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Balladen und Romanzen.

Entsagung.

Wer entwandelt durch den Garten
Bei der Sterne bleichem Schein?
Hat er Süßes zu erwarten?
Wird die Nacht ihm selig sein?
Ach, der Harfner ist's; er sinkt
Nieder an des Turmes Fuße,
Wo es spät herunterblinkt,
Und beginnt zum Saitengruße:

»Lausche, Jungfrau, aus der Höhe
Einem Liede dir geweiht,
Daß ein Traum dich lind umwehe
Aus der Kindheit Rosenzeit!
Mit der Abendglocke Klang
Kam ich, will vor Tage gehen
Und das Schloß, dem ich entsprang,
Nicht im Sonnenstrahle sehen.

»Von dem kerzenhellen Saale,
Wo du throntest, blieb ich fern,
Wo um dich beim reichen Mahle
Freudig saßen edle Herrn;
Mit der Freude nur vertraut
Hätten Frohes sie begehret,
Nicht der Liebe Klagelaut,
Nicht der Kindheit Recht geehret.

»Bange Dämmerung, entweiche!
Düstre Bäume, glänzet neu,
Daß ich in dem Zauberreiche
Meiner Kindheit selig sei!
Sinken will ich in den Klee,
Bis das Kind mit leichtem Schritte
Wandle her, die schöne Fee,
Und mit Blumen mich beschütte.

»Ja, die Zeit ist hingeflogen,
Die Erinnerung weichet nie;
Als ein lichter Regenbogen
Steht auf trüben Wolken sie.
Schauen flieht mein süßer Schmerz,
Daß nicht die Erinnerung schwinde.
Sage das nur, ob dein Herz
Noch der Kindheit Lust empfinde!«

Und es schwieg der Sohn der Lieder,
Der am Fuß des Turmes saß;
Und vom Fenster klang es nieder,
Und es glänzt im dunkeln Gras:
»Nimm den Ring und denke mein,
Denk' an unsrer Kindheit Schöne!
Nimm ihn hin! Ein Edelstein
Glänzt darauf und eine Träne.«

Die Nonne.

Im stillen Klostergarten
Eine bleiche Jungfrau ging;
Der Mond beschien sie trübe,
An ihrer Wimper hing
Die Träne zarter Liebe.

»O wohl mir, daß gestorben
Der treue Buhle mein!
Ich darf ihn wieder lieben:
Er wird ein Engel sein,
Und Engel darf ich lieben.«

Sie trat mit zagem Schritte
Wohl zum Mariabild;
Es stand in lichtem Scheine,
Es sah so muttermild
Herunter auf die Reine.

Sie sank zu seinen Füßen,
Sah auf mit Himmelsruh',
Bis ihre Augenlider
Im Tode fielen zu;
Ihr Schleier wallte nieder.

Der Kranz.

Es pflückte Blümlein mannigfalt
Ein Mägdlein auf der lichten Au,
Da kam wohl aus dem grünen Wald
Eine wunderschöne Frau.

Sie trat zum Mägdlein freundlich hin,
Sie schlang ein Kränzlein ihm ins Haar:
»Noch blüht es nicht, doch wird es blühn;
O trag es immerdar!«

Und als das Mägdlein größer ward
Und sich erging im Mondenglanz
Und Tränen weinte, süß und zart,
Da knospete der Kranz.

Und als ihr holder Bräutigam
Sie innig in die Arme schloß,
Da wanden Blümlein wonnesam
Sich aus den Knospen los.

Sie wiegte bald ein süßes Kind
Auf ihrem Schoße mütterlich,
Da zeigten an dem Laubgewind
Viel goldne Früchte sich.

Und als ihr Lieb gesunken war,
Ach, in des Grabes Nacht und Staub,
Da weht' um ihr zerstreutes Haar
Ein herbstlich falbes Laub.

Bald lag auch sie erbleichet da,
Doch trug sie ihren werten Kranz;
Da war's ein Wunder, denn man sah
So Frucht als Blütenglanz.

Der Schäfer.

Der schöne Schäfer zog so nah
Vorüber an dem Königsschloß;
Die Jungfrau von der Zinne sah,
Da war ihr Sehnen groß.

Sie rief ihm zu ein süßes Wort:
»O dürft' ich gehn hinab zu dir!
Wie glänzen weiß die Lämmer dort,
Wie rot die Blümlein hier!«

Der Jüngling ihr entgegenbot:
»O kämest du herab zu mir!
Wie glänzen so die Wänglein rot,
Wie weiß die Arme dir!«

Und als er nun mit stillem Weh
In jeder Früh' vorübertrieb,
Da sah er hin, bis in der Höh'
Erschien sein holdes Lieb.

Dann rief er freundlich ihr hinauf:
»Willkommen, Königstöchterlein!«
Ihr süßes Wort ertönte drauf:
»Viel Dank, du Schäfer mein!«

Der Winter floh, der Lenz erschien,
Die Blümlein blühten reich umher;
Der Schäfer tat zum Schlosse ziehn,
Doch sie erschien nicht mehr.

Er rief hinauf so klagevoll:
»Willkommen, Königstöchterlein!«
Ein Geisterlaut herunterscholl:
»Ade, du Schäfer mein!«

Die Vätergruft.

Es ging wohl über die Heide
Zur alten Kapell' empor
Ein Greis im Waffengeschmeide
Und trat in den dunkeln Chor.

Die Särge seiner Ahnen
Standen die Hall' entlang,
Aus der Tiefe tät ihn mahnen
Ein wunderbarer Gesang.

»Wohl hab' ich euer Grüßen,
Ihr Heldengeister, gehört;
Eure Reihe soll ich schließen.
Heil mir! ich bin es wert!«

Es stand an kühler Stätte
Ein Sarg noch ungefüllt;
Den nahm er zum Ruhebette,
Zum Pfühle nahm er den Schild.

Die Hände tät er falten
Aufs Schwert und schlummert' ein;
Die Geisterlaute verhallten,
Da mocht' es gar stille sein.

Die sterbenden Helden.

Der Dänen Schwerter drängen Schwedens Heer
Zum wilden Meer;
Die Wagen klirren fern, es blinkt der Stahl
Im Mondenstrahl.
Da liegen sterbend auf dem Leichenfeld
Der schöne Sven und Ulf, der graue Held.

Sven.

O Vater, daß mich in der Jugend Kraft
Die Norne rafft!
Nun schlichtet nimmer meine Mutter mir
Der Locken Zier.
Vergeblich spähet meine Sängerin
Vom hohen Turm in alle Ferne hin.

Ulf.

Sie werden jammern, in der Nächte Graun
Im Traum uns schaun.
Doch sei getrost! bald bricht der bittre Schmerz
Ihr treues Herz.
Dann reicht die Buhle dir bei Odins Mahl,
Die goldgelockte, lächelnd den Pokal.

Sven.

Begonnen hab' ich einen Festgesang
Zum Saitenklang,
Von Königen und Helden grauer Zeit
In Lieb' und Streit.
Verlassen hängt die Harfe nun, und bang
Erweckt der Winde Wehen ihren Klang.

Ulf.

Es glänzet hoch und hehr im Sonnenstrahl
Allvaters Saal,
Die Sterne wandeln unter ihm, es ziehn
Die Stürme hin.
Dort tafeln mit den Vätern wir in Ruh',
Erhebe dann dein Lied und end' es du!

Sven.

O Vater, daß mich in der Jugend Kraft
Die Norne rafft!
Noch leuchtet keiner hohen Taten Bild
Auf meinem Schild.
Zwölf Richter thronen, hoch und schauerlich,
Die werten nicht des Heldenmahles mich.

Ulf.

Wohl wieget eines viele Taten auf
(Sie achten drauf),
Das ist um deines Vaterlandes Not
Der Heldentod.
Sieh hin! die Feinde fliehen. Blick' hinan!
Der Himmel glänzt, dahin ist unsre Bahn.

Der blinde König.

Was steht der nord'schen Fechter Schar
Hoch auf des Meeres Bord?
Was will in seinem grauen Haar
Der blinde König dort?
Er ruft, in bittrem Harme
Auf seinen Stab gelehnt,
Daß überm Meeresarme
Das Eiland wiedertönt:

»Gib, Räuber, aus dem Felsverlies
Die Tochter mir zurück!
Ihr Harfenspiel, ihr Lied, so süß,
War meines Alters Glück.
Vom Tanz auf grünem Strande
Hast du sie weggeraubt;
Dir ist es ewig Schande,
Mir beugt's das graue Haupt.«

Da tritt aus seiner Kluft hervor
Der Räuber groß und wild,
Er schwingt sein Hünenschwert empor
Und schlägt an seinen Schild:
»Du hast ja viele Wächter,
Warum denn litten's die?
Dir dient so mancher Fechter,
Und keiner kämpft um sie?«

Noch stehn die Fechter alle stumm,
Tritt keiner aus den Reihn,
Der blinde König kehrt sich um:
»Bin ich denn ganz allein?«
Da faßt des Vaters Rechte
Sein junger Sohn so warm:
»Vergönn' mir's, daß ich fechte!
Wohl fühl' ich Kraft im Arm.«

»O Sohn, der Feind ist riesenstark,
Ihm hielt noch keiner stand;
Und doch, in dir ist edles Mark,
Ich fühl's am Druck der Hand.
Nimm hier die alte Klinge!
Sie ist der Skalden Preis.
Und fällst du, so verschlinge
Die Flut mich armen Greis!«

Und horch! es schäumet, und es rauscht
Der Nachen übers Meer;
Der blinde König steht und lauscht,
Und alles schweigt umher,
Bis drüben sich erhoben
Der Schild' und Schwerter Schall
Und Kampfgeschrei und Toben
Und dumpfer Widerhall.

Da ruft der Greis so freudig bang:
»Sagt an, was ihr erschaut!
Mein Schwert (ich kenn's am guten Klang),
Es gab so scharfen Laut.« –
»Der Räuber ist gefallen,
Er hat den blut'gen Lohn.
Heil dir, du Held vor allen,
Du starker Königssohn!«

Und wieder wird es still umher,
Der König steht und lauscht:
»Was hör' ich kommen übers Meer?
Es rudert und es rauscht.«
»Sie kommen angefahren,
Dein Sohn mit Schwert und Schild,
In sonnenhellen Haaren
Dein Töchterlein Gunild.«

»Willkommen!« ruft vom hohen Stein
Der blinde Greis hinab,
»Nun wird mein Alter wonnig sein
Und ehrenvoll mein Grab.
Du legst mir, Sohn, zur Seite
Das Schwert von gutem Klang;
Gunilde, du befreite,
Singst mir den Grabgesang.«

Der Sänger.

Noch singt den Widerhallen
Der Knabe sein Gefühl,
Die Elfe hat Gefallen
Am jugendlichen Spiel.
Es glänzen seine Lieder
Wie Blumen rings um ihn,
Sie gehn mit ihm wie Brüder
Durch stille Haine hin.

Er kommt zum Völkerfeste,
Er singt im Königssaal,
Ihm staunen alle Gäste,
Sein Lied verklärt das Mahl;
Der Frauen schönste krönen
Mit lichten Blumen ihn;
Er senkt das Aug' in Tränen,
Und seine Wangen glühn.

Gretchens Freude.

Was soll doch dies Trommeten sein?
Was deutet dies Geschrei?
Will treten an das Fensterlein,
Ich ahne, was es sei.

Da kehrt er ja, da kehrt er schon
Vom festlichen Turnei,
Der ritterliche Königssohn,
Mein Buhle wundertreu.

Wie steigt das Roß und schwebt daher!
Wie trutzlich sitzt der Mann!
Fürwahr, man dächt' es nimmermehr,
Wie sanft er spielen kann.

Wie schimmert so der Helm von Gold,
Des Ritterspieles Dank!
Ach, drunter glühn, vor allem hold,
Die Augen blau und blank.

Wohl starrt um ihn des Panzers Erz,
Der Rittermantel rauscht;
Doch drunter schlägt ein mildes Herz,
Das Lieb' um Liebe tauscht.

Die Rechte läßt den Gruß ergehn,
Sein Helmgefieder wankt;
Da neigen sich die Damen schön,
Des Volkes Jubel dankt.

Was jubelt ihr und neigt euch so?
Der schöne Gruß ist mein.
Viel Dank, mein Lieb! Ich bin so froh;
Gewiß, ich bring' dir's ein.

Nun zieht er in des Vaters Schloß
Und knieet vor ihm hin
Und schnallt den goldnen Helm sich los
Und reicht dem König ihn.

Dann abends eilt zu Liebchens Tür
Sein leiser, loser Schritt;
Da bringt er frische Küsse mir
Und neue Liebe mit.

Das Schloß am Meer.

Hast du das Schloß gesehen,
Das hohe Schloß am Meer?
Golden und rosig wehen
Die Wolken drüber her.

Es möchte sich niederneigen
In die spiegelklare Flut,
Es möchte streben und steigen
In der Abendwolken Glut.

»Wohl hab' ich es gesehen,
Das hohe Schloß am Meer,
Und den Mond darüber stehen
Und Nebel weit umher.«

Der Wind und des Meeres Wallen,
Gaben sie frischen Klang?
Vernahmst du aus hohen Hallen
Saiten und Festgesang?

»Die Winde, die Wogen alle
Lagen in tiefer Ruh';
Einem Klagelied aus der Halle
Hört' ich mit Tränen zu.«

Sahest du oben gehen
Den König und sein Gemahl,
Der roten Mäntel Wehen,
Der goldnen Kronen Strahl?

Führten sie nicht mit Wonne
Eine schöne Jungfrau dar,
Herrlich wie eine Sonne,
Strahlend im goldnen Haar?

»Wohl sah ich die Eltern beide,
Ohne der Kronen Licht,
Im schwarzen Trauerkleide;
Die Jungfrau sah ich nicht.«

Der Pilger.

Es wallt ein Pilger hohen Dranges,
Er wallt zur sel'gen Gottesstadt,
Zur Stadt des himmlischen Gesanges,
Die ihm der Geist verheißen hat.

»Du klarer Strom, in deinem Spiegel
Wirst du die heil'ge bald umfahn;
Ihr sonnenhellen Felsenhügel,
Ihr schaut sie schon von weitem an.

»Wie ferne Glocken hör' ich's klingen;
Das Abendrot durchblüht den Hain.
O hätt' ich Flügel, mich zu schwingen
Weit über Tal und Felsenreihn!«

Er ist von hoher Wonne trunken,
Er ist von süßen Schmerzen matt,
Und in die Blumen hingesunken,
Gedenkt er seiner Gottesstadt:

»Sie sind zu groß noch, diese Räume,
Für meiner Sehnsucht Flammenqual.
Empfahet ihr mich, milde Träume,
Und zeigt mir das ersehnte Tal!«

Da ist der Himmel aufgeschlagen,
Sein lichter Engel schaut herab:
»Wie sollt' ich dir die Kraft versagen,
Dem ich das hohe Sehnen gab!

Die Sehnsucht und der Träume Weben,
Sie sind der weichen Seele süß;
Doch edler ist ein starkes Streben
Und macht den schönen Traum gewiß.«

Er schwindet in die Morgendüfte;
Der Pilger springt gestärkt empor,
Er strebet über Berg' und Klüfte,
Er stehet schon am goldnen Tor.

Und sieh! gleich Mutterarmen schließet
Die Stadt der Pforte Flügel auf,
Ihr himmlischer Gesang begrüßet
Den Sohn nach tapfrem Pilgerlauf.

Abschied.

Was klinget und singet die Straß' herauf?
Ihr Jungfern, machet die Fenster auf!
Es ziehet der Bursch in die Weite,
Sie geben ihm das Geleite.

Wohl jauchzen die andern und schwingen die Hüt',
Viel Bänder darauf und viel edle Blüt';
Doch dem Burschen gefällt nicht die Sitte,
Geht still und bleich in der Mitte.

Wohl klingen die Kannen, wohl funkelt der Wein;
»Trink aus und trink wieder, lieb Bruder mein!« –
»Mit dem Abschiedsweine nur fliehet,
Der da innen mir brennet und glühet!«

Und draußen am allerletzten Haus,
Da gucket ein Mägdlein zum Fenster heraus,
Sie möcht' ihre Tränen verdecken
Mit Gelbveiglein und Rosenstöcken.

Und draußen am allerletzten Haus,
Da schlägt der Bursche die Augen auf
Und schlägt sie nieder mit Schmerze
Und leget die Hand aufs Herze.

»Herr Bruder, und hast du noch keinen Strauß,
Dort winken und wanken viel Blumen heraus.
Wohlauf, du Schönste von allen,
Laß ein Sträußlein herunterfallen!«

»Ihr Brüder, was sollte das Sträußlein mir?
Ich hab' ja kein Liebchen wie ihr;
An der Sonne würd' es vergehen,
Der Wind, der würd' es verwehen.«

Und weiter, ja weiter mit Sang und mit Klang!
Und das Mägdlein lauschet und horchet noch lang:
»O weh! er ziehet, der Knabe,
Den ich stille geliebet habe.

»Da steh' ich, ach, mit der Liebe mein,
Mit Rosen und mit Gelbveigelein;
Dem ich alles gäbe so gerne,
Der ist nun in der Ferne.«

Des Knaben Tod.

»Zeuch' nicht den dunkeln Wald hinab!
Es gilt dein Leben, du junger Knab'!« –
»Mein Gott im Himmel, der ist mein Licht,
Der läßt mich im dunkeln Walde nicht.«

Da zeucht er hinunter, der junge Knab',
Es braust ihm zu Füßen der Strom hinab,
Es saust ihm zu Haupte der schwarze Wald,
Und die Sonne versinket in Wolken bald.

Und er kommt ans finstere Räuberhaus;
Eine holde Jungfrau schauet heraus:
»O wehe! du bist so ein junger Knab',
Was kommst du ins Tal des Todes herab?«

Aus dem Tor die mördrische Rotte bricht,
Die Jungfrau decket ihr Angesicht,
Sie stoßen ihn nieder, sie rauben sein Gut,
Sie lassen ihn liegen in seinem Blut.

»O weh! wie dunkel; keine Sonne, kein Stern!
Wen ruf' ich an? ist mein Gott so fern?
Ha, Jungfrau dort im himmlischen Schein,
Nimm auf meine Seel' in die Hände dein!«

Vom treuen Walther.

Der treue Walther ritt vorbei
An unsrer Frau Kapelle;
Da kniete gar in tiefer Reu'
Ein Mägdlein an der Schwelle:
»Halt an, halt an, mein Walther traut!
Kennst du nicht mehr der Stimme Laut,
Die du so gerne hörtest?«

»Wen seh' ich hier? Die falsche Maid,
Ach, weiland, ach, die Meine!
Wo ließest du dein seiden Kleid,
Wo Gold und Edelsteine?«
»O daß ich von der Treue ließ!
Verloren ist mein Paradies,
Bei dir nur find' ich's wieder.«

Er hub zu Roß das schöne Weib,
Er trug ein sanft Erbarmen;
Sie schlang sich fest um seinen Leib
Mit weißen, weichen Armen:
»Ach, Walther traut, mein liebend Herz,
Es schlägt an kaltes, starres Erz,
Es klopft nicht an dem deinen.«

Sie ritten ein in Walthers Schloß,
Das Schloß war öd' und stille.
Sie band den Helm dem Ritter los;
Hin war der Schönheit Fülle:
»Die Wangen bleich, die Augen trüb,
Sie sind dein Schmuck, du treues Lieb!
Du warst mir nie so lieblich.«

Die Rüstung löst die fromme Maid
Dem Herrn, den sie betrübet:
»Was seh' ich? Ach, ein schwarzes Kleid.
Wer starb, den du geliebet?«
»Die Liebste mein betraur' ich sehr,
Die ich auf Erden nimmermehr,
Noch überm Grabe finde.«

Sie sinkt zu seinen Füßen hin
Mit ausgestreckten Armen:
»Da lieg' ich arme Büßerin,
Dich fleh' ich um Erbarmen.
Erhebe mich zu neuer Lust!
Laß mich an deiner treuen Brust
Von allem Leid genesen!«

»Steh auf, steh auf, du armes Kind!
Ich kann dich nicht erheben;
Die Arme mir verschlossen sind,
Die Brust ist ohne Leben.
Sei traurig stets, wie ich es bin!
Die Lieb ist hin, die Lieb ist hin
Und kehret niemals wieder.«

Der Traum.

Im schönsten Garten wallten
Zwei Buhlen Hand in Hand,
Zwo bleiche, kranke Gestalten;
Sie saßen ins Blumenland.

Sie küßten sich auf die Wangen
Und küßten sich auf den Mund,
Sie hielten sich fest umfangen,
Sie wurden jung und gesund.

Zwei Glöcklein klangen helle,
Der Traum entschwand zur Stund';
Sie lag in der Klosterzelle,
Er fern in Turmes Grund.

Drei Fräulein.

1.

Drei Fräulein sahn vom Schlosse
Hinab ins tiefe Tal;
Ihr Vater kam zu Rosse,
Er trug ein Kleid von Stahl.
»Willkomm, Herr Vater, gottwillkomm!
Was bringst du deinen Kindern?
Wir waren alle fromm.«

»Mein Kind im gelben Kleide,
Heut hab' ich dein gedacht.
Der Schmuck ist deine Freude,
Dein Liebstes ist die Pracht;
Von rotem Gold die Kette hier
Nahm ich dem stolzen Ritter,
Gab ihm den Tod dafür.«

Das Fräulein schnell die Kette
Um ihren Nacken band;
Sie ging hinab zur Stätte,
Da sie den Toten fand:
»Du liegst am Wege wie ein Dieb
Und bist ein edler Ritter
Und bist mein feines Lieb.«

Sie trug ihn auf den Armen
Zum Gotteshaus hinab,
Sie legt' ihn mit Erbarmen
In seiner Väter Grab.
Die Kett', die ihr am Halse schien,
Die zog sie fest zusammen
Und sank zum Lieb dahin.

2.

Zwei Fräulein sahn vom Schlosse
Hinab ins tiefe Tal;
Ihr Vater kam zu Rosse,
Er trug ein Kleid von Stahl.
»Willkomm, Herr Vater, gottwillkomm!
Was bringst du deinen Kindern?
Wir waren beide fromm.«

»Mein Kind im grünen Kleide,
Heut hab' ich dein gedacht.
Die Jagd ist deine Freude
Bei Tag und auch bei Nacht;
Den Spieß am goldnen Bande hier
Nahm ich dem wilden Jäger,
Gab ihm den Tod dafür.«

Sie nahm den Spieß zu Händen,
Den ihr der Vater bot,
Tät in den Wald sich wenden,
Ihr Jagdruf war der Tod.
Dort in der Linde Schatten traf
Sie bei den treuen Bracken
Ihr Lieb im tiefen Schlaf:

»Ich komme zu der Linde,
Wie ich dem Lieb verhieß.«
Da stieß sie gar geschwinde
In ihre Brust den Spieß.
Sie ruhten beieinander kühl,
Waldvöglein sangen oben,
Grün Laub herunterfiel.

3.

Ein Fräulein sah vom Schlosse
Hinab ins tiefe Tal;
Ihr Vater kam zu Rosse,
Er trug ein Kleid von Stahl.
»Willkomm, Herr Vater, gottwillkomm!
Was bringst du deinem Kinde?
Ich war wohl still und fromm.«

»Mein Kind im weißen Kleide,
Heut hab' ich dein gedacht.
Die Blumen sind dein' Freude,
Mehr als des Goldes Pracht;
Das Blümlein, klar wie Silber, hier
Nahm ich dem kühnen Gärtner,
Gab ihm den Tod dafür.«

»Wie war er so verwegen?
Warum erschlugst du ihn?
Er tät der Blümlein pflegen,
Die werden nun verblühn.«
»Er hat mir wunderkühn versagt
Die schönste Blum' im Garten;
Die spart' er seiner Magd.«

Das Blümlein lag der Zarten
An ihrer weichen Brust.
Sie ging in einen Garten,
Der war wohl ihre Lust.
Da schwoll ein frischer Hügel auf,
Dort bei den weißen Lilien;
Sie setzte sich darauf:

»O könnt' ich tun zur Stunde
Den lieben Schwestern gleich!
Doch 's Blümlein gibt kein' Wunde,
Es ist so zart und weich.«
Aufs Blümlein sah sie bleich und krank,
Bis daß ihr Blümlein welkte,
Bis daß sie niedersank.

Der schwarze Ritter.

Pfingsten war, das Fest der Freude,
Das da feiern Wald und Heide.
Hub der König an zu sprechen:
»Auch aus den Hallen
Der alten Hofburg allen
Soll ein reicher Frühling brechen.«

Trommeln und Trommeten schallen,
Rote Fahnen festlich wallen.
Sah der König vom Balkone;
In Lanzenspielen
Die Ritter alle fielen
Vor des Königs starkem Sohne.

Aber vor des Kampfes Gitter
Ritt zuletzt ein schwarzer Ritter.
»Herr, wie ist Eur Nam' und Zeichen?« –
»Würd' ich es sagen,
Ihr möchtet zittern und zagen;
Bin ein Fürst von großen Reichen.«

Als er in die Bahn gezogen,
Dunkel ward des Himmels Bogen,
Und das Schloß begann zu beben.
Beim ersten Stoße
Der Jüngling sank vom Rosse,
Konnte kaum sich wieder heben.

Pfeif' und Geige ruft zu Tänzen,
Fackeln durch die Säle glänzen;
Wankt ein großer Schatten drinnen.
Er tät mit Sitten
Des Königs Tochter bitten,
Tät den Tanz mit ihr beginnen.

Tanzt im schwarzen Kleid von Eisen,
Tanzet schauerliche Weisen,
Schlingt sich kalt um ihre Glieder.
Von Brust und Haaren
Entfallen ihr die klaren
Blümlein welk zur Erde nieder.

Und zur reichen Tafel kamen
Alle Ritter, alle Damen.
Zwischen Sohn und Tochter innen
Mit bangem Mute
Der alte König ruhte,
Sah sie an mit stillem Sinnen.

Bleich die Kinder beide schienen;
Bot der Gast den Becher ihnen:
»Goldner Wein macht euch genesen.«
Die Kinder tranken,
Sie täten höflich danken:
»Kühl ist dieser Trunk gewesen.«

An des Vaters Brust sich schlangen
Sohn und Tochter; ihre Wangen
Täten völlig sich entfärben.
Wohin der graue
Erschrockne Vater schaue,
Sieht er eins der Kinder sterben.

»Weh! die holden Kinder beide
Nahmst du hin in Jugendfreude;
Nimm auch mich, den Freudelosen!«
Da sprach der Grimme
Mit hohler, dumpfer Stimme:
»Greis, im Frühling brech' ich Rosen.«

Der Rosengarten.

Vom schönen Rosengarten
Will ich mit Sang euch melden;
Am Morgen lustwandelten Fraun,
Am Abend fochten die Helden.

»Mein Herr ist König im Land,
Ich herrsch' im Garten der Rosen;
Er hat sich die güldene Kron',
Ich den Blumenkranz mir erkosen.

So hört, ihr junge Recken,
Ihr lieben drei Wächter mein!
Laßt alle zarten Jungfräulein,
Laßt keinen Ritter herein!

Sie möchten die Rosen verderben;
Das brächte mir große Sorgen.«
So sprach die schöne Königin,
Als sie dannen ging am Morgen.

Da wandelten die drei Wächter
Gar treulich vor der Tür.
Die Röslein dufteten stille
Und blickten lieblich herfür.

Und kamen des Weges mit Sitten
Drei zarte Jungfräulein:
»Ihr Wächter, liebe drei Wächter,
Laßt uns in den Garten ein!«

Als die Jungfraun Rosen gebrochen,
Da haben sie all gesprochen:
»Was blutet mir so die Hand?
Hat mich das Röslein gestochen?«

Da wandelten die drei Wächter
Gar treulich vor der Tür.
Die Röslein dufteten stille
Und blickten lieblich herfür.

Und kamen des Wegs auf Rossen
Drei freche Rittersleut':
»Ihr Wächter, schnöde drei Wächter,
Sperret auf die Türe weit!«

»Die Türe, die bleibet zu,
Die Schwerter, die sind bloß;
Die Rosen, die sind teuer,
Eine Wund' gilt jegliche Ros'.«

Da stritten die Ritter und Wächter,
Die Ritter den Sieg erwarben,
Zertraten die Röslein all;
Mit den Rosen die Wächter starben.

Und als es war am Abend,
Frau Königin kam herbei:
»Und sind meine Rosen zertreten,
Erschlagen die Jünglinge treu,

So will ich auf Rosenblättern
Sie legen in die Erden,
Und wo der Rosengarten war,
Soll der Liliengarten werden.

Wer ist es, der die Lilien
Mir treulich nun bewacht?
Bei Tage die liebe Sonne,
Der Mond und die Sterne bei Nacht.«

Die Lieder der Vorzeit.

1807.

Als Knabe stieg ich in die Hallen
Verlaßner Burgen oft hinan;
Durch alte Städte tät ich wallen
Und sah die hohen Münster an.
Da war es, daß mit stillem Mahnen
Der Geist der Vorwelt bei mir stand,
Da ließ er frühe schon mich ahnen,
Was später ich in Büchern fand:

Daß Jungfraun dort von ew'gem Preise,
Die heil'gen Lieder, einst gewohnt,
Und in der Edelfrauen Kreise
Beim Feste des Gesangs gethront.
Da kam der Krieger wild Geschlechte
Und warf den Brand ins frohe Haus,
Die Schwestern flohn im Graun der Nächte
Nach allen Seiten zagend aus.

Wie manche schmachtet, hart gefangen,
In eines Kerkers dunklem Grund!
Zu keinem milden Ohr gelangen
Die Kläng' aus ihrem zarten Mund.
Ach, jene, die auf öden Wegen
Umhergeirret krank und müd,
Sie ist dem schweren Gram erlegen
Und sang noch einmal, eh' sie schied.

In eines armen Mädchens Kammer
Ist einer andern Aufenthalt.
Sie mischt sich in der Freundin Jammer,
Wann still der Mond am Himmel wallt.
Auch manche wagt der Märterinnen
Sich in des Marktes frech Gewühl,
Sie will der Menschen Herz gewinnen
Und singet sanft zum Saitenspiel.

Getrost! schon sinken eure Bande,
Und Boten ziehn nach Ost und West,
In eine Stadt am Neckarstrande
Zu laden euch zum neuen Fest.
Ihr Heitern, kommt zu Tanzes Feier,
Laßt wehn das rosige Gewand!
Ihr Ernsten, wallt im Nonnenschleier,
Die weiße Lilie in der Hand!

Die drei Lieder.

In der hohen Hall' saß König Sifrid:
Ihr Harfner, wer weiß mir das schönste Lied?
Und ein Jüngling trat aus der Schar behende,
Die Harf' in der Hand, das Schwert an der Lende:

Drei Lieder weiß ich; den ersten Sang,
Den hast du ja wohl vergessen schon lang:
»Meinen Bruder hast du meuchlings erstochen!«
Und aber: »Hast ihn meuchlings erstochen!«

Das andre Lied, das hab' ich erdacht
In einer finstern, stürmischen Nacht:
»Mußt mit mir fechten auf Leben und Sterben!«
Und aber: »Mußt fechten auf Leben und Sterben!«

Da lehnt er die Harfe wohl an den Tisch,
Und sie zogen beide die Schwerter frisch
Und fochten lange mit wildem Schalle,
Bis der König sank in der hohen Halle.

Nun sing' ich das dritte, das schönste Lied,
Das werd' ich nimmer zu singen müd:
»König Sifrid liegt in seinem roten Blute!«
Und aber: »Liegt in seinem roten Blute!«

Der junge König und die Schäferin.

1.

In dieser Maienwonne,
Hier auf dem grünen Plan,
Hier unter der goldnen Sonne,
Was heb' ich zu singen an?

Wohl blaue Wellen gleiten,
Wohl goldne Wolken ziehn,
Wohl schmucke Reiter reiten
Das Wiesental dahin.

Wohl lichte Bäume wehen,
Wohl klare Blumen blühn,
Wohl Schäferinnen stehen
Umher in Tales Grün.

Herr Goldmar ritt mit Freuden
Vor seinem stolzen Zug,
Einen roten Mantel seiden,
Eine goldne Kron' er trug.

Da sprang vom Roß geschwinde
Der König wohlgetan,
Er band es an eine Linde,
Ließ ziehn die Schar voran.

Es war ein frischer Bronne
Dort in den Büschen kühl;
Da sangen die Vögel mit Wonne,
Der Blümlein glänzten viel.

Warum sie sangen so helle?
Warum sie glänzten so baß?
Weil an dem kühlen Quelle
Die schönste Schäferin saß.

Herr Goldmar geht durch Hecken,
Er rauschet durch das Grün;
Die Lämmer drob erschrecken,
Zur Schäferin sie fliehn.

»Willkommen, gottwillkommen,
Du wunderschöne Maid!
Wärst du zu Schrecken gekommen,
Mir wär' es herzlich leid.«

»Bin wahrlich nicht erblichen,
Als ich dir schwören mag;
Ich meint', es hab' durchstrichen
Ein loser Vogel den Hag.«

»Ach, wolltest du mich erquicken
Aus deiner Flasche hier,
Ich würd' es ins Herz mir drücken
Als die größte Huld von dir.«

»Meine Flasche magst du haben,
Noch keinem macht' ich's schwer;
Will jeden daraus laben,
Und wenn es ein König wär'.«

Zu schöpfen sie sich bücket,
Aus der Flasch' ihn trinken läßt;
Gar zärtlich er sie anblicket,
Doch hält sie die Flasche fest.

Er spricht, von Lieb' bezwungen:
»Wie bist du so holder Art,
Als wärest du erst entsprungen
Mit den andern Blumen zart.

»Und bist doch mit Würd' umfangen
Und strahlest doch Adel aus,
Als wärest hervorgegangen
Aus eines Königs Haus.«

»Frag' meinen Vater, den Schäfer,
Ob er ein König was!
Frag' meine Mutter, die Schäfrin,
Ob sie auf dem Throne saß!«

Seinen Mantel legt er der Holden
Um ihren Nacken klar,
Er setzet die Krone golden
In ihr nußbraunes Haar.

Gar stolz die Schäferin blicket,
Sie ruft mit hohem Schall:
»Ihr Blumen und Bäume, bücket,
Ihr Lämmer, neigt euch all!«

Und als den Schmuck sie wieder
Ihm beut mit lachendem Mund,
Da wirft er die Krone nieder
In des Bronnen klaren Grund:

»Die Kron' ich dir vertraue,
Ein herzlich Liebespfand,
Bis ich dich wiederschaue
Nach manchem harten Stand.

»Ein König liegt gebunden
Schon sechzehn lange Jahr',
Sein Land ist überwunden
Von böser Feinde Schar.

»Ich will sein Land erretten
Mit meinen Rittern traut,
Ich will ihm brechen die Ketten,
Daß er den Frühling schaut.

»Ich ziehe zum ersten Kriege,
Mir werden die Tage schwül.
Sprich! labst du mich nach dem Siege
Hier aus dem Bronnen kühl?«

»Ich will dir schöpfen und langen,
Soviel der Bronne vermag;
Auch sollst du die Kron' empfangen
So blank wie an diesem Tag.«

Der erste Sang ist gesungen,
So folget gleich der letzt';
Ein Vogel hat sich geschwungen,
Laßt sehen, wo er sich setzt!

2.

Nun soll ich sagen und singen
Von Trommeten- und Schwerterklang,
Und hör' doch Schalmeien klingen
Und höre der Lerchen Gesang.

Nun soll ich singen und sagen
Von Leichen und von Tod,
Und seh' doch die Bäum' ausschlagen
Und sprießen die Blümlein rot.

Nur von Goldmar will ich melden
(Ihr hättet es nicht gedacht):
Er war der erste der Helden,
Wie bei Frauen, so in der Schlacht.

Er gewann die Burg im Sturme,
Steckt' auf sein Siegspanier;
Da stieg aus tiefem Turme
Der alte König herfür:

»O Sonn', o ihr Berge drüben,
O Feld und o grüner Wald!
Wie seid ihr so jung geblieben,
Und ich bin worden so alt!«

Mit reichem Glanz und Schalle
Das Siegesfest begann;
Doch, wer nicht saß in der Halle,
Das nicht beschreiben kann.

Und wär' ich auch gesessen
Dort in der Gäste Reihn,
Doch hätt' ich das andre vergessen
Ob all dem edeln Wein.

Da tat zu Goldmar sprechen
Der königliche Greis:
»Ich geb' ein Lanzenbrechen,
Was setz' ich euch zum Preis?«

Herr König hochgeboren,
So setzet uns zum Preis
Statt goldner Helm' und Sporen
Einen Stab und ein Lämmlein weiß!«

Um was sonst Schäfer laufen
In die Wett' im Blumengefild,
Drum sah man die Ritterhaufen
Sich tummeln mit Lanz' und Schild.

Da warf die Ritter alle
Herr Goldmar in den Kreis;
Er empfing bei Trommetenschalle
Einen Stab und ein Lämmlein weiß.

Und wieder begann zu sprechen
Der königliche Greis:
»Ich geb' ein neues Stechen
Und setz' einen höhern Preis.

»Wohl setz' ich euch zum Lohne
Nicht eitel Spiel und Tand,
Ich setz' euch meine Krone
Aus der schönsten Königin Hand.«

Wie glühten da die Gäste
Beim hohen Trommetenschall!
Wollt' jeder tun das Beste,
Herr Goldmar warf sie all.

Der König stand im Gaden
Mit Frauen und mit Herrn,
Er ließ Herrn Goldmar laden,
Der Ritter Blum' und Stern.

Da kam der Held im Streite,
Den Schäferstab in der Hand,
Das Lämmlein weiß zur Seite
An rosenfarbem Band.

Der König sprach: »Ich lohne
Dir nicht mit Spiel und Tand,
Ich gebe dir meine Krone
Aus der schönsten Königin Hand.«

Er sprach's und schlug zurücke
Den Schleier der Königin;
Herr Goldmar mit keinem Blicke
Wollt' sehen nach ihr hin:

»Keine Königin soll mich gewinnen
Und keiner Krone Strahl,
Ich trachte mit allen Sinnen
Nach der Schäferin im Tal.

»Ich will zum Gruß ihr bieten
Das Lämmlein und den Stab.
So mög' euch Gott behüten!
Ich zieh' ins Tal hinab.«

Da rief eine Stimm' so helle,
Und ihm ward mit einemmal,
Als sängen die Vögel am Quelle,
Als glänzten die Blumen im Tal.

Die Augen tät er heben,
Die Schäferin vor ihm stand,
Mit reichem Geschmeid umgeben,
Die blanke Kron' in der Hand:

»Willkommen, du viel Schlimmer,
In meines Vaters Haus!
Sprich! willst du ziehen noch immer
Ins grüne Tal hinaus?

»So nimm doch zuvor die Krone,
Die du mir ließest zum Pfand!
Mit Wucher ich dir lohne,
Sie herrscht nun über zwei Land'.«

Nicht länger blieben sie stehen
Das eine vom andern fern.
Was weiter nun geschehen,
Das wüßtet ihr wohl gern?

Und wollt' es ein Mädchen wissen,
Dem tät ich's plötzlich kund,
Dürft' ich sie umfahn und küssen
Auf den rosenroten Mund.

Des Goldschmieds Töchterlein.

Ein Goldschmied in der Bude stand
Bei Perl' und Edelstein:
»Das beste Kleinod, das ich fand,
Das bist doch du, Helene,
Mein teures Töchterlein!«

Ein schmucker Ritter trat herein:
»Willkommen, Mägdlein traut!
Willkommen, lieber Goldschmied mein!
Mach' mir ein köstlich Kränzchen
Für meine süße Braut!«

Und als das Kränzlein war bereit
Und spielt in reichem Glanz,
Da hängt' Helen' in Traurigkeit,
Wohl als sie war alleine,
An ihren Arm den Kranz:

»Ach, wunderselig ist die Braut,
Die's Krönlein tragen soll.
Ach, schenkte mir der Ritter traut
Ein Kränzlein nur von Rosen,
Wie wär' ich freudenvoll!«

Nicht lang, der Ritter trat herein,
Das Kränzlein wohl beschaut':
»O fasse, lieber Goldschmied mein,
Ein Ringlein mit Demanten
Für meine süße Braut!«

Und als das Ringlein war bereit
Mit teurem Demantstein,
Da steckt' Helen' in Traurigkeit,
Wohl als sie war alleine,
Es halb ans Fingerlein:

»Ach, wunderselig ist die Braut,
Die 's Ringlein tragen soll.
Ach, schenkte mir der Ritter traut
Nur seines Haars ein Löcklein,
Wie wär' ich freudenvoll!«

Nicht lang, der Ritter trat herein,
Das Ringlein wohl beschaut':
»Du hast, o lieber Goldschmied mein,
Gar fein gemacht die Gaben
Für meine süße Braut.

»Doch, daß ich wisse, wie ihr's steh',
Tritt, schöne Maid, herzu.
Daß ich an dir zur Probe seh'
Den Brautschmuck meiner Liebsten!
Sie ist so schön wie du.«

Es war an einem Sonntag früh;
Drum hatt' die feine Maid
Heut angetan mit sonderer Müh',
Zur Kirche hinzugehen,
Ihr allerbestes Kleid.

Von holder Scham erglühend ganz
Sie vor dem Ritter stand;
Er setzt' ihr auf den goldnen Kranz,
Er steckt ihr an das Ringlein,
Dann faßt er ihre Hand:

»Helene süß, Helene traut!
Der Scherz ein Ende nimmt.
Du bist die allerschönste Braut,
Für die ich 's goldne Kränzlein,
Für die den Ring bestimmt.

»Bei Gold und Perl' und Edelstein
Bist du erwachsen hier;
Das sollte dir ein Zeichen sein,
Daß du zu hohen Ehren
Eingehen wirst mit mir.«

Der Wirtin Töchterlein.

Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein,
Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein:

»Frau Wirtin, hat Sie gut Bier und Wein?
Wo hat Sie Ihr schönes Töchterlein?«

»Mein Bier und Wein ist frisch und klar,
Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr'.«

Und als sie traten zur Kammer hinein,
Da lag sie in einem schwarzen Schrein.

Der erste, der schlug den Schleier zurück
Und schaute sie an mit traurigem Blick:

»Ach, lebtest du noch, du schöne Maid!
Ich würde dich lieben von dieser Zeit.«

Der zweite deckte den Schleier zu
Und kehrte sich ab und weinte dazu:

»Ach, daß du liegst auf der Totenbahr'!
Ich hab' dich geliebet so manches Jahr.«

Der dritte hub ihn wieder sogleich
Und küßte sie an den Mund so bleich:

»Dich liebt' ich immer, dich lieb' ich noch heut
Und werde dich lieben in Ewigkeit.«

Die Mähderin.

»Guten Morgen, Marie! So frühe schon rüstig und rege?
Dich, treueste der Mägde, dich machet die Liebe nicht träge.
Ja, mähst du die Wiese mir ab von jetzt in drei Tagen,
Nicht dürft' ich den Sohn dir, den einzigen, länger versagen.«

Der Pächter, der stattlich begüterte, hat es gesprochen.
Marie, wie fühlt sie den liebenden Busen sich pochen!
Ein neues, ein kräftiges Leben durchdringt ihr die Glieder:
Wie schwingt sie die Sense, wie streckt sie die Mahden danieder!

Der Mittag glühet, die Mähder des Feldes ermatten,
Sie suchen zur Labe den Quell und zum Schlummer den Schatten;
Noch schaffen im heißen Gefilde die summenden Bienen;
Marie, sie ruht nicht, sie schafft in die Wette mit ihnen.

Die Sonne versinkt, es ertönet das Abendgeläute.
Wohl rufen die Nachbarn: »Marie, genug ist's für heute.«
Wohl ziehen die Mähder, der Hirt und die Herde von hinnen;
Marie, sie dengelt die Sense zu neuem Beginnen.

Schon sinket der Tau, schon erglänzen der Mond und die Sterne,
Es duften die Mahden, die Nachtigall schlägt aus der Ferne;
Marie verlangt nicht zu rasten, verlangt nicht zu lauschen,
Stets läßt sie die Sense, die kräftig geschwungene, rauschen.

So fürder von Abend zu Morgen, von Morgen zu Abend,
Mit Liebe sich nährend, mit seliger Hoffnung sich labend.
Zum drittenmal hebt sich die Sonne, da ist es geschehen;
Dort seht ihr Marien, die wonniglich weinende, stehen.

»Guten Morgen, Marie! Was seh' ich? O fleißige Hände!
Gemäht ist die Wiese, das lohn' ich mit reichlicher Spende;
Allein mit der Heirat ... du nahmest im Ernste mein Scherzen.
Leichtgläubig, man sieht es, und töricht sind liebende Herzen.«

Er spricht es und geht des Wegs; doch der armen Marie
Erstarret das Herz, ihr brechen die bebenden Knie.
Die Sprache verloren, Gefühl und Besinnung geschwunden,
So wird sie, die Mähderin, dort in den Mahden gefunden.

So lebt sie noch Jahre, so stummer, erstorbener Weise,
Und Honig, ein Tropfen, das ist ihr die einzige Speise.
O haltet ein Grab ihr bereit auf der blühendsten Wiese!
So liebende Mähderin gab es doch nimmer wie diese.

Sterbeklänge.

1. Das Ständchen.

»Was wecken aus dem Schlummer mich
Für süße Klänge doch?
O Mutter, sieh! wer mag es sein
In später Stunde noch?«

»Ich höre nichts, ich sehe nichts.
O schlummre fort so lind!
Man bringt dir keine Ständchen jetzt,
Du armes, krankes Kind!«

»Es ist nicht irdische Musik,
Was mich so freudig macht;
Mich rufen Engel mit Gesang.
O Mutter, gute Nacht!«

2. Die Orgel.

»Noch einmal spielt die Orgel mir,
Mein alter Nachbarsmann!
Versucht es, ob ihr frommer Schall
Mein Herz erquicken kann!«

Die Kranke bat, der Nachbar spielt;
So spielt' er nie vorher,
So rein, so herrlich, nein, er kennt
Sein eigen Spiel nicht mehr.

Es ist ein fremder, sel'ger Klang,
Der seiner Hand entbebt;
Er hält mit Grauen ein, da war
Der Freundin Geist entschwebt.

3. Die Drossel.

»Ich will ja nicht zum Garten gehn,
Will liegen sommerlang,
Hört' ich die lust'ge Drossel nur,
Die in dem Busche sang.«

Man fängt dem Kind die Drossel ein;
Im Käfig sitzt sie dort,
Doch singen will sie nicht und hängt
Ihr Köpfchen immerfort.

Noch einmal blickt das Kind nach ihr
Mit bittendem Gesicht,
Da schlägt die Drossel schön und hell,
Da glänzt sein Aug' und bricht.

Der Leitstern.

Der ausfuhr nach dem Morgenlande,
Des fremden Schiffes leichte Last,
Schon führt er zu der Heimat Strande,
Von Golde schwer, den eigenen Mast.

Er hat so oft nach keinem Sterne
Wie nach dem Liebesstern geschaut;
Der lenkt' ihn glücklich aus der Ferne
Zur Vaterstadt der teuren Braut.

Noch hat er nicht das Ziel gefunden,
Obschon er in die Tore trat.
Wie mag er gleich die Braut erkunden
Im Labyrinth der großen Stadt?

Wie mag sein Auge sie erlauschen?
Der Blick ist überall verbaut.
Wie mag er durch der Märkte Rauschen
Vernehmen ihrer Stimme Laut?

Dort ist ein Fenster zugefallen,
Vielleicht hat sie herausgeschaut;
Hier dieses Schleiers eilig Wallen,
Verbirgt es nicht die teure Braut?

Schon dunkeln sich die Abendschatten,
Noch irrt er durch die Straßen hin,
Die Füße wollen ihm ermatten,
Das rege Herz doch treibet ihn.

Was hält er plötzlich staunend inne?
Horch, Saiten! welcher Stimme Laut!
Umsonst nicht sah er ob der Zinne
Den Liebesstern, dem er vertraut.

Des Sängers Wiederkehr.

Dort liegt der Sänger auf der Bahre,
Des bleicher Mund kein Lied beginnt;
Es kränzen Daphnes falbe Haare
Die Stirne, die nichts mehr ersinnt.

Man legt zu ihm in schmucken Rollen
Die letzten Lieder, die er sang;
Die Leier, die so hell erschollen,
Liegt ihm in Armen, sonder Klang.

So schlummert er den tiefen Schlummer;
Sein Lied umweht noch jedes Ohr,
Doch nährt es stets den herben Kummer,
Daß man den Herrlichen verlor.

Wohl Monden, Jahre sind verschwunden,
Cypressen wuchsen um sein Grab;
Die seinen Tod so herb empfunden,
Sie sanken alle selbst hinab.

Doch wie der Frühling wiederkehret
Mit frischer Kraft und Regsamkeit,
So wandelt jetzt, verjüngt, verkläret,
Der Sänger in der neuen Zeit;

Er ist den Lebenden vereinet,
Vom Hauch des Grabes keine Spur!
Die Vorwelt, die ihn tot gemeinet,
Lebt selbst in seinem Liede nur.

Sängers Vorüberziehn.

Ich schlief am Blütenhügel
Hart an des Pfades Rand,
Da lieh der Traum mir Flügel
Ins goldne Fabelland.

Erwacht, mit trunknen Blicken,
Wie wer aus Wolken fiel,
Gewahr' ich noch im Rücken
Den Sänger mit dem Spiel.

Er schwindet um die Bäume,
Noch hör' ich fernen Klang.
Ob der die Wunderträume
Mir in die Seele sang?

Traum.

Es hat mir jüngst geträumet,
Ich läg' auf steiler Höh';
Es war am Meeresstrande,
Ich sah wohl in die Lande
Und über die weite See.

Es lag am Ufer drunten
Ein schmuckes Schiff bereit,
Mit bunten Wimpeln wehend,
Der Ferg' am Ruder stehend,
Als wär' ihm lang die Zeit.

Da kam von fernen Bergen
Ein lust'ger Zug daher:
Wie Engel täten sie glänzen,
Geschmückt mit Blumenkränzen,
Und zogen nach dem Meer.

Voran dem Zuge schwärmten
Der muntern Kinder viel;
Die andern Becher schwangen,
Musizierten, sangen,
Schwebten in Tanz und Spiel.

Sie sprachen zu dem Schiffer:
»Willst du uns führen gern?
Wir sind die Wonnen und Freuden,
Wollen von der Erde scheiden,
All von der Erde fern.«

Er hieß ins Schiff sie treten,
Die Freuden allzumal,
Er sprach: »Sagt an, ihr Lieben!
Ist keins zurückgeblieben
Auf Bergen, noch im Tal?«

Sie riefen: »Wir sind alle!
Fahr zu, wir haben Eil'!«
Sie fuhren mit frischen Winden;
Fern, ferne sah ich schwinden
Der Erde Lust und Heil.

Das Schifflein.

Ein Schifflein ziehet leise
Den Strom hin seine Gleise;
Es schweigen, die drin wandern,
Denn keiner kennt den andern.

Was ziehet hier aus dem Felle
Der braune Weidgeselle?
Ein Horn, das sanft erschallet;
Das Ufer widerhallet.

Von seinem Wanderstabe
Schraubt jener Stift und Habe
Und mischt mit Flötentönen
Sich in des Hornes Dröhnen.

Das Mädchen saß so blöde,
Als fehlt' ihr gar die Rede;
Jetzt stimmt sie mit Gesange
Zu Horn- und Flötenklange.

Die Rudrer auch sich regen
Mit taktgemäßen Schlägen;
Das Schiff hinunterflieget,
Von Melodie gewieget.

Hart stößt es auf am Strande,
Man trennt sich in die Lande:
»Wann treffen wir uns, Brüder,
Auf einem Schifflein wieder?«

Der gute Kamerad.

Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.

Eine Kugel kam geflogen;
Gilt's mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär's ein Stück von mir.

Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad':
»Kann dir die Hand nicht geben;
Bleib' du im ew'gen Leben
Mein guter Kamerad!«

Der Rosenkranz.

In des Maies holden Tagen,
In der Aue Blumenglanz
Edle Knappen fechten, jagen
Um den werten Rosenkranz;
Wollen nicht mit leichtem Finger
Blumen pflücken auf dem Plan,
Wollen sie als wackre Ringer
Aus der Jungfrau Hand empfahn.

In der Laube sitzt die Stille,
Die mit Staunen jeder sieht,
Die in solcher Jugendfülle
Heut zum erstenmale blüht;
Volle Rosenzweig' umwanken
Als ein Schattenhut ihr Haupt,
Reben mit den Blütenranken
Halten ihren Leib umlaubt.

Sieh! im Eisenkleid ein Reiter
Zieht auf krankem Roß daher,
Senkt die Lanz' als müder Streiter,
Neigt das Haupt wie schlummerschwer;
Dürre Wangen, graue Locken,
Seiner Hand entfiel der Zaum,
Plötzlich fährt er auf erschrocken,
Wie erwacht aus bangem Traum:

»Seid gegrüßt auf diesen Auen,
Schönste Jungfrau, edle Herrn!
Dürfet nicht ob mir ergrauen,
Eure Spiele schau' ich gern.
Gerne möcht' ich für mein Leben
Mit euch brechen einen Speer,
Aber meine Arme beben,
Meine Kniee wanken sehr.

»Kenne solche Zeitvertreibe,
Bin bei Lanz und Schwert ergraut;
Panzer liegt mir noch am Leibe,
Wie dem Drachen seine Haut.
Auf dem Lande Kampf und Wunden,
Auf dem Meere Wog' und Sturm;
Ruhe hab' ich nie gefunden,
Als ein Jahr im finstern Turm.

»Weh, verlorne Tag' und Nächte!
Minne hat mich nie beglückt;
Nie hat dich, du rauhe Rechte,
Weiche Frauenhand gedrückt;
Denn noch war dem Erdentale
Jene Blumenjungfrau fern,
Die mir heut zum erstenmale
Aufgeht als ein neuer Stern.

»Wehe, könnt' ich mich verjüngen!
Lernen wollt' ich Saitenkunst,
Minnelieder wollt' ich singen,
Werbend um der Süßen Gunst;
In des Maies holden Tagen,
In der Aue Blumenglanz
Wollt' ich freudig fechten, jagen
Um den werten Rosenkranz.

»Weh, zu früh bin ich geboren!
Erst beginnt die goldne Zeit;
Zorn und Neid hat sich verloren,
Frühling ewig sich erneut.
Sie, in ihrer Rosenlaube,
Wird des Reiches Herrin sein.
Ich muß hin zu Nacht und Staube,
Auf mich fällt der Leichenstein.«

Als der Alte dies gesprochen,
Er die bleichen Lippen schloß.
Seine Augen sind gebrochen,
Sinken will er von dem Roß;
Doch die edeln Knappen eilen,
Legen ihn ins Grüne hin.
Ach, kein Balsam kann ihn heilen,
Keine Stimme wecket ihn.

Und die Jungfrau niedersteiget
Aus der Blumenlaube Glanz,
Traurig sich zum Greise neiget,
Setzt ihm auf den Rosenkranz:
»Sei des Maienfestes König
(Keiner hat, was du, getan),
Ob es gleich dir frommet wenig,
Blumenkranz dem toten Mann!«

Jungfrau Sieglinde.

Das war Jungfrau Sieglinde,
Die wollte früh aufstehn,
Mit ihrem Hofgesinde
Zum Frauenmünster gehn.
Sie ging in Gold und Seide,
Mit Blumen und Geschmeide;
Das ward zu großem Leide.

Es stehn drei Lindenbäume
Wohl vor der Kirchenpfort';
Da saß der edle Heime,
Der sprach viel leise Wort':
»Was Gold, was Edelsteine!
Hätt' ich der Blumen eine
Aus deinem Kranz, du Feine!«

So sprach der Jüngling leise;
Da trieb der Wind sein Spiel,
Daß aus der Blumen Kreise
Die schönste Rose fiel.
Herr Heime tät sich bücken,
Die Rose wegzupflücken,
Damit wollt' er sich schmücken.

Da war ein alter Ritter
In Siegelindens Chor;
Dem war es leid und bitter,
Gar zornig trat er vor:
»Muß ich dich Hofzucht lehren?
Darfst du vom Kranz der Ehren
Ein Läublein nur begehren?«

O weh dem Garten immer,
Der solche Rosen bracht'!
O Heil den Linden nimmer,
Wo solcher Streit erwacht!
Wie klangen da die Degen,
Bis unter wilden Schlägen
Der Jüngling tot erlegen!

Sieglinde beugt' sich nieder
Und nahm die Ros' empor,
Steckt' in den Kranz sie wieder
Und ging zur Kirche vor.
Sie ging in Gold und Seide,
Mit Blumen und Geschmeide;
Wer tät' ihr was zuleide?

Vor Sankt Mariens Bilde
Nahm sie herab die Kron':
»Nimm du sie, Reine, Milde!
Kein Blümlein kam davon.
Der Welt will ich entsagen,
Den heil'gen Schleier tragen
Und um die Toten klagen.«

Der Sieger.

Anzuschauen das Turnei,
Saßen hundert Frauen droben;
Diese waren nur das Laub,
Meine Fürstin war die Rose.
Aufwärts blickt' ich keck zu ihr,
Wie der Adler blickt zur Sonne.
Wie da meiner Wangen Glut
Das Vesier durchbrennen wollte!
Wie des Herzens kühner Schlag
Schier den Panzer durchgebrochen!
Ihrer Blicke sanfter Schein
War in mir zu wildem Lodern,
Ihrer Rede mildes Wehn
War in mir zu Sturmestoben,
Sie, der schöne Maientag,
In mir zum Gewitter worden;
Unaufhaltbar brach ich los,
Sieghaft alles niederdonnernd.

Der nächtliche Ritter.

In der mondlos stillen Nacht
Stand er unter dem Altane,
Sang mit himmlisch süßer Stimme
Minnelieder zur Gitarre;

Dann auch mit den Nebenbuhlern
Hat er tapfer sich geschlagen,
Daß die hellen Funken stoben,
Daß die Mauern widerhallten.

Und so übt' er jeden Dienst,
Den man weihet edeln Damen,
Daß mein Herz in Lieb' erglühte
Für den teuern Unbekannten.

Als ich drauf am frühen Morgen
Bebend blickte vom Altane,
Blieb mir nichts von ihm zu schauen,
Als sein Blut, für mich gelassen.

Sankt Georgs Ritter.

1.

Hell erklingen die Trommeten
Vor Sankt Stephan von Gormaz,
Wo Fernandez von Kastilien
Lager hält, der tapfre Graf.

Almanzor, der Mohrenkönig,
Kommt mit großer Heeresmacht
Von Cordova hergezogen,
Zu erstürmen jene Stadt.

Schon gewappnet sitzt zu Pferde
Die kastil'sche Ritterschar;
Forschend reitet durch die Reihen
Fernandez, der tapfre Graf:

»Pascal Vivas, Pascal Vivas,
Preis kastil'scher Ritterschaft!
Alle Ritter sind gerüstet,
Du nur fehlest auf dem Platz.

»Du, der erste sonst zu Rosse,
Sonst der erste zu der Schlacht,
Hörst du heute nicht mein Rufen,
Nicht der Schlachttrommeten Klang?

»Fehlest du dem Christenheere
Heut, an diesem heißen Tag?
Soll dein Ehrenkranz verwelken,
Schwinden deines Ruhmes Glanz?«

Pascal Vivas kann nicht hören;
Fern ist er im tiefen Wald,
Wo auf einem grünen Hügel
Sankt Georgs Kapelle ragt.

An der Pforte steht sein Roß,
Lehnet Speer und Stahlgewand,
Und der Ritter knieet betend
Vor dem heiligen Altar;

Ist in Andacht ganz versunken,
Höret nicht den Lärm der Schlacht,
Der nur dumpf wie Windestosen
Durch das Waldgebirge hallt;

Hört nicht seines Rosses Wiehern,
Seiner Waffen dumpfen Klang.
Doch es wachet sein Patron,
Sankt Georg, der treue, wacht;

Aus der Wolke steigt er nieder,
Legt des Ritters Waffen an,
Setzt sich auf das Pferd des Ritters,
Fleugt hinunter in die Schlacht.

Keiner hat wie er gestürmet,
Held des Himmels, Wetterstrahl;
Er gewinnt Almanzors Fahne,
Und es flieht die Mohrenschar.

Pascal Vivas hat beschlossen
Seine Andacht am Altar,
Tritt aus Sankt Georgs Kapelle,
Findet Roß und Stahlgewand,

Reitet sinnend nach dem Lager,
Weiß nicht, was es heißen mag,
Daß Trommeten ihn begrüßen
Und der festliche Gesang:

»Pascal Vivas, Pascal Vivas,
Stolz kastil'scher Ritterschaft!
Sei gepriesen, hoher Sieger,
Der Almanzors Fahne nahm!

»Wie sind deine Waffen blutig,
Wie zermalmt von Stoß und Schlag!
Wie bedeckt dein Roß mit Wunden,
Das so mutig eingerannt!«

Pascal Vivas wehrt vergebens
Ihrem Jubel und Gesang,
Neiget demutsvoll sein Haupt,
Deutet schweigend himmelan.

2.

In den abendlichen Gärten
Ging die Gräfin Julia;
Fatiman, Almanzors Neffe,
Hat die Schöne dort erhascht,

Flieht mit seiner süßen Beute
Durch die Wälder Nacht und Tag,
Zehn getreue Mohrenritter
Folgen ihm gewappnet nach.

In des dritten Morgens Frühe
Kommen sie in jenen Wald,
Wo auf einem grünen Hügel
Sankt Georgs Kapelle ragt.

Schon von weitem blickt die Gräfin
Nach des Heil'gen Bild hinan,
Welches ob der Kirchenpforte
Groß in Stein gehauen prangt,

Wie er in des Lindwurms Rachen
Mächtig sticht den heil'gen Schaft,
Während an den Fels gebunden
Bang die Königstochter harrt.

Weinend und die Hände ringend
Ruft die Gräfin Julia:
»Sankt Georg, du heil'ger Streiter,
Hilf mir aus der Drachen Macht!«

Siehe! wer auf weißem Rosse
Sprengt von der Kapell' herab?
Goldne Locken wehn im Winde,
Und der rote Mantel wallt.

Mächtig ist sein Speer geschwungen,
Trifft den Räuber Fatiman,
Der sich gleich am Boden krümmet,
Wie der Lindwurm einst getan.

Und die zehen Mohrenritter
Hat ein wilder Schreck gefaßt;
Schild und Lanze weggeworfen,
Fliehn sie über Berg und Tal.

Auf den Knieen wie geblendet
Liegt die Gräfin Julia:
»Sankt Georg, du heil'ger Streiter,
Sei gepriesen tausendmal!«

Als sie wieder hebt die Augen,
Ist der Heil'ge nicht mehr da,
Und es geht nur dumpfe Sage,
Daß es Pascal Vivas war.

Romanze vom kleinen Däumling.

Kleiner Däumling, kleiner Däumling,
Allwärts ist dein Ruhm posaunet;
Schon die Kindlein in der Wiege
Sieht man der Geschichte staunen.

Welches Auge muß nicht weinen,
Wie du liefst durch Waldes Grausen,
Als die Wölfe hungrig heulten
Und die Nachtorkane sausten!

Welches Herz muß nicht erzittern,
Wie du lagst im Riesenhause
Und den Oger hörtest nahen,
Der nach deinem Fleisch geschnaubet!

Dich und deine sechs Gebrüder
Hast vom Tode du erkaufet,
Listiglich die sieben Kappen
Mit den sieben Kronen tauschend.

Als der Riese lag am Felsen,
Schnarchend, daß die Wälder rauschten,
Hast du keck die Meilenstiefel
Von den Füßen ihm gemauset.

Einem vielbedrängten König
Bist als Bote du gelaufen;
Köstlich war dein Botenbrot:
Eine Braut vom Königshause.

Kleiner Däumling, kleiner Däumling,
Mächtig ist dein Ruhm erbrauset:
Mit den Siebenmeilenstiefeln
Schritt er schon durch manch Jahrtausend.

Der kastilische Ritter.

1.

»Bester Ritter von Kastilien!
Wann die fernen Berge tosen,
Mein' ich, deinen Kampf zu hören;
Doch es ist des Donners Rollen.

»Wann es hinter jenen Höhen
Rot und golden glüht am Morgen,
Mein' ich, daß du wollst erscheinen;
Doch es kommt herauf die Sonne.«

2.

»Darum ward ein Weg betreten
Längst von Pilgern, Sängern, Wappnern,
Darum ward ein Schloß erbauet
Herrlich an des Weges Rande,

»Darum schaute von den Zinnen
Bis auf mich wohl manche Dame:
Weil der schönste, kühnste Ritter
Sollte hier vorüberfahren.

»Wehe nun! es ist erfüllt,
Was so lange ward erharret;
Weh! die Augen werden brechen,
Die so hohen Adel sahen.

»Weh! die Mauern werden sinken,
Drin des Rosses Tritt verhallet,
Weh! der Pfad, den er verließ,
Wird vergehn in hohem Grase.«

3.

Nimmer mochten ihn verwunden
Liebesblicke süßer Schönen,
Nimmer mochten ihn bezwingen
Schwerterschläge, Lanzenstöße.

Als er einsam ritt auf Bergen,
Fuhr ein Blitz aus dem Gewölke,
Und so ist er unterlegen
Nur dem Strahl von Himmelshöhen.

4.

Schwarze Wolken ziehn hinunter,
Golden strahlt die Sonne wieder,
Fern verhallen schon die Donner,
Und die Vögelchöre singen;

Blumen heben sich und Bäume,
Sind erfrischet vom Gewitter;
Wanderer, die sich geborgen,
Schreiten wieder rasch von hinnen:

Nur des Waldes höchste Eiche
Hebt nicht mehr die stolzen Wipfel,
Nur Kastiliens bester Streiter
Bleibt am Fuß der Eiche liegen.

5.

Alle Damen schmachten, hoffen,
Ihn, den Schönsten, zu empfahen;
Alle Mohren zagen, zittern
Vor des kühnsten Streiters Nahen.

Damen, würdet nicht mehr hoffen,
Mohren, würdet nicht mehr zagen:
Wüßtet ihr, daß im Gebirge
Längst Gewitter ihn erschlagen.

Ritter Paris.

Paris ist der schönste Ritter,
Alle Herzen nimmt er hin;
Jede Dame kann's beschwören
An dem Hof der Königin.

Was der schönen Siegeszeichen
Warf das Glück in seinen Schoß:
Briefe, die von Küssen rauschen,
Locken, Ringe, zahlenlos!

Allzu leichter Siege Zeichen,
Ungebetnes Minneglück!
Bann und Fessel nennt euch Paris,
Stößt sein süßes Los zurück,

Schwingt zu Roß sich schwer gerüstet,
Glüht von edler Heldenlust,
Beut den Frauen all den Rücken,
Beut den Männern keck die Brust.

Doch es will kein Feind sich zeigen,
Frühling waltet im Gefild,
Mit dem Helmbusch spielen Lüftchen,
Sonne spiegelt sich im Schild.

Weit schon ist er so geritten;
Siehe, da an Waldes Tor
Hält ein Ritter hoch zu Rosse,
Strecket ihm die Lanze vor.

Ritter Paris fliegt zum Kampfe,
Eilte nie zum Reihn so sehr,
Wirft den Gegner stracks zur Erde,
Blickt als Sieger stolz umher;

Naht sich hilfreich dem Geworfnen,
Nimmt ihm ab des Helms Gewicht;
Sieh! da wallen reiche Locken
Um ein zartes Angesicht.

Wie er Schien' und Panzer löset,
Welch ein Busen, welch ein Leib!
Hingegossen, ohne Leben
Liegt vor ihm das schönste Weib.

Würden erst die bleichen Wangen
Röten sich von neuer Glut,
Hüben erst sich diese Wimpern,
Wie dann, Paris, junges Blut?

Ja, schon holt sie tiefen Atem,
Schlägt die Augen zärtlich auf:
Die als wilder Feind gestorben,
Lebt als milde Freundin auf.

Dort in Stücken liegt die Hülle,
Die ein starrer Ritter war,
Hier in Paris' Arm die Fülle,
Süßer Kern, der Schale bar.

Paris spricht, der schöne Ritter:
»Welcher Sieg nun, welcher Ruhm?
Soll mir nie ein Strauß gelingen
In dem ernsten Rittertum?

»Wandelt stets, was ich berühre,
Sich in Scherz und Liebe mir?
Minneglück, das mich verfolget,
Zürn' ich oder dank' ich dir?«

Romanze vom Rezensenten.

Rezensent, der tapfre Ritter,
Steigt zu Rosse kühn und stolz;
Ist's kein Hengst aus Andalusien,
Ist es doch ein Bock von Holz.

Statt des Schwerts die scharfe Feder
Zieht er kampfbereit vom Ohr,
Schiebt statt des Visiers die Brille
Den entbrannten Augen vor.

Publikum, die edle Dame,
Schwebt in tausendfacher Not,
Seit ihr bald barbarisch schnaubend
Ein siegfried'scher Lindwurm droht,

Bald ein süßer Sonettiste
Sie mit Lautenklimpern lockt,
Bald ein Mönch ihr mystisch predigt,
Daß ihr die Besinnung stockt.

Rezensent, der tapfre Ritter,
Hält sich gut im Drachenmord,
Schlägt in Splitter alle Lauten,
Stürzt den Mönch vom Kanzelbord.

Dennoch will er, groß bescheiden,
Daß ihn niemand nennen soll,
Und den Schild des Helden zeichnet
Kaum ein Schriftzug rätselvoll.

Rezensent, du Hort der Schwachen,
Sei uns immer treu und hold!
Nimm zum Lohn des Himmels Segen,
Des Verlegers Ehrensold!

Der Räuber.

Einst am schönen Frühlingstage
Tritt der Räuber vor den Wald;
Sieh! den hohlen Pfad hernieder
Kommt ein schlankes Mädchen bald.

»Trügst du statt der Maienglocken,«
Spricht des Waldes kühner Sohn,
»In dem Korb den Schmuck des Königs,
Frei doch zögest du davon.«

Lange folgen seine Blicke
Der geliebten Wallerin;
Durch die Wiesengründe wandelt
Sie zu stillen Dörfern hin,

Bis der Gärten reiche Blüte
Hüllt die liebliche Gestalt;
Doch der Räuber kehret wieder
In den finstern Tannenwald.

Sängerliebe.

Seit der hohe Gott der Lieder
Mußt' in Liebesschmerz erbleichen,
Seit der Lorbeer seiner Schläfe
Unglücksel'ger Liebe Zeichen:

Wundert's wen, daß ird'schen Sängern,
Die dasselbe Zeichen kränzet,
Selten in der Liebe Leben
Ein beglückter Stern erglänzet?

Daß sie ernst und düster blicken,
Ihre Saiten traurig tönen,
Daß von Lust sie wenig singen,
Aber viel von Schmerz und Sehnen?

Sängerliebe, tief und schmerzlich,
Laßt euch denn in ernsten Bildern
Aus den Tagen des Gesanges,
Aus der Zeit der Minne, schildern!

1. Rudello.

In den Talen der Provence
Ist der Minnesang entsprossen,
Kind des Frühlings und der Minne,
Holder, inniger Genossen.

Blütenglanz und süße Stimme
Konnt' an ihm den Vater zeigen,
Herzensglut und tiefes Schmachten
War ihm von der Mutter eigen.

Selige Provencer Tale,
Ueppig blühend wart ihr immer,
Aber eure reichste Blüte
War des Minneliedes Schimmer.

Jene tapfern, schmucken Ritter,
Welch ein edler Sängerorden!
Jene hochbeglückten Damen,
Wie sie schön gefeiert worden!

Vielgeehrt im Sängerchore
War Rudellos werter Name,
Vielgepriesen, vielbeneidet
Die von ihm besungne Dame.

Aber niemand mocht' erkunden,
Wie sie hieße, wo sie lebte,
Die so herrlich, überirdisch
In Rudellos Liedern schwebte;

Denn nur in geheimen Nächten
Nahte sie dem Sänger leise,
Selbst den Boden nie berührend,
Spurlos, schwank, in Traumesweise.

Wollt' er sie mit Armen fassen,
Schwand sie in die Wolken wieder,
Und aus Seufzern und aus Tränen
Wurden dann ihm süße Lieder.

Schiffer, Pilger, Kreuzesritter
Brachten dazumal die Märe,
Daß von Tripolis die Gräfin
Aller Frauen Krone wäre;

Und so oft Rudell es hörte,
Fühlt' er sich's im Busen schlagen,
Und es trieb ihn nach dem Strande,
Wo die Schiffe fertig lagen.

Meer, unsichres, vielbewegtes,
Ohne Grund und ohne Schranken!
Wohl auf deiner regen Wüste
Mag die irre Sehnsucht schwanken.

Fern von Tripolis verschlagen,
Irrt die Barke mit dem Sänger;
Aeußrem Sturm und innrem Drängen
Widersteht Rudell nicht länger.

Schwer erkranket liegt er nieder,
Aber ostwärts schaut er immer,
Bis sich hebt am letzten Rand
Ein Palast im Morgenschimmer.

Und der Himmel hat Erbarmen
Mit des kranken Sängers Flehen;
In den Port von Tripolis
Fliegt das Schiff mit günst'gem Wehen.

Kaum vernimmt die schöne Gräfin,
Daß so edler Gast gekommen,
Der allein um ihretwillen
Uebers weite Meer geschwommen:

Alsobald mit ihren Frauen
Steigt sie nieder unerbeten,
Als Rudello schwanken Ganges
Eben das Gestad betreten.

Schon will sie die Hand ihm reichen,
Doch ihm dünkt, der Boden schwinde;
In des Führers Arme sinkt er,
Haucht sein Leben in die Winde.

Ihren Sänger ehrt die Herrin
Durch ein prächtiges Begängnis,
Und ein Grabmahl von Porphyr
Lehrt sein trauriges Verhängnis.

Seine Lieder läßt sie schreiben
Allesamt mit goldnen Lettern,
Köstlich ausgezierte Decken
Gibt sie diesen teuren Blättern;

Liest darin so manche Stunde,
Ach, und oft mit heißen Tränen,
Bis auch sie ergriffen ist
Von dem unnennbaren Sehnen.

Von des Hofes lust'gem Glanz,
Aus der Freude Kreis geschieden,
Suchet sie in Klostermauern
Ihrer armen Seele Frieden.

2. Durand.

Nach dem hohen Schloß von Balbi
Zieht Durand mit seinem Spiele;
Voll die Brust von süßen Liedern,
Naht er schon dem frohen Ziele.

Dort ja wird ein holdes Fräulein,
Wann die Saiten lieblich rauschen,
Augen senkend, zart erglühend,
Innig atmend niederlauschen.

In des Hofes Lindenschatten
Hat er schon sein Spiel begonnen,
Singt er schon mit klarer Stimme,
Was er Süßestes ersonnen.

Von dem Söller, von den Fenstern
Sieht er Blumen freundlich nicken,
Doch die Herrin seiner Lieder
Kann sein Auge nicht erblicken.

Und es geht ein Mann vorüber,
Der sich traurig zu ihm wendet:
»Störe nicht die Ruh' der Toten!
Fräulein Blanka hat vollendet.«

Doch Durand, der junge Sänger,
Hat darauf kein Wort gesprochen;
Ach, sein Aug' ist schon erloschen,
Ach, sein Herz ist schon gebrochen.

Drüben in der Burgkapelle,
Wo unzähl'ge Kerzen glänzen,
Wo das tote Fräulein ruht,
Hold geschmückt mit Blumenkränzen:

Dort ergreifet alles Volk
Schreck und Staunen, freudig Beben,
Denn von ihrem Totenlager
Sieht man Blanka sich erheben.

Aus des Scheintods tiefem Schlummer
Ist sie blühend auferstanden,
Tritt im Sterbekleid hervor
Wie in bräutlichen Gewanden.

Noch, wie ihr geschehn, nicht wissend,
Wie von Träumen noch umschlungen,
Fragt sie zärtlich, sehnsuchtsvoll:
»Hat nicht hier Durand gesungen?«

Ja, gesungen hat Durand,
Aber nie mehr wird er singen;
Auferweckt hat er die Tote,
Ihn wird niemand wiederbringen.

Schon im Lande der Verklärten
Wacht' er auf, und mit Verlangen
Sucht er seine süße Freundin,
Die er wähnt vorangegangen.

Aller Himmel lichte Räume
Sieht er herrlich sich verbreiten.
»Blanka, Blanka!« ruft er sehnlich
Durch die öden Seligkeiten.

3. Der Kastellan von Coucy.

Wie der Kastellan von Coucy
Schnell die Hand zum Herzen drückte,
Als die Dame von Fayel
Er zum erstenmal erblickte!

Seit demselben Augenblicke
Drang durch alle seine Lieder
Unter allen Weisen stets
Jener erste Herzschlag wieder.

Aber wenig mocht' ihm frommen
All die süße Liederklage;
Nimmer darf er dieses hoffen,
Daß sein Herz an ihrem schlage.

Wenn sie auch mit zartem Sinn
Eines schönen Lieds sich freute,
Streng und stille ging sie immer
An des stolzen Gatten Seite.

Da beschließt der Kastellan,
Seine Brust in Stahl zu hüllen
Und mit draufgeheft'tem Kreuz
Seines Herzens Schlag zu stillen.

Als er schon im heil'gen Lande
Manchen heißen Tag gestritten,
Fährt ein Pfeil durch Kreuz und Panzer,
Trifft ihm noch das Herze mitten.

»Hörst du mich, getreuer Knappe?
Wann dies Herz nun ausgeschlagen,
Zu der Dame von Fayel
Sollst du es hinübertragen.«

In geweihter, kühler Erde
Wird der edle Leib begraben;
Nur das Herz, das müde Herz
Soll noch keine Ruhe haben.

Schon in einer goldnen Urne
Liegt es, wohl einbalsamieret,
Und zu Schiffe steigt der Diener,
Der es sorgsam mit sich führet.

Stürme brausen, Wogen schlagen,
Blitze zucken, Maste splittern;
Aengstlich klopfen alle Herzen,
Eines nur ist ohne Zittern.

Golden strahlt die Sonne wieder,
Frankreichs Küste glänzet drüben;
Freudig schlagen alle Herzen,
Eines nur ist still geblieben.

Schon im Walde von Fayel
Schreitet rasch der Urne Träger,
Plötzlich schallt ein lustig Horn
Samt dem Rufe wilder Jäger;

Aus den Büschen rauscht ein Hirsch,
Dem ein Pfeil im Herzen stecket,
Bäumt sich auf und stürzt und liegt
Vor dem Knappen hingestrecket.

Sieh! der Ritter von Fayel,
Der das Wild ins Herz geschossen,
Sprengt heran mit Jagdgefolg',
Und der Knapp' ist rings umschlossen.

Nach dem blanken Goldgefäß
Tasten gleich des Ritters Knechte,
Doch der Knappe tritt zurück,
Spricht mit vorgehaltner Rechte:

»Dies ist eines Sängers Herz,
Herz von einem frommen Streiter,
Herz des Kastellans von Coucy;
Laßt dies Herz im Frieden weiter!

»Scheidend hat er mir geboten,
Wann dies Herz nun ausgeschlagen,
Zu der Dame von Fayel
Soll' ich es hinübertragen.«

»Jene Dame kenn' ich wohl,«
Spricht der ritterliche Jäger
Und entreißt die goldne Urne
Hastig dem erschrocknen Träger;

Nimmt sie unter seinen Mantel,
Reitet fort in finstrem Grolle,
Hält so eng das tote Herz
An das heiße, rachevolle.

Als er auf sein Schloß gekommen,
Müssen sich die Köche schürzen,
Müssen gleich den Hirsch bereiten
Und ein seltnes Herze würzen.

Dann, mit Blumen reich bestecket,
Bringt man es auf goldner Schale,
Als der Ritter von Fayel
Mit der Dame sitzt am Mahle.

Zierlich reicht er es der Schönen,
Sprechend mit verliebtem Scherze:
»Was ich immer mag erjagen,
Euch gehört davon das Herze.«

Wie die Dame kaum genossen,
Hat sie also weinen müssen,
Daß sie zu vergehen schien
In den heißen Tränengüssen.

Doch der Ritter von Fayel
Spricht zu ihr mit wildem Lachen:
»Sagt man doch von Taubenherzen,
Daß sie melancholisch machen:

Wie viel mehr, geliebte Dame,
Das, womit ich Euch bewirte,
Herz des Kastellans von Coucy,
Der so zärtlich Lieder girrte!«

Als der Ritter dies gesprochen,
Dieses und noch anderes Schlimme,
Da erhebt die Dame sich,
Spricht mit feierlicher Stimme:

»Großes Unrecht tatet Ihr;
Euer war ich ohne Wanken,
Aber solch ein Herz genießen
Wendet leichtlich die Gedanken.

»Manches tritt mir vor die Seele,
Was vorlängst die Lieder sangen;
Der mir lebend fremd geblieben,
Hat als Toter mich befangen.

»Ja, ich bin dem Tod geweihet,
Jedes Mahl ist mir verwehret;
Nicht geziemt mir andere Speise,
Seit mich dieses Herz genähret.

Aber Euch wünsch' ich zum Letzten
Milden Spruch des ew'gen Richters.«
Dieses alles ist geschehen
Mit dem Herzen eines Dichters.

4. Don Massias.

Don Massias aus Galicien
Mit dem Namen: der Verliebte,
Saß im Turm zu Arjonilla,
Klagend um die Treugeliebte.

Einen Grafen, reich und mächtig,
Gab man jüngst ihr zum Genossen,
Und den vielgetreuen Sänger
Hält man ferngebannt, verschlossen.

Traurig sang er oft am Gitter,
Machte jeden Wanderer lauschen;
Teure Blätter, liederreiche,
Ließ er oft vom Fenster rauschen.

Ob es Wandrer fortgesungen,
Ob es Winde hingetragen:
Wohl vernahm die Heißgeliebte
Ihres treuen Sängers Klagen.

Ihr Gemahl, argwöhnisch spähend,
Hatt' es alles gut beachtet:
»Muß ich vor dem Sänger beben,
Selbst wann er im Kerker schmachtet?«

Einstmals schwang er sich zu Pferde,
Wohl gewaffnet wie zum Sturme,
Sprengte nach Granadas Grenze
Und zu Arjonillas Turme.

Don Massias, der Verliebte,
Stand gerade dort am Gitter,
Sang so glühend seine Liebe,
Schlug so zierlich seine Zither.

Jener hub sich in den Bügeln,
Wutvoll seine Lanze schwingend;
Don Massias ist durchbohret,
Wie ein Schwan verschied er singend.

Und der Graf, des Siegs versichert,
Kehret nach Galicien wieder.
Eitler Wahn! es starb der Sänger,
Doch es leben seine Lieder,

Die durch alle span'schen Reiche
Tönevoll, geflügelt ziehen;
Andern sind sie Philomelen,
Jenem nur sind sie Harpyien.

Plötzlich oft vom Freudenmahle
Haben sie ihn aufgeschrecket,
Aus dem mitternächt'gen Schlummer
Wird er peinlich oft erwecket;

In den Gärten, in den Straßen
Hört er Zithern hin und wieder,
Und wie Geisterstimmen tönen
Des Massias Liebeslieder.

5. Dante.

War's ein Tor der Stadt Florenz,
Oder war's ein Tor der Himmel,
Draus am klarsten Frühlingsmorgen
Zog so festliches Gewimmel?

Kinder, hold wie Engelscharen,
Reich geschmückt mit Blumenkränzen,
Zogen in das Rosental
Zu den frohen Festestänzen.

Unter einem Lorbeerbaume
Stand, damals neunjährig, Dante,
Der im lieblichsten der Mädchen
Seinen Engel gleich erkannte.

Rauschten nicht des Lorbeers Zweige,
Von der Frühlingsluft erschüttert?
Klang nicht Dantes junge Seele,
Von der Liebe Hauch durchzittert?

Ja, ihm ist in jener Stunde
Des Gesanges Quell entsprungen;
In Sonetten, in Kanzonen
Ist die Lieb' ihm früh erklungen.

Als, zur Jungfrau hold erwachsen,
Jene wieder ihm begegnet,
Steht auch seine Dichtung schon
Wie ein Baum, der Blüten regnet.

Aus dem Tore von Florenz
Zogen dichte Scharen wieder,
Aber langsam, trauervoll,
Bei dem Klange dumpfer Lieder.

Unter jenem schwarzen Tuch,
Mit dem weißen Kreuz geschmücket,
Trägt man Beatricen hin,
Die der Tod so früh gepflücket.

Dante saß in seiner Kammer
Einsam, still, im Abendlichte,
Hörte fern die Glocken tönen
Und verhüllte sein Gesichte.

In der Wälder tiefste Schatten
Stieg der edle Sänger nieder;
Gleich den fernen Totenglocken
Tönten fortan seine Lieder.

Aber in der wildsten Oede,
Wo er ging mit bangem Stöhnen,
Kam zu ihm ein Abgesandter
Von der hingeschiednen Schönen,

Der ihn führt' an treuer Hand
Durch der Hölle tiefste Schluchten,
Wo sein ird'scher Schmerz verstummte
Bei dem Anblick der Verfluchten.

Bald zum sel'gen Licht empor
Kam er auf den dunkeln Wegen;
Aus des Paradieses Pforte
Trat die Freundin ihm entgegen.

Hoch und höher schwebten beide
Durch des Himmels Glanz und Wonnen,
Sie, aufblickend, ungeblendet,
Zu der Sonne aller Sonnen;

Er, die Augen hingewendet
Nach der Freundin Angesichte,
Das verklärt ihn schauen ließ
Abglanz von dem ew'gen Lichte.

Einem göttlichen Gedicht
Hat er alles einverleibet
Mit so ew'gen Feuerzügen,
Wie der Blitz in Felsen schreibet.

Ja, mit Fug wird dieser Sänger
Als der göttliche verehret,
Dante, welchem ird'sche Liebe
Sich zu himmlischer verkläret.

Liebesklagen.

1. Der Student.

Als ich einst bei Salamanca
Früh in einem Garten saß
Und beim Schlag der Nachtigallen
Emsig im Homerus las:

Wie in glänzenden Gewanden
Helena zur Zinne trat
Und so herrlich sich erzeigte
Dem trojanischen Senat,

Daß vernehmlich der und jener
Brummt in seinen grauen Bart:
»Solch ein Weib ward nie gesehen,
Traun, sie ist von Götterart.«

Als ich so mich ganz vertiefet,
Wußt' ich nicht, wie mir geschah,
In die Blätter fuhr ein Wehen,
Daß ich staunend um mich sah.

Auf benachbartem Balkone,
Welch ein Wunder schaut' ich da!
Dort in glänzenden Gewanden
Stand ein Weib wie Helena,

Und ein Graubart ihr zur Seite,
Der so seltsam freundlich tat,
Daß ich schwören mocht', er wäre
Von der Troer hohem Rat.

Doch ich selbst ward ein Achäer,
Der ich nun seit jenem Tag
Vor dem festen Gartenhause,
Einer neuen Troja, lag.

Um es unverblümt zu sagen:
Manche Sommerwoch' entlang
Kam ich dorthin jeden Abend
Mit der Laut' und mit Gesang,

Klagt' in mannigfachen Weisen
Meiner Liebe Qual und Drang,
Bis zuletzt vom hohen Gitter
Süße Antwort niederklang.

Solches Spiel mit Wort und Tönen
Trieben wir ein halbes Jahr,
Und auch dies war nur vergönnet,
Weil halb taub der Vormund war.

Hub er gleich sich oft vom Lager
Schlaflos, eifersüchtig, bang,
Blieben doch ihm unsre Stimmen
Ungehört wie Sphärenklang.

Aber einst (die Nacht war schaurig,
Sternlos, finster wie das Grab)
Klang auf das gewohnte Zeichen
Keine Antwort mir herab;

Nur ein alt zahnloses Fräulein
Ward von meiner Stimme wach,
Nur das alte Fräulein Echo
Stöhnte meine Klagen nach.

Meine Schöne war verschwunden,
Leer die Zimmer, leer der Saal,
Leer der blumenreiche Garten,
Rings verödet Berg und Tal.

Ach, und nie hatt' ich erfahren
Ihre Heimat, ihren Stand,
Weil sie, beides zu verschweigen,
Angelobt mit Mund und Hand.

Da beschloß ich, sie zu suchen
Nah und fern auf irrer Fahrt:
Den Homerus ließ ich liegen,
Nun ich selbst Ulysses ward;

Nahm die Laute zur Gefährtin,
Und vor jeglichem Altan,
Unter jedem Gitterfenster
Frag' ich leis' mit Tönen an,

Sing' in Stadt und Feld das Liedchen,
Das im Salamanker Tal
Jeden Abend ich gesungen
Meiner Liebsten zum Signal.

Doch die Antwort, die ersehnte,
Tönet nimmermehr, und, ach!
Nur das alte Fräulein Echo
Reist zur Qual mir ewig nach.

2. Der Jäger.

Als ich einsmals in den Wäldern
Hinter einer Eiche stand,
Lauernd, oft mich vorwärts legend,
Auch die Büchse schon zur Hand:

Da vernahm ich leichtes Rauschen,
Und mein Hühnerhund schlug an,
Fertig hielt ich gleich die Büchse,
Paßte mit gespanntem Hahn.

Sieh! da kam nicht Reh noch Hase,
Kam ein Wild von schönrer Art,
Trat ein Mägdlein aus den Büschen,
Jung und frisch und lind und zart.

So von seltsamen Gewalten
Ward ich plötzlich übermannt,
Daß ich fast vor eitel Liebe
Auf die Schönste losgebrannt.

Immer geh' ich nun den Fährten
Dieses edeln Wildes nach,
Und vor seinem Lager steh' ich
Jeden Abend auf der Wach'.

Um es unverblümt zu sagen:
Vor der Lieblichsten Altan
Steh' ich pflichtlich jeden Abend,
Blicke traurig still hinan.

Doch von solcher stummen Klage
Wird ihr gleich die Zeit zu lang;
Lieder will sie, süße Weisen,
Flötentöne, Lautenklang.

Ach, das ist ein künstlich Locken,
Drin ich Weidmann nichts vermag,
Nur den Kuckucksruf verstehend
Und den schlichten Wachtelschlag.

Bertran de Born.

Droben auf dem schroffen Steine
Raucht in Trümmern Autafort,
Und der Burgherr steht gefesselt
Vor des Königs Zelte dort:
»Kamst du, der mit Schwert und Liedern
Aufruhr trug von Ort zu Ort,
Der die Kinder aufgewiegelt
Gegen ihres Vaters Wort?

»Steht vor mir, der sich gerühmet
In vermeßner Prahlerei,
Daß ihm nie mehr als die Hälfte
Seines Geistes nötig sei?
Nun der halbe dich nicht rettet,
Ruf den ganzen doch herbei,
Daß er neu dein Schloß dir baue,
Deine Ketten brech' entzwei!«

»Wie du sagst, mein Herr und König,
Steht vor dir Bertran de Born,
Der mit einem Lied entflammte
Perigord und Ventadorn,
Der dem mächtigen Gebieter
Stets im Auge war ein Dorn,
Dem zuliebe Königskinder
Trugen ihres Vaters Zorn.

»Deine Tochter saß im Saale,
Festlich, eines Herzogs Braut,
Und da sang vor ihr mein Bote,
Dem ein Lied ich anvertraut,
Sang, was einst ihr Stolz gewesen,
Ihres Dichters Sehnsuchtlaut,
Bis ihr leuchtend Brautgeschmeide
Ganz von Tränen war betaut.

»Aus des Oelbaums Schlummerschatten
Fuhr dein bester Sohn empor,
Als mit zorn'gen Schlachtgesängen
Ich bestürmen ließ sein Ohr,
Schnell war ihm das Roß gegürtet,
Und ich trug das Banner vor,
Jenem Todespfeil entgegen,
Der ihn traf vor Montforts Tor.

»Blutend lag er mir im Arme;
Nicht der scharfe, kalte Stahl –
Daß er sterb' in deinem Fluche,
Das war seines Sterbens Qual.
Strecken wollt' er dir die Rechte
Ueber Meer, Gebirg und Tal;
Als er deine nicht erreichet,
Drückt' er meine noch einmal.

»Da, wie Autafort dort oben,
Ward gebrochen meine Kraft;
Nicht die ganze, nicht die halbe
Blieb mir, Saite nicht, noch Schaft.
Leicht hast du den Arm gebunden,
Seit der Geist mir liegt in Haft;
Nur zu einem Trauerliede
Hat er sich noch aufgerafft.«

Und der König senkt die Stirne:
»Meinen Sohn hast du verführt,
Hast der Tochter Herz verzaubert,
Hast auch meines nun gerührt.
Nimm die Hand, du Freund des Toten,
Die verzeihend ihm gebührt!
Weg die Fesseln! Deines Geistes
Hab' ich einen Hauch verspürt.«

Der Waller.

Auf Galiciens Felsenstrande
Ragt ein heil'ger Gnadenort,
Wo die reine Gottesmutter
Spendet ihres Segens Hort.
Dem Verirrten in der Wildnis
Glänzt ein goldner Leitstern dort,
Dem Verstürmten auf dem Meere
Oeffnet sich ein stiller Port.

Rührt sich dort die Abendglocke,
Hallt es weit die Gegend nach,
In den Städten, in den Klöstern
Werden alle Glocken wach,
Und es schweigt die Meereswoge,
Die noch kaum sich tobend brach,
Und der Schiffer kniet am Ruder,
Bis er leis sein Ave sprach.

An dem Tage, da man feiert
Der Gepriesnen Himmelfahrt,
Wo der Sohn, den sie geboren,
Sich als Gott ihr offenbart,
Da in ihrem Heiligtume
Wirkt sie Wunder mancher Art;
Wo sie sonst im Bild nur wohnet,
Fühlt man ihre Gegenwart.

Bunte Kreuzesfahnen ziehen
Durch die Felder ihre Bahn,
Mit bemalten Wimpeln grüßet
Jedes Schiff und jeder Kahn.
Auf dem Felsenpfade klimmen
Waller, festlich angetan;
Eine volle Himmelsleiter
Steigt der schroffe Berg hinan.

Doch den heitern Pilgern folgen
Andre, barfuß und bestaubt,
Angetan mit härnen Hemden,
Asche tragend auf dem Haupt;
Solche sind's, die der Gemeinschaft
Frommer Christen sind beraubt,
Denen nur am Tor der Kirche
Hinzuknien ist erlaubt.

Und nach allen keuchet einer,
Dessen Auge trostlos irrt,
Den die Haare wild umflattern,
Dem ein langer Bart sich wirrt;
Einen Reif von rost'gem Eisen
Trägt er um den Leib geschirrt,
Ketten auch um Arm' und Beine,
Daß ihm jeder Tritt erklirrt.

Weil erschlagen er den Bruder
Einst in seines Zornes Hast,
Ließ er aus dem Schwerte schmieden
Jenen Ring, der ihn umfaßt.
Fern vom Herde, fern vom Hofe
Wandert er und will nicht Rast,
Bis ein himmlisch Gnadenwunder
Sprenget seine Kettenlast.

Trüg' er Sohlen auch von Eisen,
Wie er wallet ohne Schuh,
Lange hätt' er sie zertreten,
Und noch ward ihm nirgend Ruh'.
Nimmer findet er den Heil'gen,
Der an ihm ein Wunder tu';
Alle Gnadenbilder sucht er,
Keines winkt ihm Frieden zu.

Als nun der den Fels erstiegen
Und sich an der Pforte neigt,
Tönet schon das Abendläuten,
Dem die Menge betend schweigt.
Nicht betritt sein Fuß die Hallen,
Drin der Jungfrau Bild sich zeigt
Farbenhell im Strahl der Sonne,
Die zum Meere niedersteigt.

Welche Glut ist ausgegossen
Ueber Wolken, Meer und Flur!
Blieb der goldne Himmel offen,
Als empor die Heil'ge fuhr?
Blüht noch auf den Rosenwolken
Ihres Fußes lichte Spur?
Schaut die Reine selbst hernieder
Aus dem glänzenden Azur?

Alle Pilger gehn getröstet,
Nur der eine rührt sich nicht,
Liegt noch immer an der Schwelle
Mit dem bleichen Angesicht;
Fest noch schlingt um Leib und Glieder
Sich der Fesseln schwer Gewicht,
Aber frei ist schon die Seele,
Schwebet in dem Meer von Licht.

Die Bidassoabrücke.

Auf der Bidassoabrücke
Steht ein Heil'ger, altergrau,
Segnet rechts die span'schen Berge,
Segnet links den fränk'schen Gau.
Wohl bedarf's an dieser Stelle
Milden Trostes himmelher,
Wo so mancher von der Heimat
Scheidet ohne Wiederkehr.

Auf der Bidassoabrücke
Spielt ein zauberhaft Gesicht:
Wo der eine Schatten siehet,
Sieht der andre goldnes Licht;
Wo dem einen Rosen lachen,
Sieht der andre dürren Sand;
Jedem ist das Elend finster,
Jedem glänzt sein Vaterland.

Friedlich rauscht die Bidassoa
Zu der Herde Glockenklang,
Aber im Gebirge dröhnet
Knall auf Knall den Tag entlang;
Und am Abend steigt hernieder
Eine Schar zum Flußgestad,
Unstet, mit zerrißner Fahne;
Blut beträufelt ihren Pfad.

Auf der Bidassoabrücke
Lehnen sie die Büchsen bei,
Binden sich die frischen Wunden,
Zählen, wer noch übrig sei;
Lange harren sie Vermißter,
Doch ihr Häuflein wächset nicht.
Einmal wirbelt noch die Trommel,
Und ein alter Kriegsmann spricht:

»Rollt die Fahne denn zusammen,
Die der Freiheit Banner war!
Nicht zum erstenmale wandelt
Diesen Grenzweg ihre Schar,
Nicht zum erstenmale sucht sie
Eine Freistatt in der Fern';
Doch sie zieht nicht arm an Ehre,
Zieht nicht ohne günst'gen Stern.

»Der von vor'gen Freiheitskämpfen
Mehr, als einer, Narben führt,
Heute, da wir alle bluten,
Mina, bliebst du unberührt.
Ganz und heil ist uns der Retter,
Noch verbürgt ist Spaniens Glück.
Schreiten wir getrost hinüber!
Einst noch kehren wir zurück.«

Mina rafft sich auf vom Steine
(Müde saß er dort und still),
Blickt noch einmal nach den Bergen,
Wo die Sonne sinken will.
Seine Hand, zur Brust gehalten,
Hemmt nicht mehr des Blutes Lauf;
Auf der Bidassoabrücke
Brachen alte Wunden auf.

Unstern.

Unstern, diesem guten Jungen,
Hat es seltsam sich geschickt;
Manches wär' ihm fast gelungen,
Manches wär' ihm schier geglückt;
Alle Glückesstern im Bunde
Hätten weihend ihm gelacht,
Wenn die Mutter eine Stunde
Früher ihn zur Welt gebracht.

Waffenruhm und Heldenehre
Hätten zeitig ihm geblüht;
War doch in dem ganzen Heere
Keiner so von Mut erglüht!
Nur als schon in wilden Wogen
Seine Schar zum Sturme drang,
Kam ein Bote hergeflogen,
Der die Friedensfahne schwang.

Nah ist Unsterns Hochzeitfeier,
Hold und sittig glüht die Braut;
Sieh! da kommt ein reichrer Freier,
Der die Eltern baß erbaut.
Dennoch hätte die Geraubte
Ihn als Witwe noch beglückt,
Wäre nicht der Totgeglaubte
Plötzlich wieder angerückt.

Reich wär' Unstern noch geworden
Mit dem Gut der neuen Welt,
Hätte nicht ein Sturm aus Norden
Noch im Port das Schiff zerschellt.
Glücklich war er selbst entschwommen
(Einer Planke hatt' er's Dank),
Hatte schon den Strand erklommen,
Glitt zurück noch und versank.

In den Himmel sonder Zweifel
Würd' er gleich gekommen sein,
Liefe nicht ein dummer Teufel
Just ihm in den Weg hinein.
Teufel meint, es sei die Seele,
Die er eben holen soll,
Packt den Unstern an der Kehle,
Rennt mit ihm davon wie toll.

Da erscheint ein lichter Engel
Rettend aus dem Nebelduft,
Donnert flugs den schwarzen Bengel
In die tiefste Höllenkluft,
Schwebt der goldnen Himmelsferne
Mit dem armen Unstern zu,
Ueber gut und böse Sterne
Führt er den zur ew'gen Ruh'.

Der Ring.

Es ging an einem Morgen
Ein Ritter über die Au;
Er dacht' in bangen Sorgen
An die allerschönste Frau:

»Mein wertes Ringlein golden,
Verkünde du mir frei!
Du Pfand von meiner Holden,
Wie steht es mit ihrer Treu'?«

Wie er's betrachten wollte,
Vom Finger es ihm sprang;
Das Ringlein hüpft' und rollte
Den Wiesenrain entlang.

Er will mit schnellen Händen
Es haschen auf der Au,
Doch goldne Blumen ihn blenden
Und Gräser, betropft von Tau.

Ein Falk es gleich erlauschte,
Der auf der Linde saß;
Vom Wipfel er niederrauschte,
Er holt es aus dem Gras.

Mit mächtigem Gefieder
Er in die Luft sich schwang;
Da wollten seine Brüder
Ihm rauben den goldnen Fang.

Doch keiner gewann's von allen,
Das Ringlein fiel aus der Höh';
Der Ritter sah es fallen
In einen tiefen See.

Die Fischlein hüpften munter,
Zu haschen den goldnen Tand;
Das Ringlein sank hinunter,
Bis es den Blicken schwand.

»O Ringlein, auf den Triften,
Da äffen dich Gras und Blum';
O Ringlein, in den Lüften,
Da tragen die Vögel dich um;

»O Ringlein, in Wassers Grunde,
Da haschen die Fische dich frei;
Mein Ringlein, ist das die Kunde,
Die Kunde von Liebchens Treu'?«

Graf Eberhards Weißdorn.

Graf Eberhard im Bart
Vom Württemberger Land,
Er kam auf frommer Fahrt
Zu Palästinas Strand.

Daselbst er einstmals ritt
Durch einen frischen Wald;
Ein grünes Reis er schnitt
Von einem Weißdorn bald.

Er steckt es mit Bedacht
Auf seinen Eisenhut;
Er trug es in der Schlacht
Und über Meeres Flut.

Und als er war daheim,
Er's in die Erde steckt,
Wo bald manch neuen Keim
Der milde Frühling weckt.

Der Graf, getreu und gut,
Besucht' es jedes Jahr,
Erfreute dran den Mut,
Wie es gewachsen war.

Der Herr war alt und laß,
Das Reislein war ein Baum,
Darunter oftmals saß
Der Greis in tiefem Traum.

Die Wölbung, hoch und breit,
Mit sanftem Rauschen mahnt
Ihn an die alte Zeit
Und an das ferne Land.

Die Ulme zu Hirsau.

Zu Hirsau in den Trümmern,
Da wiegt ein Ulmenbaum
Frischgrünend seine Krone
Hoch überm Giebelsaum.

Er wurzelt tief im Grunde
Vom alten Klosterbau;
Er wölbt sich, statt des Daches,
Hinaus in Himmelsblau.

Weil des Gemäuers Enge
Ihm Luft und Sonne nahm,
So trieb's ihn hoch und höher,
Bis er zum Lichte kam.

Es ragen die vier Wände,
Als ob sie nur bestimmt,
Den kühnen Wuchs zu schirmen,
Der zu den Wolken klimmt.

Wenn dort im grünen Tale
Ich einsam mich erging,
Die Ulme war's, die hehre,
Woran mein Sinnen hing.

Wenn in dem dumpfen, stummen
Getrümmer ich gelauscht,
Da hat ihr reger Wipfel
Im Windesflug gerauscht.

Ich sah ihn oft erglühen
Im ersten Morgenstrahl;
Ich sah ihn noch erleuchtet,
Wann schattig rings das Tal.

Zu Wittenberg im Kloster
Wuchs auch ein solcher Strauß
Und brach mit Riesenästen
Zum Klausendach hinaus.

O Strahl des Lichts, du dringest
Hinab in jede Gruft!
O Geist der Welt, du ringest
Hinauf in Licht und Luft!

Das Reh.

Es jagt' ein Jäger früh am Tag
Ein Reh durch Wälder und Auen,
Da sah er aus dem Gartenhag
Ein rosig Mägdlein schauen.

Was ist geschehn dem guten Pferd?
Hat es den Fuß verletzet?
Was ist geschehn dem Jäger wert,
Daß er nicht mehr ruft und hetzet?

Das Rehlein rennet immer noch
Ueber Berg und Tal so bange.
Halt an, du seltsam Tierlein, doch!
Der Jäger vergaß dich lange.

Die drei Schlösser.

Drei Schlösser sind in meinem Gaue,
Die ich mit Liebe stets beschaue;
Und ich, der wohlbestellte Sänger,
Durch Feld und Wald der rasche Gänger,
Wie sollt' ich schweigen von den dreien,
Die sich dem Gau zum Schmucke reihen?

Das erst' ist kaum ein Schloß zu nennen,
An wenig Trümmern zu erkennen,
Versunken dort am Waldeshange,
Sein Name selbst verschollen lange;
Denn seit nicht mehr die Türme ragen,
Verging nach ihm der Wandrer Fragen.
Doch, schreckt dich nicht durch Waldes Dichte
Der Zweige Schlagen ins Gesichte:
Dort, wo des Beiles Schläge fallen,
Einsame Waldhornklänge hallen,
Dort kannst du Wundermär' erfragen
Von Mauern, welche nicht mehr ragen.
Ja, setzest du im Mondenscheine
Dich aufs verfallene Gesteine,
So wird die Kund' auch unerbeten
Dir vor die stille Seele treten.

Das zweite meines Dreivereines,
Es scheint ein Schloß, doch ist es keines.
Du siehst vom hohen Bergesrücken
Es stolz im Sonnenstrahle blicken,
Mit Türmen und mit Zinnen prangen,
Mit tiefem Graben rings umfangen,
Voll Heldenbilder aller Orte,
Zween Marmorlöwen an der Pforte;
Doch drinnen ist es öd' und stille,
Im Hofe hohes Gras in Fülle,
Im Graben quillt das Wasser nimmer,
Im Haus ist Treppe nicht noch Zimmer,
Ringsum die Efeuranken schleichen,
Zugvögel durch die Fenster streichen.
Dort saßen mit der goldnen Krone
Voreinst die Herrscher auf dem Throne;
Von dort aus zogen einst die Helden,
Von denen die Geschichten melden.
Die Herrscher ruhn in Gräberhallen,
Die Helden sind im Kampf gefallen.
Verhallet war der Burg Getümmel,
Da fuhr ein Feuerstrahl vom Himmel,
Der reiche Schatz verging in Flammen,
Gemach und Treppe fiel zusammen.
Inwendig war das Schloß verheeret,
Doch außen blieb es unversehret.
Sobald erlosch der Edeln Orden,
Ist auch ihr Haus verödet worden.
Doch, wie noch die Geschichten melden
Der Herrscher Namen und der Helden,
So sieht man auch die Türm' und Mauern
Mit ihren Heldenbildern dauern;
Auch wird noch ferner manch Jahrhundert
Das hohe Denkmal schaun verwundert
Und jenes Schloß auf Berges Rücken
Verklärt im Sonnenstrahl erblicken.

Dann zwischen beiden in der Mitte,
Ein lustig Schlößlein, steht das dritte,
Nicht stolz auf Berges Gipfel oben,
Doch auf dem Hügel, sanft gehoben;
Nicht in des Waldes finstern Räumen,
Doch unter frischen Blütenbäumen;
Mit blanken Mauern, roten Ziegeln,
Mit Fenstern, die wie Sonnen spiegeln.
Es ist zu klein für die Geschichte,
Zu jung für Sagen und Gedichte.
Doch ich, der wohlbestellte Sänger,
Durch Feld und Wald der rasche Gänger,
Ich sorge redlich, daß nicht länger
Das Schlößlein bleibe sonder Kunde.
Zur Morgen- und zur Abendstunde
Umwandl' ich es mit meiner Laute,
Und wenn dann Clelia, die traute,
Ans Fenster tritt mit holdem Grüßen,
So will in mir die Hoffnung sprießen,
Daß eine Kunde, drin Geschichte
Sich schön verwoben mit Gedichte,
Daß solche Kunde bald beginne
Von Clelias und Sängers Minne.

Münstersage.

Am Münsterturm, dem grauen,
Da sieht man groß und klein
Viel Namen eingehauen;
Geduldig trägt's der Stein.

Einst klomm die luft'gen Schnecken
Ein Musensohn heran,
Sah aus nach allen Ecken,
Hub dann zu meißeln an.

Von seinem Schlage knittern
Die hellen Funken auf,
Den Turm durchfährt ein Zittern
Vom Grundstein bis zum Knauf.

Da zuckt in seiner Grube
Erwins, des Meisters, Staub,
Da hallt die Glockenstube,
Da rauscht manch steinern Laub.

Im großen Bau ein Gären,
Als wollt' er wunderbar
Aus seinem Stamm gebären,
Was unvollendet war! –

Der Name war geschrieben,
Von wenigen gekannt;
Doch ist er stehn geblieben
Und längst mit Preis genannt.

Wer ist noch, der sich wundert,
Daß ihm der Turm erdröhnt,
Dem nun ein halb Jahrhundert
Die Welt des Schönen tönt? Auf der Plattform des Straßburger Münsters steht unter vielen auch Goethes Name, von seinen akademischen Jahren her, eingehauen.

Der weiße Hirsch.

Es gingen drei Jäger wohl auf die Birsch,
Sie wollten erjagen den weißen Hirsch.

Sie legten sich unter den Tannenbaum;
Da hatten die drei einen seltsamen Traum.

Der erste.

»Mir hat geträumt, ich klopf' auf den Busch,
Da rauschte der Hirsch heraus, husch husch!«

Der zweite.

»Und als er sprang mit der Hunde Geklaff,
Da brannt' ich ihn auf das Fell, piff paff!«

Der dritte.

»Und als ich den Hirsch an der Erde sah,
Da stieß ich lustig ins Horn, trara!«

So lagen sie da und sprachen, die drei,
Da rannte der weiße Hirsch vorbei.

Und eh' die drei Jäger ihn recht gesehn,
So war er davon über Tiefen und Höhn.

Husch husch! piff paff! trara!

Die Jagd von Winchester.

König Wilhelm hatt' einen schweren Traum,
Vom Lager sprang er auf,
Wollt' jagen dort in Winchesters Wald,
Rief seine Herrn zuhauf.

Und als sie kamen vor den Wald,
Da hält der König still,
Gibt jedem einen guten Pfeil,
Wer jagen und birschen will.

Der König kommt zur hohen Eich',
Da springt ein Hirsch vorbei;
Der König spannt den Bogen schnell,
Doch die Sehne reißt entzwei.

Herr Titan besser treffen will,
Herr Titan drückt wohl ab:
Er schießt dem König mitten ins Herz
Den Pfeil, den der ihm gab.

Herr Titan fliehet durch den Wald,
Fliehet über Land und Meer,
Er flieht wie ein gescheuchtes Wild,
Find't nirgends Ruhe mehr.

Prinz Heinrich ritt im Wald umher,
Viel Reh' und Hasen er fand:
»Wohl träf' ich gern ein edler Wild
Mit dem Pfeil von Königs Hand.«

Da reiten schon in ernstem Zug
Die hohen Lords heran;
Sie melden ihm des Königs Tod,
Sie tragen die Kron' ihm an:

»Auf dieser trauervollen Jagd
Euch reiche Beute ward;
Ihr habt erjagt, gewalt'ger Herr,
Den edeln Leopard.«

Harald.

Vor seinem Heergefolge ritt
Der kühne Held Harald;
Sie zogen in des Mondes Schein
Durch einen wilden Wald.

Sie tragen manch erkämpfte Fahn',
Die hoch im Winde wallt,
Sie singen manches Siegeslied,
Das durch die Berge hallt.

Was rauschet, lauschet im Gebüsch?
Was wiegt sich auf dem Baum?
Was senket aus den Wolken sich
Und taucht aus Stromes Schaum?

Was wirft mit Blumen um und um?
Was singt so wonniglich?
Was tanzet durch der Krieger Reihn,
Schwingt auf die Rosse sich?

Was kost so sanft und küßt so süß
Und hält so lind umfaßt?
Und nimmt das Schwert und zieht vom Roß
Und läßt nicht Ruh' noch Rast?

Es ist der Elfen leichte Schar;
Hier hilft kein Widerstand,
Schon sind die Krieger all dahin,
Sind all im Feenland.

Nur er, der Beste, blieb zurück,
Der kühne Held Harald;
Er ist vom Wirbel bis zur Sohl'
In harten Stahl geschnallt.

All seine Krieger sind entrückt,
Da liegen Schwert und Schild;
Die Rosse, ledig ihrer Herrn,
Sie gehn im Walde wild.

In großer Trauer ritt von dann
Der stolze Held Harald;
Er ritt allein im Mondenschein
Wohl durch den weiten Wald.

Vom Felsen rauscht es frisch und klar;
Er springt vom Rosse schnell,
Er schnallt vom Haupte sich den Helm
Und trinkt vom kühlen Quell.

Doch, wie er kaum den Durst gestillt,
Versagt ihm Arm und Bein;
Er muß sich setzen auf den Fels,
Er nickt und schlummert ein.

Er schlummert auf demselben Stein
Schon manche hundert Jahr',
Das Haupt gesenket auf die Brust,
Mit grauem Bart und Haar.

Wann Blitze zucken, Donner rollt,
Wann Sturm erbraust im Wald,
Dann greift er träumend nach dem Schwert,
Der alte Held Harald.

Die Elfen.

Erste.

Kommt herbei, ihr lust'gen Schwestern!
Seht! ein holdes Erdenkind.
Sputet euch, bevor sie fliehet!
Solch ein Hexchen ist geschwind.

Alle.

Mädchen, komm zum Elfentanze!
Komm im Mond- und Sternenglanze!

Zweite.

Traun, du bist ein leichtes Liebchen,
Wiegst nicht über fünfzig Pfund,
Hast ein kleines, flinkes Füßchen;
Tanze mit uns in die Rund'!

Dritte.

Kannst wohl frei in Lüften schweben,
Bis man eben drei gezählt;
Stampfst zuweilen kaum ein wenig,
Daß man nicht den Takt verfehlt.

Alle.

Zürne nicht, du flinke Kleine!
Tanze frisch im Mondenscheine!

Vierte.

Trautes Liebchen, kannst du lachen?
Weinst du gern im Mondenschein?
Weine nur! so wirst du schmelzen,
Bald ein leichtes Elfchen sein.

Fünfte.

Sprich! ist auch dein Fleiß zu loben?
Ist dir keine Arbeit fremd?
Ist dein Brautbett schon gewoben?
Spinnst du schon fürs Totenhemd?

Sechste.

Kennst du auch die große Lehre
Von der Butter und dem Schmalz?
Spürst du in den Fingerspitzen,
Wieviel Pfeffer, wieviel Salz?

Alle.

Liebchen, laß uns immer fragen!
Darfst uns keine Antwort sagen.

Siebente.

Hast du nichts auf dem Gewissen,
Wie so manches arme Kind,
Von verstohlnen süßen Küssen,
Welches große Sünden sind?

Achte.

Oder bist du schon ein Bräutchen?
Hast 'nen Bräutigam so treu,
Der dich darf spazieren führen
Nachmittags von eins bis zwei?

Neunte.

Hast du einen Ring am Finger,
Schwer von Gold, mit Stein geschmückt?
Das ist echte Lieb' und Treue,
Wenn es recht am Finger drückt.

Zehnte.

Liebchen, bist noch immer böse?
Hast du so ein hitzig Blut?
Mußt dir's Zürnen abgewöhnen,
Ist nicht für die Ehe gut.

Alle.

Liebchen, frisch zum Elfentanze!
Auf im Mond- und Sternenglanze!

Merlin der Wilde.

An Karl Mayer.

Du sendest, Freund, mir Lieder
Voll frischer Waldeslust,
Du regtest gerne wieder
Auch mir die Dichterbrust;
Du zeigst an schatt'ger Halde
Mir den beschilften See,
Du lockest aus dem Walde
Zum Bad ein scheues Reh.

Ob einem alten Buche
Bring' ich die Stunden hin;
Doch fürchte nicht, ich suche
Mir trockne Blüten drin!
Durch seine Zeilen windet
Ein grüner Pfad sich weit
Ins Feld hinaus und schwindet
In Waldeseinsamkeit.

Da sitzt Merlin der Wilde
Am See auf moosigem Stein
Und starrt nach seinem Bilde
Im dunkeln Widerschein:
Er sieht, wie er gealtet
Im trüben Weltgewühl;
Hier in der Wildnis waltet
Ihm neuer Kraft Gefühl.

Vom Grün, das um ihn tauet,
Ist ihm der Blick gestärkt,
Daß er Vergangnes schauet
Und Künftiges ermerkt;
Der Wald in nächt'ger Stunde
Hat um sein Ohr gerauscht,
Daß es in seinem Grunde
Den Geist der Welt erlauscht.

Das Wild, das um ihn weilet,
Dem stillen Gaste zahm,
Es schrickt empor, enteilet,
Weil es ein Horn vernahm.
Von raschem Jägertrosse
Wird er hinweggeführt
Fern zu des Königs Schlosse,
Der längst nach ihm gespürt:

»Gesegnet sei der Morgen,
Der dich ins Haus mir bringt,
Den Mann, der, uns verborgen,
Den Tieren Weisheit singt!
Wohl möchten wir erfahren,
Was jene Sprüche wert,
Die dich seit manchen Jahren
Der Waldesschatten lehrt.

»Nicht um den Lauf der Sterne
Heb' ich zu fragen an;
Am Kleinen prüft' ich gerne,
Wie es um dich getan.
Du kommst in dieser Frühe
Mir ein Gerufner her;
Du lösest ohne Mühe,
Wovon das Haupt mir schwer.

»Dort, wo die Linden düstern,
Vernahm ich diese Nacht
Ein Plaudern und ein Flüstern,
Wie wenn die Liebe wacht.
Die Stimmen zu erkunden,
Lauscht' ich hinab vom Wall;
Doch, wähnt' ich sie gefunden,
So schlug die Nachtigall.

»Nun frag' ich dich, o Meister,
Wer bei den Linden war.
Dir machen deine Geister
Geheimes offenbar,
Dir singt's der Vögel Kehle,
Die Blätter säuseln's dir.
Sprich ohne Scheu! verhehle
Nichts, was du schauest, mir!«

Der König steht umgeben
Von seinem Hofgesind;
Zu Morgen grüßt ihn eben
Sein rosenblühend Kind.
Merlin, der unerschrocken
Den Kreis gemustert hat,
Nimmt aus der Jungfrau Locken
Ein zartes Lindenblatt:

»Laß mich dies Blatt dir reichen!
Lies, Herr, was es dir sagt!
Wem nicht an solchem Zeichen
Genug, der sei befragt:
Ob er in Königshallen
Je Blätter regnen sah?
Wo Lindenblätter fallen,
Da ist die Linde nah.

»Du hast, o Herr, am Kleinen
Mein Wissen heut erprobt;
Mög' es dir so erscheinen,
Daß man es billig lobt!
Löst' ich aus einem Laube
Dein Rätsel dir so bald,
Viel größre löst (das glaube!)
Der dichtbelaubte Wald.«

Der König steht und schweiget,
Die Tochter glüht von Scham.
Der stolze Seher steiget
Hinab, von wo er kam;
Ein Hirsch, den wohl er kennet,
Harrt vor der Brücke sein
Und nimmt ihn auf und rennet
Durch Feld und Strom waldein.

Versunken lag im Moose
Merlin, doch tönte lang
Aus einer Waldkluft Schoße
Noch seiner Stimme Klang.
Auch dort ist längst nun Friede;
Ich aber zweifle nicht,
Daß, Freund, aus deinem Liede
Merlin der Wilde spricht.

Die Bildsäule des Bacchus.

Kallisthenes, ein Jüngling zu Athen,
Kam ernst nach einer durchgeschwärmten Nacht,
Den welken Efeukranz ums wilde Haar,
Hintaumelnd in der Dämmerung, nach Haus,
Er selber, wie die Dämmrung, wüst und bleich.
Als nun der Diener nach dem Schlafgemach
Ihm leuchtet durch den hohen Säulengang,
Da tritt mit eins im vollen Fackelschein
Des Bacchus göttlich Marmorbild hervor,
Von schöpferischer Meisterhand geformt.
In Jugendfülle hebt sich die Gestalt;
Aus reichem, lang hinwallendem Gelock
Erglänzt das feingewölbte Schulternpaar,
Und unterm Schatten üppigen Geflechts
Von Rebenlaub und schwellender Traubenfrucht
Erscheint das runde, blühende Gesicht.
Erschrocken fährt Kallisthenes zurück
Vor der Erscheinung Herrlichkeit und Glanz;
Ihm ist, als hätte mit dem Thyrsusstab
Der Gott die Stirne strafend ihm berührt,
Als spräche zürnend der belebte Mund:
»Was spukst du hier, du wankendes Gespenst,
Ereb'scher Schatten, kraftlos, sinnbetäubt?
Du hast den heil'gen Efeu mir entweiht,
Du nennest frevelnd meinen Priester dich.
Hinweg von mir! Ich kenne deiner nicht.
Ich bin die Fülle schaffender Natur,
Die sich besonders in dem edeln Blut
Der Rebe reich und göttlich offenbart.
Will euer wüstes Treiben einen Gott,
So sucht ihn nicht auf sonnigem Weingebirg!
Nein, sucht ihn drunten in des Hades Nacht!«
Der Gott verstummt, der Fackel Licht erlischt.
Der Jüngling schleicht beschämt in sein Gemach,
Er nimmt vom Haupt den welken Efeukranz,
Und still in des Gemütes Innerstem
Beschwöret er ein heiliges Gelübd'.

Von den sieben Zechbrüdern.

Ich kenne sieben lust'ge Brüder,
Sie sind die durstigsten im Ort;
Die schwuren höchlich, niemals wieder
Zu nennen ein gewisses Wort,
In keinerlei Weise,
Nicht laut und nicht leise.

Es ist das gute Wörtlein Wasser,
Darin doch sonst kein Arges steckt.
Wie kommt's nun, daß die wilden Prasser
Dies schlichte Wort so mächtig schreckt?
Merkt auf! ich berichte
Die Wundergeschichte.

Einst hörten jene durst'gen sieben
Von einem fremden Zechkumpan,
Es sei am Waldgebirge drüben
Ein neues Wirtshaus aufgetan,
Da fließen so reine,
So würzige Weine.

Um einer guten Predigt willen
Hätt' keiner sich vom Platz bewegt;
Doch, gilt es, Gläser gut zu füllen,
Dann sind die Bursche gleich erregt.
»Auf! lasset uns wandern!«
Ruft einer dem andern.

Sie wandern rüstig mit dem frühen.
Bald steigt die Sonne drückend heiß,
Die Zunge lechzt, die Lippen glühen,
Und von der Stirne rinnt der Schweiß;
Da rieselt so helle
Vom Felsen die Quelle.

Wie trinken sie in vollen Zügen!
Doch als sie kaum den Durst gestillt,
Bezeigen sie ihr Mißvergnügen,
Daß hier nicht Wein, nur Wasser quillt:
»O fades Getränke!
O ärmliche Schwenke!«

In seine vielverwobnen Gänge
Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf;
Da stehn sie plötzlich im Gedränge,
Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf.
Sie irren, sie suchen,
Sie zanken und fluchen.

Derweil hat sich in finstre Wetter
Die schwüle Sonne tief verhüllt;
Schon rauscht der Regen durch die Blätter,
Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt;
Dann kommt es geflossen,
Unendlich ergossen.

Bald wird der Forst zu tausend Inseln,
Zahllose Ströme brechen vor;
Hier hilft kein Toben, hilft kein Winseln,
Er muß hindurch, der edle Chor.
O gründliche Taufe!
O köstliche Traufe!

Vor alters wurden Menschenkinder
Verwandelt oft in Quell und Fluß;
Auch unsre sieben arme Sünder
Bedroht ein gleicher Götterschluß.
Sie triefen, sie schwellen,
Als würden sie Quellen.

So, mehr geschwommen, als gegangen,
Gelangen sie zum Wald hinaus;
Doch keine Schenke sehn sie prangen,
Sie sind auf gradem Weg nach Haus;
Schon rieselt so helle
Vom Felsen die Quelle.

Da ist's, als ob sie rauschend spreche.
»Willkommen, saubre Brüderschar!
Ihr habt geschmähet, töricht Freche,
Mein Wasser, das euch labend war.
Nun seid ihr getränket,
Daß ihr daran denket.«

So kam es, daß die sieben Brüder
Das Wasser fürchteten hinfort,
Und daß sie schwuren, niemals wieder
Zu nennen das verwünschte Wort,
In keinerlei Weise,
Nicht laut und nicht leise.

Die Geisterkelter.

Zu Weinsberg, der gepriesnen Stadt,
Die von dem Wein den Namen hat,
Wo Lieder klingen, schön und neu,
Und wo die Burg heißt Weibertreu
(Bei Weib und Wein und bei Gesang
Wär' Luthern dort die Zeit nicht lang;
Auch fänd' er Herberg' und Gelaß
Für Teufel und für Tintenfaß,
Denn alle Geister wandeln da),
Hört, was zu Weinsberg jüngst geschah:

Der Wächter, der die Stadt bewacht,
Ging seinen Gang in jener Nacht,
In der ein Jahr zu Grabe geht
Und gleich ein andres aufersteht.
Schon warnt die Uhr zur Geisterzeit,
Der Wächter steht zum Ruf bereit;
Da, zwischen Warnen, zwischen Schlag,
Am Scheideweg von Jahr und Tag
Hört er ein Knarren, ein Gebraus,
Genüber öffnet sich das Haus,
Es sinkt die Wand, im hohlen Raum
Erhebt sich stolz ein Kelterbaum,
Und um ihn dreht in vollem Schwung
Sich jauchzend, glühend alt und jung,
Und aus den Röhren purpurhell,
Vollblütig springt des Mostes Quell;
Ein sausend Mühlrad tobt der Reihn,
Die Schaufeln treibt der wilde Wein.
Der Wächter weiß nicht, wie er tu',
Er kehrt sich ab, den Bergen zu;
Doch ob der dunkeln Stadt herein
Erglänzen die im Mittagsschein:
Des Herbstes goldner Sonnenstaub
Umwebt der Reben üppig Laub,
Und aus dem Laube blinkt hervor
Der Winzerinnen bunter Chor;
Den Trägern in den Furchen all
Wächst übers Haupt der Trauben Schwall;
Die Treterknaben sieht man kaum,
So spritzt um sie der edle Schaum.
Gelächter und Gesang erschallt,
Die Pritsche klatscht, der Puffer knallt.
Wohl senkt die Sonne jetzt den Lauf,
Doch rauschen Feuergarben auf
Und werfen Sterne groß und licht
Dem Abendhimmel ins Gesicht.
Da dröhnt der Hammer dumpf und schwer
Zwölfmal vom grauen Kirchturm her;
Der Jubel schweigt, der Glanz erlischt,
Die Kelter ist hinweggewischt,
Und aus der stillen Kammer nur
Glimmt eines Lämpchens letzte Spur.
Der Wächter aber singet schon
Das neue Jahr im alten Ton,
Doch fließet ihm, wie Honigseim,
Zum alten Spruch manch neuer Reim.
Er kündet froh und preiset laut,
Was ihm die Wundernacht vertraut;
Denn wann die Geisterkelter schafft,
Ist guter Herbst unzweifelhaft.
Da klopft's ihm auf die Schulter sacht,
Es ist kein Geist der Mitternacht;
Ein Zechgesell, der keinen glaubt,
Begrüßt ihn, schüttelnd mit dem Haupt:
»Der Most in deiner Kelter war
Vom alten, nicht vom neuen Jahr.«

Junker Rechberger.

Rechberger war ein Junker keck,
Der Kaufleut' und der Wanderer Schreck.
In einer Kirche, verlassen,
Da tät er die Nacht verpassen.

Und als es war nach Mitternacht,
Da hat er sich auf den Fang gemacht;
Ein Kaufzug, hat er vernommen,
Wird frühe vorüberkommen.

Sie waren geritten ein kleines Stück,
Da sprach er: »Reitknecht, reite zurück!
Die Handschuh' hab' ich vergessen
Auf der Bahre, da ich gesessen.«

Der Reitknecht kam zurück so bleich:
»Die Handschuh' hole der Teufel Euch!
Es sitzt ein Geist auf der Bahre;
Es starren mir noch die Haare.

»Er hat die Handschuh angetan
Und schaut sie mit feurigen Augen an,
Er streicht sie wohl auf und nieder;
Es beben mir noch die Glieder.«

Da ritt der Junker zurück im Flug;
Er mit dem Geiste sich tapfer schlug,
Er hat den Geist bezwungen,
Seine Handschuh' wieder errungen.

Da sprach der Geist mit wilder Gier:
»Und läßt du sie nicht zu eigen mir,
So leihe mir auf ein Jährlein
Das schmucke, schmeidige Pärlein!«

»Ein Jährlein ich sie dir gerne leih',
So kann ich erproben des Teufels Treu';
Sie werden wohl nicht zerplatzen
An deinen dürren Tatzen.«

Rechberger sprengte von dannen stolz;
Er streifte mit seinem Knecht im Holz.
Der Hahn hat ferne gerufen,
Da hören sie Pferdehufen.

Dem Junker hoch das Herze schlug;
Des Weges kam ein schwarzer Zug
Vermummter Rittersleute
(Der Junker wich auf die Seite),

Und hinten trabt noch einer daher,
Ein ledig Räpplein führet er,
Mit Sattel und Zeug staffieret,
Mit schwarzer Decke gezieret.

Rechberger ritt heran und frug:
»Sag' an! wer sind die Herren vom Zug?
Sag' an, traut lieber Knappe!
Wem gehört der ledige Rappe?«

»Dem treuesten Diener meines Herrn,
Rechberger nennt man ihn nah und fern.
Ein Jährlein, so ist er erschlagen,
Dann wird das Räpplein ihn tragen.«

Der Schwarze ritt den andern nach.
Der Junker zu seinem Knechte sprach:
»Weh mir! vom Rosse ich steige,
Es geht mit mir zur Neige.

»Ist dir mein Rößlein nicht zu wild
Und nicht zu schwer mein Degen und Schild,
Nimm's hin dir zum Gewinste
Und brauch' es in Gottes Dienste!«

Rechberger in ein Kloster ging:
»Herr Abt, ich bin zum Mönche zu ring;
Doch möcht' ich in tiefer Reue
Dem Kloster dienen als Laie.«

»Du bist gewesen ein Reitersmann,
Ich seh' es dir an den Sporen an;
So magst du der Pferde walten,
Die im Klosterstalle wir halten.«

Am Tag, da selbiges Jahr sich schloß,
Da kaufte der Abt ein schwarz wild Roß;
Rechberger sollt' es zäumen,
Doch es tät sich stellen und bäumen;

Es schlug den Junker mitten aufs Herz,
Daß er sank in bitterem Todesschmerz.
Es ist im Walde verschwunden,
Man hat's nicht wiedergefunden.

Um Mitternacht, an Junkers Grab,
Da stieg ein schwarzer Reitknecht ab,
Einem Rappen hält er die Stangen;
Reithandschuh' am Sattel hangen.

Rechberger stieg aus dem Grab herauf,
Er nahm die Handschuh' vom Sattelknauf,
Er schwang sich in Sattels Mitte;
Der Grabstein diente zum Tritte.

Dies Lied ist Junkern zur Lehr' gemacht,
Daß sie geben auf ihre Handschuh' acht,
Und daß sie fein bleiben lassen,
In der Nacht am Wege zu passen.

Der Graf von Greiers.

Der junge Graf von Greiers, er steht vor seinem Haus,
Er sieht am schönen Morgen weit ins Gebirg hinaus,
Er sieht die Felsenhörner verklärt im goldnen Strahl
Und dämmernd mitten inne das grünste Alpental:

»O Alpe, grüne Alpe, wie zieht's nach dir mich hin!
Beglückt, die dich befahren, Berghirt' und Sennerin!
Oft sah ich sonst hinüber, empfand nicht Leid noch Lust;
Doch heute dringt ein Sehnen mir in die tiefste Brust.«

Und nah und näher klingen Schalmeien an sein Ohr,
Die Hirtinnen und Hirten, sie ziehn zur Burg empor,
Und auf des Schlosses Rasen hebt an der Ringeltanz,
Die weißen Aermel schimmern, bunt flattern Band und Kranz.

Der Sennerinnen jüngste, schlank wie ein Maienreis,
Erfaßt die Hand des Grafen, da muß er in den Kreis;
Es schlinget ihn der Reigen in seine Wirbel ein:
»Hei, junger Graf von Greiers, gefangen mußt du sein!«

Sie raffen ihn von hinnen mit Sprung und Reigenlied,
Sie tanzen durch die Dörfer, wo Glied sich reiht an Glied,
Sie tanzen über Matten, sie tanzen durch den Wald,
Bis fernhin auf den Alpen der helle Klang verhallt.

Schon steigt der zweite Morgen, der dritte wird schon klar.
Wo bleibt der Graf von Greiers? ist er verschollen gar?
Und wieder sinkt zum Abend der schwülen Sonne Lauf;
Da donnert's im Gebirge, da ziehn die Wetter auf.

Geborsten ist die Wolke, der Bach zum Strom geschwellt,
Und als mit jähem Strahle der Blitz die Nacht erhellt,
Da zeigt sich in den Strudeln ein Mann, der wogt und ringt,
Bis er den Ast ergriffen und sich ans Ufer schwingt:

»Da bin ich, weggerissen aus eurer Berge Schoß;
Im Tanzen und im Schwingen ergriff mich Sturmgetos;
Ihr alle seid geborgen in Hütt' und Felsenspalt,
Nur mich hat fortgeschwemmet des Wolkenbruchs Gewalt.

»Leb' wohl, du grüne Alpe mit deiner frohen Schar!
Lebt wohl, drei sel'ge Tage, da ich ein Hirte war!
O, nicht bin ich geboren zu solchem Paradies,
Aus dem mit Blitzesflamme des Himmels Zorn mich wies.

»Du frische Alpenrose, rühr' nimmer meine Hand!
Ich fühl's, die kalte Woge, sie löscht nicht diesen Brand.
Du zauberischer Reigen, lock' nimmer mich hinaus!
Nimm mich in deine Mauern, du ödes Grafenhaus!«

Graf Eberstein.

Zu Speier im Saale, da hebt sich ein Klingen,
Mit Fackeln und Kerzen ein Tanzen und Springen.
Graf Eberstein,
Führet den Reihn
Mit des Kaisers holdseligem Töchterlein.

Und als er sie schwingt nun im luftigen Reigen,
Da flüstert sie leise (sie kann's nicht verschweigen):
»Graf Eberstein,
Hüte dich fein!
Heut nacht wird dein Schlößlein gefährdet sein.«

»Ei,« denket der Graf, »Euer kaiserlich Gnaden,
So habt Ihr mich darum zum Tanze geladen!«
Er sucht sein Roß,
Läßt seinen Troß
Und jagt nach seinem gefährdeten Schloß.

Um Ebersteins Feste, da wimmelt's von Streitern,
Sie schleichen im Nebel mit Haken und Leitern.
Graf Eberstein
Grüßet sie fein,
Er wirft sie vom Wall in die Gräben hinein.

Als nun der Herr Kaiser am Morgen gekommen,
Da meint er, es seie die Burg schon genommen.
Doch auf dem Wall
Tanzen mit Schall
Der Graf und seine Gewappneten all:

»Herr Kaiser, beschleicht Ihr ein andermal Schlösser,
Tut's not, Ihr verstehet aufs Tanzen Euch besser.
Euer Töchterlein
Tanzet so fein,
Dem soll meine Feste geöffnet sein.«

Im Schlosse des Grafen, da hebt sich ein Klingen,
Mit Fackeln und Kerzen ein Tanzen und Springen.
Graf Eberstein
Führet den Reihn
Mit des Kaisers holdseligem Töchterlein.

Und als er sie schwingt nun im bräutlichen Reigen,
Da flüstert er leise, nicht kann er's verschweigen:
Schön Jungfräulein,
Hüte dich fein!
Heut nacht wird ein Schlößlein gefährdet sein.«

Schwäbische Kunde.

Als Kaiser Rotbart lobesam
Zum heil'gen Land gezogen kam,
Da mußt' er mit dem frommen Heer
Durch ein Gebirge wüst und leer.
Daselbst erhub sich große Not,
Viel Steine gab's und wenig Brot,
Und mancher deutsche Reitersmann
Hat dort den Trunk sich abgetan;
Den Pferden war's so schwach im Magen,
Fast mußt' der Reiter die Mähre tragen.
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
Von hohem Wuchs und starker Hand,
Des Rößlein war so krank und schwach,
Er zog es nur am Zaume nach;
Er hätt' es nimmer aufgegeben,
Und kostet's ihn das eigne Leben.
So blieb er bald ein gutes Stück
Hinter dem Heereszug zurück;
Da sprengten plötzlich in die Quer
Fünfzig türkische Reiter daher.
Die huben an, auf ihn zu schießen,
Nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht sich nit,
Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und tät nur spöttlich um sich blicken,
Bis einem, dem die Zeit zu lang,
Auf ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,
Er trifft des Türken Pferd so gut,
Er haut ihm ab mit einem Streich
Die beiden Vorderfüß' zugleich.
Als er das Tier zu Fall gebracht,
Da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
Er schwingt es auf des Reiters Kopf,
Haut durch bis auf den Sattelknopf,
Haut auch den Sattel noch zu Stücken
Und tief noch in des Pferdes Rücken;
Zur Rechten sieht man wie zur Linken
Einen halben Türken heruntersinken.
Da packt die andern kalter Graus;
Sie fliehen in alle Welt hinaus,
Und jedem ist's, als würd' ihm mitten
Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
Drauf kam des Wegs 'ne Christenschar,
Die auch zurückgeblieben war;
Die sahen nun mit gutem Bedacht,
Was Arbeit unser Held gemacht.
Von denen hat's der Kaiser vernommen.
Der ließ den Schwaben vor sich kommen;
Er sprach: »Sag' an, mein Ritter wert!
Wer hat dich solche Streich' gelehrt?«
Der Held bedacht' sich nicht zu lang:
»Die Streiche sind bei uns im Schwang;
Sie sind bekannt im ganzen Reiche,
Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche.«

Die Rache.

Der Knecht hat erstochen den edeln Herrn,
Der Knecht wär' selber ein Ritter gern.

Er hat ihn erstochen im dunkeln Hain
Und den Leib versenket im tiefen Rhein.

Hat angeleget die Rüstung blank,
Auf des Herren Roß sich geschwungen frank.

Und als er sprengen will über die Brück',
Da stutzet das Roß und bäumt sich zurück.

Und als er die güldnen Sporen ihm gab,
Da schleudert's ihn wild in den Strom hinab.

Mit Arm, mit Fuß er rudert und ringt,
Der schwere Panzer ihn niederzwingt.

Das Schwert.

Zur Schmiede ging ein junger Held,
Er hatt' ein gutes Schwert bestellt;
Doch als er's wog in freier Hand,
Das Schwert er viel zu schwer erfand.

Der alte Schmied den Bart sich streicht:
»Das Schwert ist nicht zu schwer noch leicht,
Zu schwach ist Euer Arm, ich mein';
Doch morgen soll geholfen sein.«

»Nein, heut, bei aller Ritterschaft!
Durch meine, nicht durch Feuers Kraft.«
Der Jüngling spricht's, ihn Kraft durchdringt,
Das Schwert er hoch in Lüften schwingt.

Siegfrieds Schwert.

Jung Siegfried war ein stolzer Knab',
Ging von des Vaters Burg herab.

Wollt' rasten nicht in Vaters Haus,
Wollt' wandern in alle Welt hinaus.

Begegnet' ihm manch Ritter wert
Mit festem Schild und breitem Schwert.

Siegfried nur einen Stecken trug;
Das war ihm bitter und leid genug.

Und als er ging im finstern Wald,
Kam er zu einer Schmiede bald.

Da sah er Eisen und Stahl genug;
Ein lustig Feuer Flammen schlug.

»O Meister, liebster Meister mein,
Laß du mich deinen Gesellen sein!

»Und lehr' du mich mit Fleiß und Acht,
Wie man die guten Schwerter macht!«

Siegfried den Hammer wohl schwingen kunnt.
Er schlug den Amboß in den Grund;

Er schlug, daß weit der Wald erklang
Und alles Eisen in Stücke sprang.

Und von der letzten Eisenstang'
Macht' er ein Schwert so breit und lang:

»Nun hab' ich geschmiedet ein gutes Schwert,
Nun bin ich wie andre Ritter wert;

»Nun schlag' ich wie ein andrer Held
Die Riesen und Drachen in Wald und Feld.«

Klein Roland.

Frau Bertha saß in der Felsenkluft,
Sie klagt' ihr bittres Los;
Klein Roland spielt' in freier Luft,
Des Klage war nicht groß.

»O König Karl, mein Bruder hehr,
O daß ich floh von dir!
Um Liebe ließ ich Pracht und Ehr';
Nun zürnst du schrecklich mir.

»O Milon, mein Gemahl so süß,
Die Flut verschlang mir dich.
Die ich um Liebe alles ließ,
Nun läßt die Liebe mich.

»Klein Roland, du mein teures Kind,
Nun Ehr' und Liebe mir,
Klein Roland, komm herein geschwind!
Mein Trost kommt all von dir.

»Klein Roland, geh zur Stadt hinab,
Zu bitten um Speis' und Trank!
Und wer dir gibt eine kleine Gab',
Dem wünsche Gottes Dank!«

Der König Karl zur Tafel saß
Im goldnen Rittersaal;
Die Diener liefen ohn' Unterlaß
Mit Schüssel und Pokal.

Von Flöten, Saitenspiel, Gesang
Ward jedes Herz erfreut;
Doch reichte nicht der helle Klang
Zu Berthas Einsamkeit.

Und draußen in des Hofes Kreis,
Da saßen der Bettler viel;
Die labten sich an Trank und Speis'
Mehr als am Saitenspiel.

Der König schaut in ihr Gedräng'
Wohl durch die offne Tür,
Da drückt sich durch die dichte Meng'
Ein feiner Knab' herfür.

Des Knaben Kleid ist wunderbar,
Vierfarb zusammengestückt;
Doch weilt er nicht bei der Bettlerschar,
Herauf zum Saal er blickt.

Herein zum Saal klein Roland tritt,
Als wär's sein eigen Haus;
Er hebt eine Schüssel von Tisches Mitt'
Und trägt sie stumm hinaus.

Der König denkt: »Was muß ich sehn?
Das ist ein sondrer Brauch.«
Doch weil er's ruhig läßt geschehn,
So lassen's die andern auch.

Es stund nur an eine kleine Weil',
Klein Roland kehrt in den Saal;
Er tritt zum König hin mit Eil'
Und faßt seinen Goldpokal.

»Heida, halt an, du kecker Wicht!«
Der König ruft es laut;
Klein Roland läßt den Becher nicht,
Zum König auf er schaut.

Der König erst gar finster sah,
Doch lachen mußt' er bald:
»Du trittst in die goldne Halle da
Wie in den grünen Wald;

»Du nimmst die Schüssel von Königs Tisch,
Wie man Aepfel bricht vom Baum;
Du holst wie aus dem Bronnen frisch
Meines roten Weines Schaum.«

»Die Bäurin schöpft aus dem Bronnen frisch,
Die bricht die Aepfel vom Baum;
Meiner Mutter ziemet Wildbret und Fisch,
Ihr roten Weines Schaum.«

»Ist deine Mutter so edle Dam',
Wie du berühmst, mein Kind,
So hat sie wohl ein Schloß lustsam
Und stattlich Hofgesind'.

»Sag' an! wer ist denn ihr Truchseß?
Sag an! wer ist ihr Schenk?«
»Meine rechte Hand ist ihr Truchseß,
Meine linke, die ist ihr Schenk.«

»Sag' an! wer sind die Wächter treu?«
»Meine Augen blau all Stund.«
»Sag' an! wer ist ihr Sänger frei?«
»Der ist mein roter Mund.«

»Die Dam' hat wackre Diener, traun!
Doch liebt sie sondre Livrei,
Wie Regenbogen anzuschaun,
Mit Farben mancherlei.«

»Ich hab' bezwungen der Knaben acht
Von jedem Viertel der Stadt;
Die haben mir als Zins gebracht
Vielfältig Tuch zur Wat.«

»Die Dame hat nach meinem Sinn
Den besten Diener der Welt.
Sie ist wohl Bettlerkönigin,
Die offne Tafel hält.

»So edle Dame darf nicht fern
Von meinem Hofe sein;
Wohlauf, drei Damen! auf, drei Herrn!
Führt sie zu mir herein!«

Klein Roland trägt den Becher flink
Hinaus zum Prunkgemach;
Drei Damen, auf des Königs Wink,
Drei Ritter folgen nach.

Es stund nur an eine kleine Weil'
(Der König schaut in die Fern'),
Da kehren schon zurück mit Eil'
Die Damen und die Herrn.

Der König ruft mit einemmal:
»Hilf, Himmel! seh' ich recht?
Ich hab' verspottet im offenen Saal
Mein eigenes Geschlecht.

»Hilf, Himmel! Schwester Bertha, bleich,
Im grauen Pilgergewand!
Hilf, Himmel! in meinem Prunksaal reich
Den Bettelstab in der Hand!«

Frau Bertha fällt zu Füßen ihm,
Das bleiche Frauenbild;
Da regt sich plötzlich der alte Grimm,
Er blickt sie an so wild.

Frau Bertha senkt die Augen schnell,
Kein Wort zu reden sich traut;
Klein Roland hebt die Augen hell,
Den Oehm begrüßt er laut.

Da spricht der König in mildem Ton:
»Steh auf, du Schwester mein!
Um diesen deinen lieben Sohn
Soll dir verziehen sein.«

Frau Bertha hebt sich freudenvoll:
»Lieb Bruder mein, wohlan!
Klein Roland dir vergelten soll,
Was du mir Guts getan;

»Soll werden seinem König gleich
Ein hohes Heldenbild,
Soll führen die Farb' von manchem Reich
In seinem Banner und Schild;

»Soll greifen in manches' Königs Tisch
Mit seiner freien Hand,
Soll bringen zu Heil und Ehre frisch
Sein seufzend Mutterland.«

Roland Schildträger.

Der König Karl saß einst zu Tisch
Zu Aachen mit den Fürsten;
Man stellte Wildbret auf und Fisch
Und ließ auch keinen dürsten.
Viel Goldgeschirr von klarem Schein,
Manch roten, grünen Edelstein
Sah man im Saale leuchten.

Da sprach Herr Karl, der starke Held:
»Was soll der eitle Schimmer?
Das beste Kleinod dieser Welt,
Das fehlet uns noch immer;
Dies Kleinod, hell wie Sonnenschein,
Ein Riese trägt's im Schilde sein
Tief im Ardennerwalde.«

Graf Richard, Erzbischof Turpin,
Herr Haimon, Naims von Baiern,
Milon von Anglant, Graf Garin,
Die wollten da nicht feiern;
Sie haben Stahlgewand begehrt
Und hießen satteln ihre Pferd',
Zu reiten nach dem Riesen.

Jung Roland, Sohn des Milon, sprach:
»Lieb Vater, hört! ich bitte:
Vermeint Ihr mich zu jung und schwach,
Daß ich mit Riesen stritte,
Doch bin ich nicht zu winzig mehr,
Euch nachzutragen Euern Speer
Samt Eurem guten Schilde.«

Die sechs Genossen ritten bald
Vereint nach den Ardennen;
Doch als sie kamen in den Wald,
Da täten sie sich trennen.
Roland ritt hinterm Vater her;
Wie wohl ihm war, des Helden Speer,
Des Helden Schild zu tragen!

Bei Sonnenschein und Mondenlicht
Streiften die kühnen Degen,
Doch fanden sie den Riesen nicht
In Felsen noch Gehegen.
Zur Mittagsstund' am vierten Tag
Der Herzog Milon schlafen lag
In einer Eiche Schatten.

Roland sah in der Ferne bald
Ein Blitzen und ein Leuchten,
Davon die Strahlen in dem Wald
Die Hirsch' und Reh' aufscheuchten;
Er sah, es kam von einem Schild,
Den trug ein Riese groß und wild,
Vom Berge niedersteigend.

Roland gedacht' im Herzen sein:
»Was ist das für ein Schrecken!
Soll ich den lieben Vater mein
Im besten Schlaf erwecken?
Es wachet ja sein gutes Pferd,
Es wacht sein Speer, sein Schild und Schwert,
Es wacht Roland, der junge.«

Roland das Schwert zur Seite band,
Herrn Milons starkes Waffen;
Die Lanze nahm er in die Hand
Und tät den Schild aufraffen;
Herrn Milons Roß bestieg er dann
Und ritt erst sachte durch den Tann,
Den Vater nicht zu wecken.

Und als er kam zur Felsenwand,
Da sprach der Ries' mit Lachen:
»Was will doch dieser kleine Fant
Auf solchem Rosse machen?
Sein Schwert ist zwier so lang als er,
Vom Rosse zieht ihn schier der Speer,
Der Schild will ihn erdrücken.«

Jung Roland rief: »Wohlauf zum Streit!
Dich reuet noch dein Necken.
Hab' ich die Tartsche lang und breit,
Kann sie mich besser decken.
Ein kleiner Mann, ein großes Pferd,
Ein kurzer Arm, ein langes Schwert
Muß eins dem andern helfen.«

Der Riese mit der Stange schlug,
Auslangend in die Weite;
Jung Roland schwenkte schnell genug
Sein Roß noch auf die Seite.
Die Lanz' er auf den Riesen schwang,
Doch von dem Wunderschilde sprang
Auf Roland sie zurücke.

Jung Roland nahm in großer Hast
Das Schwert in beide Hände,
Der Riese nach dem seinen faßt',
Er war zu unbehende;
Mit flinkem Hiebe schlug Roland
Ihm unterm Schild die linke Hand,
Daß Hand und Schild entrollten.

Dem Riesen schwand der Mut dahin,
Wie ihm der Schild entrissen;
Das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
Mußt' er mit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
Doch Roland in das Knie ihn stach,
Daß er zu Boden stürzte.

Roland ihn bei den Haaren griff,
Hieb ihm das Haupt herunter,
Ein großer Strom von Blute lief
Ins tiefe Tal hinunter;
Und aus des Toten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
Und freute sich am Glanze.

Dann barg er's unterm Kleide gut
Und ging zu einem Quelle;
Da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurücke ritt der jung Roland
Dahin, wo er den Vater fand
Noch schlafend bei der Eiche.

Er legt' sich an des Vaters Seit',
Vom Schlafe selbst bezwungen,
Bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
»Wach' auf, wach' auf, mein Sohn Roland!
Nimm Schild und Lanze schnell zur Hand,
Daß wir den Riesen suchen!«

Sie stiegen auf und eilten sehr,
Zu schweifen in der Wilde;
Roland ritt hinterm Vater her
Mit dessen Speer und Schilde.
Sie kamen bald zu jener Stätt',
Wo Roland jüngst gestritten hätt;
Der Riese lag im Blute.

Roland kaum seinen Augen glaubt',
Als nicht mehr war zu schauen
Die linke Hand, dazu das Haupt,
So er ihm abgehauen,
Nicht mehr des Riesen Schwert und Speer,
Auch nicht sein Schild und Harnisch mehr,
Nur Rumpf und blut'ge Glieder.

Milon besah den großen Rumpf:
»Was ist das für 'ne Leiche?
Man sieht noch am zerhau'nen Stumpf,
Wie mächtig war die Eiche;
Das ist der Riese. Frag' ich mehr?
Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr',
Drum muß ich ewig trauern.« –

Zu Aachen vor dem Schlosse stund
Der König Karl gar bange:
»Sind meine Helden wohl gesund?
Sie weilen allzu lange.
Doch, seh' ich recht, auf Königswort,
So reitet Herzog Haimon dort,
Des Riesen Haupt am Speere.«

Herr Haimon ritt in trübem Mut,
Und mit gesenktem Spieße
Legt' er das Haupt, besprengt mit Blut,
Dem König vor die Füße:
»Ich fand den Kopf im wilden Hag,
Und fünfzig Schritte weiter lag
Des Riesen Rumpf am Boden.«

Bald auch der Erzbischof Turpin
Den Riesenhandschuh brachte,
Die ungefüge Hand noch drin;
Er zog sie aus und lachte:
»Das ist ein schön Reliquienstück;
Ich bring' es aus dem Wald zurück,
Fand es schon zugehauen.«

Der Herzog Naims von Baierland
Kam mit des Riesen Stange:
»Schaut an, was ich im Walde fand!
Ein Waffen stark und lange.
Wohl schwitz' ich von dem schweren Druck;
Hei, bairisch Bier, ein guter Schluck,
Sollt' mir gar köstlich munden.«

Graf Richard kam zu Fuß daher,
Ging neben seinem Pferde;
Das trug des Riesen schwere Wehr,
Den Harnisch samt dem Schwerte:
»Wer suchen will im wilden Tann,
Manch Waffenstück noch finden kann;
Ist mir zu viel gewesen.«

Der Graf Garin tät ferne schon
Den Schild des Riesen schwingen.
»Der hat den Schild, des ist die Kron',
Der wird das Kleinod bringen!«
»Den Schild hab' ich, ihr lieben Herrn!
Das Kleinod hätt' ich gar zu gern,
Doch das ist ausgebrochen.«

Zuletzt tat man Herrn Milon sehn,
Der nach dem Schlosse lenkte;
Er ließ das Rößlein langsam gehn,
Das Haupt er traurig senkte.
Roland ritt hinterm Vater her
Und trug ihm seinen starken Speer
Zusamt dem festen Schilde.

Doch wie sie kamen vor das Schloß
Und zu den Herrn geritten,
Macht' er von Vaters Schilde los
Die Zierat in der Mitten;
Das Riesenkleinod setzt' er ein,
Das gab so wunderklaren Schein
Als wie die liebe Sonne.

Und als nun diese helle Glut
Im Schilde Milons brannte,
Da rief der König frohgemut:
»Heil Milon von Anglante!
Der hat den Riesen übermannt,
Ihm abgeschlagen Haupt und Hand,
Das Kleinod ihm entrissen.«

Herr Milon hatte sich gewandt,
Sah staunend all die Helle:
»Roland, sag' an, du junger Fant!
Wer gab dir das, Geselle?«
»Um Gott, Herr Vater, zürnt mir nicht,
Daß ich erschlug den groben Wicht,
Derweil Ihr eben schliefet!«

König Karls Meerfahrt.

Der König Karl fuhr über Meer
Mit seinen zwölf Genossen,
Zum heil'gen Lande steuert' er
Und ward vom Sturm verstoßen.

Da sprach der kühne Held Roland:
»Ich kann wohl fechten und schirmen;
Doch hält mir diese Kunst nicht stand
Vor Wellen und vor Stürmen.«

Dann sprach Herr Holger aus Dänemark:
»Ich kann die Harfe schlagen;
Was hilft mir das, wenn also stark
Die Wind und Wellen jagen?«

Herr Oliver war auch nicht froh;
Er sah auf seine Wehre:
»Es ist mir um mich selbst nicht so,
Wie um die Altekläre.«

Dann sprach der schlimme Ganelon
(Er sprach es nur verstohlen):
»Wär' ich mit guter Art davon,
Möcht' euch der Teufel holen!«

Erzbischof Turpin seufzte sehr:
»Wir sind die Gottesstreiter;
Komm, liebster Heiland, über das Meer
Und führ' uns gnädig weiter!«

Graf Richard Ohnefurcht hub an:
»Ihr Geister aus der Hölle,
Ich hab' euch manchen Dienst getan;
Jetzt helft mir von der Stelle!«

Herr Naimes diesen Ausspruch tat:
»Schon vielen riet ich heuer,
Doch süßes Wasser und guter Rat
Sind oft zu Schiffe teuer.«

Da sprach der graue Herr Riol:
»Ich bin ein alter Degen
Und möchte meinen Leichnam wohl
Dereinst ins Trockene legen.«

Es war Herr Gui, ein Ritter fein,
Der fing wohl an zu singen:
»Ich wollt', ich wär' ein Vögelein;
Wollt' mich zu Liebchen schwingen.«

Da sprach der edle Graf Garein:
»Gott helf' uns aus der Schwere!
Ich trink' viel lieber den roten Wein,
Als Wasser in dem Meere.«

Herr Lambert sprach, ein Jüngling frisch:
»Gott woll' uns nicht vergessen!
Eß' lieber selbst 'nen guten Fisch,
Statt daß mich Fische fressen.«

Da sprach Herr Gottfried lobesan:
»Ich laß mir's halt gefallen;
Man richtet mir nicht anders an,
Als meinen Brüdern allen.«

Der König Karl am Steuer saß;
Der hat kein Wort gesprochen,
Er lenkt das Schiff mit festem Maß,
Bis sich der Sturm gebrochen.

Taillefer.

Normannenherzog Wilhelm sprach einmal:
»Wer singet in meinem Hof und in meinem Saal?
Wer singet vom Morgen bis in die späte Nacht
So lieblich, daß mir das Herz im Leibe lacht?«

»Das ist der Taillefer, der so gerne singt
Im Hofe, wann er das Rad am Brunnen schwingt,
Im Saale, wann er das Feuer schüret und facht,
Wann er abends sich legt und wann er morgens erwacht.«

Der Herzog sprach: »Ich hab' einen guten Knecht,
Den Taillefer; der dienet mir fromm und recht,
Er treibt mein Rad und schüret mein Feuer gut
Und singet so hell; das höhet mir den Mut.«

Da sprach der Taillefer: »Und wär' ich frei,
Viel besser wollt' ich dienen und singen dabei.
Wie wollt' ich dienen dem Herzog hoch zu Pferd!
Wie wollt' ich singen und klingen mit Schild und mit Schwert!

Nicht lange, so ritt der Taillefer ins Gefild
Auf einem hohen Pferde mit Schwert und mit Schild.
Des Herzogs Schwester schaute vom Turm ins Feld;
Sie sprach: »Dort reitet, bei Gott, ein stattlicher Held.«

Und als er ritt vorüber an Fräuleins Turm,
Da sang er bald wie ein Lüftlein, bald wie ein Sturm.
Sie sprach: »Der singet, das ist eine herrliche Lust;
Es zittert der Turm, und es zittert mein Herz in der Brust.

Der Herzog Wilhelm fuhr wohl über das Meer,
Er fuhr nach Engelland mit gewaltigem Heer.
Er sprang vom Schiffe, da fiel er auf die Hand;
»Hei,« rief er, »ich faß und ergreife dich, Engelland!«

Als nun das Normannenheer zum Sturme schritt,
Der edle Taillefer vor den Herzog ritt:
»Manch Jährlein hab' ich gesungen und Feuer geschürt,
Manch Jährlein gesungen und Schwert und Lanze gerührt.

»Und hab' ich Euch gedient und gesungen zu Dank,
Zuerst als ein Knecht und dann als ein Ritter frank,
So laßt mich das entgelten am heutigen Tag,
Vergönnet mir auf die Feinde den ersten Schlag!«

Der Taillefer ritt vor allem Normannenheer
Auf einem hohen Pferde mit Schwert und mit Speer;
Er sang so herrlich, das klang über Hastingsfeld;
Von Roland sang er und manchem frommen Held.

Und als das Rolandslied wie ein Sturm erscholl,
Da wallete manch Panier, manch Herze schwoll,
Da brannten Ritter und Mannen von hohem Mut;
Der Taillefer sang und schürte das Feuer gut.

Dann sprengt' er hinein und führte den ersten Stoß,
Davon ein englischer Ritter zur Erde schoß;
Dann schwang er das Schwert und führte den ersten Schlag,
Davon ein englischer Ritter am Boden lag.

Normannen sahen's, die harrten nicht allzulang,
Sie brachen herein mit Geschrei und mit Schilderklang.
Hei, sausende Pfeile, klirrender Schwerterschlag!
Bis Harald fiel und sein trotziges Heer erlag.

Herr Wilhelm steckte sein Banner aufs blutige Feld;
Inmitten der Toten spannt' er sein Gezelt;
Da saß er am Mahle, den goldnen Pokal in der Hand,
Auf dem Haupte die Königskrone von Engelland.

»Mein tapferer Taillefer, komm! trink mir Bescheid!
Du hast mir viel gesungen in Lieb' und in Leid;
Doch heut im Hastingsfelde dein Sang und dein Klang,
Der tönet mir in den Ohren mein Leben lang.«

Das Nothemd.

»Ich muß zu Feld, mein Töchterlein,
Und Böses dräut der Sterne Schein;
Drum schaff' du mir ein Notgewand,
Du Jungfrau, mit der zarten Hand!«

»Mein Vater, willst du Schlachtgewand
Von eines Mägdleins schwacher Hand?
Noch schlug ich nie den harten Stahl,
Ich spinn' und web' im Frauensaal.«

»Ja, spinne, Kind, in heil'ger Nacht!
Den Faden weih' der höllischen Macht!
Draus web' ein Hemde lang und weit!
Das wahret mich im blut'gen Streit.«

In heil'ger Nacht im Vollmondschein,
Da spinnt die Maid im Saal allein.
»In der Hölle Namen!« spricht sie leis;
Die Spindel rollt in feurigem Kreis.

Dann tritt sie an den Webestuhl
Und wirft mit zager Hand die Spul';
Es rauscht und saust in wilder Hast,
Als wöben Geisterhände zu Gast.

Als nun das Heer ausritt zur Schlacht,
Da trägt der Herzog sondere Tracht:
Mit Bildern, Zeichen, schaurig, fremd,
Ein weißes, weites, wallendes Hemd.

Ihm weicht der Feind wie einem Geist.
Wer böt' es ihm, wer stellt' ihn dreist,
An dem das härteste Schwert zerschellt,
Von dem der Pfeil auf den Schützen prellt!

Ein Jüngling sprengt ihm vors Gesicht:
»Halt, Würger, halt! Mich schreckst du nicht.
Nicht rettet dich die Höllenkunst;
Dein Werk ist tot, dein Zauber Dunst.«

Sie treffen sich und treffen gut,
Des Herzogs Nothemd trieft von Blut;
Sie haun und haun sich in den Sand,
Und jeder flucht des andern Hand.

Die Tochter steigt hinab ins Feld:
»Wo liegt der herzogliche Held?«
Sie find't die todeswunden zwei,
Da hebt sie wildes Klaggeschrei.

»Bist du's, mein Kind? Unsel'ge Maid,
Wie spannest du das falsche Kleid?
Hast du die Hölle nicht genannt,
War nicht jungfräulich deine Hand?«

»Die Hölle hab' ich wohl genannt,
Doch nicht jungfräulich war die Hand;
Der dich erschlug, ist mir nicht fremd;
So spann ich, weh! dein Totenhemd.«

Das Glück von Edenhall.

Von Edenhall der junge Lord
Läßt schmettern Festtrommetenschall;
Er hebt sich an des Tisches Bord
Und ruft in trunkner Gäste Schwall:
»Nun her mit dem Glücke von Edenhall!«

Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,
Des Hauses ältester Vasall,
Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch
Das hohe Trinkglas von Kristall;
Sie nennen's das Glück von Edenhall.

Darauf der Lord: »Dem Glas zum Preis
Schenk' Roten ein aus Portugal!«
Mit Händezittern gießt der Greis,
Und purpurn Licht wird überall;
Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall.

Da spricht der Lord und schwingt's dabei:
Dies Glas von leuchtendem Kristall
Gab meinem Ahn am Quell die Fei;
Drein schrieb sie: ›Kommt dies Glas zu Fall,
Fahr wohl dann, o Glück von Edenhall!‹

»Ein Kelchglas ward zum Los mit Fug
Dem freud'gen Stamm von Edenhall;
Wir schlürfen gern in vollem Zug,
Wir läuten gern mit lautem Schall.
Stoßt an mit dem Glücke von Edenhall!«

Erst klingt es milde, tief und voll
Gleich dem Gesang der Nachtigall,
Dann wie des Waldstroms laut Geroll;
Zuletzt erdröhnt wie Donnerhall
Das herrliche Glück von Edenhall.

»Zum Horte nimmt ein kühn Geschlecht
Sich den zerbrechlichen Kristall;
Er dauert länger schon als recht;
Stoßt an! Mit diesem kräft'gen Prall
Versuch' ich das Glück von Edenhall.«

Und als das Trinkglas gellend springt,
Springt das Gewölb mit jähem Knall,
Und aus dem Riß die Flamme dringt;
Die Gäste sind zerstoben all
Mit dem brechenden Glück von Edenhall.

Einstürmt der Feind mit Brand und Mord,
Der in der Nacht erstieg den Wall;
Vom Schwerte fällt der junge Lord,
Hält in der Hand noch den Kristall,
Das zersprungene Glück von Edenhall.

Am Morgen irrt der Schenk allein,
Der Greis in der zerstörten Hall';
Er sucht des Herrn verbrannt Gebein,
Er sucht im grausen Trümmerfall
Die Scherben des Glücks von Edenhall.

»Die Steinwand,« spricht er, »springt zu Stück,
Die hohe Säule muß zu Fall,
Glas ist der Erde Stolz und Glück,
In Splitter fällt der Erdenball
Einst, gleich dem Glücke von Edenhall.«

Der letzte Pfalzgraf.

Ich Pfalzgraf Götz von Tübingen
Verkaufe Burg und Stadt
Mit Leuten, Gülten, Feld und Wald;
Der Schulden bin ich satt.

Zwei Rechte nur verkauf' ich nicht,
Zwei Rechte, gut und alt:
Im Kloster eins, mit schmuckem Turm,
Und eins im grünen Wald.

Am Kloster schenkten wir uns arm
Und bauten uns zu Grund,
Dafür der Abt mir füttern muß
Den Habicht und den Hund.

Im Schönbuch, um das Kloster her,
Da hab' ich das Gejaid;
Behalt' ich das, so ist mir nicht
Um all mein andres leid.

Und hört ihr Mönchlein eines Tags
Nicht mehr mein Jägerhorn,
Dann zieht das Glöcklein, sucht mich auf!
Ich lieg' am schatt'gen Born.

Begrabt mich unter breiter Eich'
Im grünen Vogelsang
Und lest mir eine Jägermess'!
Die dauert nicht zu lang.

Graf Eberhard, der Rauschebart.

Ist denn im Schwabenlande verschollen aller Sang,
Wo einst so hell vom Staufen die Ritterharfe klang?
Und wenn er nicht verschollen, warum vergißt er ganz
Der tapfern Väter Taten, der alten Waffen Glanz?

Man lispelt leichte Liedchen, man spitzt manch Sinngedicht,
Man höhnt die holden Frauen, des alten Liedes Licht;
Wo rüstig Heldenleben längst auf Beschwörung lauscht,
Da trippelt man vorüber und schauert, wenn es rauscht.

Brich denn aus deinem Sarge, steig aus dem düstern Chor
Mit deinem Heldensohne, du Rauschebart, hervor! Graf Eberhard von Württemberg, genannt der Greiner, auch der Rauschebart († 1392), und dessen Sohn Ulrich († 1388) sind im Chor der Stiftskirche zu Stuttgart beigesetzt.
Du schlugst dich unverwüstlich noch greise Jahr' entlang;
Brich auch durch unsre Zeiten mit hellem Schwertesklang!

1. Der Ueberfall im Wildbad.

In schönen Sommertagen, wann lau die Lüfte wehn,
Die Wälder lustig grünen, die Gärten blühend stehn,
Da ritt aus Stuttgarts Toren ein Held von stolzer Art,
Graf Eberhard, der Greiner, der alte Rauschebart.

Mit wenig Edelknechten zieht er ins Land hinaus;
Er trägt nicht Helm noch Panzer, nicht geht's auf blut'gen Strauß;
Ins Wildbad will er reiten, wo heiß ein Quell entspringt,
Der Sieche heilt und kräftigt, der Greise wieder jüngt.

Zu Hirsau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein;
Dann geht's durch Tannenwälder ins grüne Tal gesprengt,
Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt.

Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Haus;
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus.
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast;
Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast.

Wann er sich dann entkleidet und wenig ausgeruht
Und sein Gebet gesprochen, so steigt er in die Flut;
Er setzt sich stets zur Stelle, wo aus dem Felsenspalt
Am heißesten und vollsten der edle Sprudel wallt.

Ein angeschoßner Eber, der sich die Wunde wusch,
Verriet voreinst den Jägern den Quell in Kluft und Busch;
Nun ist's dem alten Recken ein lieber Zeitvertreib,
Zu waschen und zu strecken den narbenvollen Leib.

Da kommt einsmals gesprungen sein jüngster Edelknab':
»Herr Graf, es zieht ein Haufe das obre Tal herab;
Sie tragen schwere Kolben, der Hauptmann führt im Schild
Ein Röslein rot von Golde und einen Eber wild.«

»Mein Sohn, das sind die Schlegler, die schlagen kräftig drein.
Gib mir den Leibrock, Junge! Das ist der Eberstein.
Ich kenne wohl den Eber, er hat so grimmen Zorn;
Ich kenne wohl die Rose, sie führt so scharfen Dorn.«

Da kommt ein armer Hirte in atemlosem Lauf:
»Herr Graf, es zieht 'ne Rotte das untere Tal herauf;
Der Hauptmann führt drei Beile, sein Rüstzeug glänzt und gleißt,
Daß mir's wie Wetterleuchten noch in den Augen beißt.«

»Das ist der Wunnensteiner, der gleißend Wolf genannt.
Gib mir den Mantel, Knabe! Der Glanz ist mir bekannt,
Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut.
Bind mir das Schwert zur Seite! Der Wolf, der lechzt nach Blut.

»Ein Mägdlein mag man schrecken, das sich im Bade schmiegt;
Das ist ein lustig Necken, das niemand Schaden fügt;
Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld,
Dann gilt's, wenn nicht sein Leben, doch schweres Lösegeld.«

Da spricht der arme Hirte: »Des mag noch werden Rat;
Ich weiß geheime Wege, die noch kein Mensch betrat;
Kein Roß mag sie ersteigen, nur Geißen klettern dort.
Wollt Ihr sogleich mir folgen, ich bring' Euch sicher fort.«

Sie klimmen durch das Dickicht den steilsten Berg hinan;
Mit seinem guten Schwerte haut oft der Graf sich Bahn.
Wie herb das Fliehen schmecke, noch hat er's nie vermerkt;
Viel lieber möcht' er fechten, das Bad hat ihn gestärkt.

In heißer Mittagsstunde bergunter und bergauf;
Schon muß der Graf sich lehnen auf seines Schwertes Knauf;
Darob erbarmt's den Hirten des alten, hohen Herrn,
Er nimmt ihn auf den Rücken: »Ich tu's von Herzen gern.«

Da denkt der alte Greiner: »Es tut doch wahrlich gut,
So sänftlich sein getragen von einem treuen Blut.
In Fährden und in Nöten zeigt erst das Volk sich echt;
Drum soll man nie zertreten sein altes, gutes Recht.«

Als drauf der Graf gerettet zu Stuttgart sitzt im Saal,
Heißt er 'ne Münze prägen als ein Gedächtnismal.
Er gibt dem treuen Hirten manch blankes Stück davon,
Auch manchem Herrn vom Schlegel verehrt er eins zum Hohn.

Dann schickt er tücht'ge Maurer ins Wildbad alsofort;
Die sollen Mauern führen rings um den offnen Ort,
Damit in künft'gen Sommern sich jeder greise Mann,
Von Feinden ungefährdet, im Bade jüngen kann.

2. Die drei Könige zu Heimsen.

Drei Könige zu Heimsen, wer hätt' es je gedacht,
Mit Rittern und mit Rossen, in Herrlichkeit und Pracht!
Es sind die hohen Häupter der Schlegelbrüderschaft;
Sich Könige zu nennen, das gibt der Sache Kraft.

Da thronen sie beisammen und halten eifrig Rat,
Bedenken und besprechen gewalt'ge Waffentat,
Wie man den stolzen Greiner mit Kriegsheer überfällt
Und besser als im Bade, ihm jeden Schlich verstellt.

Wie man ihn dann verwahret und seine Burgen bricht,
Bis er von allem Zwange die Edeln ledig spricht.
Dann fahre wohl, Landfriede! dann, Lehndienst, gute Nacht!
Dann ist's der freie Ritter, der alle Welt verlacht.

Schon sank die Nacht hernieder, die Kön'ge sind zur Ruh';
Schon krähen jetzt die Hähne dem nahen Morgen zu;
Da schallt mit scharfem Stoße das Wächterhorn vom Turm.
Wohlauf, wohlauf, ihr Schläfer! Das Horn verkündet Sturm.

In Nacht und Nebel draußen, da wogt es wie ein Meer
Und zieht von allen Seiten sich um das Städtlein her;
Verhaltne Männerstimmen, verworrener Gang und Drang,
Hufschlag und Rossesschnauben und dumpfer Waffenklang.

Und als das Frührot leuchtet, und als der Nebel sinkt,
Hei, wie es da von Speeren, von Morgensternen blinkt!
Des ganzen Gaues Bauern stehn um den Ort geschart,
Und mitten hält zu Rosse der alte Rauschebart.

Die Schlegler möchten schirmen das Städtlein und das Schloß,
Sie werfen von den Türmen mit Steinen und Geschoß.
»Nur sachte!« ruft der Greiner, »euch wird das Bad geheizt;
Aufdampfen soll's und qualmen, daß euch's die Augen beizt.«

Rings um die alten Mauern ist Holz und Stroh gehäuft,
In dunkler Nacht geschichtet und wohl mit Teer beträuft;
Drein schießt man glühnde Pfeile; wie raschelt's da im Stroh!
Drein wirft man feur'ge Kränze; wie flackert's lichterloh!

Und noch von allen Enden wird Vorrat zugeführt,
Von all den rüst'gen Bauern wird emsig nachgeschürt,
Bis höher, immer höher die Flamme leckt und schweift
Und schon mit lust'gem Prasseln der Türme Dach ergreift.

Ein Tor ist freigelassen; so hat's der Graf beliebt.
Dort hört man, wie der Riegel sich leise, lose schiebt;
Dort stürzen wohl verzweifelnd die Schlegler jetzt heraus?
Nein, friedlich zieht's herüber als wie ins Gotteshaus.

Voran drei Schlegelkön'ge zu Fuß demütiglich,
Mit unbedecktem Haupte, die Augen unter sich;
Dann viele Herrn und Knechte gemachsam, Mann für Mann,
Daß man sie alle zählen und wohl betrachten kann.

»Willkomm!« so ruft der Greiner, »willkomm in meiner Haft!
Ich traf euch gut beisammen, geehrte Brüderschaft!
So konnt' ich wieder dienen für den Besuch im Bad.
Nur einen miß' ich, Freunde, den Wunnenstein, 's ist schad'.«

Ein Bäuerlein, das treulich am Feuer mitgefacht,
Lehnt dort an seinem Spieße, nimmt alles wohl in acht;
»Drei Könige zu Heimsen,« so schmollt es, »das ist viel;
Erwischt man noch den vierten, so ist's ein Kartenspiel.«

3. Die Schlacht bei Reutlingen.

Zu Achalm auf dem Felsen, da haust manch kühner Aar,
Graf Ulrich, Sohn des Greiners, mit seiner Ritterschar;
Wild rauschen ihre Flüge um Reutlingen die Stadt;
Bald scheint sie zu erliegen, vom heißen Drange matt.

Doch plötzlich einst erheben die Städter sich zu Nacht,
Ins Urachtal hinüber sind sie mit großer Macht;
Bald steigt von Dorf und Mühle die Flamme blutig rot;
Die Herden weggetrieben, die Hirten liegen tot.

Herr Ulrich hat's vernommen; er ruft im grimmen Zorn:
»In eure Stadt soll kommen kein Huf und auch kein Horn.«
Da sputen sich die Ritter, sie wappnen sich in Stahl,
Sie heischen ihre Rosse, sie reiten stracks zu Tal.

Ein Kirchlein stehet drunten, Sankt Leonhard geweiht,
Dabei ein grüner Anger; der scheint bequem zum Streit.
Sie springen von den Pferden, sie ziehen stolze Reihn,
Die langen Spieße starren; wohlauf! wer wagt sich drein?

Schon ziehn vom Urachtale die Städter fern herbei;
Man hört der Männer Jauchzen, der Herden wild Geschrei,
Man sieht sie fürder schreiten, ein wohl gerüstet Heer;
Wie flattern stolz die Banner! wie blitzen Schwert und Speer!

Nun schließ dich fest zusammen, du ritterliche Schar!
Wohl hast du nicht geahndet so dräuende Gefahr.
Die übermächt'gen Rotten, sie stürmen an mit Schwall,
Die Ritter stehn und starren wie Fels und Mauerwall.

Zu Reutlingen am Zwinger, da ist ein altes Tor;
Längst wob mit dichten Ranken der Efeu sich davor.
Man hatt' es schier vergessen; nun kracht's mit einmal auf,
Und aus dem Zwinger stürzet gedrängt ein Bürgerhauf'.

Den Rittern in den Rücken fällt er mit grauser Wut;
Heut will der Städter baden im heißen Ritterblut.
Wie haben da die Gerber so meisterlich gegerbt!
Wie haben da die Färber so purpurrot gefärbt!

Heut nimmt man nicht gefangen, heut geht es auf den Tod,
Heut spritzt das Blut wie Regen, der Anger blümt sich rot.
Stets drängender umschlossen und wütender bestürmt,
Ist rings von Bruderleichen die Ritterschar umtürmt.

Das Fähnlein ist verloren, Herr Ulrich blutet stark;
Die noch am Leben blieben, sind müde bis ins Mark.
Da haschen sie nach Rossen und schwingen sich darauf,
Sie hauen durch, sie kommen zur festen Burg hinauf.

»Ach Allm!« stöhnt' einst ein Ritter; ihn traf des Mörders Stoß;
»Allmächt'ger!« wollt' er rufen; man hieß davon das Schloß.
Herr Ulrich sinkt vom Sattel halbtot, voll Blut und Qualm;
Hätt' nicht das Schloß den Namen, man hieß es jetzt Achalm.

Wohl kommt am andern Morgen zu Reutlingen ans Tor
Manch trauervoller Knappe, der seinen Herrn verlor.
Dort auf dem Rathaus liegen die Toten all gereiht;
Man führt dahin die Knechte mit sicherem Geleit.

Dort liegen mehr denn sechzig, so blutig und so bleich;
Nicht jeder Knapp erkennet den toten Herrn sogleich.
Dann wird ein jeder Leichnam von treuen Dieners Hand
Gewaschen und gekleidet in weißes Grabgewand.

Auf Bahren und auf Wagen, getragen und geführt,
Mit Eichenlaub bekränzet, wie's Helden wohl gebührt,
So geht es nach dem Tore die alte Stadt entlang;
Dumpf tönet von den Türmen der Totenglocken Klang.

Götz Weißenheim eröffnet den langen Leichenzug.
Er war es, der im Streite des Grafen Banner trug;
Er hatt' es nicht gelassen, bis er erschlagen war;
Drum mag er würdig führen auch noch die tote Schar.

Drei edle Grafen folgen, bewährt in Schildesamt,
Von Tübingen, von Zollern, von Schwarzenberg entstammt.
O Zollern, deine Leiche umschwebt ein lichter Kranz:
Sahst du vielleicht noch sterbend dein Haus im künft'gen Glanz?

Von Sachsenheim zween Ritter, der Vater und der Sohn,
Die liegen still beisammen in Lilien und in Mohn.
Auf ihrer Stammburg wandelt von alters her ein Geist,
Der längst mit Klaggebärden auf schweres Unheil weist.

Einst war ein Herr von Lustnau vom Scheintod auferwacht;
Er kehrt' im Leichentuche zu seiner Frau bei Nacht,
Davon man sein Geschlechte die Toten hieß zum Scherz.
Hier bringt man ihrer einen, den traf der Tod ins Herz.

Das Lied, es folgt nicht weiter, des Jammers ist genug.
Will jemand alle wissen, die man von dannen trug:
Dort auf den Rathausfenstern in Farben bunt und klar
Stellt jeden Ritters Name und Wappenschild sich dar.

Als nun von seinen Wunden Graf Ulrich ausgeheilt,
Da reitet er nach Stuttgart; er hat nicht sehr geeilt.
Er trifft den alten Vater allein am Mittagsmahl;
Ein frostiger Willkommen! kein Wort ertönt im Saal.

Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an den Tisch,
Er schlägt die Augen nieder; man bringt ihm Wein und Fisch;
Da faßt der Greis ein Messer und spricht kein Wort dabei
Und schneidet zwischen beiden das Tafeltuch entzwei.

4. Die Döffinger Schlacht.

Am Ruheplatz der Toten, da pflegt es still zu sein,
Man hört nur leises Beten bei Kreuz und Leichenstein.
Zu Döffingen war's anders; dort scholl den ganzen Tag
Der feste Kirchhof wider von Kampfruf, Stoß und Schlag.

Die Städter sind gekommen, der Bauer hat sein Gut
Zum festen Ort geflüchtet und hält's in tapfrer Hut.
Mit Spieß und Karst und Sense treibt er den Angriff ab;
Wer tot zu Boden sinket, hat hier nicht weit ins Grab.

Graf Eberhard der Greiner vernahm der Seinen Not;
Schon kommt er angezogen mit starkem Aufgebot,
Schon ist um ihn versammelt der besten Ritter Kern,
Vom edeln Löwenbunde die Grafen und die Herrn.

Da kommt ein reis'ger Bote vom Wolf von Wunnenstein:
»Mein Herr mit seinem Banner will Euch zu Dienste sein.«
Der stolze Graf entgegnet: »Ich hab' sein nicht begehrt;
Er hat umsonst die Münze, die ich ihm einst verehrt.«

Bald sieht Herr Ulrich drüben der Städte Scharen stehn,
Von Reutlingen, von Augsburg, von Ulm die Banner wehn;
Da brennt ihn seine Narbe, da gärt der alte Groll:
»Ich weiß, ihr Uebermüt'gen, wovon der Kamm euch schwoll.«

Er sprengt zu seinem Vater: »Heut zahl' ich alte Schuld;
Will's Gott, erwerb' ich wieder die väterliche Huld.
Nicht darf ich mit dir speisen auf einem Tuch, du Held!
Doch darf ich mit dir schlagen auf einem blut'gen Feld.«

Sie steigen von den Gaulen, die Herrn vom Löwenbund,
Sie stürzen auf die Feinde, tun sich als Löwen kund.
Hei, wie der Löwe Ulrich so grimmig tobt und würgt!
Er will die Schuld bezahlen, er hat sein Wort verbürgt.

Wen trägt man aus dem Kampfe dort auf den Eichenstumpf?
»Gott sei mir Sünder gnädig!« Er stöhnt's, er röchelt's dumpf.
O königliche Eiche, dich hat der Blitz zerspellt!
O Ulrich, tapfrer Ritter, dich hat das Schwert gefällt!

Da ruft der alte Recke, den nichts erschüttern kann:
»Erschreckt nicht! der gefallen, ist wie ein andrer Mann.
Schlagt drein! Die Feinde fliehen.« Er ruft's mit Donnerlaut;
Wie rauscht sein Bart im Winde! hei, wie der Eber haut.

Die Städter han vernommen das seltsam list'ge Wort.
»Wer flieht?« so fragen alle; schon wankt es hier und dort.
Das Wort hat sie ergriffen gleich einem Zauberlied,
Der Graf und seine Ritter durchbrechen Glied auf Glied.

Was gleißt und glänzt da droben und zuckt wie Wetterschein?
Das ist mit seinen Reitern der Wolf von Wunnenstein.
Er wirft sich auf die Städter, er sprengt sich weite Bucht,
Da ist der Sieg entschieden, der Feind in wilder Flucht.

Im Erntemond geschah es; bei Gott, ein heißer Tag!
Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag!
Wie auch so mancher Schnitter die Arme sinken läßt!
Wohl halten diese Ritter ein blutig Sichelfest.

Noch lange traf der Bauer, der hinterm Pfluge ging,
Auf rost'ge Degenklinge, Speereisen, Panzerring;
Und als man eine Linde zersägt und niederstreckt,
Zeigt sich darin ein Harnisch und ein Geripp versteckt.

Als nun die Schlacht geschlagen und Sieg geblasen war,
Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar:
»Hab Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus,
Daß wir uns gütlich pflegen nach diesem harten Strauß!«

»Hei,« spricht der Wolf mit Lachen, »gefiel Euch dieser Schwank?
Ich stritt aus Haß der Städte und nicht um Euren Dank.
Gut Nacht und Glück zur Reise! Es steht im alten Recht.«
Er spricht's und jagt von dannen mit Ritter und mit Knecht.

Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Graf die Nacht
Bei seines Ulrichs Leiche, des einz'gen Sohns, verbracht;
Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet sein Gesicht;
Ob er vielleicht im stillen geweint, man weiß es nicht.

Des Morgens mit dem frühsten, steigt Eberhard zu Roß,
Gen Stuttgart fährt er wieder mit seinem reis'gen Troß;
Da kommt des Wegs gelaufen der Zuffenhauser Hirt;
»Dem Mann ist's trüb zumute; was der uns bringen wird?«

»Ich bring' Euch böse Kunde: nächt ist in unsern Trieb
Der gleißend Wolf gefallen, er nahm, so viel ihm lieb.«
Da lacht der alte Greiner in seinen grauen Bart:
»Das Wölflein holt sich Kochfleisch, das ist des Wölfleins Art.«

Sie reiten rüstig fürder; sie sehn aus grünem Tal
Das Schloß von Stuttgart ragen, es glänzt im Morgenstrahl;
Da kommt des Wegs geritten ein schmucker Edelknecht;
»Der Knab' will mich bedünken, als ob er Gutes brächt'.«

»Ich bring' Euch frohe Märe: Glück zum Urenkelein!
Antonia hat geboren ein Knäblein hold und fein.«
Da hebt er hoch die Hände, der ritterliche Greis:
»Der Fink hat wieder Samen; dem Herrn sei Dank und Preis!«

Der Schenk von Limburg.

Zu Limburg auf der Feste,
Da wohnt ein edler Graf,
Den keiner seiner Gäste
Jemals zu Hause traf.
Er trieb sich allerwegen
Gebirg und Wald entlang;
Kein Sturm und auch kein Regen
Verleidet' ihm den Gang.

Er trug ein Wams von Leder
Und einen Jägerhut
Mit mancher wilden Feder,
Das steht den Jägern gut;
Es hing ihm an der Seiten
Ein Trinkgefäß von Buchs;
Gewaltig konnt' er schreiten
Und war von hohem Wuchs.

Wohl hat er Knecht und Mannen
Und hat ein tüchtig Roß,
Ging doch zu Fuß von dannen
Und ließ daheim den Troß.
Es war sein ganz Geleite
Ein Jagdspieß stark und lang,
An dem er über breite
Waldströme kühn sich schwang.

Nun hielt auf Hohenstaufen
Der deutsche Kaiser haus.
Der zog mit hellen Haufen
Einsmals zu jagen aus;
Er rannt' auf eine Hinde
So heiß und hastig vor,
Daß ihn sein Jagdgesinde
Im wilden Forst verlor.

Bei einer kühlen Quelle,
Da macht' er endlich Halt;
Gezieret war die Stelle
Mit Blumen mannigfalt.
Hier dacht' er sich zu legen
Zu einem Mittagschlaf,
Da rauscht' es in den Hägen
Und stand vor ihm der Graf.

Da hub er an zu schelten:
»Treff' ich den Nachbar hie?
Zu Hause weilt er selten,
Zum Hofe kommt er nie.
Man muß im Walde streifen,
Wenn man ihn fahen will;
Man muß ihn tapfer greifen
Sonst hält er nirgends still.

Als drauf ohn' alle Fährde
Der Graf sich niederließ
Und neben in die Erde
Die Jägerstange stieß,
Da griff mit beiden Händen
Der Kaiser nach dem Schaft:
»Den Spieß muß ich mir pfänden,
Ich nehm' ihn mir zu Haft.

»Der Spieß ist mir verfangen,
Des ich so lang begehrt;
Du sollst dafür empfangen
Hier dies mein bestes Pferd.
Nicht schweifen im Gewälde
Darf mir ein solcher Mann,
Der mir zu Hof und Felde
Viel besser dienen kann.«

»Herr Kaiser wollt vergeben!
Ihr macht das Herz mir schwer.
Laßt mir mein freies Leben
Und laßt mir meinen Speer!
Ein Pferd hab' ich schon eigen,
Für Eures sag' ich Dank;
Zu Rosse will ich steigen,
Bin ich mal alt und krank.«

»Mit dir ist nicht zu streiten,
Du bist mir allzu stolz.
Doch führst du an der Seiten
Ein Trinkgefäß von Holz;
Nun macht die Jagd mich dürsten,
Drum tu mir das, Gesell,
Und gib mir eins zu bürsten
Aus diesem Wasserquell!«

Der Graf hat sich erhoben;
Er schwenkt den Becher klar,
Er füllt ihn an bis oben,
Hält ihn dem Kaiser dar.
Der schlürft mit vollen Zügen
Den kühlen Trank hinein
Und zeigt ein solch Vergnügen,
Als wär's der beste Wein.

Dann faßt der schlaue Zecher
Den Grafen bei der Hand:
»Du schwenktest mir den Becher
Und fülltest ihn zum Rand,
Du hieltest mir zum Munde
Das labende Getränk:
Du bist von dieser Stunde
Des deutschen Reiches Schenk.«

Das Singental.

Der Herzog tief im Walde
Am Fuß der Eiche saß,
Als singend an der Halde
Ein Mägdlein Beeren las;
Erdbeeren kühl und duftig
Bot sie dem greisen Mann,
Doch ihn umschwebte luftig
Noch stets der Töne Bann.

»Mit deinem hellen Liede,«
So sprach er, »feine Magd,
Kam über mich der Friede
Nach mancher stürm'schen Jagd.
Die Beeren, die du bringest,
Erfrischen wohl den Gaum,
Doch singe mehr! du singest
Die Seel' in heitern Traum.

»Ertönt an dieser Eiche
Mein Horn von Elfenbein,
In seines Schalls Bereiche
Ist all das Waldtal mein;
So weit von jener Birke
Dein Lied erklingt rundum,
Geb' ich im Talbezirke
Dir Erb' und Eigentum.«

Noch einmal blies der Alte
Sein Horn ins Tal hinaus,
In ferner Felsenspalte
Verklang's wie Sturmgebraus;
Dann sang vom Birkenhügel
Des Mägdleins süßer Mund,
Als rauschten Engelflügel
Ob all dem stillen Grund.

Er legt in ihre Hände
Den Siegelring zum Pfand:
»Mein Weidwerk hat ein Ende,
Vergabt ist dir das Land.«
Da nickt ihm Dank die Holde
Und eilet froh waldaus;
Sie trägt im Ring von Golde
Den frischen Erdbeerstrauß.

Als noch des Hornes Brausen
Gebot mit finstrer Macht,
Da sah man Eber hausen
In tiefer Waldesnacht;
Laut bellte dort die Meute,
Vor der die Hindin floh,
Und fiel die blut'ge Beute,
Erscholl ein wild Hallo.

Doch seit des Mägdleins Singen
Ist ringsum Wiesengrün,
Die muntern Lämmer springen,
Die Kirschenhaine blühn,
Festreigen wird geschlungen
Im goldnen Frühlingsstrahl;
Und weil das Tal ersungen,
So heißt es Singental.

Lerchenkrieg.

»Lerchen sind wir, freie Lerchen,
Wiegen uns im Sonnenschein,
Steigen auf aus grünen Saaten,
Tauchen in den Himmel ein.«

Tausend Lerchen schwebten singend
Ob dem weiten, ebnen Rieß,
Daß ihr heller Ruf die Menschen
Nicht im Hause bleiben ließ.

Aus der Burg vom Wallersteine
Ritt der Graf mit seinem Sohn,
Will für ihn die goldnen Sporen
Holen an des Kaisers Thron,

Freut sich bei dem Lerchenwirbel
Schon der reichen Vogelbrut;
Doch dem Junker ihm zur Seite
Hüpft das Herz von Rittermut.

Aus der Stadt mit grauen Türmen,
Aus der Reichsstadt finstrem Tor
In den goldnen Sonntagsmorgen
Wandelt alt und jung hervor.

Und der junge Rottenmeister
Führt zum Garten seine Braut,
Pflücket ihr das erste Veilchen
Bei der Lerchen Jubellaut.

Diese lieben Lenzestage,
Ach, sie waren schnell verblüht,
Und die schönen Sommermonde
Waren auch so bald verglüht.

»Lerchen sind wir, freie Lerchen.
Nicht mehr lieblich ist es hier;
Singen ist uns hier verleidet,
Wandern, wandern wollen wir.«

Abendlich im Herbstesnebel
Ziehn die Bürger aus dem Tor,
Breiten, richten still die Garne,
Lauschen mit gespanntem Ohr.

Horch! es rauscht, die Lerchen kommen,
Horch! es rauscht, ein mächt'ger Flug;
Waffenklirrend in die Garne
Sprengt und stampft ein reis'ger Zug.

Ruft der alte Graf vom Rosse:
»Hilf, Maria, reine Magd!
Hilf den Bürgerfrevel strafen,
Der uns stört die Vogeljagd!«

Ruft der junge Rottenmeister:
»Schwert vom Leder! Spieß herbei!
Lerchen darf ein jeder fangen;
Kleine Vögel, die sind frei.«

Als der graue Morgen dämmert,
Liegt der Junker tot im Feld,
Ueber ihm, aufs Schwert sich stützend,
Grimmig, stumm, der greise Held.

Zum erschlagnen Rottenmeister
Beugt sich dort sein junges Weib,
Mit den aufgelösten Locken
Deckt sie seinen blut'gen Leib.

Und noch einmal, eh sie ziehen,
Steigen tausend Lerchen an,
Flattern in der Morgensonne,
Schmettern, wie sie nie getan:

»Lerchen sind wir, freie Lerchen,
Fliegen über Land und Flut;
Die uns fangen, würgen wollten,
Liegen hier in ihrem Blut.«

Ver sacrum.

Als die Latiner aus Lavinium
Nicht mehr dem Sturm der Feinde hielten stand,
Da hoben sie zu ihrem Heiligtum,
Dem Speer des Mavors, flehend Blick und Hand.

Da sprach der Priester, der die Lanze trug:
»Euch künd' ich statt des Gottes, der euch grollt:
›Nicht wird er senden günst'gen Vogelflug,
Wenn ihr ihm nicht den Weihefrühling zollt.‹«

»Ihm sei der Frühling heilig!« rief das Heer,
»Und was der Frühling bringt, sei ihm gebracht!«
Da rauschten Fittiche, da klang der Speer,
Da ward geworfen der Etrusker Macht.

Und jene zogen heim mit Siegesruf,
Und wo sie jauchzten, ward die Gegend grün;
Feldblumen sproßten unter jedem Huf;
Wo Speere streiften, sah man Bäum' erblühn.

Doch vor der Heimat Toren, am Altar,
Da harrten schon zum festlichen Empfang
Die Frauen und der Jungfraun helle Schar,
Bekränzt mit Blüte, welche heut entsprang.

Als nun verrauscht der freudige Willkomm,
Da trat der Priester auf den Hügel, stieß
Ins Gras den heil'gen Schaft, verneigte fromm
Sein Haupt und sprach vor allem Volke dies:

»Heil dir, der Sieg uns gab in Todesgraus!
Was wir gelobten, das erfüllen wir;
Die Arme breit' ich auf dies Land hinaus
Und weihe diesen vollen Frühling dir.

»Was jene Trift, die herdenreiche, trug,
Das Lamm, das Zicklein flamme deinem Herd!
Das junge Rind erwachse nicht dem Pflug,
Und für den Zügel nicht das mut'ge Pferd!

»Und was in jenen Blütengärten reift,
Was aus der Saat, der grünenden, gedeiht,
Es werde nicht von Menschenhand gestreift,
Dir sei es alles, alles dir geweiht!«

Schon lag die Menge schweigend auf den Knien;
Der gottgeweihte Frühling schwieg umher,
So leuchtend, wie kein Frühling je erschien;
Ein heil'ger Schauer waltet' ahnungschwer.

Und weiter sprach der Priester: »Schon gefreit
Wähnt ihr die Häupter, das Gelübd' vollbracht?
Vergaßt ihr ganz die Satzung alter Zeit?
Habt ihr, was ihr gelobt, nicht vorbedacht?

»Der Blüten Duft, die Saat im heitern Licht
Die Trift, von neugeborner Zucht belebt,
Sind sie ein Frühling, wenn die Jugend nicht,
Die menschliche, durch sie den Reigen webt?

»Mehr, als die Lämmer, sind dem Gotte wert
Die Jungfraun in der Jugend erstem Kranz;
Mehr, als der Füllen auch, hat er begehrt
Der Jünglinge im ersten Waffenglanz.

»O nicht umsonst, ihr Söhne, waret ihr
Im Kampfe so von Gotteskraft durchglüht!
O nicht umsonst, ihr Töchter, fanden wir
Rückkehrend euch so wundervoll erblüht!

»Ein Volk hast du vom Fall erlöst, o Mars!
Von Schmach der Knechtschaft hieltest du es rein
Und willst dafür die Jugend eines Jahrs;
Nimm sie! sie ist dir heilig, sie ist dein.«

Und wieder warf das Volk sich auf den Grund,
Nur die Geweihten standen noch umher,
Von Schönheit leuchtend, wenn auch bleich der Mund;
Und heil'ger Schauer lag auf allen schwer.

Noch lag die Menge schweigend wie das Grab,
Dem Gotte zitternd, den sie erst beschwor;
Da fuhr aus blauer Luft ein Strahl herab
Und traf den Speer und flammt' auf ihm empor.

Der Priester hob dahin sein Angesicht
(Ihm wallte glänzend Bart und Silberhaar);
Das Auge strahlend von dem Himmelslicht,
Verkündet' er, was ihm eröffnet war:

»Nicht läßt der Gott von seinem heil'gen Raub,
Doch will er nicht den Tod, er will die Kraft;
Nicht will er einen Frühling, welk und taub,
Nein, einen Frühling, welcher treibt im Saft.

»Aus der Latiner alten Mauern soll
Dem Kriegsgott eine neue Pflanzung gehn;
Aus diesem Lenz, inkräft'ger Keime voll,
Wird eine große Zukunft ihm erstehn.

»Drum wähle jeder Jüngling sich die Braut!
Mit Blumen sind die Locken schon bekränzt;
Die Jungfrau folge dem, dem sie vertraut;
So zieht dahin, wo euer Stern erglänzt!

»Die Körner, deren Halme jetzt noch grün,
Sie nehmet mit zur Aussaat in der Fern'!
Und von den Bäumen, welche jetzt noch blühn,
Bewahret euch den Schößling und den Kern!

»Der junge Stier pflüg' euer Neubruchland!
Auf eure Weiden führt das muntre Lamm!
Das rasche Füllen spring' an eurer Hand,
Für künft'ge Schlachten ein gesunder Stamm!

»Denn Schlacht und Sturm ist euch vorausgezeigt;
Das ist ja dieses starken Gottes Recht,
Der selbst in eure Mitte niedersteigt,
Zu zeugen eurer Könige Geschlecht.

»In eurem Tempel haften wird sein Speer;
Da schlagen ihn die Feldherrn schütternd an,
Wann sie ausfahren über Land und Meer
Und um den Erdkreis ziehn die Siegesbahn.

»Ihr habt vernommen, was dem Gott gefällt.
Geht hin, bereitet euch, gehorchet still!
Ihr seid das Saatkorn einer neuen Welt;
Das ist der Weihefrühling, den er will.«

Der Königssohn.

1.

Der alte, graue König sitzt
Auf seiner Väter Throne;
Sein Mantel glänzt wie Abendrot,
Wie sinkende Sonn' die Krone.

»Mein erster und mein zweiter Sohn,
Euch teil' ich meine Lande.
Mein dritter Sohn, mein liebstes Kind,
Was laß ich dir zum Pfande?«

»Gib mir von allen Schätzen nur
Die alte rostige Krone!
Gib mir drei Schiffe! so fahr' ich hin
Und suche nach einem Throne.«

2.

Der Jüngling steht auf dem Verdeck,
Sieht seine Schiffe fahren;
Die Sonne strahlt, es spielt die Luft
Mit seinen goldnen Haaren.

Das Ruder schallt, das Segel schwillt,
Die bunten Wimpel fliegen,
Meerfrauen mit Gesang und Spiel
Sich um die Kiele wiegen.

Er spricht: »Das ist mein Königreich,
Das frei und lustig streifet,
Das um die träge Erde her
Auf blauen Fluten schweifet.«

Da ziehen finstre Wolken auf
Mit Sturm und mit Gewitter,
Die Blitze zucken aus der Nacht,
Die Maste springen in Splitter.

Und Wogen stürzen auf das Schiff,
So wilde, Bergen gleiche;
Verschlungen ist der Königssohn
Samt seinem lust'gen Reiche.

3.

Fischer.

Versunken, wehe, Mast und Kiel,
Der Schiffer Ruf verschollen!
Doch sieh! wer schwimmet dort herbei,
Um den die Wogen rollen?

Er schlägt mit starkem Arm die Flut
Und fürchtet die Wellen wenig,
Trägt hoch das Haupt mit goldner Kron';
Er dünkt mir wohl ein König.

Jüngling.

Ein Königssohn. Mir aber ist
Die Heimat längst verloren.
Erst hat die schwache Mutter mich,
Die irdische, geboren;

Doch nun gebar die zweite Mutter,
Das starke Meer, mich wieder;
In Riesenarmen wiegte sie
Mich selbst und meine Brüder.

Die andern all ertrugen's nicht;
Mich brachte sie hier zum Strande.
Zum Reiche wohl erkor sie mir
All diese weiten Lande.

4.

Fischer.

Was spähest du nach der Angel
Vom Morgen bis zur Nacht,
Und hast mit aller Mühe doch
Kein Fischlein aufgebracht?

Jüngling.

Ich angle nicht nach Fischen;
Ich sah in Meeresschacht,
Wohl jeder Angel allzu tief,
Viel königliche Pracht.

5.

Wie schreitet königlich der Leu,
Schüttelt die Mähn' in die Lüfte!
Er ruft sein Machtgebot
Durch Wälder und Klüfte;

Doch werd' ich ihn stürzen
Mit dem Speer in starker Hand,
Um die Schultern mir schürzen
Sein Goldgewand.

Der Aar, ein König, schwebet auf,
Er rauschet in Wonne,
Will langen sich zur Kron' herab
Die goldene Sonne;

Doch in den Wolken hoch
Soll ihn fahen und spießen
Mein geflügelter Pfeil,
Daß er mir sinke zu Füßen.

6.

Im Walde läuft ein wildes Pferd,
Hat nie den Zaum gelitten,
Goldfalb, mit langer, dichter Mähn',
Schlägt Funken bei allen Tritten.

Der Königssohn, er fängt es ein,
Hat sich darauf geschwungen;
Es bläht die Brust und schwingt den Schweif,
Kommt wiehernd hergesprungen.

Und alle horchen staunend auf,
Die in den Tälern hausen;
Sie hören's vom Gebirge her
Wie Sturm und Donner brausen.

Da sprengt herab der Königssohn,
Umwallt vom Fell des Leuen;
Des wilden Rosses Mähne fleugt,
Die Hufe Feuer streuen.

Da drängt sich alles Volk herzu
Mit Jubel und Gesange:
»Heil uns! Er ist's, der König ist's,
Den wir erharrt so lange!«

7.

Es steht ein hoher, schroffer Fels,
Darum die Adler fliegen;
Doch wagt sich keiner drauf herab,
Den Drachen sehen sie liegen.

In alten Mauern liegt er dort
Mit seinem goldnen Kamme,
Er rasselt mit der Schuppenhaut,
Er hauchet Dampf und Flamme.

Der Jüngling, ohne Schwert und Schild,
Ist keck hinaufgedrungen,
Die Arme wirft er um die Schlang'
Und hält sie fest umrungen.

Er küßt sie dreimal in den Schlund,
Da muß der Zauber weichen;
Er hält im Arm ein holdes Weib,
Das schönst' in allen Reichen.

Die herrliche, gekrönte Braut
Hat er am Herzen liegen,
Und aus den alten Trümmern ist
Ein Königsschloß gestiegen.

8.

Der König und die Königin,
Sie stehen auf dem Throne;
Da glüht der Thron wie Morgenrot,
Wie steigende Sonn' die Krone.

Viel stolze Ritter stehn umher,
Die Schwerter in den Händen;
Sie können ihre Augen nicht
Vom lichten Throne wenden.

Ein alter, blinder Sänger steht,
An seine Harf' gelehnet;
Er fühlet, daß die Zeit erschien,
Die er so lang ersehnet.

Und plötzlich springt vom hohen Glanz
Der Augen finstre Hülle;
Er schaut hinauf und wird nicht satt
Der Herrlichkeit und Fülle.

Er greifet in sein Saitenspiel,
Das ist gar hell erklungen;
Er hat in Licht und Seligkeit
Sein Schwanenlied gesungen.

Des Sängers Fluch.

Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,
Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.

Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,
Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß,
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.

Der Alte sprach zum Jungen: »Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton!
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!
Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz.«

Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl,
Der König furchtbar prächtig wie blut'ger Nordlichtschein,
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.

Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll;
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit,
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott;
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

»Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?«
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.

Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm.
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.

Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt;
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:

»Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

»Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt!

»Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms!
Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
Sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!«

Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört;
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht;
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings statt duft'ger Gärten ein ödes Heideland,
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch.

Die versunkene Krone.

Da droben auf dem Hügel,
Da steht ein kleines Haus;
Man sieht von seiner Schwelle
Ins schöne Land hinaus.
Dort sitzt ein freier Bauer
Am Abend auf der Bank,
Er dengelt seine Sense
Und singt dem Himmel Dank.

Da drunten in dem Grunde,
Da dämmert längst der Teich.
Es liegt in ihm versunken
Eine Krone, stolz und reich;
Sie läßt zu Nacht wohl spielen
Karfunkel und Saphir;
Sie liegt seit grauen Jahren,
Und niemand sucht nach ihr.

Tells Tod.

Grün wird die Alpe werden,
Stürzt die Lawin' einmal;
Zu Berge ziehn die Herden,
Fuhr erst der Schnee zu Tal.
Euch stellt, ihr Alpensöhne,
Mit jedem neuen Jahr
Des Eises Bruch vom Föhne
Den Kampf der Freiheit dar.

Da braust der wilde Schächen
Hervor aus seiner Schlucht,
Und Fels und Tanne brechen
Vor seiner jähen Flucht.
Er hat den Steg begraben,
Der ob der Stäube hing,
Hat weggespült den Knaben,
Der auf dem Stege ging.

Und eben schritt ein andrer
Zur Brücke, da sie brach;
Nicht stutzt der greise Wandrer,
Wirft sich dem Knaben nach,
Faßt ihn mit Adlerschnelle,
Trägt ihn zum sichern Ort;
Das Kind entspringt der Welle,
Den Alten reißt sie fort.

Doch als nun ausgestoßen
Die Flut den toten Leib,
Da stehn um ihn, ergossen
In Jammer, Mann und Weib;
Als kracht' in seinem Grunde
Des Rotstocks Felsgestell,
Erschallt's aus einem Munde:
»Der Tell ist tot, der Tell!«

Wär' ich ein Sohn der Berge,
Ein Hirt am ew'gen Schnee,
Wär' ich ein kecker Ferge
Auf Uris grünem See
Und trät' in meinem Harme
Zum Tell, wo er verschied,
Des Toten Haupt im Arme,
Spräch' ich mein Klagelied:

»Da liegst du eine Leiche,
Der aller Leben war;
Dir trieft noch um das bleiche
Gesicht dein greises Haar.
Hier steht, den du gerettet,
Ein Kind, wie Milch und Blut;
Das Land, das du entkettet,
Steht rings in Alpenglut.

»Die Kraft derselben Liebe,
Die du dem Knaben trugst,
Ward einst in dir zum Triebe,
Daß du den Zwingherrn schlugst.
Nie schlummernd, nie erschrocken,
War Retten stets dein Brauch,
Wie in den braunen Locken,
So in den grauen auch.

»Wärst du noch jung gewesen,
Als du den Knaben fingst,
Und wärst du dann genesen,
Wie du nun untergingst,
Wir hätten draus geschlossen
Auf künft'ger Taten Ruhm;
Doch schön ist nach dem großen
Das schlichte Heldentum.

»Dir hat dein Ohr geklungen
Vom Lob, das man dir bot;
Doch ist zu ihm gedrungen
Ein schwacher Ruf der Not.
Der ist ein Held der Freien,
Der, wann der Sieg ihn kränzt,
Noch glüht, sich dem zu weihen,
Was frommet und nicht glänzt.

»Gesund bist du gekommen
Vom Werk des Zorns zurück,
Im hilfereichen, frommen
Verließ dich erst dein Glück.
Der Himmel hat dein Leben
Nicht für ein Volk begehrt;
Für dieses Kind gegeben,
War ihm dein Opfer wert.

»Wo du den Vogt getroffen
Mit deinem sichern Strahl,
Dort steht ein Bethaus offen,
Dem Strafgericht ein Mal;
Doch hier, wo du gestorben,
Dem Kind ein Heil zu sein,
Hast du dir nur erworben
Ein schmucklos Kreuz von Stein.

»Weithin wird lobgesungen,
Wie du dein Land befreit;
Von großer Dichter Zungen
Vernimmt's noch späte Zeit;
Doch steigt am Schächen nieder
Ein Hirt im Abendrot,
Dann hallt im Felstal wider
Das Lied von deinem Tod.«

Die Glockenhöhle.

Ich weiß mir eine Grotte,
Gewölbt mit Bergkristalle,
Die ist von einem Gotte
Begabt mit seltnem Halle:
Was jemand sprach, was jemand sang,
Das wird in ihr zu Glockenklang.

Dort tauschen zwei Beglückte,
Bewegt von gleichem Triebe,
Was längst die Herzen drückte,
Das erste Ja der Liebe;
Ein leises Glöcklein stimmt so rein
Zu einem lautern, vollern ein.

Dort lassen lust'ge Zecher
Sich auf der Felsbank nieder,
Sie schwingen volle Becher
Und singen trunkne Lieder;
Nie klang die Grotte so wie heut
Von Feuerlärm und Sturmgeläut.

Zween Männer, ernst und sinnig,
Vereint durch heil'ge Bande,
Sie reden dort so innig
Vom deutschen Vaterlande;
Da tönt die tiefste Kluft entlang
Ein dumpfer Grabesglockenklang.

Die verlorene Kirche.

Man höret oft im fernen Wald
Von obenher ein dumpfes Läuten,
Doch niemand weiß, von wann es hallt,
Und kaum die Sage kann es deuten.
Von der verlornen Kirche soll
Der Klang ertönen mit den Winden;
Einst war der Pfad von Wallern voll,
Nun weiß ihn keiner mehr zu finden.

Jüngst ging ich in dem Walde weit,
Wo kein betretner Steig sich dehnet;
Aus der Verderbnis dieser Zeit
Hatt' ich zu Gott mich hingesehnet.
Wo in der Wildnis alles schwieg,
Vernahm ich das Geläute wieder;
Je höher meine Sehnsucht stieg,
Je näher, voller klang es nieder.

Mein Geist war so in sich gekehrt,
Mein Sinn vom Klange hingenommen,
Daß mir es immer unerklärt,
Wie ich so hoch hinaufgekommen.
Mir schien es mehr denn hundert Jahr',
Daß ich so hingeträumet hätte,
Als über Nebeln sonnenklar
Sich öffnet' eine freie Stätte.

Der Himmel war so dunkelblau,
Die Sonne war so voll und glühend,
Und eines Münsters stolzer Bau
Stand in dem goldnen Lichte blühend.
Mir dünkten helle Wolken ihn
Gleich Fittichen emporzuheben,
Und seines Turmes Spitze schien
Im sel'gen Himmel zu verschweben.

Der Glocke wonnevoller Klang
Ertönte schütternd in dem Turme;
Doch zog nicht Menschenhand den Strang,
Sie ward bewegt von heil'gem Sturme.
Mir war's, derselbe Sturm und Strom
Hätt' an mein klopfend Herz geschlagen;
So trat ich in den hohen Dom
Mit schwankem Schritt und freud'gem Zagen.

Wie mir in jenen Hallen war,
Das kann ich nicht mit Worten schildern.
Die Fenster glühten dunkelklar
Mit aller Märtrer frommen Bildern;
Dann sah ich, wundersam erhellt,
Das Bild zum Leben sich erweitern,
Ich sah hinaus in eine Welt
Von heil'gen Frauen, Gottesstreitern.

Ich kniete nieder am Altar,
Von Lieb' und Andacht ganz durchstrahlet.
Hoch oben an der Decke war
Des Himmels Glorie gemalet;
Doch als ich wieder sah empor,
Da war gesprengt der Kuppel Bogen,
Geöffnet war des Himmels Tor
Und jede Hülle weggezogen.

Was ich für Herrlichkeit geschaut
Mit still anbetendem Erstaunen,
Was ich gehört für sel'gen Laut,
Als Orgel mehr und als Posaunen:
Das steht nicht in der Worte Macht;
Doch wer darnach sich treulich sehnet,
Der nehme des Geläutes acht,
Das in dem Walde dumpf ertönet!

Das versunkene Kloster.

Ein Kloster ist versunken
Tief in den wilden See,
Die Nonnen sind ertrunken
Zusamt dem Pater, weh!
Der Nixen muntre Scharen,
Sie schwimmen stracks herbei,
Nun einmal zu erfahren,
Was in den Mauern sei.

Das plätschert und das rauschet
In Kreuzgang und Dorment!
Am Lokutorium lauschet
Der schäkernde Konvent;
Man hört Gesang im Chore
Und lustig Orgelspiel;
Das Glöcklein ruft zur Hore,
Wann's ihnen just gefiel.

Bei heitrem Vollmondglanze
Lockt sie der grüne Strand
Zu einem Ringeltanze
In geistlichem Gewand;
Die weißen Schleier flattern,
Die schwarzen Stolen wehn,
Die Kerzenflämmchen knattern,
Wie sie im Sprung sich drehn.

Der Kobold dort im Schutte
Der hohlen Felsenwand,
Er nimmt des Paters Kutte,
Die er am Ufer fand;
Die Tänzerinnen schreckend,
Kommt er zur Mummerei,
Sie aber tauchen neckend
Hinab in die Abtei.

Märchen.

Ihr habt gehört die Kunde
Vom Fräulein, welches tief
In eines Waldes Grunde
Manch hundert Jahre schlief.
Den Namen der Wunderbaren
Vernahmt ihr aber nie;
Ich hab' ihn jüngst erfahren:
Die deutsche Poesie.

Zwo mächt'ge Feen nahten
Dem schönen Fürstenkind,
An seine Wiege traten
Sie mit dem Angebind.
Die erste sprach behende:
»Ja, lächle nur auf mich!
Ich gebe dir frühes Ende
Von einer Spindel Stich.«

Die andre sprach dagegen:
»Ja, lächle nur auf mich!
Ich gebe dir meinen Segen,
Der heilt den Todesstich;
Der wird dich so bewahren,
Daß süßer Schlaf dich deckt,
Bis nach vierhundert Jahren
Ein Königssohn dich weckt.«

Da ward ins Reich erlassen
Ein feierlich Gebot,
Verkündet in allen Straßen,
Der Tod darauf gedroht:
Wo jemand Spindeln hätte,
Die sollte man liefern ein
Und sie an offner Stätte
Verbrennen insgemein.

Nicht nach gewohnter Sitte
Erzog man dieses Kind
In dumpfer Kammern Mitte
Noch sonst, wo Spindeln sind;
Nein, in den Rosengärten,
In Wäldern frisch und kühl,
Mit lustigen Gefährten,
Bei freiem, kühnen Spiel.

Und als es kam zu Jahren,
Ward es die schönste Frau
Mit langen, goldnen Haaren,
Mit Augen dunkelblau;
In Gang, Gebärde züchtig,
In Reden treu und schlicht,
In aller Arbeit tüchtig,
Nur mit der Spindel nicht.

Viel stolze Ritter gingen
Der Holden Dienste nach,
Heinrich von Ofterdingen,
Wolfram von Eschenbach;
Sie gingen in Stahl und Eisen,
Goldharfen in der Hand.
Die Fürstin war zu preisen,
Die solche Diener fand.

Mit Degen und mit Speere
Waren sie stets bereit;
Den Frauen gaben sie Ehre
Und sangen widerstreit.
Sie sangen von Gottesminne,
Von kühner Helden Mut,
Von lindem Liebessinne,
Von süßer Maienblut.

Von alter Städte Mauern
Der Widerhall erklang,
Die Bürger und die Bauern
Erhuben frischen Sang.
Der Senne hat gesungen,
Der über den Wolken wacht,
Ein Lied ist aufgeklungen
Tief aus des Bergmanns Schacht.

In einer Mainacht blinkten
Die Sterne wunderschön;
Der Fürstin war, als winkten
Sie ihr zu Turmes Höhn;
Sie stieg hinauf zum Dache,
Die Zarte ganz allein,
Da fiel aus einem Gemache
Ein trüber Lampenschein.

Ein Weiblein, grau von Haaren,
Dort an dem Rocken spann;
Sie hatte wohl nichts erfahren
Vom strengen Spindelbann.
Die Fürstin, die noch nimmer
Gesehen solche Kunst,
Sie trat in Weibleins Zimmer:
»Wer bist du, mit Vergunst?«

»Man nennt mich, schönes Liebchen,
Die Stubenpoesie;
Denn aus dem trauten Stübchen
Verirrt' ich mich noch nie.
Ich sitz' am lieben Platze
Beim Rocken, wandellos;
Meine alte blinde Katze,
Die spinnt auf meinem Schoß.

»Lange, lange Lehrgedichte,
Die spinn' ich recht mit Fleiß,
Flächsene Heldengedichte,
Die haspl' ich schnellerweis;
Mein Kater maut Tragödie,
Mein Rad hat lyrischen Schwung,
Meine Spindel spielt Komödie
Mit Tanzbelustigung.«

Die Fürstin tät erbleichen,
Als man von Spindeln sprach;
Sie wollte flugs entweichen,
Die Spindel sprang ihr nach,
Und an der morschen Schwelle,
Da fiel das Fräulein jach;
Die Spindel auf der Stelle
Sie in die Ferse stach.

Was war das für ein Schrecken,
Als man sie morgens traf!
Sie war nicht mehr zu wecken,
Sie schlief den Zauberschlaf.
Ein Lager ward bereitet
Im hohen Rittersaal,
Goldstoffe drauf gebreitet
Und Rosen ohne Zahl.

So schlief sie in der Halle,
Die Fürstin, reich geschmückt.
Bald hatte die andern alle
Der gleiche Schlaf berückt;
Die Sänger schon in Träumen,
Rührten die Saiten bang,
Bis in des Schlosses Räumen
Der letzte Laut verklang.

Die Alte spann noch immer
Im stillen Kämmerlein;
Es woben in jedem Zimmer
Die Spinnen, groß und klein.
Die Hecken und Ranken woben
Sich um den Fürstenbau,
Und um den Himmel oben,
Da spann sich Nebelgrau.

Wohl nach vierhundert Jahren,
Da ritt des Königs Sohn
Mit seinen Jägerscharen
Ins Waldgebirg davon:
»Was ragen doch da innen
Ob all dem hohen Wald
Für graue Türm' und Zinnen
Von seltsamer Gestalt?«

Am Wege stund gerade
Ein alter Spindelmann:
»Erlauchter Prinz, um Gnade!
Hört meine Warnung an!
Romantische Menschenfresser
Hausen auf jenem Schloß,
Die mit barbarischem Messer
Abschlachten klein und groß.«

Der Königssohn verwegen
Tät mit drei Jägern ziehn,
Sie hieben mit den Degen
Sich Bahn zum Schlosse hin.
Gesenket war die Brücke,
Geöffnet war das Tor,
Daraus im Augenblicke
Ein Hirschlein sprang hervor.

Denn in des Hofes Räumen,
Da war es wieder Wald,
Da sangen in den Bäumen
Die Vögel mannigfalt.
Die Jäger ohn' Verweilen,
Sie drangen mutig hin,
Wo eine Tür mit Säulen
Aus dem Gebüsch erschien.

Zween Riesen schlafend lagen
Wohl vor dem Säulentor,
Sie hielten, ins Kreuz geschlagen,
Die Hellebarden vor;
Darüber rüstig schritten
Die Jäger allzumal,
Sie gingen mit kecken Tritten
Zu einem großen Saal.

Da lehnten in hohen Nischen
Geschmückter Frauen viel,
Gewappnete Ritter dazwischen
Mit goldnem Saitenspiel:
Hochmächtige Gestalten,
Geschloßnen Auges, stumm,
Grabbildern gleich zu halten
Aus grauem Altertum.

Und mitten ward erblicket
Ein Lager, reich von Gold,
Da ruhte wohlgeschmücket
Eine Jungfrau wunderhold.
Die Süße war umfangen
Mit frischen Rosen dicht,
Und auch von Mund und Wangen
Schien zartes Rosenlicht.

Der Königssohn, zu wissen,
Ob Leben in dem Bild,
Tät seine Lippen schließen
An ihren Mund so mild;
Er hat es bald empfunden
Am Odem, süß und warm,
Und als sie ihn umwunden,
Noch schlummernd mit dem Arm.

Sie streifte die goldnen Locken
Aus ihrem Angesicht,
Sie hob, so süß erschrocken,
Ihr blaues Augenlicht.
Und in den Nischen allen
Erwachen Ritter und Frau,
Die alten Lieder hallen
Im weiten Fürstenbau.

Ein Morgen, rot und golden,
Hat uns den Mai gebracht,
Da trat mit seiner Holden
Der Prinz aus Waldesnacht.
Es schreiten die alten Meister
In hehrem stolzem Gang,
Wie riesenhafte Geister,
Mit fremdem Wundersang.

Die Täler, schlummertrunken,
Weckt der Gesänge Lust.
Wer einen Jugendfunken
Noch hegt in seiner Brust,
Der jubelt tief gerühret:
»Dank dieser goldnen Früh',
Die uns zurückgeführet
Dich, deutsche Poesie

Die Alte sitzt noch immer
In ihrem Kämmerlein;
Das Dach zerfiel in Trümmer,
Der Regen drang herein.
Sie zieht noch kaum den Faden,
Gelähmt hat sie der Schlag;
Gott schenk' ihr Ruh' in Gnaden
Bis über den jüngsten Tag!

*


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