewarm,
Faß ihn freundlich Arm in Arm,
Trag ihn in die blaue Ferne,
Wo es bräutlich glänzt und hallet,
Liebeatmend ihn umschließt,
Was ihn geistig einst umwallet
Und mit leisem Gruß gegrüßt,
Wo es in der Seele maiet,
Die, von neuem Leben jung,
Ewiger Begeisterung,
Ewigen Gesangs sich freuet!
Festlich ist der Freude Schall
Durch dies hohe Haus geschwebet
Und ein dumpfer Widerhall
Aus der Gruft emporgebebet.
In der schönen Jubelnacht
Habt der Väter ihr gedacht,
Manche hohe Tat besungen
Aus der Vorzeit Dämmerungen.
Oft war dieses Saales Raum
Schimmervoll bei frohen Festen,
Wie mit jedem Lenz der Baum
Prangt in frischen Blütenästen.
Ach, die hier in Fröhlichkeit
Treuer Liebe Bund geweiht,
Drunten in der Schlummerhalle
Ruhen sie beisammen alle.
Auf des Lebens Bahn dahin
Fleugt der Mensch mit Sturmeseile,
Dann in treuer Freunde Sinn
Dauert er noch kurze Weile.
Durch den Saal, in Erz und Stein,
Stehn der Vorwelt lange Reihn,
Können nicht das Auge heben,
Nicht das Wort der Liebe geben.
Keine ewig helle Tat
Hebt dich aus der Nacht der Grüfte;
Niemand sah des Donners Pfad,
Noch den Fittich sanfter Lüfte.
Wie du auf zu Gott geblickt,
Wie des Freundes Hand gedrückt,
Wie der Liebe Kuß gegeben,
Das entschwindet mit dem Leben.
Auch das Kind, das lächelnd sich
In der Mutter Arm geschmieget,
Und der Greis, der wonniglich
Enkel auf dem Schoß gewieget,
Und die Braut, mit Jugendlust
Hängend an des Treuen Brust,
Alle lebten schönes Leben,
Alle soll das Lied erheben.
Da liegen sie alle, die grauen Höhn,
Die dunkeln Täler in milder Ruh';
Der Schlummer waltet, die Lüfte wehn
Keinen Laut der Klage mir zu.
Für alle hab' ich gesorgt und gestrebt,
Mit Sorgen trank ich den funkelnden Wein;
Die Nacht ist gekommen, der Himmel belebt,
Meine Seele will ich erfreun.
O du goldne Schrift durch den Sterneraum,
Zu dir ja schau' ich liebend empor;
Ihr Wunderklänge, vernommen kaum,
Wie besäuselt ihr sehnlich mein Ohr!
Mein Haar ist ergraut, mein Auge getrübt,
Die Siegeswaffen hängen im Saal,
Habe Recht gesprochen und Recht geübt;
Wann darf ich rasten einmal?
O selige Rast, wie verlang' ich dein!
O herrliche Nacht, wie säumst du so lang,
Da ich schaue der Sterne lichteren Schein
Und höre volleren Klang!
Leuchtet schon die Frühlingssonne
Ueber See und Aue hin?
Hat zur Stätte stiller Wonne
Sich gewölbt der Zweige Grün?
Ach, die Gute, die ich meine,
Schenkt mir keinen Maienstrahl,
Wandelt nicht im Blütenhaine,
Ruhet nicht im Quellental.
Ja, es waren schönre Zeiten,
Als in buntbekränzten Reihn
Hirten mit den süßen Bräuten
Walleten zum Opferhain;
Als die Jungfrau, Krüge tragend,
Oft zum kühlen Brunnen trat
Und der Wandrer, sehnlich fragend,
Sie um Trunk und Liebe bat.
Ach, das Toben roher Stürme
Riß den goldnen Frühling fort;
Schlösser stiegen auf und Türme,
Traurig saß die Jungfrau dort,
Lauschte nächtlichem Gesange,
Sah hinab ins Schlachtgewühl,
Sah es, wie im Waffendrange
Ihr getreuer Streiter fiel.
Und ein Alter dumpf und trübe
Lagerte sich auf die Welt,
Das die schöne Jugendliebe
Wie ein Traum befangen hält.
Im Vorübereilen grüßen
Sich mit Blicken voll von Schmerz,
Die sich fest und ewig schließen
Möchten an das treue Herz.
Welkt, ihr Blumen und ihr Bäume,
Höhnet nicht der Liebe Schmerz!
Sterbet auch, ihr Jugendkeime!
Schmachte hin, du volles Herz!
In die öde Nacht der Grüfte
Sinkt, ihr Jünglinge, hinab!
Flieder wallen in die Lüfte,
Rosen blühn um euer Grab.
Ich bin so gar ein armer Mann
Und gehe ganz allein.
Ich möchte wohl nur einmal noch
Recht frohen Mutes sein.
In meiner lieben Eltern Haus
War ich ein frohes Kind;
Der bittre Kummer ist mein Teil,
Seit sie begraben sind.
Der Reichen Gärten seh' ich blühn,
Ich seh' die goldne Saat;
Mein ist der unfruchtbare Weg,
Den Sorg' und Mühe trat.
Doch weil' ich gern mit stillem Weh
In froher Menschen Schwarm
Und wünsche jedem guten Tag
So herzlich und so warm.
O reicher Gott, du ließest doch
Nicht ganz mich freudenleer;
Ein süßer Trost für alle Welt
Ergießt sich himmelher.
Noch steigt in jedem Dörflein ja
Dein heilig Haus empor;
Die Orgel und der Chorgesang
Ertönet jedem Ohr.
Noch leuchtet Sonne, Mond und Stern
So liebevoll auch mir,
Und wann die Abendglocke hallt,
Da red' ich, Herr, mit dir.
Einst öffnet jedem Guten sich
Dein hoher Freudensaal,
Dann komm' auch ich im Feierkleid
Und setze mich ans Mahl.
Heilig ist die Jugendzeit!
Treten wir in Tempelhallen,
Wo in düstrer Einsamkeit
Dumpf die Tritte widerschallen!
Edler Geist des Ernstes soll
Sich in Jünglingsseelen senken,
Jede still und andachtsvoll
Ihrer heiligen Kraft gedenken.
Gehn wir ins Gefild hervor,
Das sich stolz dem Himmel zeiget,
Der so feierlich empor
Ueberm Erdenfrühling steiget!
Eine Welt voll Fruchtbarkeit
Wird aus dieser Blüte brechen.
Heilig ist die Frühlingszeit,
Soll an Jünglingsseelen sprechen!
Fasset die Pokale nur!
Seht ihr nicht so purpurn blinken
Blut der üppigen Natur?
Laßt uns hohen Mutes trinken,
Daß sich eine Feuerkraft
Selig in der andern fühle!
Heilig ist der Rebensaft,
Ist des Jugendschwungs Gespiele.
Seht das holde Mädchen hier!
Sie entfaltet sich im Spiele;
Eine Welt erblüht in ihr
Zarter, himmlischer Gefühle.
Sie gedeiht im Sonnenschein,
Unsre Kraft in Sturm und Regen.
Heilig soll das Mädchen sein,
Denn wir reifen uns entgegen!
Darum geht in Tempel ein,
Edeln Ernst in euch zu saugen!
Stärkt an Frühling euch und Wein,
Sonnet euch an schönen Augen!
Jugend, Frühling, Festpokal,
Mädchen in der holden Blüte,
Heilig sein sie allzumal
Unsrem ernsteren Gemüte!
Aus der Bedrängnis, die mich wild umkettet,
Hab' ich zu dir mich, süßes Kind, gerettet,
Damit ich Herz und Augen weide
An deiner Engelfreude,
An dieser Unschuld, dieser Morgenhelle,
An dieser ungetrübten Gottesquelle.
Ich bin so hold den sanften Tagen,
Wann in der ersten Frühlingszeit
Der Himmel, bläulich aufgeschlagen,
Zur Erde Glanz und Wärme streut,
Die Täler noch von Eise grauen,
Der Hügel schon sich sonnig hebt,
Die Mädchen sich ins Freie trauen,
Der Kinder Spiel sich neu belebt.
Dann steh' ich auf dem Berge droben
Und seh' es alles, still erfreut,
Die Brust von leisem Drang gehoben,
Der noch zum Wunsche nicht gedeiht.
Ich bin ein Kind und mit dem Spiele
Der heiteren Natur vergnügt,
In ihre ruhigen Gefühle
Ist ganz die Seele eingewiegt.
Ich bin so hold den sanften Tagen,
Wann ihrer mild besonnten Flur
Gerührte Greise Abschied sagen;
Dann ist die Feier der Natur.
Sie prangt nicht mehr mit Blüt' und Fülle,
All ihre regen Kräfte ruhn,
Sie sammelt sich in süße Stille,
In ihre Tiefen schaut sie nun.
Die Seele, jüngst so hoch getragen,
Sie senket ihren stolzen Flug,
Sie lernt ein friedliches Entsagen,
Erinnerung ist ihr genug.
Da ist mir wohl im sanften Schweigen,
Das die Natur der Seele gab;
Es ist mir so, als dürft' ich steigen
Hinunter in mein stilles Grab.
Droben stehet die Kapelle,
Schauet still ins Tal hinab,
Drunten singt bei Wies' und Quelle
Froh und hell der Hirtenknab'.
Traurig tönt das Glöcklein nieder,
Schauerlich der Leichenchor;
Stille sind die frohen Lieder,
Und der Knabe lauscht empor.
Droben bringt man sie zu Grabe,
Die sich freuten in dem Tal;
Hirtenknabe, Hirtenknabe!
Dir auch singt man dort einmal.
Seid gegrüßt mit Frühlingswonne,
Blauer Himmel, goldne Sonne!
Drüben auch aus Gartenhallen
Hör' ich frohe Saiten schallen.
Ahnest du, o Seele, wieder
Sanfte, süße Frühlingslieder?
Sieh umher die falben Bäume!
Ach, es waren holde Träume.
Sie war ein Kind vor wenig Tagen,
Sie ist es nicht mehr, wahrlich nein!
Bald ist die Blume aufgeschlagen,
Bald hüllt sie halb sich wieder ein.
Wen kann ich um das Wunder fragen?
Wie? oder täuscht mich holder Schein?
Sie spricht so ganz mit Kindersinne,
So fromm ist ihrer Augen Spiel;
Doch großer Dinge werd' ich inne,
Ich schau' in Tiefen ohne Ziel.
Ja, Wunder sind's der süßen Minne,
Die Minne hat der Wunder viel.
Das ist der Tag des Herrn!
Ich bin allein auf weiter Flur;
Noch
eine Morgenglocke nur,
Nun Stille nah und fern.
Anbetend knie ich hier.
O süßes Graun, geheimes Wehn,
Als knieten viele ungesehn
Und beteten mit mir!
Der Himmel nah und fern,
Er ist so klar und feierlich,
So ganz, als wollt' er öffnen sich.
Das ist der Tag des Herrn!
Mönch.
Was stehst du so in stillem Schmerz?
O Schäfer, sag' es mir!
Wohl schlägt auch hier ein wundes Herz,
Das ziehet mich zu dir.
Schäfer.
Du fragest noch! O, sieh umher
In meinem trauten Tal!
Die weite Au ist blumenleer,
Und jeder Baum ist fahl.
Mönch.
Du klage nicht! Was ist dein Weh?
Was, als ein schwerer Traum?
Bald glänzt die Blume aus dem Klee,
Die Blüte von dem Baum.
Dann steht das Kreuz, davor ich knie,
Im grünen Baumgefild;
Doch, ach, es grünt und blühet nie,
Trägt stets ein sterbend Bild.
Ob ich die Freude nie empfunden?
Ob stets mein Lied so traurig klang?
O nein, ich lebte frohe Stunden,
Da war mein Leben Lustgesang.
Die milde Gegenwart der Süßen
Verklärte mir das Blumenjahr;
Was Morgenträume mir verhießen,
Das machte stets der Abend wahr.
O, könnten meiner Wonne zeugen
Des Himmels und der Bäche Blau,
Die Haine mit den Blütenzweigen,
Der Garten und die lichte Au!
Die haben alles einst gesehen
Und haben alles einst gehört;
Doch, ach, sie müssen traurig stehen,
Auch ihre Zier ist nun zerstört.
Du aber zeuge, meine Traute,
Du Ferne mir, du Nahe doch!
Du denkst der kindlich frohen Laute,
Du denkst der sel'gen Blicke noch.
Wir hatten uns so ganz empfunden,
Wir suchten nicht das enge Wort,
Uns floß der rasche Strom der Stunden
In freien Melodien fort.
Du schiedest hin, die Welt ward öde,
Ich stieg hinab in meine Brust;
Der Lieder sanfte Klagerede
Ist all mein Trost und meine Lust.
Was bleibt mir, als in Trauertönen
Zu singen die Vergangenheit,
Und als mich schmerzlich hinzusehnen
In neue goldne Liebeszeit?
Ich bin vom Berg der Hirtenknab',
Seh' auf die Schlösser all herab;
Die Sonne strahlt am ersten hier,
Am längsten weilet sie bei mir;
Ich bin der Knab' vom Berge!
Hier ist des Stromes Mutterhaus,
Ich trink' ihn frisch vom Stein heraus;
Er braust vom Fels in wildem Lauf,
Ich fang' ihn mit den Armen auf;
Ich bin der Knab' vom Berge!
Der Berg, der ist mein Eigentum,
Da ziehn die Stürme rings herum;
Und heulen sie von Nord und Süd,
So überschallt sie doch mein Lied:
Ich bin der Knab' vom Berge!
Sind Blitz und Donner unter mir,
So steh ich hoch im Blauen hier;
Ich kenne sie und rufe zu:
Laßt meines Vaters Haus in Ruh'!
Ich bin der Knab' vom Berge!
Und wann die Sturmglock' einst erschallt,
Manch Feuer auf den Bergen wallt,
Dann steig' ich nieder, tret' ins Glied
Und schwing' mein Schwert und sing' mein Lied:
Ich bin der Knab' vom Berge!
Erhebet euch mit heil'gem Triebe,
Ihr frommen Schwestern, himmelan
Und schwebt auf blühnder Wolkenbahn!
Da leuchtet uns die reinste Sonne,
Da singen wir in Frühlingswonne
Ein Lied von dir, du ew'ge Liebe!
Ob welken alle zarten Blüten
Von dem Genuß der ird'schen Glut,
Du bist ein ewig Jugendblut
Und unsrer Busen stete Fülle,
Die ew'ge Flamme, die wir stille
Am Altar und im Herzen hüten.
Du stiegest nieder, ew'ge Güte,
Du lagst, ein lächelnd Himmelskind,
Im Arm der Jungfrau süß und lind;
Sie durft' aus deinen hellen Augen
Den Glanz der Himmel in sich saugen,
Bis sie die Glorie umglühte.
Du hast mit göttlichem Erbarmen
Am Kreuz die Arme ausgespannt;
Da ruft der Sturm, da dröhnt das Land:
»Kommt her, kommt her von allen Orten!
Ihr Tote, sprengt des Grabes Pforten!
Er nimmt euch auf mit offenen Armen.«
O Wunderlieb', o Liebeswonne!
Ist diese Zeit ein Schlummer mir,
So träum' ich sehnlich nur von dir;
Und ein Erwachen wird es geben,
Da werd' ich ganz in dich verschweben,
Ein Glutstrahl in die große Sonne.
Das Haus benedei' ich und preis' es laut,
Das empfangen hat eine liebliche Braut;
Zum Garten muß es erblühen.
Aus dem Brautgemach tritt eine herrliche Sonn';
Wie Nachtigalln locket die Flöte,
Die Tische wuchern wie Beete,
Und es springet des Weines goldener Bronn.
Die Frauen erglühen
Zu Lilien und Rosen;
Wie die Lüfte, die losen,
Die durch Blumen ziehen,
Rauschet das Küssen und Kosen.
An jedem Abend geh' ich aus,
Hinauf den Wiesensteg.
Sie schaut aus ihrem Gartenhaus,
Es stehet hart am Weg.
Wir haben uns noch nie bestellt,
Es ist nur so der Lauf der Welt.
Ich weiß nicht, wie es so geschah,
Seit lange küß ich sie.
Ich bitte nicht, sie sagt nicht ja,
Doch sagt sie nein auch nie.
Wenn Lippe gern auf Lippe ruht,
Wir hindern's nicht, uns dünkt es gut.
Das Lüftchen mit der Rose spielt,
Es fragt nicht: »Hast mich lieb?«
Das Röschen sich am Taue kühlt,
Es sagt nicht lange: »Gib!«
Ich liebe sie, sie liebet mich,
Doch keines sagt: »Ich liebe dich.«
Sie kommt in diese stillen Gründe;
Ich wag' es heut mit kühnem Mut.
Was soll ich beben vor dem Kinde,
Das niemand was zuleide tut?
Es grüßen alle sie so gerne;
Ich geh' vorbei und wag' es nicht,
Und zu dem allerschönsten Sterne
Erheb' ich nie mein Angesicht.
Die Blumen, die nach ihr sich beugen,
Die Vögel mit dem Lustgesang,
Sie dürfen Liebe ihr bezeugen;
Warum ist mir allein so bang?
Dem Himmel hab' ich oft geklaget
In langen Nächten bitterlich
Und habe nie vor ihr gewaget
Das eine Wort: »Ich liebe dich«.
Ich will mich lagern unterm Baume,
Da wandelt täglich sie vorbei;
Dann will ich reden als im Traume,
Wie sie mein süßes Leben sei.
Ich will ... O wehe! welches Schrecken!
Sie kommt heran, sie wird mich sehn;
Ich will mich in den Busch verstecken,
Da seh' ich sie vorübergehn.
Im Walde geh' ich wohlgemut,
Mir graut vor Räubern nicht;
Ein liebend Herz ist all mein Gut,
Das sucht kein Bösewicht.
Was rauscht, was raschelt durch den Busch?
Ein Mörder, der mir droht?
Mein Liebchen kommt gesprungen, husch!
Und herzt mich fast zu Tod.
Dir ist die Herrschaft längst gegeben
In meinem Liede, meinem Leben,
Nur diese Nacht, o welch ein Traum!
O, laß das schwere Herz mich lösen!
Es saß ein fremd, verschleiert Wesen
Dort unter unsrer Liebe Baum.
Wie hält sie meinen Sinn gefangen!
Ich nahe mich mit süßem Bangen,
Sie aber hebt den Schleier leicht;
Da seh' ich deine lieben Augen,
Ach, deine blauen, trauten Augen,
Und jeder fremde Schein entweicht.
Gestorben war ich
Vor Liebeswonne;
Begraben lag ich
In ihren Armen;
Erwecket ward ich
Von ihren Küssen;
Den Himmel sah ich
In ihren Augen.
So hab' ich endlich dich gerettet
Mir aus der Menge wilden Reihn!
Du bist in meinen Arm gekettet,
Du bist nun mein, nun einzig mein.
Es schlummert alles diese Stunde,
Nur wir noch leben auf der Welt,
Wie in der Wasser stillem Grunde
Der Meergott seine Göttin hält.
Verrauscht ist all das rohe Tosen,
Das deine Worte mir verschlang,
Dein leises liebevolles Kosen
Ist nun mein einz'ger süßer Klang.
Die Erde liegt in Nacht gehüllet,
Kein Licht erglänzt auf Flur und Teich,
Nur dieser Lampe Schimmer füllet
Noch unsrer Liebe kleines Reich.
In Liebesarmen ruht ihr trunken,
Des Lebens Früchte winken euch;
Ein Blick nur ist auf mich gesunken,
Doch bin ich vor euch allen reich.
Das Glück der Erde miß ich gerne
Und blick', ein Märtyrer, hinan,
Denn über mir in goldner Ferne
Hat sich der Himmel aufgetan.
Ich saß bei jener Linde
Mit meinem trauten Kinde,
Wir saßen Hand in Hand;
Kein Blättchen rauscht im Winde,
Die Sonne schien gelinde
Herab aufs stille Land.
Wir saßen ganz verschwiegen
Mit innigem Vergnügen,
Das Herz kaum merklich schlug.
Was sollten wir auch sagen?
Was konnten wir uns fragen?
Wir wußten ja genug.
Es mocht' uns nichts mehr fehlen.
Kein Sehnen konnt' uns quälen,
Nichts Liebes war uns fern;
Aus liebem Aug' ein Grüßen,
Vom lieben Mund ein Küssen
Gab eins dem andern gern.
Was streift vorbei im Dämmerlicht?
War's nicht mein holdes Kind?
Und wehten aus den Körbchen nicht
Die Rosendüfte lind?
Ja, morgen ist das Maienfest;
O morgen, welche Lust,
Wann sie sich glänzend schauen läßt,
Die Röslein an der Brust!
Da fliegt, als wir im Felde gehen,
Ein Sommerfaden über Land,
Ein leicht und licht Gespinst der Feen,
Und knüpft von mir zu ihr ein Band.
Ich nehm' ihn für ein günstig Zeichen,
Ein Zeichen, wie die Lieb' es braucht.
O Hoffnungen der Hoffnungsreichen,
Aus Duft gewebt, von Luft zerhaucht!
Ich tret' in deinen Garten;
Wo, Süße, weilst du heut?
Nur Schmetterlinge flattern
Durch diese Einsamkeit.
Doch wie in bunter Fülle
Hier deine Beete stehn
Und mit den Blumendüften
Die Weste mich umwehn!
Ich fühle dich mir nahe,
Die Einsamkeit belebt,
Wie über seinen Welten
Der Unsichtbare schwebt.
Dem stillen Hause blick' ich zu,
Gelehnt an einen Baum;
Dort liegt sie wohl in schöner Ruh'
Und glüht in süßem Traum.
Zum Himmel blick' ich dann empor,
Er hängt mit Wolken dicht.
Ach, hinter schwarzem Wolkenflor,
Da glänzt des Vollmonds Licht.
Wie lieblicher Klang!
O Lerche, dein Sang,
Er hebt sich, er schwingt sich in Wonne.
Du nimmst mich von hier,
Ich singe mit dir,
Wir steigen durch Wolken zur Sonne.
O Lerche, du neigst
Dich nieder, du schweigst,
Du sinkst in die blühenden Auen.
Ich schweige zumal
Und sinke zu Tal,
Ach, tief in Moder und Grauen.
Nur selten komm' ich aus dem Zimmer,
Doch will die Arbeit nicht vom Ort;
Geöffnet sind die Bücher immer,
Doch keine Seite rück' ich fort.
Des Nachbars lieblich Flötenspielen
Nimmt jetzt mir die Gedanken hin,
Und jetzt muß ich hinüberschielen
Nach meiner hübschen Nachbarin.
Im Sommer such' ein Liebchen dir
In Garten und Gefild!
Da sind die Tage lang genug,
Da sind die Nächte mild.
Im Winter muß der süße Bund
Schon fest geschlossen sein,
So darfst nicht lange stehn im Schnee
Bei kaltem Mondenschein.
Kein' beßre Lust in dieser Zeit,
Als durch den Wald zu dringen,
Wo Drossel singt und Habicht schreit,
Wo Hirsch' und Rehe springen.
O, säß' mein Lieb im Wipfel grün,
Tät' wie 'ne Drossel schlagen!
O, spräng' es wie ein Reh dahin,
Daß ich es könnte jagen!
Ich hör' meinen Schatz,
Den Hammer er schwinget,
Das rauschet, das klinget,
Das dringt in die Weite
Wie Glockengeläute
Durch Gassen und Platz.
Am schwarzen Kamin,
Da sitzet mein Lieber,
Doch, geh' ich vorüber,
Die Bälge dann sausen,
Die Flammen aufbrausen
Und lodern um ihn.
Sie.
Guckst du mir denn immer nach,
Wo du mich findest?
Nimm die Aeuglein doch in acht,
Daß du nicht erblindest!
Er.
Gucktest du nicht stets herum,
Würdest mich nicht sehen;
Nimm dein Hälschen doch in acht!
Wirst es noch verdrehen.
O Winter, schlimmer Winter,
Wie ist die Welt so klein!
Du drängst uns all in die Täler,
In die engen Hütten hinein.
Und geh' ich auch vorüber
An meiner Liebsten Haus,
Kaum sieht sie mit dem Köpfchen
Zum kleinen Fenster heraus.
Und nehm' ich 's Herz in die Hände
Und geh' hinauf ins Haus:
Sie sitzt zwischen Vater und Mutter,
Schaut kaum zu den Aeuglein heraus.
O Sommer, schöner Sommer,
Wie wird die Welt so weit!
Je höher man steigt auf die Berge,
Je weiter sie sich verbreit't.
Und stehest du auf dem Felsen,
Traut Liebchen, ich rufe dir zu;
Die Halle sagen es weiter,
Doch niemand hört es als du.
Und halt' ich dich in den Armen
Auf freien Bergeshöhn:
Wir sehn in die weiten Lande
Und werden doch nicht gesehn.
Stiller Garten, eile nur,
Dich mit jungem Grün zu decken,
Und des Bodens letzte Spur
Birg mit dichten Rosenhecken!
Schließe fest den schwarzen Grund!
Denn sein Anblick macht mir bange,
Ob er keines aus dem Bund
Meiner Liebsten abverlange.
Will mich selbst die dumpfe Gruft,
Nun wohlan, sie mag mich raffen!
Dünkt mir gleich, in frischer Luft
Hätt' ich manches noch zu schaffen.
1. Frühlingsahnung.
O sanfter, süßer Hauch!
Schon weckest du wieder
Mir Frühlingslieder.
Bald blühen die Veilchen auch.
2. Frühlingsglaube.
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal;
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
3. Frühlingsruhe.
O, legt mich nicht ins dunkle Grab,
Nicht unter die grüne Erd' hinab!
Soll ich begraben sein,
Lieg' ich ins tiefe Gras hinein.
In Gras und Blumen lieg' ich gern,
Wenn eine Flöte tönt von fern,
Und wenn hoch obenhin
Die hellen Frühlingswolken ziehn.
4. Frühlingsfeier.
Süßer, goldner Frühlingstag!
Inniges Entzücken!
Wenn mir je ein Lied gelang,
Sollt' es heut nicht glücken?
Doch warum in dieser Zeit
An die Arbeit treten?
Frühling ist ein hohes Fest;
Laßt mich ruhn und beten!
5. Lob des Frühlings.
Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!
Wenn ich solche Worte singe,
Braucht es dann noch großer Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag?
6. Frühlingstrost.
Was zagst du, Herz, in solchen Tagen,
Wo selbst die Dorne Rosen tragen?
7. Künftiger Frühling.
Wohl blühet jedem Jahre
Sein Frühling mild und licht,
Auch jener große, klare,
Getrost! er fehlt dir nicht;
Er ist dir noch beschieden
Am Ziele deiner Bahn,
Du ahnest ihn hienieden,
Und droben bricht er an.
8. Frühlingslied des Rezensenten.
Frühling ist's, ich laß es gelten,
Und mich freut's, ich muß gestehen,
Daß man kann spazieren gehen,
Ohne just sich zu erkälten.
Störche kommen an und Schwalben,
Nicht zu frühe, nicht zu frühe!
Blühe nur, mein Bäumchen, blühe!
Meinethalben, meinethalben!
Ja, ich fühl' ein wenig Wonne,
Denn die Lerche singt erträglich,
Philomele nicht alltäglich,
Nicht so übel scheint die Sonne.
Daß es keinen überrasche,
Mich im grünen Feld zu sehen!
Nicht verschmäh' ich auszugehen,
Kleistens Frühling in der Tasche.
Auf eines Berges Gipfel,
Da möcht' ich mit dir stehn,
Auf Täler, Waldeswipfel
Mit dir herniedersehn;
Da möcht' ich rings dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein
Und sprechen: »Wär's mein eigen,
So wär' es mein und dein.«
In meiner Seele Tiefen,
O, sähst du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest du erkennen,
Wenn Echtes ich erstrebt,
Und mag's auch dich nicht nennen,
Doch ist's von dir belebt.
Ich bitt' euch, teure Sänger,
Die ihr so geistlich singt,
Führt diesen Ton nicht länger,
So fromm er euch gelingt!
Will einer merken lassen,
Daß er mit Gott es hält,
So muß er keck erfassen
Die arge, böse Welt.
Wenn du den leichten Reigen führest,
Wenn du den Boden kaum berührest,
Hinschwebend in der Jugend Glanz:
In jedem Aug' ist dann zu lesen,
Du seiest nicht ein irdisch Wesen,
Du seiest Aether, Seele ganz.
Mir aber grauet; wenn nach oben
Du würdest plötzlich nun enthoben,
Wie wärest, Seele, du bereit?
Wohlan! der sich auf Blumen schaukelt,
Der Schmetterling, der ewig gaukelt,
Ist Sinnbild der Unsterblichkeit.
Singe, wem Gesang gegeben,
In dem deutschen Dichterwald!
Das ist Freude, das ist Leben,
Wenn's von allen Zweigen schallt.
Nicht an wenig stolze Namen
Ist die Liederkunst gebannt;
Ausgestreuet ist der Samen
Ueber alles deutsche Land.
Deines vollen Herzens Triebe,
Gib sie keck im Klange frei!
Säuselnd wandle deine Liebe,
Donnernd uns dein Zorn vorbei!
Singst du nicht dein ganzes Leben,
Sing doch in der Jugend Drang!
Nur im Blütenmond erheben
Nachtigallen ihren Sang.
Kann man's nicht in Bücher binden,
Was die Stunden dir verleihn,
Gib ein fliegend Blatt den Winden!
Muntre Jugend hascht es ein.
Fahret wohl, geheime Kunden,
Nekromantik, Alchemie!
Formel hält uns nicht gebunden,
Unsre Kunst heißt Poesie.
Heilig achten wir die Geister,
Aber Namen sind uns Dunst;
Würdig ehren wir die Meister,
Aber frei ist uns die Kunst!
Nicht in kalten Marmorsteinen,
Nicht in Tempeln dumpf und tot,
In den frischen Eichenhainen
Webt und rauscht der deutsche Gott.
So war es dir bescheret,
Du lebtest kummervoll,
Du hast dich aufgezehret,
Recht wie ein Dichter soll.
Das gab die Pieride
An deiner Wiege kund,
Sie weihte dir zum Liede,
Zu andrem nicht, den Mund.
Die Mutter starb dir frühe;
Man sah an dem Verlust,
Daß dir kein Heil erblühe
Von einer ird'schen Brust.
Die Welt mit ihren Schätzen,
Mit allem Ueberfluß
Soll nur dein Auge letzen;
Für andre der Genuß!
Der Frühling war dein Leben,
Die Blüte war dein Traum;
Ein andrer preßt die Reben,
Ein andrer leert den Baum.
Du hast an manchem Tage
Den Wasserkrug gestürzt,
Indes man Festgelage
Mit deinem Lied gewürzt.
Du warst schon hier verkläret
Und wenig mehr als Geist;
Nun bist du heimgekehret,
Wo man Ambrosia speist.
Zu Grab getragen werde,
Was einem Leichnam gleicht!
Du drückest nicht die Erde;
Sei dir die Erde leicht!
Wie willst du dich mir offenbaren,
Wie ungewohnt, geliebtes Tal?
Nur in den frühsten Jugendjahren
Erschienst du so mir manchesmal.
Die Sonne schon hinabgegangen,
Doch aus den Bächen klarer Schein;
Kein Lüftchen spielt mir um die Wangen,
Doch sanftes Rauschen in dem Hain.
Es duftet wieder alte Liebe,
Es grünet wieder alte Lust;
Ja, selbst die alten Liedertriebe
Beleben diese kalte Brust.
Natur, wohl braucht es solcher Stunden,
So innig und so liebevoll,
Wenn dieses arme Herz gesunden,
Das welkende genesen soll.
Bedrängt mich einst die Welt noch bänger,
So such' ich wieder dich, mein Tal!
Empfange dann den kranken Sänger
Mit solcher Milde noch einmal!
Und sink' ich dann ermattet nieder,
So öffne leise deinen Grund
Und nimm mich auf und schließ ihn wieder
Und grüne fröhlich und gesund!
Wolken seh' ich abendwärts
Ganz in reinste Glut getaucht,
Wolken ganz in Licht zerhaucht,
Die so schwül gedunkelt hatten.
Ja, mir sagt mein ahnend Herz,
Einst noch werden, ob auch spät,
Wann die Sonne niedergeht,
Mir verklärt der Seele Schatten.
Morgenluft, so rein und kühl,
Labsal, tauend allem Volke,
Wirst du dich am Abend schwül
Türmen zur Gewitterwolke?
Wann im letzten Abendstrahl
Goldne Wolkenberge steigen
Und wie Alpen sich erzeigen,
Frag' ich oft mit Tränen:
»Liegt wohl zwischen jenen
Mein ersehntes Ruhetal?«
Wenig hab' ich noch empfunden
Von der werten Frühlingszeit;
All die Lust und Lieblichkeit
Hat zu mir nicht Bahn gefunden.
Ach, was soll ein Herz dabei,
Das sich so zerrissen fühlet?
Jetzt empfind' ich erst den Mai,
Seit der Sturm in Blüten wühlet.
Lebendig sein begraben,
Es ist ein schlimmer Stern;
Doch kann man Unglück haben,
Das jenem nicht zu fern:
Wenn man, bei heißem Herzen
Und innern Lebens voll,
Vor Kümmernis und Schmerzen
Frühzeitig altern soll.
O blaue Luft nach trüben Tagen,
Wie kannst du stillen meine Klagen?
Wer nur am Regen krank gewesen,
Der mag durch Sonnenschein genesen.
O blaue Luft nach trüben Tagen,
Doch stillst du meine bittern Klagen;
Du glänzest Ahnung mir zum Herzen,
Wie himmlisch Freude labt nach Schmerzen.
Wohl geht der Jugend Sehnen
Nach manchem schönen Traum,
Mit Ungestüm und Tränen
Stürmt sie den Sternenraum.
Der Himmel hört ihr Flehen
Und lächelt gnädig nein
Und läßt vorübergehen
Den Wunsch zusamt der Pein.
Wenn aber nun vom Scheine
Das Herz sich abgekehrt
Und nur das Echte, Reine,
Das Menschliche begehrt
Und doch mit allem Streben
Kein Ziel erreichen kann:
Da muß man wohl vergeben
Die Trauer auch dem Mann.
Lösen sich die ird'schen Bande?
Wird auch mir die Schwinge frei,
Daß ich in dem Heimatlande,
Freundin, dir vereinigt sei?
Ja, dein seliges Entschweben
Zog mir längst den Blick empor;
Jetzt im Lichte, jetzt im Leben
Find' ich, die ich nie verlor.
»Was vernehm' ich? Lockst du nieder,
Oder steigst du auf zu mir?
Lacht mir Erdenfrühling wieder,
Oder blüht ein schönrer hier?
Ja, in dieser lichten Höhe
Hast du Eine mir gefehlt;
Komm! Ich fühle deine Nähe,
Die den Himmel mir beseelt.«
Ueber diesen Strom vor Jahren
Bin ich einmal schon gefahren;
Hier die Burg im Abendschimmer,
Drüben rauscht das Wehr wie immer.
Und von diesem Kahn umschlossen
Waren mit mir zween Genossen:
Ach, ein Freund, ein vatergleicher,
Und ein junger, hoffnungsreicher.
Jener wirkte still hienieden,
Und so ist er auch geschieden;
Dieser, brausend vor uns allen,
Ist in Kampf und Sturm gefallen.
So, wenn ich vergangner Tage,
Glücklicher, zu denken wage,
Muß ich stets Genossen missen,
Teure, die der Tod entrissen.
Doch, was alle Freundschaft bindet,
Ist, wenn Geist zu Geist sich findet;
Geistig waren jene Stunden,
Geistern bin ich noch verbunden.
Nimm nur, Fährmann, nimm die Miete,
Die ich gerne dreifach biete!
Zween, die mit mir überfuhren,
Waren geistige Naturen.
Welch ein Schwirren, welch ein Flug?
Sei willkommen, Lerchenzug!
Jene streift der Wiese Saum,
Diese rauschet durch den Baum.
Manche schwingt sich himmelan,
Jauchzend auf der lichten Bahn;
Eine, voll von Liedeslust,
Flattert hier in meiner Brust.
Auf den Wald und auf die Wiese
Mit dem ersten Morgengrau
Träuft ein Quell vom Paradiese,
Leiser, frischer Maientau;
Was den Mai zum Heiligtume
Jeder süßen Wonne schafft,
Schmelz der Blätter, Glanz der Blume,
Würz' und Duft, ist seine Kraft.
Wenn den Tau die Muschel trinket,
Wird in ihr ein Perlenstrauß;
Wenn er in den Eichstamm sinket,
Werden Honigbienen draus;
Wenn der Vogel auf dem Reise
Kaum damit den Schnabel netzt,
Lernet er die helle Weise,
Die den ernsten Wald ergötzt.
Mit dem Tau der Maienglocken
Wascht die Jungfrau ihr Gesicht,
Badet sie die goldnen Locken,
Und sie glänzt von Himmelslicht;
Selbst ein Auge, rot geweinet,
Labt sich mit den Tropfen gern,
Bis ihm freundlich niederscheinet
Taugetränkt der Morgenstern.
Sink denn auch für mich hernieder,
Balsam du für jeden Schmerz!
Netz' auch mir die Augenlider,
Tränke mir mein dürstend Herz!
Gib mir Jugend, Sangeswonne,
Himmlischer Gebilde Schau,
Stärke mir den Blick zur Sonne,
Leiser, frischer Maientau!
Als ich ging die Flur entlang,
Lauschend auf der Lerchen Sang,
Ward ich einen Mann gewahr,
Arbeitsam mit greisem Haar.
»Segen,« rief ich, »diesem Feld,
Das so treuer Fleiß bestellt!
Segen dieser welken Hand,
Die noch Saaten wirft ins Land!«
Doch mir sprach sein ernst Gesicht:
»Dichtersegen frommt hier nicht;
Lastend wie des Himmels Zorn
Treibt er Blumen mir für Korn.«
»Freund, mein schlichtes Liederspiel
Weckt der Blumen nicht zu viel,
Nur so viel die Aehren schmückt
Und dein kleiner Enkel pflückt.«
Solche Düfte sind mein Leben,
Die verscheuchen all mein Leid:
Blühen auf dem Berg die Reben,
Blüht im Tale das Getreid.
Donnern werden bald die Tennen,
Bald die Mühlen rauschend gehn,
Und wenn die sich müde rennen,
Werden sich die Keltern drehn.
Gute Wirtin vieler Zecher!
So gefällt mir's, flink und frisch;
Kommst du mit dem Wein im Becher,
Liegt das Brot schon auf dem Tisch.
Nun die Sonne soll vollenden
Ihre längste, schönste Bahn,
Wie sie zögert, sich zu wenden
Nach dem stillen Ozean!
Ihrer Göttin Jugendneige
Fühlt die ahnende Natur,
Und mir dünkt, bedeutsam schweige
Rings die abendliche Flur.
Nur die Wachtel, die sonst immer
Frühe schmälend weckt den Tag,
Schlägt dem überwachten Schimmer
Jetzt noch einen Weckeschlag,
Und die Lerche steigt im Singen
Hoch auf aus dem duft'gen Tal,
Einen Blick noch zu erschwingen
In den schon versunknen Strahl.
Wie dort, gewiegt vom Westen,
Des Mohnes Blüte glänzt!
Die Blume, die am besten
Des Traumgotts Schläfe kränzt;
Bald purpurhell, als spiele
Der Abendröte Schein,
Bald weiß und bleich, als fiele
Des Mondes Schimmer ein.
Zur Warnung hört' ich sagen,
Daß, der im Mohne schlief,
Hinunter ward getragen
In Träume schwer und tief;
Dem Wachen selbst geblieben
Sei irren Wahnes Spur,
Die Nahen und die Lieben
Halt' er für Schemen nur.
In meiner Tage Morgen,
Da lag auch ich einmal
Von Blumen ganz verborgen
In einem schönen Tal.
Sie dufteten so milde;
Da ward, ich fühlt' es kaum,
Das Leben mir zum Bilde,
Das Wirkliche zum Traum.
Seitdem ist mir beständig,
Als wär' es so nur recht,
Mein Bild der Welt lebendig,
Mein Traum nur wahr und echt;
Die Schatten, die ich sehe,
Sie sind, wie Sterne, klar.
O Mohn der Dichtung, wehe
Ums Haupt mir immerdar!
Wieder hab' ich dich gesehen,
Blasse Malve! blühst du schon?
Ja, mich traf ein schaurig Wehen,
All mein Frühling welkt davon.
Bist du doch des Herbstes Rose,
Der gesunknen Sonne Kind,
Bist die starre, düftelose,
Deren Blüten keine sind!
Gerne wollt' ich dich begrüßen,
Blühtest du nicht rosenfarb,
Lögst du nicht das Rot der Süßen,
Die noch eben glüht' und starb.
Heuchle nicht des Lenzes Dauer!
Du bedarfst des Scheines nicht;
Hast ja schöne, dunkle Trauer,
Hast ja weißes, sanftes Licht.
Reisen soll ich, Freunde, reisen?
Lüften soll ich mir die Brust?
Aus des Tagwerks engen Gleisen
Lockt ihr mich zu Wanderlust?
Und doch hab' ich tiefer eben
In die Heimat mich versenkt,
Fühle mich, ihr hingegeben,
Freier, reicher, als ihr denkt.
Nie erschöpf' ich diese Wege,
Nie ergründ' ich dieses Tal,
Und die altbetretnen Stege
Rühren neu mich jedesmal;
Oefters, wenn ich selbst mir sage
Wie der Pfad doch einsam sei,
Streifen hier am lichten Tage
Teure Schatten mir vorbei.
Wann die Sonne fährt von hinnen,
Kennt mein Herz noch keine Ruh',
Eilt mit ihr von Bergeszinnen
Fabelhaften Inseln zu;
Tauchen dann hervor die Sterne,
Drängt es mächtig mich hinan,
Und in immer tiefre Ferne
Zieh' ich helle Götterbahn.
Alt' und neue Jugendträume,
Zukunft und Vergangenheit,
Uferlose Himmelsräume
Sind mir stündlich hier bereit.
Darum, Freunde, will ich reisen;
Weiset Straße mir und Ziel!
In der Heimat stillen Kreisen
Schwärmt das Herz doch allzuviel.
1. Lebewohl.
Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb!
Muß noch heute scheiden.
Einen Kuß, einen Kuß mir gib!
Muß dich ewig meiden.
Eine Blüt', eine Blüt' mir brich
Von dem Baum im Garten!
Keine Frucht, keine Frucht für mich;
Darf sie nicht erwarten.
2. Scheiden und Meiden.
So soll ich nun dich meiden,
Du, meines Lebens Lust!
Du küssest mich zum Scheiden,
Ich drücke dich an die Brust.
Ach, Liebchen, heißt das meiden,
Wenn man sich herzt und küßt?
Ach, Liebchen, heißt das scheiden,
Wenn man sich fest umschließt?
3. In der Ferne.
Will ruhen unter den Bäumen hier,
Die Vöglein hör' ich so gerne.
Wie singet ihr so zum Herzen mir!
Von unsrer Liebe was wisset ihr
In dieser weiten Ferne?
Will ruhen hier an des Baches Rand,
Wo duftige Blümlein sprießen.
Wer hat euch, Blümlein, hieher gesandt?
Seid ihr ein herzliches Liebespfand
Aus der Ferne von meiner Süßen?
4. Morgenlied.
Noch ahnt man kaum der Sonne Licht,
Noch sind die Morgenglocken nicht
Im finstern Tal erklungen.
Wie still des Waldes weiter Raum!
Die Vöglein zwitschern nur im Traum,
Kein Sang hat sich erschwungen.
Ich hab' mich längst ins Feld gemacht
Und habe schon dies Lied erdacht
Und hab' es laut gesungen.
5. Nachtreise.
Ich reit' ins finstre Land hinein,
Nicht Mond noch Sterne geben Schein,
Die kalten Winde tosen.
Oft hab' ich diesen Weg gemacht,
Wann goldner Sonnenschein gelacht,
Bei lauer Lüfte Kosen.
Ich reit' am finstern Garten hin,
Die dürren Bäume sausen drin,
Die welken Blätter fallen.
Hier pflegt' ich in der Rosenzeit,
Wann alles sich der Liebe weiht,
Mit meinem Lieb zu wallen.
Erloschen ist der Sonne Strahl,
Verwelkt die Rosen allzumal,
Mein Lieb zu Grab getragen.
Ich reit' ins finstre Land hinein
Im Wintersturm, ohn' allen Schein,
Den Mantel umgeschlagen.
6. Winterreise.
Bei diesem kalten Wehen
Sind alle Straßen leer,
Die Wasser stille stehen,
Ich aber schweif' umher.
Die Sonne scheint so trübe,
Muß früh hinuntergehn;
Erloschen ist die Liebe,
Die Lust kann nicht bestehn.
Nun geht der Wald zu Ende,
Im Dorfe mach' ich Halt;
Da wärm' ich mir die Hände,
Bleibt auch das Herze kalt.
7. Abreise.
So hab' ich nun die Stadt verlassen,
Wo ich gelebet lange Zeit!
Ich ziehe rüstig meiner Straßen,
Es gibt mir niemand das Geleit.
Man hat mir nicht den Rock zerrissen
(Es wär' auch schade für das Kleid),
Noch in die Wange mich gebissen
Vor übergroßem Herzeleid.
Auch keinem hat's den Schlaf vertrieben,
Daß ich am Morgen weitergeh';
Sie konnten's halten nach Belieben,
Von einer aber tut mir's weh.
8. Einkehr.
Bei einem Wirte wundermild,
Da war ich jüngst zu Gaste;
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.
Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehret;
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste;
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das beste.
Ich fand ein Bett zu süßer Ruh'
Auf weichen, grünen Matten;
Der Wirt, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.
Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit,
Da schüttelt' er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
Von der Wurzel bis zum Gipfel!
9. Heimkehr.
O, brich nicht, Steg! du zitterst sehr.
O, stürz' nicht, Fels! du dräuest schwer.
Welt, geh nicht unter, Himmel, fall nicht ein,
Eh' ich mag bei der Liebsten sein!
Die Muse fehlt nicht selten,
Wenn man sie eben will;
Sie schweift in fernen Welten,
Und nirgends hält sie still.
Die Schwärmerin verträumet
Gar oft den Glockenschlag;
Was sag' ich? sie versäumet
Selbst einen Hochzeittag.
So auch zu eurem Feste
Erscheinet sie zu spät
Und bittet nun aufs beste,
Daß ihr sie nicht verschmäht.
Des schönsten Glückes Schimmer
Erglänzt euch eben dann,
Wenn man euch jetzt und immer
Ein Brautlied singen kann.
Das neue Haus ist aufgericht't,
Gedeckt, gemauert ist es nicht,
Noch können Regen und Sonnenschein
Von oben und überall herein:
Drum rufen wir zum Meister der Welt,
Er wolle von dem Himmelszelt
Nur Heil und Segen gießen aus
Hier über dieses offne Haus.
Zu oberst woll' er gut Gedeihn
In die Kornböden uns verleihn,
In die Stube Fleiß und Frömmigkeit,
In die Küche Maß und Reinlichkeit,
In den Stall Gesundheit allermeist,
In den Keller dem Wein einen guten Geist;
Die Fenster und Pforten woll' er weihn,
Daß nichts Unseligs komm' herein,
Und daß aus dieser neuen Tür
Bald fromme Kindlein springen für.
Nun, Maurer, decket und mauret aus!
Der Segen Gottes ist im Haus.
Ihr Saiten, tönet sanft und leise,
Vom leichten Finger kaum geregt!
Ihr tönet zu des Zärtsten Preise,
Des Zärtsten, was die Erde hegt.
In Indiens mythischem Gebiete,
Wo Frühling ewig sich erneut,
O Tee, du selber eine Mythe,
Verlebst du deine Blütenzeit.
Nur zarte Bienenlippen schlürfen
Aus deinen Kelchen Honig ein,
Nur bunte Wundervögel dürfen
Die Sänger deines Ruhmes sein.
Wenn Liebende zum stillen Feste
In deine duft'gen Schatten fliehn,
Dann rührest leise du die Aeste
Und streuest Blüten auf sie hin.
So wächsest du am Heimatstrande,
Vom reinsten Sonnenlicht genährt.
Noch hier in diesem fernen Lande
Ist uns dein zarter Sinn bewährt.
Denn nur die holden Frauen halten
Dich in der mütterlichen Hut;
Man sieht sie mit dem Kruge walten
Wie Nymphen an der heil'gen Flut.
Den Männern will es schwer gelingen,
Zu fühlen deine tiefe Kraft;
Nur zarte Frauenlippen dringen
In deines Zaubers Eigenschaft.
Ich selbst, der Sänger, der dich feiert,
Erfuhr noch deine Wunder nicht;
Doch, was der Frauen Mund beteuert,
Ist mir zu glauben heil'ge Pflicht.
Ihr aber möget sanft verklingen,
Ihr, meine Saiten, kaum geregt!
Nur Frauen können würdig singen
Das Zärtste, was die Erde hegt.
Wir haben heut nach altem Brauch
Ein Schweinchen abgeschlachtet;
Der ist ein jüdisch ekler Gauch,
Wer solch ein Fleisch verachtet.
Es lebe zahm und wildes Schwein!
Sie leben alle, groß und klein,
Die blonden und die braunen!
So säumet denn, ihr Freunde, nicht,
Die Würste zu verspeisen,
Und laßt zum würzigen Gericht
Die Becher fleißig kreisen!
Es reimt sich trefflich Wein und Schwein,
Und paßt sich köstlich Wurst und Durst;
Bei Würsten gilt's zu bürsten.
Auch unser edles Sauerkraut,
Wir sollen's nicht vergessen;
Ein Deutscher hat's zuerst gebaut,
Drum ist's ein deutsches Essen.
Wenn solch ein Fleischchen weiß und mild
Im Kraute liegt, das ist ein Bild
Wie Venus in den Rosen.
Und wird von schönen Händen dann
Das schöne Fleisch zerleget,
Das ist, was einem deutschen Mann
Gar süß das Herz beweget.
Gott Amor naht und lächelt still
Und denkt: »Nur daß, wer küssen will,
Zuvor den Mund sich wische!«
Ihr Freunde, tadle keiner mich,
Daß ich von Schweinen singe!
Es knüpfen Kraftgedanken sich
Oft an geringe Dinge.
Ihr kennet jenes alte Wort,
Ihr wißt: es findet hier und dort
Ein Schwein auch eine Perle.
Ich sang in vorigen Tagen
Der Lieder mancherlei
Von alten frommen Sagen,
Von Minne, Wein und Mai.
Nun ist es ausgesungen,
Es dünkt mir alles Tand;
Der Heerschild ist erklungen,
Der Ruf »Fürs Vaterland!«
Man sagt wohl von den Katten:
Sie legten Erzring' an,
Bis sie gelöst sich hatten
Mit einem erschlagnen Mann.
Ich schlag' den Geist in Bande
Und werf' an den Mund ein Schloß,
Bis ich dem Vaterlande
Gedient als Schwertgenoß.
Und bin ich nicht geboren
Zu hohem Heldentum,
Ist mir das Lied erkoren
Zu Lust und schlichtem Ruhm,
Doch möcht' ich
eins erringen
In diesem heil'gen Krieg:
Das edle Recht, zu singen
Des deutschen Volkes Sieg.
Was ist das für ein durstig Jahr!
Die Kehle lechzt mir immerdar,
Die Leber dorrt mir ein:
Ich bin ein Fisch auf trocknem Sand,
Ich bin ein dürres Ackerland.
O, schafft mir, schafft mir Wein!
Was weht doch jetzt für trockne Luft!
Kein Regen hilft, kein Tau, kein Duft,
Kein Trunk will mir gedeihn.
Ich trink' im allertiefsten Zug,
Und dennoch wird mir's nie genug,
Fällt wie auf heißen Stein.
Was herrscht doch für ein hitz'ger Stern!
Er zehrt mir recht am innern Kern
Und macht mir Herzenspein.
Man dächte wohl, ich sei verliebt:
Ja, ja, die mir zu trinken gibt,
Soll meine Liebste sein.
Und wenn es euch wie mir ergeht,
So betet, daß der Wein gerät,
Ihr Trinker insgemein!
O heil'ger Urban, schaff' uns Trost!
Gib heuer uns viel edeln Most,
Daß wir dich benedein!
Wir sind nicht mehr am ersten Glas,
Drum denken wir gern an dies und das,
Was rauschet und was brauset.
So denken wir an den wilden Wald,
Darin die Stürme sausen,
Wir hören, wie das Jagdhorn schallt,
Die Ross' und Hunde brausen,
Und wie der Hirsch durchs Wasser setzt,
Die Fluten rauschen und wallen,
Und wie der Jäger ruft und hetzt,
Die Schüsse schmetternd fallen.
Wir sind nicht mehr am ersten Glas,
Drum denken wir gern an dies und das,
Was rauschet und was brauset.
So denken wir an das wilde Meer
Und hören die Wogen brausen,
Die Donner rollen drüber her,
Die Wirbelwinde sausen.
Ha, wie das Schifflein schwankt und dröhnt,
Wie Mast und Stange splittern,
Und wie der Notschuß dumpf ertönt,
Die Schiffer fluchen und zittern!
Wir sind nicht mehr am ersten Glas,
Drum denken wir gern an dies und das,
Was rauschet und was brauset.
So denken wir an die wilde Schlacht:
Da fechten die deutschen Männer,
Das Schwert erklirrt, die Lanze kracht,
Es schnauben die mut'gen Renner;
Mit Trommelwirbel, Trommetenschall,
So zieht das Heer zum Sturme;
Hin stürzet von Kanonenknall
Die Mauer samt dem Turme.
Wir sind nicht mehr am ersten Glas,
Drum denken wir gern an dies und das,
Was rauschet und was brauset.
So denken wir an den jüngsten Tag
Und hören Posaunen schallen;
Die Gräber springen von Donnerschlag,
Die Sterne vom Himmel fallen;
Es braust die offne Höllenkluft
Mit wildem Flammenmeere,
Und oben in der goldnen Luft,
Da jauchzen die seligen Chöre.
Wir sind nicht mehr am ersten Glas,
Drum denken wir gern an dies und das,
Was rauschet und was brauset.
Und nach dem Wald und der wilden Jagd,
Nach Sturm und Wellenschlage
Und nach der deutschen Männer Schlacht
Und nach dem jüngsten Tage,
So denken wir an uns selber noch,
An unser stürmisch Singen,
An unser Jubeln und Lebehoch,
An unsrer Becher Klingen.
Wir sind nicht mehr am ersten Glas,
Drum denken wir gern an dies und das,
Was rauschet und was brauset.
Sei uns willkommen, Dichterkind,
An deines Lebens goldner Pforte!
Wohl ziemen dir zum Angebind
Sich Lieder und prophet'sche Worte.
In großer Zeit erblühest du,
In ernsten Tagen, wundervollen,
Wo über deiner kind'schen Ruh'
Des heiligen Krieges Donner rollen.
Du aber schlummre selig hin
In angestammten Dichterträumen
Von Himmelsglanz und Waldesgrün,
Von Sternen, Blumen, Blütenbäumen!
Derweil verrauschet der Orkan,
Es weicht der blut'gen Zeiten Trübe;
Wohl blühst als Jungfrau du heran,
Du kündest so das Reich der Liebe.
Was einst als Ahnung, Sehnsucht nur
Durchdrungen deines Vaters Lieder,
Das singt von sel'ger Himmelsflur
Als reiches Leben dir hernieder.
Vorwärts! fort und immer fort!
Rußland rief das stolze Wort
»Vorwärts!«
Preußen hört das stolze Wort,
Hört es gern und hallt es fort:
»Vorwärts!«
Auf, gewalt'ges Oesterreich!
Vorwärts! tu's den andern gleich!
Vorwärts!
Auf, du altes Sachsenland!
Immer vorwärts, Hand in Hand!
Vorwärts!
Baiern, Hessen, schlaget ein!
Schwaben, Franken, vor zum Rhein!
Vorwärts!
Vorwärts, Holland, Niederland!
Hoch das Schwert in freier Hand,
Vorwärts!
Grüß' euch Gott, du Schweizerbund,
Elsaß, Lothringen, Burgund!
Vorwärts!
Vorwärts, Spanien, Engelland!
Reicht den Brüdern bald die Hand!
Vorwärts!
Vorwärts, fort und immer fort!
Guten Wind und naher Port!
Vorwärts!
Vorwärts, heißt ein Feldmarschall.
Vorwärts, tapfre Streiter all!
Vorwärts!
Es war so trübe, dumpf und schwer,
Die schlimme Sage schlich umher,
Sie krächzte, wie zur Dämmerzeit
Ein schwarzer Unglücksvogel schreit.
Die schlimme Sage schlich im Land
Mit schnöder Schattenbilder Tand,
Sie zeigte Zwietracht und Verrat,
Vernichtung aller edeln Saat.
Des Bösen Freunde trotzen schon,
Sie lachen hämisch, sprechen Hohn;
Die Guten stehen ernst und still
Und harren, was da werden will.
Da schwingt sich's überm Rhein empor
Und bricht den düstern Wolkenflor;
Ist's stolzer Adler Sonnenflug?
Ist's tönereicher Schwäne Zug?
Es rauscht und singt im goldnen Licht:
Der Herr verläßt die Seinen nicht,
Er macht so Heil'ges nicht zum Spott.
Viktoria! mit uns ist Gott!
Gelehrte deutsche Männer,
Der deutschen Rede Kenner,
Sie reichen sich die Hand,
Die Sprache zu ergründen,
Zu regeln und zu ründen
In emsigem Verband.
Indes nun diese walten,
Bestimmen und gestalten
Der Sprache Form und Zier:
So schaffe du inwendig
Tatkräftig und lebendig,
Gesamtes Volk, an ihr!
Ja, gib ihr du die Reinheit,
Die Klarheit und die Feinheit,
Die aus dem Herzen stammt!
Gib ihr den Schwung, die Stärke,
Die Glut, an der man merke,
Daß sie vom Geiste flammt!
An deiner Sprache rüge
Du schärfer nichts denn Lüge,
Die Wahrheit sei ihr Hort!
Verpflanz' auf deine Jugend
Die deutsche Treu' und Tugend
Zugleich mit deutschem Wort!
Zu buhlerischem Girren
Laß du ihn niemals kirren,
Der ernsten Sprache Klang!
Sie sei dir Wort der Treue,
Sei Stimme zarter Scheue,
Sei echter Minne Sang!
Sie diene nie am Hofe
Als Gauklerin, als Zofe!
Das Lispeln taugt ihr nicht.
Sie töne stolz! Sie weihe
Sich dahin, wo der Freie
Für Recht, für Freiheit spricht!
Wenn so der Sprache Mehrung,
Verbesserung und Klärung
Bei dir von statten geht,
So wird man sagen müssen,
Daß, wo sich Deutsche grüßen,
Der Atem Gottes weht.
Als ich mich des Rechts beflissen
Gegen meines Herzens Drang
Und mich halb nur losgerissen
Von dem lockenden Gesang,
Wohl dem Gotte mit der Binde
Ward noch manches Lied geweiht,
Keines jemals dir, o blinde
Göttin der Gerechtigkeit!
Andre Zeiten, andre Musen!
Und in dieser ernsten Zeit
Schüttert nichts mir so den Busen,
Weckt mich so zum Liederstreit,
Als wenn du mit Schwert und Wage
Themis, thronst in deiner Kraft
Und die Völker rufst zur Klage,
Könige zur Rechenschaft.
Dir möcht' ich diese Lieder weihen,
Geliebtes deutsches Vaterland!
Denn dir, dem neuerstandnen, freien,
Ist all mein Sinnen zugewandt.
Doch Heldenblut ist dir geflossen,
Dir sank der Jugend schönste Zier:
Nach solchen Opfern, heilig großen,
Was gälten diese Lieder dir?
Wann ward der erste Kranz gewunden?
Wann flog der erste Ball ans Ziel?
Wann ward der heitre Tanz erfunden,
Und wann das lose Pfänderspiel?
Ach, wohl in fernen, fernen Tagen;
Die unsern hätten's nie erdacht,
Wo bald im Feld die Völker schlagen,
Und bald der innere Zank erwacht.
Einmal atmen möcht' ich wieder
In dem goldnen Märchenreich,
Doch ein strenger Geist der Lieder
Fällt mir in die Saiten gleich.
Freiheit heißt nun meine Fee,
Und mein Ritter heißet Recht.
Auf denn, Ritter, und bestehe
Kühn der Drachen wild Geschlecht!
Wird das Lied nun immer tönen
Mit dem ernsten, scharfen Laut?
Und das Feld des heitern Schönen,
Bleibt es forthin ungebaut?
Sind die Wälder erst gelichtet
Und die Sümpfe abgeführt,
Dann zu reiner Sonne richtet
Sich das Auge, fromm gerührt.
Mütter, die ihr euch erquickt
An der Kinder teuren Zügen
Und mit ahnendem Vergnügen
Vieles Künft'ge drin erblickt:
Schaut einmal recht tief hinein
Und verschafft uns sichre Kunde:
Wird der Väter Kampf und Wunde
In den Kindern fruchtbar sein?
Ihr besonders dauert mich,
Arme Mädchen, inniglich,
Daß ihr just in Zeiten fielet,
Wo man wenig tanzt und spielet.
Eine Mädchenjugend ist
Abgeblüht in kurzer Frist;
Müsset ihr nun Blüte tragen
In so rauhen, trüben Tagen!
Ja, mir dünket oft so sehr
Eure Jugend freudenleer,
Daß euch keine Zuflucht bliebe,
Als die wahre, fromme Liebe.
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